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Karfreitag.
Heiliger Ernst lagert über dem Tage, an dem die evangelische Christenheit den Kreuzestod ihres Heilandes feiert. Die bunten Hüllen, mit denen sich der Weltsinn und die Lebenslust den dunkeln Hintergrund des Daseins, die finstern Abgründe des Lebens zu verbergen Pflegen, fallen an diesem Tage dahin, und mit unerbittlicher Klarheit hält das Bild des Gekreuzigten der Welt den Spiegel vor. Es verklagt sie wegen der furchtbaren Schuld, die über den heiligen Gottessohn den Tod gebracht hat; es beweist ihr die trostlose Nichtigkeit, in der all ihr Glanz und ihre Herrlichkeit endet; es offenbart ihr die göttliche Hoheit eines Lebens, das all ihren Einbildungen und Wünschen gerade entgegengesetzt ist. Aber zu dem Gericht, das Christi Kreuz über alle irdische Gesinnung hält, bringt es zugleich die heilende Kraft der erbarmenden Liebe und der erneuernden Gnade hinzu. Der Gekreuzigte, der sich aller Welt zu Liebe geopfert und das göttliche Werk der Versöhnung vollbracht hat, neigt sich verlangend und segnend zu allen, die unter seinem Kreuze sich sammeln, und nimmt sie aus nicht bloß in die Gemeinschaft seiner Leiden, sondern auch in die Gemeinschaft seines Geistes, seiner Kämpfe und seines Triumphes. Gebe denn Gott, daß in vielen Herzen an diesem Karfreitage der Glaube an den Gekreuzigten erwache und die Christenheit freudig und willig um sein Kreuz sich schare mit dem Bekenntnis: Der Tod ist verschlungen in den Sieg!
Aus Stadt, Bezirk und Umgebung.
Seine Majestät der König hat dem Forstamtsassistenten Fischer, Revieramtsverweser in Herren alb, den Titel eines Oberförsters verliehen.
Die Wahl des Revisionsassistenten Karl Allin ger in Neuenbürg zum Schultheißen der Gemeinde Dobel wurde von der Kgl. Kreisregierung bestätigt.
Neuenbürg, 11. April. Der am gestrigen Abend im Saale des Gasth. z. Bären abgehaltene Abschied des Hrn. Amtmann Dr. Göbel war von Beamten und Bürgern außerordentlich zahlreich besucht und gestaltete sich zu einer herzlichen Ehrung für den Scheidenden, als Ausdruck der allgemeinen Liebe u. Hochachtung, die sich derselbe während seiner 3 jährigen Wirksamkeit überall erworben. Die hervorragenden Eigenschaften des Scheidenden als tüchtiger, allezeit dienstbereiter, Jedermann zugänglicher und wohlwollender Beamter, als edler Mensch und liebenswürdiger Gesellschafter, fanden beredten Ausdruck in den- Trinksprüchen des Herrn Oberamtmann Pfleiderer, des Herrn Dekan Uhl, des Herrn Stadtschultheiß Stirn und des Herrn Fabrikdirektor Loos. Auch der Scheidende verhehlte es nicht, daß ihm und seiner Frau manche teuere Erinnerung an das, was sie hier erlebt und genossen, den Abschied schwer mache von unserem schönen Schwarzwaldstädtchen. Unter heiteren und wehmütigen Gesängen verlief die Feier in animiertester Weise. Mit dem Zuruf .Auf Wiedersehen!" und mit dem aufrichtigen Wunsche, daß der Hr. Amtmann auch in seiner neuen Stellung als Stadtschultheißenamtssekretär in Stuttgart dieselben Sympathieen wie hier finden möge, wurde herzlicher Abschied genommen.
Birken feld. Bei der Viehzählung auf 1. April belief sich die Zahl der Pferde auf 38 und des Rindviehs auf 503 Stück.
Nagold, 9. April. Der .Ges." schreibt: Aus Gewerbekreisen wird uns mitgeteilt, daß auch in unserem Bezirk der Verkauf von Uhren mit sogen. „Coupons" um sich greift. Wir haben schon früher auf dieses unreelle Geschäftsverfahren hingewiesen und möchten nicht unterlassen, das Publikum wiederholt zu warnen, auf dieses Berkaufssyftem einzugehen, wodurch es in ganz erheblichem Maße geschädigt wird.
Psorzheim, S. April. In der vergangenen Nacht wurde im Gasthaus zum Deutschen Haus der etwa 2b Jahre alte Gypser Bader nach vor- ausgvßangenem kurzem Wortwechsel von einem
hier bediensteten Knecht durch 4 Stiche in den Kopf schwer verletzt. Der Thäter suchte das Weite.
Pforzheim, 10. April. Auf einem Spaziergang begriffen, vom Arme seiner Braut weg verhaftet, wurde der beim hiesigen Finanzamt angestellte Assistent Kreuzbauer. Derselbe hat sich 2300 amtliche Gelder auf unrechtmäßige Weise ungeeignet.
Pforzheim, 9. April. Nachdem die hiesige Gemeindevertretung erst vor 2 Jahren, allerdings infolge einer Art Ueberrumpelung, das Oktroi auf Brennmaterialien abgeschafft hat, beschloß der Stadtrat kürzlich, die Verbrauchssteuer auf Holz- und Steinkohlen, sowie Coaks wieder einzuführen, aber Brennholz freizulassen. Der Antrag wird jedenfalls auf scharfe Gegnerschaft stoßen, um so mehr, als in der gleichen Sitzung der Stadtrat beschlossen hat, den Preis für Kohlenstaub von 40 auf 60 .ff per Doppelzentner zu erhöhen.
Neuenbürg, 11. April. Dem heutigen Vierteljahrsviehmarkt waren ca. 240 Läufer- und 160 Milchschweine zugesührt. Erstere wurden zu 35—95 letztere zu 18—25
Pr. Paar lebhaft gehandelt.
Deutsches Weich.
Der deutsch-englische Geheimvertrag.
Dem Brüsseler Blatt „Jndependance Belge" wird aus London gemeldet, Deutschland beabsichtige, den deutsch-englischen Geheimvertrag über die Regelung gewisser afrikanischen Fragen zu veröffentlichen. Wie demgegenüber von unterrichteter deutscher Seite mitgeteilt wird, trifft das nicht zu. Vielmehr ist ausdrücklich die Geheimhaltung zwischen den Kabinetten in Berlin und in London beschlossen worden. Das Abkommen geht von der Möglichkeit aus, daß Portugal vielleicht einmal in die Lage kommen könnte, zur Begleichung seiner finanziellen Schwierigkeiten seinen Kolonialbesitz aufzugeben. Das Abkommen enthält aber keine Klausel, wonach Portugal etwa durch Chikanen zu jenem Schritt gedrängt werden soll. Nur wenn aus der innerpolitischen Entwicklung heraus sich für Portugal die Notwendigkeit ergeben sollte, sich seines Kolonialbesitzes, sei es durch Verkauf oder durch Verpfändung, zu entäußern, tritt die zwischen Deutschland und England getroffene Vereinbarung in Kraft, um zwischen beiden Ländern einen Streit über die Liquidation der Portugiesischen Kolonien zu verhüten, einen Streit bei dem nur Frankreich als Besitzer von Madagaskar der tertius Aaucleus (der sich freuende Dritte) sein würde. Die Zeit für diese Liquidation ist noch nicht gekommen; weder die deutsche noch die englische Politik arbeitet darauf hin. Nach wie vor aber behält das Abkommen seinen Eventual-Charakter. Hält sich Portugal an der Ost- und Westküste von Afrika, um so besser; dann bleibt eine größere Zahl von europäischen Mächten dort vertreten. Scheidet aber Portugal aus der Reihe der dort in Betracht kommenden Mächte aus, so ist durch das Abkommen Vorsorge getroffen, daß ein befriedigender Ausgleich zwischen den deutschen und den englischen Interessen ohne eine unerwünschte Einmischung dritter Mächte herbeigeführt werden kann.
Berlin, 9. April. Kaiser Franz Josef sagte seinen Besuch am hiesigen Hofe an, um der am 6. Mai stadtfindenden Großjährigkeitserklärung des Kronprinzen beizuwohnen.
Berlin, 8. April. Der Kaiser kassierte das gegen den Leutnant in der Schutztruppe Prinzen Arenberg gefällte kriegsgerichtliche Urteil wegen unzureichender Bemessung der Strafe.
Der „Norddeutsche Lloyd" hat sich entschlossen, in Hongkong eine eigene Inspektion einzurichten, welche die lokale Leitung der nautischen und schiffsbautechnischen Interessen wahrnehmen soll. Es soll auch eine Anschlußlinie nach den Karolinen und Marianen heraestellt werden.
Leipzig, 7. April. Die feierliche Grundsteinlegung für das Völkerschlacht-Denkmal am Napoleonstein ist auf den 18. Oktober festgesetzt. Der Kaiser, der König von Sachsen und
die Landesfürsten werden voraussichtlich der Feier beiwohnen; Bundesrat und Reichstag werden durch Abordnungen vertreten sein. Die Feier wird mit großem Gepränge vor sich gehen.
Leipzig, 7. April. Bei einem heute abend ausgebrochenen Brande in der Zelluloidfabrik von Engelmann u. Richter kamen 8 Personen ums Leben. Nach amtlichen Festellungen von heute früh sind außer den bereits gemeldeten Opfern weitere Personen nicht mehr unter den Trümmern der eingeäscherten Zelluloidfabrik gefunden worden. Die Entstehung des Brandes ist, wie nunmehr feststeht, auf Explosion einer Petroleumlampe im Keller zurückzuführen. Brandstiftung ist ausgeschlossen. Unter den acht Toten befindet sich der bekannte Buchdruckereibesitzer Barth mit seinen beiden Söhnen.
Berlin, 9. April. In Rixdorf ertränkte sich eine Frau in einem Wahnsinnsanfall mit ihren beiden 8 und 10 Jahren alten Töchtern.
Worms, 9. April. Das neuerbaute Warenhaus der Gebrüder Alsberg ist gestern abend infolge der Explosion eines Jlluminationskörpers vollständig niedergebrannt. Die benachbarten Gebäude wurden gerettet, der Schaden ist groß. Menschen sind nicht umgekommen.
Augsburg, 6. April. Die Gemeindekollegien haben, wie gemeldet wird, 5000 bewilligt, um Gewerbetreibenden den Besuch der Pariser Weltausstellung zu ermöglichen, und zwar drei Fünftel für selbständige Gewerbetreibende und zwei Fünftel für Gehilfen.
Badische Anilin- und Sodafabrik, Ludwigshafen a. Rh. Die in der Sitzung des Aufsichtsrats vorgelegte Bilanz für das Jahr 1899 weist einen Gewinn von 8978652 ^ (im Vorjahr 8466481 -/A) aus. Der Aufsichtsrat beschloß nach Rückstellung von etwa 3300000 ^ (2660780 für Amortisation und außerordentliche Reserve, der Generalversammlung der Aktionäre wieder die Verteilung einer Jahres- Dividende von 24 Proz. in Vorschlag zu bringen.
Eine schändliche Tierquälerei wurde in Mannheim verübt. Während des Marktes stellte die Witwe Bissinger ihren Einspänner in der „Rose" ein. Als sie nach Hause fahren wollte, bemerkte sie, daß ihr Pferd blutete und entdeckte, daß dem Pferd die Zunge abgeschnitteu war. Das Pferd mußte getötet werden.
Bretten, 9. April. An dem Hause des Weinhändlers und Stadtrats H. Fuchs hier wurde am Freitag eine Gedenktafel folgenden Inhalts angebracht: „In diesem Hause rastete Schiller auf seiner Flucht von Stuttgart nach Mannheim am 18. Sept. 1782." Bekanntlich wurde damals dem jungen Schiller vom Herzog verboten, sich mit nichtmedizinischec Litteratur zu befassen und als derselbe dieses Herzog!. Verbot nicht befolgte, sah er sich genötigt zu entfliehen und nahm seinen vorläufigen Aufenthalt in Mannheim. Bei dieser Gelegenheit wurde er mit seinem Freunde Streicher, der ihn begleitete, in einem Zimmer genannten Hauses beherbergt.
Niederbronn, 6. April. Weiherbesitzer Greiner ließ seinen Weiher ausfischen, wobei etwa 150 Hechte im Gewicht von je 14 bis 26 Pfund zutage gefördert wurden. Der Besitzer verkaufte den ganzen Fang an einen Händler zum Preise von 1200 Interessant ist, daß Greiner vor einigen Jahren ungefähr 8000 Karpfensetzlinge einsetzte, von denen auch nicht ein einziger mehr vorhanden war; offenbar sind sie alle den gefräßigen Raubfischen zum Opfer gefallen.
Telegramm.
London, 11. April. „Daily News" melde« ans Prätoria vom 9. ds. amtlich: Der Burenführer Dewet schlug die Engländer am 7. ds. bei Makersfonteiu südlich von Brant- fontein. 600 Engländer wurden getötet «>E verwundet, 900 gefangen genommen u. 8 Wagen erbeutet. Die Verluste der Buren betragen 5 Tote und 9 Verwundete.
Fortsetzung in der Beilage.
«edäktion, Druck und Beklag von L. Meeh in Reuenbürg.