warteten andere. Die Menge stutzte einen Augen­blick, sie hatte ja die ulans ganz und gar ver­gessen, nun aber fielen sie ihr um so lebhafter ein und die Mordgier erwachte schrecklicher denn je.Die Gefangenen, die ulans! her mit ihnen!" brüllte es von allen Seiten und alles stürzte nach der Schmiede. Vergeblich bot Denfert seine letzten Gläser und Becher mit Branntwein aus. Wohl ein Dutzend Fäuste donnerten an das verschlossene Thor.Schlagt die Thüre ein heraus mit ihnen. Nieder mit den Kanaillen!"

Da zisch! schrr! kam es durch die Luft gezogen. Hoch oben im Bogen, und dann klatschte es auf das Pflaster. Ein Blitz, ein Krach! Eine ungeheure Rauchwolke stieg auf, Trümmer und Splitter flogen umher, dann ein, zwei gellende Schreie aus Todesnot und Leibesqual die erste Preußische Granate war in die Vor­stadt St. Jean hineingefahren unmittelbar neben dem Schauplatz des eben geschilderten Vorganges eplatzt. Entsetzt stob das Volk auseinander, enn schon folgte ein zweites und drittes Geschoß. Im Nu war der Platz gesäubert, nur zwei von Granatsplittern Getroffene wälzten sich in ihrem Blute. Und Zwei waren nicht gewichen, Denfert und neben ihm ein baumlanger Kerl in blauer Blouse und Holzschuhen.Ich will meine Prussiens haben! Heraus mit den Kanaillen! Ich will sie erwürgen!" heulte er und rüttelte mit wahnsinniger Wut an der Thür der Schmiede. Dieselbe, nur aus Brettern gefugt, gab nach und eben, als wiederum eine Granate mit Heulen und Zischen über die Beiden hinwegfuhr, hatte er sein Ziel erreicht, der Zugang der Schmiede stand offen. Mit heiserem Wutgebrüll stürzte der Blousenmann hinein. Wo sind sie? Ver­geblich schaute er sich um die Schmiede war leer.

V.

Als Denfert die beiden Preußen in die Schmiede einsperren ließ, hatte er den geheimen Wunsch und die Hoffnung gehegt, Marie möge vom Innern des Hauses aus den Vorgang draußen beobachten; dann, wußte er, würde sie ihn auch verstehen und danach handeln. Darin hatte er sich nicht getäuscht. Marie wußte wie jedes Mitglied des Denfert'schen Hauses, daß ein kleiner unterirdischer Gang vom Keller des Wohnhauses in die Schmiede führte, der einmal zur Erleichterung des Verkehrs zwischen Haus und Werkstatt überhaupt, sodann namentlich zum Transport von Kohlen benutzt wurde. Kaum sah das Mädchen also die Gefangenen in die Schmiede hineingestoßen, als sie hastig in die Wohnstube eilte, unbekümmert um die sie an­glotzenden Moblots den Kellerschlüssel von der Wand, wo er gewöhnlich hing, riß und damit auch schon wieder verschwunden war, ehe einer der herumfaulenzenden Soldaten sie aufzuhalten vermochte. In wenigen Minuten stand sie in der dunklen SchHjede und rief mit halblauter Stimme:Monsieur George, sind Sie da?"

Ein dumpfes Stöhnen antwortete ihr. Marie, mit der Oertlichkeit genau vertraut, lenkte ihre Schritte dahin:Monsieur George," wiederholte sie,die Marie ist da, Sie zu retten. Kommen Sie, vite!"

Aber nur dasselbe Stöhnen antwortete ihr. Marie eilte ins Haus zurück, um Licht zu holen. Ein fürchterlicher Anblick bot sich der Zurück­gekehrten, Wohl geeignet, einem schreckhaften Mädchen den Mut zu weiterem Handeln zu lähmen. Georg und sein Kamerad waren, kaum den Händen ihrer Peiniger entgangen, in Folge der ausgestandenen Mißhandlungen ohnmächtig zusammengesunken und lagen nun, dumpf stöhnend, die blutigen Glieder in konvulsivischen Zuckungen bewegend.

Aber Marie war kein gewöhnliches Mäd­chen, der namenlos traurige Anblick erhöhte ihre Thatkraft. Schnell kehrte sie noch einmal in das Haus zurück und wusch mit dem herbeige­holten Wasser die Schläfe der beiden Opfer bestialischer Wut. Georg schlug zuerst die Augen auf und schaute mit einem langen, erst inhalts­losen, dann allmählich sich aufhellenden Blicke seine Pflegerin an. Mit ängstlichem Tone fragte ihn diese, ob er sie erkenne, und als der arme Bursche mit dem Kopfe nickte, redete sie ihm

liebreich zu, sich zu ermannen und ihr ins Haus zu folgen, hier sei er nimmer sicher. In diesem Augenblicke donnerten die Fäuste seiner Ver­folger an das Thor und gleich darauf krachte die erste Preußische Granate. Das brachte den Burschen zur Besinnung und, so schwach er war, auf die Beine. Nach einigen Sekunden des Nachdenkens begriff er die ganze Lage und, seiner freundlichen Retterin statt aller Worte und Dank­sagungen einfach die Hand drückend, rüttelte er seinen noch immer bewußtlos daliegenden Kameraden. Aber da half alles Rütteln und Schütteln nichts, Hildebrand blieb stöhnend und röchelnd am Boden liegen. Und das Geschrei draußen war vor dem Krachen und dem Prasseln der Granaten zwar verstummt, aber immer noch rüttelte es am Thor, das jeden Augenblick nach­geben konnte, sowie auch ein Geschoß den leichten Bau der Bude jeden Augenblick zerschmettern und sie selbst töten konnte. Da half kein Be­sinnen. Ein Paar Worte der Verständigung ge­nügten für Marie und Georg und alsbald er­griffen Beide den zuckenden, noch immer bewußt­losen Hildebrand an Armen und Füßen und schleppten ihn mühselig durch den Gang in den Keller des Denfert'schen Hauses. Grade, als sie hochaufatmend und den Schweiß von der Stirn trocknend, das schwierige Werk vollbracht und den noch immer Bewußtlosen in eine Ecke auf Vorgefundene leere Säcke gebettet hatten, krachte drüben das Thor der Schmiede zusammen.

Gerettet! stöhnte Georg und von einer un­widerstehlichen Bewegung getrieben, sank er vor dem Mädchen in die Kniee und bedeckte ihre beiden Hände mit seinen heißen Küssen.Marie, himmlisches Mädchen, wie kommst Du hierher? Ist es ein Traum oder Wirklichkeit?" Statt aller Antwort neigte sich Marie über ihn und hauchte wie segnend einen Kuß auf seinen Scheitel. Dann entzog sie ihre Hände den seinigen und schnell war sie verschwunden, um bald darauf mit einer Flasche Wein zurückzukehren. Gierig setzte Georg dieselbe an die brennenden Lippen und stillte den grimmigen Durst, den er erst jetzt zu fühlen begann, dann aber flößte er dem armen Kameraden davon ein und hatte bald das Glück, diesen die Augen aufschlagen zu sehen. Noch ein Paar Minuten, dann lagen beide brüderlich neben­einander auf dem harten Lager, aber anstatt des dumpfen Röchelns verrieten tiefe regelmäßige Atemzüge, daß ein wohlthätiger Schlaf die ab­gehetzten, seit mehr als 24 Stunden in Todes­angst und Mißhandlung schwebenden Preußen umfangen hatte. Still verließ Marie den Keller, um sich anderen Pflichten, die ihr nicht minder heilig waren, zu widmen und wirklich verlangte man auch schon oben nach ihr. An sich selber zu denken hatte das tapfere Mädchen keine Zeit.

Die preußischen Granaten pflügten die leer gewordenen Straßen der Vorstadt St. Jean und hier und da schlug eine, Verderben bringend, in ein Haus ein. Ueberall hörte man Wehgeschrei und sah Männer, Weiber und Kinder mit den zusammengerafften Habseligkeiten flüchten. Das hatte Niemand gedacht, daß die Preußen schon so nahe seien die Ueberraschung war eine vollständige.

Auch die Moblots in Denfert's Hause waren auf und davongegangen; merkwürdiger Weise hatten sie trotz des Meisters gegenteiliger Auf­forderung den Weg in die innere Stadt einge­schlagen, sie mochten in der Verwirrung wohl annehmen, daß dort der Feind stände. Die Sorge war der Meister los, aber die größere um die Sicherheit seiner Familie und der ihr anvertrauten Gäste war geblieben und diese Sorge war angesichts des feindlichen Feuers und seiner Wirkung keine geringe. In dem oberen Stock­werke konnte die kranke Marquise nicht bleiben, allen Zufälligkeiten des Bombardements ausge­fetzt, welches schon durch seinen Lärm auf die Nerven der hart mitgenommen, zarten Frau so eingewirkt hatte, daß dieselbe das Bewußtsein verloren und in Fieberphantasien zu reden be­gonnen hatte.

Nach Beratung mit Marie, die ihren Posten am Krankenbette wieder eingenommen hatte, und mit dem alten Diener beschloß man, die Kranke mit samt dem Kinde in den Keller in möglichste

Sicherheit vor den feindlichen Genossen zu bringen, und dieser Umzug wurde noch im Laufe des Vormittags besorgt. Auch die Denfert'sche Familie siedelte hierin über und so war der Raum, von einer Lampe schwach beleuchtet, bald einem überfüllten Spitale höchst ähnlich. In der einen Ecke ruhten, noch immer mit tiefem Schlafe, Georg und sein Kamerad, in der andern stand durch einen Bettschirm verdeckt, das Bett der Marquise und das des kleinen Gaston. - Zwischen Kohlenhaufen endlich auf improvisierten ! Sitzen kampierte die Denfert'sche Familie und das Gesinde, während der Meister, der alte Diener und Marie ab und zu gingen und die ! nötigsten Bedürfnisse für so viel Menschen aus dem Obergeschosse herbeiholten. !

Aonsetzung folgt.)

(Ein Riesensilberblock.) Vor einigen Jahren machte bekanntlich ein Silberblock von einem Gewicht von 150 Kilogr., den man in irgend einer Mine gefunden hatte, als die größte zu­sammenhängende Silbermasfe, die man bisher gefunden, viel Aufsehen. Dieser Block ist aber nichts gegen einen kürzlich in einem Lager in Aspen, Vereinigte Staaten, entdeckten. Die aus gänzlich reinem Silber bestehende Masse wiegt die Kleinigkeit von 1650 Kilogr. und stammt aus einer sehr minderwertigen Mine.

Mutmaßliches Wetter am Freitag den 6. Oktober.

l Nachdruck verboten.)

Der russische Hochdruck ist nun auch nach Nord- deutschland vorgedrungen und hat den Lustwirbel an der norwegischen Küste weiter nordwärts gedrängt. Das schwache Luftdruckgesäll in Deutschland begünstigt die Bildung von Frühnebeln. Im übrigen ist siir Freitag und Samstag fortgesetzt trockenes und größten­teils heiteres Wetter zu erwarten.

Am 7. und 8. Oktober.

Im Osten und Südosten Europas behauptet sich noch immer ein ziemlich kräftiger Hochdruck, wogegen der beträchtlich vertiefte Luftwirbel über Mittel­skandinavien, über Großbritannien und Westsrankreich seine Vorposten bis in die Pyrenäen vorgeschoben hat. Infolge der verhältnismäßig sehr warmen Temperatur sind vereinzelte gewitterartige Niederschläge nicht aus­geschlossen. Doch wird sich das Wetter auch am Samstag und Sonntag noch immer vorwiegend trocken und auch zeitweilig heiter gestalten.

Telegramme.

Rominten, 5. Okt. Das Kaiserpaar ist heute früh 8 Uhr von hier abgereist.

Frankfurt, a. M. 5. Okt. DieFrkf, Ztg." meldet aus New-Iork. Nach einer Be­sprechung mit Dewey beschloß Mac Kinley, ein Geschwader mit dem Panzerkreuzer Brooklyn an der Spitze nach Manila zu entsenden und den Feldzug gegen die Filippinos in energischer Weise führen zu lassen.

London, 5. Okt. Heute fand zwischen Milner und Hofmeyer eine Konferenz statt. Man ist der Ansicht, Charlestown und Johannes­burg könnten sich nicht verteidigen. Prätoria sei trotz der 5 gut ausgerüsteten Forts wenig widerstandsfähig. Das Heer der Buren sei nur eine ganz undisziplinierte Freischar von von 20 000 Mann. Man glaubt, die Feind­seligkeiten würden heute eröffnet.

London, 5. Oktbr. Reuters Bureau meldet aus New kastle von gestern: Eine hier eingegangene Depesche des Premierministers von . Natal besagt, die Truppen könnten Newcastle ! nicht zu Hilfe kommen. Die Buren beabsichtigten anzugreifen. Widerstand wäre unnütz. Der Premierminister rät Entfernung der Frauen und Uebergabe des Platzes an.

Kapstadt, 5. Oktbr. Reuters Bureau meldet unter dem 3. ds. Mts: Das Gerücht, daß britische Truppen die Grenzen des Oranje- sreistaates überschritten haben, wird amtlich für unbegründet erklärt. Das 5. Lancierregiment ist in Ladysmith eingetroffen. Aus Volksrust wird gemeldet, daß die England von Transvaal bewilligte Frist für die Zurückziehung seiner Truppen von der Grenze heute Abend 5 Uhr abliefe. Wenn bis dahin der Forderung Trans­vaals nicht Rechnung getragen worden ist, werde Transvaal die Feindseligkeiten beginnen.

Redaktion, Druck und Verlag von C. Meeh in Neuenbürg.