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erläge zu Ar. 57 des Knzthälers.

Neuenbürg, Mittwoch den 11. April 1900.

Württemberg.

Stuttgart, 10. April. In der Anklage­sache gegen den Banquier Sally Nördlinger bejahten die Geschworenen nach viertägiger Ver­handlung, in der gegen 90 Zeugen vernommen wurden, die Schuldsrage im Sinne der Anklage unter Ausschluß mildernder Umstände, worauf der Angeklagte wegen Vornahme unzüchtiger Hand­lungen, in einem Fall zusammentreffend mit Not­zucht, zu einer Zuchthausstrafe von zwei Jahren verurteilt wurde.

Stuttgart, 6. April. Ueber die Ein­wohnerzahl Stuttgarts am Jahrhundertende ist in den statistischen Monatsberichten der Stadt Stuttgart eine Arbeit enthalten, worin abgerechnet wird, daß bei gleicher Fortentwicklung wie seither Stuttgart am 1. Dezember 1900 eine Einwohner­ziffer von über 183000 erreichen und im Sep­tember 1903 die Ziffer 200000 überschreiten wird. Um die vorige Jahrhundertwende hatte Stuttgart 20000 überschritten; anno 1624 zählte es 7600 Einwohner. Vor 75 Jahren war Stutt­garts Anteil an der Gesamtbevölkerung Württem­bergs 2,7 °/o, jetzt über 8°/-.

Feuerbach, 9. April. Am letzten Sams­tag war eine Deputation, bestehend aus mehreren Ortsvorstehern und einem Regierungsbaumeister, hier, um den Anschluß der in sicherer Aussicht stehenden Strohgäubahn auf hiesigem Bahnhof in die Wege zu leiten.

Ulm, 10. April. Wie Oberbürgermeister Wagner heute den bürgerlichen Kollegien mit­teilte, ist nun der Vertrag der Stadt Ulm, betr. Niederlegung der inneren Umwallung, perfekt, nachdem auch in Berlin die erforderlichen Unter­schriften vollzogen sind. Der Vertrag wird jetzt sofort in der Presse veröffentlicht werden.

Tübingen, 7. April. Wegen falscher Beurkundungen im Amt stand heute vor der Strafkammer der frühere Schullehrer und nach­malige Schultheiß Friedr. Dreher in Holz­bronn OA. Calw. Dreher, der inzwischen sein Amt niedergelegt hat, wurde im Oktober 1895 zum Schultheißen der Gemeinde Holzbronn ge­wählt und war damit zugleich auch Standes­beamter. In dieser Eigenschaft hat er, wie ihm die Anklage zur Last legt, in vielen Fällen be­urkundet, daß die Einträge je von ihm in Gegen­wart des Anzeigenden an dem im Hauptregister angegebenen Tage vollzogen, vorgelesen und unterzeichnet worden seien, während er jeweils blos Notizen machte, die Einträge später besorgte und diese von den Anzeigenden bei Gelegenheit unterzeichnen ließ oder ihnen zu diesem Zwecke in die Wohnung sandte. Der Angeklagte bestritt diese Behandlungsweise. Dreher war auch Sühne­beamter und in dieser Richtung beschuldigt, er habe in dem Protokoll über einen von den Parteien wegen Beleidigung beantragten Sühne­versuch beurkundet, es seien beide Parteien er­schienen und haben ihre Erklärungen abgegeben, während wie er wußte, nur eine Partei erschienen war und keinerlei Verhandlung in Anwesenheit beider Parteien stattgefunden hatte. Der Ange­klagte gab dies zu und machte geltend, er habe schon zum Voraus gewußt, daß eine Geneigtheit zu einem Vergleich bei den Parteien nicht vor­handen sei und deshalb habe er das Protokoll so abgefaßt. Auf Grund des Ergebnisses der Hauptverhandlung, in der der Angeklagte die ihm als Standesbeamten zur Last gelegten falschen Beurkundungen energisch in Abrede zog, trotzdem die einvernommenen Zeugen teilweise das Gegenteil bezeugten, wurde er zur Gefängnis­strafe von 1 Monat verurteilt; der Staatsanwalt hatte 4 Monate beantragt.

Vom Lande, 9. April. Ehr. Wagner, der Bauer und Dichter zu Warmbronn OA. Leon­berg, ein großer Tierfreund und Ehrenmitglied des Lehrervereins für Naturkunde, erzählt in der Zeitschrift dieses Vereins folgenden rührenden Fall vsn Anhänglichkeit der Katzen. Vor etwa 4 Wochen war es, als ich mit meinem 12jährigen

Töchterlein nach Magstadt wanderte. Unterwegs bemerkten wir, daß eine unserer grauen Katzen uns begleitete. Das wäre nun schon recht ge­wesen, aber ich befürchtete, sie möchte uns in dem fremden Dorf abhanden kommen, möchte verscheucht werden, verloren gehen. Deshalb bedeuteten wir ihr, obschon ungern, sie soll Zurückbleiben. Das war mittags 12 Uhr. Was geschah? Als wir abends 7 Uhr desselben Weges wieder kamen, erwartete uns die Katze fast genau an derselben Stelle, wo wir sie verließen. Sie hatte eine königliche Freude, als sie uns kommen hörte und versuchte dieselbe durch Streichen, Schnurren und Miauen kundzugeben. Das treue Tier hatte also 7 Stunden lang auf uns gewartet und es war zudem frostiges Wetter gewesen,

Stuttgart. sLandesproduktenbörse i Bericht vom 9. April von dem Vorstand Fritz Kreglinger. Im Geireidegeschäst ist in der abgelauienen Woche keine Aenderung cingetreten, die Preise für Weizen sind gleich geblieben. Die Qualität des neuen argen- tinischen Weizens ist befriedigend und wird gerne ge­kauft. Trotzdem konnte sich ein lebhafteres Geschäft nicht entwickeln, weil die Mühlen noch fortwährend über unrentable Mehlpreise klagen. Die Jnlandsmärkte haben kleine Preiserhöhung. Mehlpreise Pr. 100 Kilogr. inkl. Sack: Mehl Nr. 0: 284L ^ bis 28 50 Nr. 1: 26 -44 bis 26 -4t

50 Nr. 2: 24 50 bis 25 .« ^ Nr. 3:

23 -kt bis 234L 50 4,, Nr. 4: 21 °4t ^ bis 21 <4t 50 -I. SuppengrieS 28 bis

28 ^ 50 Kleie 94L 80 4,.

Ausland

London, 9. April. Nach einer Meldung aus Prätoria vom 2. April wurden den Eng­ländern in dem Kampfe bei den Wasserwerken von Bleemfontein 11 Kanonen und 2 Wagen mit Munition, überdies zahlreiche Proviantwagen abgenommen.

Kapstadt, 9. April. In einer Depesche derTimes" von hier mit dem Datum vom 5. heißt es: Alle Einzelheiten, die bezüglich des Unglücks beim Koornspruit hierher gelangen, dienen nur dazu, die bewunderungswürdige Ge­schicklichkeit der Buren nicht weniger als die merkwürdige Sorglosigkeit der englischen Offiziere darzuthun, da sich letztere auch nicht durch eine Reihe von Mißerfolgen belehren lassen, daß sie auf der Hut sein müssen. Man spricht in England viel davon, das Heer zu reorganisieren und zu vermehren. Man würde besser thun, es etwas intelligenter zu machen. Unsere Generäle, Offi­ziere und Soldaten sind alle tapfere Männer, aber sie sind einfältig.

Mafeking, 10. April. Heute früh er- öffneten die Buren das Feuer aus sieben Ge­schützen. Die Beschießung war die heftigste seit Beginn der Belagerung. Gleichzeitig griffen die Buren von Norden und Südwesten an, wurden jedoch zurückgeschlagen.

Das Repräsentantenhaus in Washington hat über die Flotten-Vorlage der Bereinigten Staaten beraten. Die Vorlage umfaßt eine Aus­gabe von 61 Millionen Dollars, der größten Summe, die jemals im Hause für eine Forder­ung zur Beratung stand. Der Entwurf em­pfiehlt den Bau von zwei Hochsee- und Küsten- Schlachtschiffen zu je 13500 Tonnen, von drei gepanzerten Kreuzern zu 13000 Tonnen und drei geschützten Kreuzern zu 8000 Tonnen. Ueber die Panzerfrage sprach sich die Mehrheit des Ausschusses dahin aus, daß nach der Meinung aller Marine-Autoritäten gegenwärtig der beste der sogenannte Krupp-Pahmer sei, den alle Na­tionen verwendeten, und daß es nahezu Verrat wäre, einen andern als den besten Panzer zu empfehlen.

Unweit der Station Dembino ist, nach einer Meldung aus Orel, ein Zug der Orel- Griäsi-Bahn infolge eines Bandagenbruches. Der Zugführer, zwei Schaffner und fünf Reisende blieben auf der Stelle tot, einige andere Personen erlitten Verletzungen.

Unterhaltender Heil.

Im Feuer zusammengeschweißt.

Bon G. R.

Vor der Hofthür seines stattlichen Anwesen- stand breitspurig Andreas Althöffer mit der silber- beschlagenen Meerschaumpfeise im Munde; die rechte Hand hatte er in die Hosentasche versenkt und klimperte Protzig mit harten Thalerstücken, so daß man's zwanzig Schritt weit hören konnte. Aeußerlich war er so recht das Urbild eine- schweren" Altenburger Bauern, hager, groß und starkknochig, mit Jacke und Pluderhose vom fein- sten Tuch, sowie glänzend gewichsten hohen Stiefeln angethan. Die dunklen, etwas durch- grauten Haare waren noch ungelichtet und all­dem glattrasierten, hartkantigen Gesicht blickten die Augen scheinbar gleichgiltig, aber in Wahr­heit allzeit scharf spähend umher. Diesem Blicke entging kein Strohhalm am Unrechten Platz, und wer's auf dem Althöffer Hofe audhalten wollte, mußte von Haus aus an gehörige Ordnung und Pünktlichkeit gewöhnt sein. Lässige- Gesinde flog schon nach wenigen Tagen wieder auf die Land­straße, wenn die Betreffenden sich nicht vorher selber unsichtbar machten, um den unausbleib­lichen fürchterlichen Grobheiten zu entgehen, die in der Landschaft beinahe sprichwörtlich waren. Da Andreas nebenbei über eine ungewöhnliche Körperkraft verfügte, wagten selbst die trotzigsten Burschen nicht anAufmucken" zu denken.

Nur einem Menschen gegenüber verleuguete er die ganze rauhe Ursprünglichkeit seines Wesen-, und dieser einzige Mensch war sein einziger Sohn. Gerade dieser aber hätte eine tüchtige Portion väterlicher Zucht recht wohl gebrauchen können, denn vom erbsässigen, biderben Bauern schien ihm bitterwenig im Blut zu stecken. Der hübsche, schlanke Junge hatte trotz seiner zwanzig Jahre schon bedeutende Kenntnisse im Geldskat, dem landesüblichsten Bauernlaster, ging gern den Mädchen nach und war nicht allein ein leiden­schaftlicher Jäger, sondern man behauptete auch, daß er mit Vorliebe andere Reviere als das der Gemeindejagd mit Pürsch und Anstand heim- suchte. Um die Wirtschaft kümmerte er sich so gut wie gar nicht, kaum daß er 'mal ab und zu die Nase in einen Stall steckte, um aus langer Weile Pferde und Rindvieh einer flüchtigen Be­trachtung zu unterwerfen.

Vater Andreas wagte Wohl manchmal einen sanften Tadel unter dem wohlwollenden Hin­weis, daß doch eigentlich die Sache ihn etwa- anginge, weil das Gut dereinst sein alleiuige- Eigentum sei, aber Leonhard, der Herr Sohn, schnitt dazu ein reumütiges Gesicht, ließ aber die Dinge im übrigen beim Men. Er wußte gang genau, wenn er äußerlich seinen Respekt gegen den Vater nicht verletzte, konnte er treiben, was er wollte, dieweil auf ihn, als der letzte von fünf Kindern der ganze Schatz väterlicher Zärtlichkeit überkommen war. Heute befand sich Althöffer senior indeß ausnahmsweise in etwa­gereizter Stimmung gegen seinen Stammhalter. Nicht genug, daß dieser vorgestern über hundert Thaler im Fünfgroschenskat verloren hatte, heute morgen kam er hinkend und Übel verdroschen mit blauunterlaufenen Augen aus einem Nachbardorfe von einem zarten Stelldichein zurück, weiche- einige Nebenbuhler vermittelst zolldicker Knüppel unterbrachen. Dabei war's nicht einmal eiue- reichen Bauern Kind, um welches die Schlacht geliefert wurde, sondern die allerdings recht hübsche Tochter des Kuhhirten. Der Zornerguß des Alten war nicht alsiuheftig und gipfelte in der schweren Drohung:Na warte Bengel, nächstes Jahr werden sie dir bei den Sechsundneunzigeru schon die Flötentöne beibringen!"

Den stolzen Bauern wurmte die Geschichte aber mehr, als er sich vor der Welt merken ließ, und sein Thalerklimpern war mehr gewohnheits­mäßig und entsprang nicht dem Hochgefühl dieser Stunoe. Jetzt nahm er Plötzlich die Pfeife au-