527
Gräfenhausen, 14. Juli. Wie wir hören, ist die Errichtung einer Postagentur an hoher Stelle genehmigt worden. Wann dieselbe in Kraft tritt, ist noch nicht bekannt.
Neuenbürg, 14. Juli. In Rotheusohl machte vorgestern abend einer anläßlich einer Händelei von dem Messer Gebrauch und stach einen Kameraden derart in den Hals, daß der Verletzte am gestrigen Abend verstorben ist. Heute findet die gerichtl. Sektion statt. Der Thäter wurde ans Amtsgericht eingeliefert. Näheres über den bedauerlichen Fall ist dem Schreiber ds. noch nicht bekannt.
Der Gesangverein Freundschaft in Pforzheim begeht am Samstag bis Montag den 14./16. ds. Mts. sein 50-fahriges Jubiläum des Bestehens mit Festkonzert am Samstag, abends 8 Uhr im Saalbau, wobei Konzertsänger Sauter aus Ludwigsburg, sowie die vollständige Kapelle des 4. württ. Infanterieregiments Nr. 122 Mitwirken werden. Am Sonntag, nachmittags >/- 3 Uhr findet, jedoch nur im Falle günstiger Witterung, Festzug, und im Anschluß daran Konzert im Stadtgarten und Abends von 6 Uhr an großes Festbankett im Saalbau unter Mitwirkung von 14 Gesangvereinen statt, welche ihre einzelnen Chöre vortragen. Die Ausgabe der Eintrittskarten mußte wegen der großen Anzahl der Mitwirkenden auf die zahlreichen Mitglieder des Jubelvereins u. einige Ehrengäste beschränkt werden, doch haben benachbarte Gesangvereine, welche mit der Freundschaft dem Schwab. Sängerbund angehören, in gewohnt gastfreundlicher Weise noch eine Anzahl Eintrittskarten erhalten.
Neuenbürg, 14. Juli. Auf den hiesigen Schweinemarkt wurden 90 Stück Milchschweine zugeführt und das Paar zu 16—26 verkauft.
Deutsches Weich.
Zwei fürstliche Hochzeiten haben in der abgelaufenen Woche gleichzeitig, am 10. Juli stattgesunden. In Gmunden wurde die Vermählung des Prinzen Max von Baden, Neffen des Großherzogs Friedrich, mit der Prinzessin Marie Luise von Cumberland vollzogen, und in München erfolgte die Vermählung des Prinzen Rupprecht, des ältesten Enkels des Prinz- Regenten Luitpold, mit Herzogin Marie Gabriele in Bayern, jüngeren Tochter des berühmten Augenarztes, Herzogs Karl Theodor im Schloß zu Tegernsee. Dem letzteren Hochzeitsfeste wohnte u. a. auch Prinz Joachim Alb- recht von Preußen als Vertreter des deutschen Kaisers bei, welcher Umstand jedenfalls von neuem ein freundliches Licht auf die Beziehungen Mischen den beiden Höfen von Berlin und München wirft. Was die nun vollzogene Verbindung des badischen Fürstensohnes mit der Tochter des welfischen Thronprätendenten anbelangt, so wird von welfischer Seite eifrigst versucht, aus dem Ereignisse politisches Kapital zu schlagen, namentlich im Hinblick auf die Anwesenheit des Kaisers von Oesterreich, des badischen Herrscherpaares und des Prinzen Friedrich Karl von Hessen nebst Gemahlin, d. h. des Schwagers und der Schwester Kaiser Wilhelms, bei den Gmundener Vermählungsfestlichkeiten,' höchst wahrscheinlich dürfte aber das Welfentum wit diesen politischen Spekulationen eine Enttäuschung erfahren.
In Berlin ist am Mittwoch die angekündigte Extrasitzung des Bundesrats-Aus- schusses für die auswärtigen Angelegenheiten abgehalten worden; Bayern war hierbei durch den Ministerpräsidenten v. Crailsheim, Sachsen durch den Minister des Aeußern v. Mctzsch verbeten. Ueber den Verlauf der Verhandlungen erfährt^ man von offiziöser Seite sehr wenig. Es heißt, daß der Ausschuß die Erklärungen des Staatssekretärs Grafen Bülow über die Lage in China entgegengenommen habe, worauf nach einer längeren Besprechung an der sich alle Ausschußmitglieder beteiligt hätten, der Vorsitzende me einmütige Zustimmung des Ausschusses zu den eingehenden Darlegungen des Grafen Bülow festgestellt habe. Welcher Art diese Darlegungen des Leiters unseres Auswärtigen Amtes gewese sein mögen, darüber kann man allerdings nr Mutmaßungen hegen, jedenfalls haben aber jer
die volle Zustimmung der Vertreter des Bundesrats gefunden.
Berlin, 12. Jnli. Staatssekretär Graf Bülow richtete an die deutschen Bundesregierungen ein Rundschreiben, worin es nach den historischen Schilderungen der Vorgänge in China seit Mitte Juni heißt: Die militärische Lage hat sich jetzt anscheinend dahin geändert, daß die Chinesen den Kaiserkanal bei Tientsin durchstachen, um den Anmarsch auf Peking von Süden her durch Ueberschwemmungen zu hindern so daß Tientsin selbst von Norden und Osten her durch das Eindringen von feindlichen Heeresmassen ernstlich bedroht ist. Als das Ziel der Reichsregierung bezeichnet das Rundschreiben die Wiederherstellung des Friedens, Rettung der in Peking eingeschlossenen Fremden, Sühnung und Genugthuung für die verübten Unthaten bezeichnet. Deutschland wünscht jedoch keine Aufteilung Chinas und erstrebt keine Sondervorteile.
Berlin, 13. Juli. Die Erklärungen des Grasen Bülow über die Wirren in China finden allseitig in der Presse Beifall und Zustimmung.
Das von Kiel ausgelaufene deutsche Chinageschwader hat auf seiner Fahrt nach dem fernen Osten in Wilhelmshafen einen kurzen Halt gemacht, worauf es am Mittwoch vormittag von dort weitergedampft ist, geleitet von den herzlichen Abschiedsgrüßen einer tausendköpfigen Menschenmenge. Hinsichtlich des Abganges des weiteren nach China bestimmten deutschen Expeditionskorps scheint noch kein Tag definitiv festgesetzt zu sein, möglicherweise verzögert sich aber die Abfahrt noch etwas, denn es verlautet neuerdings, daß keineswegs eine gemischte Brigade, wie es bislang hieß, zur Verstärkung der deutschen Landtruppen in China abgeschickt werden sollen, sondern ein etwas über 10000 Mann starkes größeres Truppenkorps. Wie dringend nötig namhafte Verstärkungen für die auf chinesischem Boden befindlichen internationalen Streitkräfte überhaupt sind, dies beweisen auch die schweren Kämpfe, welche in den Tagen des 4. bis 7. oder 8. Juli bei Tientsin abermals stattgefunden haben und in denen sich die fremden Truppen nur mit Mühe gegen die gewaltige chinesische Uebermacht zu behaupten vermochten. Leider soll in diesen Kämpfen das deutsche Kontingent, gleich wie die Russen und Japaner, wiederum große Verluste erlitten haben, doch ist über dieselben noch nichts näheres bekannt. Noch immer läßt sich über die Wirkung des hochherzigen Anerbietens Kaiser Wilhelms, für alle in Peking eingeschlossenen Fremden Lösegeld zahlen zn wollen, nichts berichten möglich, daß diese Mitteilung überhaupt nicht bis Peking gelangt ist.
Nach einer Meldung des Chefs des Kreuzergeschwaders aus Taku vom 9. ds. dauert die Beschießung von Tientsin durch die Chinesen fort. Die Lage bleibt ernst.
Aus New-Aork wird die Ankunft des Schnelldampfers Deutschland gemeldet: Er hat um eine Stunde weniger zur Ueberfahrt gebraucht als das bisher schnellste Schiff.
Mainz, 12. Juli. Die für China zu bildende Haubitzenbatterie tritt am 17. Juli in Jüterbog zusammen. Jedes Fußartillerieregiment giebt ein kleines Kommando dazu ab. Die hiesige Armee-Konservenfabrik arbeitet Tag und Nacht.
Dirschau (Westpreußen), 12. Juli. Vergangene Nacht sind am Markt hier vier große Geschäftshäuser niedergebrannt. Sämtliche Warenbestände sind vernichtet.
Heidelberg, 11. Juli. Veranlaßt durch die außerordentlich hohen Preise, die gegenwärtig im Kohlenhandel gelten und für die Käufer noch besongers erschwerend dadurch wirken, daß die Kohlenhändler hier (wie in Mannheim) nur noch gegen Barzahlung liefern wollen, hat man beschlossen, hier eine Kohlen- Einkaufsgenossenschaft ins Leben zu rufen. Durch geschickte Vertreter sollen die Kohlen bei den Zechen zu annehmbaren Preisen aufgekauft und dann an die Mitglieder zum Selbstkostenpreise abgegeben werden. — Größerer Sympathie
als die Kohlenhändler erfreuen sich derzeit hier die Wirte, die, entgegen einem vielfach auswärts gegebenen Beispiel beschlossen haben, trotz der Zollerhöhung das Pilsener Bier zum bisherigen Preise auszuschänken. Auch aus Mannheim wird von solch löblichem Beschluß berichtet.
Aus der Rheinpfalz, 11. Juli. Die Rebenblüte verlief im gesamten Gebiete der Pfalz befriedigend. Bessere Reblagen der Haardt führen Klage über Durchfallen der Riesling- Fruchtansätze. Pflanzliche und tierische Rebenschädlinge treten bisher noch nicht einschneidender auf. Im Weinverkauf war es noch ziemlich belebt.
Württemberg.
Cannstatt, 13. Jnli. Gestern abend wurden von einem aus München gebürtigen, in Stuttgart jetzt wohnhaften jungen Techniker im Alter von noch nicht 20 Jahren, namens Dal- meier, während der Aufführung von „Die Puppe" im Wilhelmatheater auf Frl. Saccur drei scharfe Schüsse abgegeben. Der Thäter wurde sofort seilgenommen. Frl. Saccur blieb unverletzt.
Eßlingen, 12. Juli. Infolge einer Umfrage haben sich hier bis jetzt 25 Firmen bereit erklärt, versuchsweise ihre Läden an Sonntagen vollständig geschlossen zu halten.
Ausland
Aus Ungarn, 10. Juli. Bei dem furchtbaren Wirbelsturm, der neulich über verschiedene Gegenden Ungarns raste, wurde in einer Provinzialstadt auch ein vollbesetzter Cirkus getroffen. Die Wirkung war schauerlich. Das Dach wurde abgedeckt und stürzte zum Teil auf das Publikum, welches in Schreckensverwirrung geriet und Hals über Kopf nach den Ausgängen drängte. Schwere Verwundungen und auch Todesfälle sind vorgekommen. Namentlich gerieten viel Frauen und Mädchen unter die Füße der Menge.
Paris, 12. Juli. Der „New-T)ork He- rald" meldet, daß eine Brieftaube, die am 10. Juli um 4 Uhr 30 Minuten morgens in Bordeaux aufgelassen wurde, um 8 Uhr 20 Minuten abends des gleichen Tages in ihrem Schlage bei Liverpool eingetroffen sei. Der geflügelte Bote hatte in 16 Stunden 585 Meilen zurückgelegt. Es wird behauptet, daß dies die größte Schnelligkeit sei, welche je von einer Brieftaube geleistet worden sei.
Ueber die russiche Chinapolitik liegt eine von der „Pol. Korresp." in Wien verbreitete recht beachtenswerte offizielle Petersburger Kundgebung vor. In den markantesten Stellen derselben heißt es ungefähr, daß Rußland nur ein „chinesisches China," nicht aber ein ein englisches oder japanisches China wolle, Rußland würde seine Interessen preisgeben, falls es einem andern Staate gestatten würde, sich als Vormacht in China zu etablieren. Weiter wird betont, das Ziel der Mächte in China müsse auf Wiederherstellung der Ordnung und ungeschmälerte Erhaltung des Reiches beschränkt bleiben, die Ansprüche der einzelnen Mächte dürften mit diesem Prinzip nicht in Widerspruch stehen. Den militärischen Einzug der Mächte in China bezeichnet die Kundgebung als ein bloßes Interim, das die Integrität des chinesischen Reiches nicht berühren dürfte. Die Auslassung schließt mit der fast drohend klingenden Erklärung, lediglich auf dieser Grundlage könne eine Bürgschaft dafür gewonnen werden, daß sich nicht aus der Abrechnung mit China eine solche unter den Mächten selbst entwickeln. — Also die anderen Mächte sollen hübsch die Finger von dem chinesischen Braten lassen, damit Rußland bei Passender Gelegenheit desto ungestörter zulangen könne — das ist offenbar das Geheimnis der russischen Chinapolitik.
Shanghai, 12. Juli. Li-Hung-Tschang erhielt nach der „Daily Mail" gestern ein kaiserliches Edikt, in dem er angewiesen wird, sofort nach Peking zu kommen. Juan Schikei erhielt Nachrichten aus Peking, nach denen zwischen den Führern der verschiedenen Parteien erbitterte Feindschaft herrsche. Ein Offizier des Generals Hunglu wurde nach einem Mordangriff auf den Prinzen Tuan enthauptet.