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Neuenbürg, Mittwoch den 7. Februar 1900

Wasserkräfte.

Die Übeln Folgen des Ausstandes der Berg­arbeiter in österreichischen Kohlen-Bergwerken erinnern an das Wort des Fürsten Otto von Bismarck in der Reichstags-Sitzung vom 18. Mai 1889:Wir dürfen uns dem unmöglich aus­setzen, daß die kleine Minorität der Bewohner der Kohlenreviere uns jeden Tag in die Lage setzen kann, in die uns die Landwirtschaft setzen könnte, wenn sie uns das Brot abschneiden würde. Die Kohle ist in vielen Provinzen so notwendig geworden, wie das Brot es in allen ist, und es müssen meines Erachtens von Staats­wegen Vorkehrungen getroffen werden, daß die Kohle nicht Plötzlich in 3 Tagen der Menschheit entzogen werden kann, daß nicht jede kleine Wirtschaft am Kochen, jede Waschfrau am Waschen, jede anderweitige Industrie verhindert wird."

Vielleicht noch bemerkenswerter aber ist die­jenige Betrachtung, die der Fürst vorstehenden Aeußerungen hat vorangehen lassen, und die darin gipfelte, es sei bei Zeiten auf eine Aus­nutzung der so vielfach völlig unbenutzt bleiben­den Wasserkräfte Bedacht zu nehmen, die einen keinem Streik unterworfenen Ersatz" für die Kohle bilden könnten. Inzwischen sind am Rhein, am Neckar, an der Angerapp und an zahlreichen kleinen Flüssen und Bächen des Harzes, Thür­ingens, des Schwarzwaldes und Oberbayerns Wasserkräfte in elektrische Arbeit mit großem Er­folge und in rentabler Weise umgesetzt worden; in Frankreich sind auch an künstlichen Wasser­straßen die bei den Durchschleusungen frei wer­denden Wasserkräfte durch Turbinen in elektrische Energie umgesetzt worden, die sowohl zur Be­dienung der Schleusen selbst wie zur Fortbe­wegung von Schiffen verwendet wird.

Auf diesem Wege wird man auch im deut­schen Reiche Vorgehen können, namentlich bei der, wenn der Rhein-Weser-Elbe-Kanal zustande kommt, zu kanalisierenden Weser, wo wegen der großen Abmessungen der Schleusenkammern ge­waltige Wassermengen mit verhältnismäßig nicht geringem Gefälle nutzbar gemacht werden könnten, indem man gleich beim Bau der Schleusen und Wehre auf vorteilhafte Anbringung und Be­dienung der Turbinen Rücksicht nimmt. Der häufig hiergegen geltend gemachte Einwand, die Kräfte könnten nicht ständig während des ganzen Jahres zur Verfügung gestellt werden, wie dies bei Dampfkräften der Fall sei, verliert dadurch sehr an Gewicht, daß die zur Erzeugung dieser Dampfkräfte gebrauchte Kohle ja eben auch nicht immer mit Sicherheit zur Verfügung steht, so daß es jedenfalls vorteilhaft ist, neben der Dampf- auch auf elektrische Kraft rechnen zu können.

Württemberg.

Die am 1. Januar l. I. in Kraft getretene Novelle zum württ. Erbschaftssteuergesetz hat hinsichtlich der formellen Bestimmungen sehr einschneidende Aenderungen gebracht, die für die steuerpflichtigen Kreise sich bereits in verschiedener Weise fühlbar machen. Die Novelle hat näm­lich im Hinblick auf den durch das Bürger­liche Gesetzbuch nunmehr auch in Württemberg durchgeführten Grundsatz, daß die Vornahme der Verlassenschafts - Auseinandersetzungen (Nachlaß­teilungen) von jetzt ab reine Privatsache der be­teiligten Erben ist, eine amtliche Thätigkeit in dieser Richtung für die Regel also unterbleiben soll in Ermangelung einer anderen geeigneten Grundlage zur Erhebung der Erbschaftssteuer eine ziemlich weitgehende besondere Deklarations- Pflicht für die steuerpflichtigen Erben zur Ein­führung gebracht, deren Nichtbeachtung für die letzteren unter Umständen sehr unliebsame Folgen nach sich zieht. Es liegt deshalb im eigensten Interesse von jedermann, mit den neuen ein­schlägigen Bestimmungen sich vertraut zu machen. In der Hauptsache gilt jetzt folgendes: Jedermann, dem eine nach den Bestimmungen des Erbschafts­

steuergesetzes steuerpflichtige Erbschaft (nicht steuer­pflichtig sind, wie betont sein mag, Kinder und Ehegatten) anfällt, hat dies binnen 6 Wochen dem Bezirkssteueramt (Kameralamt) oder dem Nachlaßgericht und zwar ohne besondere Auf­forderung bei Strafvermeidung anzuzeigen. Im Interesse der Steuerpflichtigen werden den beteiligten Erben übrigens seitens der Steuer­verwaltung bezw. des Nachlaßgerichts von Amts­wegen zunächst für die Regel besondereAn­fragebögen" zugestellt werden, zu deren Beant­wortung eventuell auch steuerfreie Erben (also z. B. der Hinterbliebene Ehegatte oder Kinder) gesetzlich verpflichtet sind, da die Steuerverwalt­ung berechtigt ist, von allen Erben, sofern und soweit sie dies für geboten erachtet, Auskunft einzuverlangen. Wer die ihm obliegende An­zeige wissentlich oder absichtlich unterläßt oder falsche Angaben macht, wird mit einer Geldstrafe von 15000 -/A bezw. dem vierfachen Betrag der hinterzogenen Abgabe bestraft. Weiter ist zu beobachten, daß jeder Erbe (und ebenso jeder Testamcntvollstrecker, Nachlaßverwalter rc. rc.), welcher steuerpflichtige Vermögensteile (z. B. Ver­mächtnisse) ausfolgt, bevor die von dem Erwerber derselben zu entrichtende Erbschaftssteuer bezahlt ist, für diese Steuer Persönlich haftet. In allen diesen Fällen heißt es also künftig, sofern man sich vor Unannehmlichkeiten bewahren will, die gesetzlichen Bestimmungen selber genau zu be­achte», denn die bisherige einfache, für die Steuer­pflichtigen mit keinerlei besonderen Anzeige rc. verknüpfte Erhebungsweise auf der Grund­lage des amtlich gefertigten Teilungsgeschäfts gehört jetzt der Vergangenheit an.

Die Handels- und Gewerbekammer Reut­lingen hat in Sachen der Vereinheitlichung der Postwertzeichen folgende Erklärung abgegeben: Die Kammer giebt ihrem lebhaften Bedauern darüber Ausdruck, daß die jüngst erfolgten An­regungen seitens des Staatssekretärs des Reichs­postamts bei den Regierungen von Württemberg und Bayern zur Vereinheitlichung der Postwert­zeichen im ganzen Reichsgebiet zu keinem Er­gebnis geführt haben, um so mehr, als die Schwierigkeiten, die der Verwirklichung dieser dringenden zeitgemäßen Forderung entgegenstehen, leicht zu überwinden sein dürften, ohne jede Schädigung der den beiden Staaten gewähr­leisteten Sonderrechte.

Stuttgart. fLandesproduktenbörse f Bericht vom 5. Februar von dem Vorstand Fritz Kreglinger. Auch in der abgelausenen Woche hat die feste Stimmung im Getreidegeschäst angehalten. Amerika halte zwar schwankende Tendenz, allein die Forderungen für Weizen sowohl von Amerika, als auch von Laplata blieben gleich hoch. Hier ist ruhiges Geschäft und immer noch beschränkte Kauflust. Die Jnlandsmärkte zeigen kleine Preiserhöhung. Mehlpreise Pr. 100 Kilogr. inkl. Sack : Mehl Nr. 0: 28 «« ^, bis 28 «« SO Nr. 1: 26 «4L ^ bis 26 «4L 50 , Nr. 2: 24 ««

so bis 25 -4t Nr. 3: 23 «4t bis

23«« SO Nr. 4: 21 «4t ^ bis 21 «4t SO Suppengries 28 «4t ^ bis 28 «« 50 «>. Kleie 9 80

Ausland.

Ein in Nancy wegen Diebstahls ver­hafteter Anarchist, namens Bernard, hat dem Untersuchungsrichter die sensationelle Mitteilung gemacht, die Anarchisten beabsichtigten, mehrere Pavillons der Pariser Weltausstellung während des erwarteten Besuchs fremder Souveräne in die Luft zu sprengen. In Pariser Regierungs­kreisen glaubt man nicht an dies behauptete anarchistische Komplott, gleichwohl sind die aus­ländischen Polizeibehörden von dem angeblichen Anschlag verständigt worden.

Lourenyo-Marquez, 5. Februar. Der ReichspostdampferKanzler" ist ohne irgend­wie behelligt worden zu sein, am 2. d. M. in der Delagoabucht angekommen. Der Reichspost­dampferGeneral" ist am 1. d. M. dort ein­getroffen.

London, 5. Februar. Der vollständige Mangel an thatsächlichen Nachrichten und zahl­

reiche Gerüchte über neue Bewegungen am Tug ela erzeugen hier seit drei Tagen eine unbehagliche dumpfe Spannung: aus Ladysmith liegen helio- graphische Berichte vor, daß am Samstag Bullers Artillerie wieder lebhaft in Thätigkeit war. Eine Depesche desDaily Telegraph" aus Bullers Lager von gestern abend stellt die Lage ganz unverändert dar. Danach wechselt die englische Postenlinie nördlich Potgietersdrift Schüsse mit den Buren. Die Artillerie schweigt und nur von Ladysmith ertönt fernerer Kanonendonner. Ein lebhafter Austausch von Mitteilungen bei Tag und Nacht, heliographisch und durch Scheinwerfer, dauert mit Ladysmith an. Ein Bericht der Times" aus der Delagoäbai meldet starken Durchzug von mit einem französischen Dampfer eintreffenden fremden Reisenden nach Transvaal, dem von portugiesischen Beamten neuerdings wieder ziemlich offen Vorschub geleistet wird.

London, 5. Febr. Das Reutersche Bureau erfährt, daß bei dem Kriegsamt absolut keine Bestätigung des Gerichtes eingetroffen sei, nach welcher Buller den Tugela überschritten habe und auf Ladysmith zumarschiere. Es deute im Gegenteil alles darauf hin, daß die Lage an der Front eine ruhige und keine sofortige Bewegung zu erwarten sei. Bezüglich der Meldung, daß die Schüsse Bullers in Ladysmith hörbar ge­wesen seien, wird angenommen, daß es sich um Schießübungen mit, erst kurz an der Front ein­getroffenen neuen Batterien handle.

Von einer Anzahl schweizerische Industrieller, Kaufleute und Akademiker wird von Zürich aus ein offener Brief an die schweizerische Presse versandt, worin Bedauern darüber ausgedrückt wird, daß die öffentliche Meinung der Schweiz immer mehr auf Seite der heftigsten Feinde Englands sich stelle, dessen Verdienste um die Schweiz und um die Humanität hervorgehoben werden. Der Brief schließt mit einem Appell an die Presse, die befreundete Nation mit all der Würde und Wohlwollen zu behandeln, wo­mit Englands Staatsmänner und Volk seit der Völker Zeiten die Schweiz behandelt hätten. Sollten unter den Urhebern des offenen Briefs nicht auch die schweizerischen Hoteliers zu finden sein?

Unterhaltender Heil.

Der Liebestrank.

Novelle von F. Arnefeldt.

(Schluß.-

Am nächsten Morgen mußte die Bombe Platzen. Ich hielt mich in der Nähe der Wohnung meiner Tante auf, sah einen Telegraphenboten ins Haus gehen und folgte ihm nach kurzer Zeit. Wie ich erwartet, fand ich die Tante und Irma in der größten Aufregung. Sie wollten sofort abreisen; ich erbot mich, sie zu begleiten. Während wir noch sprachen, kam auch Assessor Harms, der ebenfalls ein Telegramm erhalten hatte."

Warum wollten Sie mitreisen, da die Damen an dem Assessor doch Begleitung genug hatten und Sie hier ganz überflüssig waren?" schaltete hier der Untersuchungsrichter ein.

Ich ich wußte doch, daß er nicht lange auf freiem Fuß bleiben konnte," stammelte Färber, und ich hätte es nicht in Berlin ausgehalten."

Die alte Erfahrung, daß es den Verbrecher nach dem Schauplatz seiner That zieht," murmelte der Amtsgerichtsrat und fragte laut: War man denn mit Ihrer Begleitung einverstanden?"

Harms erklärte sie für unnötig, Irma war in einer Gemütsverfassung, wo sie alles über sich ergehen ließ, und Tante Wewetzer zeigte sich hocherfreut darüber. So fuhr ich mit. Was sich weiter zugetragen hat, wissen Sie, Herr Amtsgerichtsrat. Erlassen Sie mir die Wieder­holung."

Ich erlasse sie Ihnen, nur noch eine Frage: Was wußte Frau Professor Wewetzer von Ihrer That?"