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Ludwigsburg, 11. Febr. Gegenwärtig werden in den württembergischen und allen deutschen Garnisonen amtliche Berechnungen ange- stellt, was die Einführung des Gaslichtes in den Kasernen und sämtlichen militärischen Gelassen kosten würde. Es soll einerseits die Beleuchtung gegenüber der jetzigen Petroleum-Beleuchtung verbessert werden, und andererseits will sich auch die Militärverwaltung von dem Terrorismus des amerikanischen Petroleumrings frei machen, der den Preis des Erdöls in den letzten Jahren so unverschämt in die Höhe getrieben hat.
Ulm, 11. Febr. Albvereinsmitglieder dürfte es interessieren, daß von Pfarrer Dr. Engel soeben ein „Reiseführer" über die ganze schwäbische Alb erschienen ist, ein prächtiges Buch, gediegen Und flott geschrieben und von der Verlags- Handlung G. Ebner-Ulm mit zahlreichen Illustrationen ausgestattet.
Saulgau, 11. Febr. Pfarrer Burgmaier in Pfrungen wurde bei Gelegenheit einer Leichenrede Plötzlich vom Schlage gerührt. Der bei der Beerdigung gerade anwesende Pfarrer Burgert von Allmensee konnte dem Sterbenden noch die letzte Oelung erteilen, worauf dieser dann verschied.
Ausland.
Bom euglisch-durrschen Kriege.
Der russische Staatsrat Bloch, mit dem der Berliner Korrespondent der N. Fr. Pr. eine Unterredung hatte, sagte u. A., der südafrikanische Krieg bestätigte die Behauptung seines Werkes, daß die modernen Waffen einem Angriffe jede Aussicht auf Erfolg benehmen. Durch die Rasanz der Schußwaffen ist die Stellung des Verteidigers, der hinter guten Deckungen steht, ungleich vorteilhafter geworden, während die Lage des Angreifers ungleich unvorteilhafter geworden ist. Das Verhältnis Beider steht zu einander wie 8: 1. Darüber sind heute alle Militärfachleute einig. Dazu kommt noch, daß der gedeckte Verteidiger seine Waffe genauer und wirkungsvoller anwenden kann als der stürmende Angreifer. Dem Ersteren sind die Distanzen bekannt und er verliert auch die Zeit nicht, die der Angreifer zum Vormarsche benötigt, während deren er selbstverständlich nicht schießen kann. Die Stellung des Verteidigers ist eine so überlegene, daß ganz kleine Truppenteile gegen große Uebermachten Stand halten können. Wir sehen das bei all den Belagerungen in diesem Kriege. Die Kriege werden, wie ich es schon immer ausführte, viel länger dauern als die Kriege früherer Zeiten. Entscheidungsschlachten giebt es überhaupt nicht mehr. — „Und wenn nun England alles daran setzen wird, durch ungeheure Vermehrung seiner Truppen, durch ungeheure Massen den Sieg an seine Fahnen zu heften, um einen ehrenvollen Frieden schließen zu können?" — „Das liegt jenseits der Möglichkeit. Die Ernährungsfrage läßt es ausgeschlossen erscheinen, daß die Engländer eine ungeheure Truppenzahl in diesem Lande konzentrieren können, und je mehr sie sich von der Küste entfernen, um so schwieriger wird die Ernährung sein, Hiezu kommt noch, daß der Bur durch den Krieg erst eigentlich Soldat wird. Auch das fällt erschwerend in die Wagschale. Die Aussichten der Engländer werden immer schlechter werden. Es wird zu einer Stockung der kriegerischen Bewegungen kommen müssen. Die Truppen werden sich monatelang gegenüber «egen und im kleinen Krieg gegenseitig aufreiben, üm jeden Fußbreit Landes wird gekämpft werden. Zn einem großen Angriff kann es nicht mehr kommen. Das kann Jahre dauern, bis eine bessere Einsicht Platz gegriffen hat und bis die Stockungen des Geldmarktes und die wirtschaftlichen Krisen ein dröhnendes Halt ertönen lassen." D' »Was wird nun schließlich daraus werden? Auf solche Kriege sind wir doch heute nicht mehr ^"gerichtet, wir können doch keine 7 jährigen und oOjährigen Kriege führen?" — „Ich glaube, daß der gesunde Sinn der Bevölkerung Englands dem Gemetzel Einhalt gebieten wird. England Atrd, vielleicht nach Sturz des gegenwärtigen Kabinets, selbst ein Schiedsgericht Vorschlägen. Wenn, der Krieg ein Jahr dauert, wird England einschließlich der Verwundeten und Kranken 80000 bis 100000 Mann verloren haben. Es
wird außerdem Milliarden ausgegeben haben. England wird notgedrungen zum Schiedsgerichte greifen müssen. — „Das wäre dann allerdings eine Ironie der Weltgeschichte: England hätte ein solches Schiedsgericht vor dem Kriege bequemer und unter viel besseren Bedingungen haben können."
London, 10. Febr. Ein Bericht Lassans aus Bullers Lager von gestern bestätigt die Räumung der britischen Stellung bei Valkrans. Sie sei wegen des burischen Kreuzfeuers und durch Bodenverhältnisse nötig geworden. Bis Mitternacht hatte das Kriegsamt jedoch keine Nachricht. Im Unterhause, wo die stillen Erörterungen über Bullers Bewegungen bei weitem das Interesse an den Verhandlungen überwog, wollte man vielfach an einen dritten Mißerfolg des Generals deshalb nicht glauben, weil er bisher jede ungünstige Kunde sehr rasch ohne Umschweife selbst gemeldet hat. Mittlerweile zieht der westliche Kriegsschauplatz plötzlich stark die erhöhte Aufmerksamkeit auf sich. Verschiedene Anzeichen deuten nämlich wahrscheinlich dahin, daß Lord Roberts, der in den letzten Tagen im Norden der Kapkolonie bereits eingegriffen hatte, zunächst zu beabsichtigen scheint, Methuens Abteilung in Bewegung zu setzen; daß auch General Tucker, der Kommandeur der 7. Division, seit zehn Tagen in Methuens Hauptquartier steht, ist bekannt.
London, 10. Febr. Ueber die Kämpfe am Tugela ist folgendes aus dem Berichte des „Daily Telegraph" nachzutragen: Der alte Beobachtungsballon der Engländer war durch Granatfeuer zerstört worden, daher ging Montag ein neuer Ballon auf. Als er niederging, wurde er die allgemeine Zielscheibe der Buren. Die Geschosse schlugen rund um die wenigen Leute, die den Korb hielten, ein. Sie waren bis auf zwei Matrosen gefallen. Als sie abmarschierten, wurden sie mit dem Ballon fast 3 Kilometer weit vom feindlichen Fener verfolgt. Die Leute der 77. Feldbatterie schleppten unter einem Hagel von Geschossen und Gewehrkugeln den letzten Munitionswagen, dessen Pferde sämtlich gefallen waren, in Sicherheit und unter Deckung. Den zweiten Gefechtstag begannen die Buren bei Morgengrauen mit einem gegen die Brigade Lyttleton auf dem Valkrans (Molen- spritkopje) gerichteten Geschütz- und Gewehrfeuer. Unsere Soldaten hatten eine schreckliche Nacht hinter sich, einen schlimmeren Tag vor sich. Der Feind fegte förmlich die Steinwälle und Schützengräben mit Mauser- und Maximgewehren. Während des Abends am Dienstag stürzten die Buren vor, brannten das Gras an und überschütteten bei dem Feuerschein den Valkrans mit Granaten und Kugeln, sie machten einen entschlossenen Angriff, doch wies die Brigade Hildyard ihren Angriff ab. Zwischen 11 Uhr und Mitternacht unterhielten sie ein starkes Schrapnelfeuer. Am Mittwoch war die Kanonade am heftigsten. Die Buren brachten ein neues sechszölliges Geschütz in Thätigkeit, außerdem zwei Dreißigpfünder und drei Vickers- Maxims. Nur gegen die letzteren konnten wir aufkommen, während gegen die übrigen Geschütze nur die großen Flottengeschütze und die neuen fünfzölligen Haubitzen sich behaupteten. General Hildyard hielt sich trefflich, leider konnten wir aber die großen Geschütze des Feindes nicht außer Gefecht setzen. Die Geschosse des Feindes fielen mitten unter uiyere Leute im Thale, und nur unter größter und nutzloser Gefahr hätte der Kommandierende durchbrechen können. In Ladysmith konnte man am Dienstag den Verlauf des Treffens im Rücken der Buren beobachten. Nach dem Berichterstatter der „Daily News" sah man dort die britischen Granaten entlang einer Höhe weit nördlich von den Burenstellungen krepieren. Die Hoffnung stieg, daß Buller den Schlüssel zur feindlichen Stellung nunmehr gefunden und das Schloß erbrochen habe. Hier nimmt man heute an, daß General French jetzt bei Methuen die vereinigte Reiterdivision kommandiert und daß General Kelly-Kenny jetzt bei Rendsburg die Leitung führt.
London, 10. Februar. Da Buller seine Truppen diesmal enger vereint hielt, so ist kein
Teil von ihnen abgeschnitten und gefangen genommen worden. Doch sollen sich seine Verluste an Toten und Verwundeten wieder auf nahe an 1000 Mann belaufen.
Unterhaltender Heil.
Schwer geprüft.
Roman von Georg Gertz.
Nachdruck verboten.)
1. Einquartierung.
Es war ein schöner klarer Herbsttag; die Sonne schien hell herab auf die große, alte Handelsstadt und tauchte die hohen spitzgiebeligen Häuser, welche den „Langen Markt" umgeben, in ein Meer von Licht.
Wohl nur wenige Städte in Deutschland haben den Charakter des Mittelalters in Mauern und Türmen, an Thoren und Thüren, in Farben und Formen so treu bewahrt, wie die alte Hansestadt Danzig. Es erfrischt Herz und Gemüt, wenn man, ermüdet von den steifen, charakterlosen Palastbauten der neuern Großstädte und von dem Kasernenstyl ihrer Wohnhäuser, in eine Stadt kommt, die noch die alte deutsche Eigenschaft sich bewahrt hat. Zwar schlingt sich auch hier schon ein Kranz von Neubauten um den alten Kern, zwar fällt auch hier ab und zu ein Haus als „altväterisch", um nach dem „verfeinerten" Geschmack des Besitzers in den „gefälligeren" Formen des neunzehnten Jahrhunderts neu zu erstehen, aber im Ganzen und Großen ist doch, und namentlich in den öffentlichen Neubauten, ein Festhalten an dem alten Baustyl zu rühmen.
Und wohlthuend bleiben sie doch für den Besucher alle die traulichen, sinnigen Formen des deutschen Baustyls mit ihren Erkern und Türmchen, mit den wechselnden Formen der Strebepfeiler und Simse, der Fenster und spitzen Giebel mit ihrer reichen Bildhauerarbeit, und die vielen Türme schauen heute noch wie vor 500 Jahren auf das geschäftliche Leben und Treiben der Menschen wie ernste, treue Hüter herab.
An einem Fenster der zweiten Etage des Hauses, dessen hohe Giebelfronte sich durch reichere Bildhauerarbeit vor den Nachbarhäusern auszeichnete, stand ein Mädchen von vielleicht achtzehn Jahren. Eine Fülle dunkelblonden Haares umrahmte das jugendfrische, rosige Ge- sichtchen und fiel in zwei langen, dicken Zöpfen über den Nacken herab. Aus ihrem Antlitz sprechen herzgewinnende Freundlichkeit und Milde wenn auch die tiefdunkcln Augen ein munteres Temperament verrieten, so konnten sie doch bisweilen recht träumerisch blicken.
Auch )etzt schaute das Mädchen sinnend hinab auf das bunte Gewimmel des Marktes; aber in seinem Blick lag jener eigentümliche Ausdruck, welcher verriet, daß die Gedanken keinen Anteil nahmen an dem engen Treiben dort unten, sondern in die Ferne schweiften, über „Thäler weit und Höhen", hin zu den rebenumkränzten Ufern des Rheines, wo ihre Wiege gestanden und wo sie ihre Jugend verlebt hatte.
Martha Kraft war die Tochter eines reichen Kaufherrn in Köln am Rhein. Ihr Vater aber war frühe gestorben und nur noch dunkel .konnte sie sich seiner erinnern. Desto lebhafter stand das Bild ihrer Mutter vor ihrem Auge, die ihre Erziehung geleitet und mit sorgender Liebe sie beschirmt und beschützt hatte, bis auch diese vor zwei Jahren ihr durch den unerbittlichen Tod war entrissen worden. Dann hatte ihr Onkel, der Bruder ihrer seligen Mutter, Kommerzienrat Wilhelm Behrends, Chef des weitbekannten Handelshauses Jakob Behrends in Danzig, sie zu sich genommen und der alte Herr war bemüht, der Waise, so gut er konnte, den Vater zu ersetzen. Aber Ersatz für die Mutter fand sie nicht, denn die Tante war auch schon lange Jahre tot und so hätte das junge Mädchen sich Wohl sehr einsam in dem großen Hause gefühlt, wenn es nicht an Brigitte, der langjährigen, treuen Haushälterin, eine liebe, mütterliche Freundin gefunden hätte, der es stets alle seine kleinen Sorgen anvertraute.
So hatte sich denn der Aufenthalt MarthaS- im Hause des Onkels zu einem recht angenehme«