Aus Stadt, Bezirk und Umgebung.

Neuenbürg, 2. Oktbr. Der vorige Woche beim Holzladen durch einen rollenden Stamm schwer verwundete Wilhelm Funk von Calmbach ist heute seinen Verletzungen erlegen. Er hinterläßt eine Witwe mit 2 Kindern.

Feldrennach, 2. Okt. (Eingesandt.) Seit die Post Marxzell-Neuenbürg aufgehoben wurde, ist leider die direkte Verbindung mit Herrenalb abgebrochen. Es lassen sich nun allerlei Stimmen hören, wie diese Verbindung wieder hergestellt werden könne. Im Vordergrund steht natürlich das schon voriges Jahr ins Leben gerufene Eisen­bahn-Projekt Marxzell-Neuenbürg über Con­weiler und Schwann. Es wäre bedauernswert diesen Plan liegen zu lassen und darum em­pfehlenswert, sintemal jetzt die Zeit wieder her­anrückt, Eisenbahnpläne zu schmieden, aufs neue eine Versammlung abzuhalten betreffs der Bahn Marxzell-Neuenbürg.

Calw, 5. Okt. Die Obsternte ist bei dem prächtigen Herbstwetter in vollem Gange. Dieselbe fällt qualitativ und quantitativ recht gut aus. Die Preise bewegen sich von 6 ^ bis 6 50 .ff pr. Ztr. Die Käufer halten

aber mit dem Einkauf sehr zurück, da man an­nimmt, die Preise gehen noch etwas zurück, weil viele Produzenten ihren Bedarf an Most durch das Fallobst schon gedeckt haben und in den meisten Orten großer Vorrat an Mostäpfeln ist. Gebrochenes Obst kauft man zu 10 bis 12 ^ Pr. Ztr. Auf dem Bahnhof sind hessische und österreichische Mostäpfel zum Preis von 6 ^ 50 ff zugeführt; der Absatz ist aber flau, da einheimisches Obst zum gleichen Preis und auch billiger zu haben ist. Zwetschgen sind in diesem Jahr sehr teuer, der Ztr. kostet 9 ^ 80 ff>. Ganze Wagenladungen gehen nach Lothringen. Kartoffeln, die in großer Menge gewachsen und vorzüglich im Geschmack und Mehl sind, kosten 2 50 ff" Pr. Ztr.

Calw, 2. Okt. Bei der gestrigen Schwur­gerichtsverhandlung in Tübingen wurde der 29jährige Bauer und Jagdpächter Lörcher in Oberkollwangen, welcher bekanntlich vor zwei Monaten beim Begehen seines Jagdgebiets den 24jährigen Bauer Burkhardt aus Würzbach, welcher der Wilderei verdächtig war, erschossen hat, unter Zubilligung mildernder Umstände zu t Jahr Gefängnis, Einziehung des Gewehrs und zur Tragung der jedenfalls nicht unbe­trächtlichen Kosten verurteilt. An der Strafe gehen 2 Monate Untersuchungshaft ab. Der Verurteilte wurde auf seine Bitte gegen Erleg­ung einer Kaution von 3000 ^ zur Herstell­ung seiner Gesundheit sofort auf freien Fuß gesetzt. Die Verhandlungen dauerten von morgens 9 Uhr bis nachmittags 6 Uhr.

Mühlacker, 3. Okt. Der Besuch des Königs in den Waldenserorten Schönen­berg, Pinache und Serres brachte auch uns die freudig begrüßte Gelegenheit, den geliebten, »-andesfürsten hier zu sehen. Aufs schönste warert die Häuser geschmückt; das Rathaus besonders und die König Wilhelm-Brücke prangten im festlichen Gewände. Auf dem Bahnhof hatten stch der Waldenserausschuß, die Bezirks- und Ortsbehörden und eine größere Zahl geladener Mte zum Empfang eingefunden. Nach der Rückkehr von Schönenberg, wo die Kirche mit ^cnauds Grab besichtigt worden war, wurde der König auf dem Marktplatz in Dürrmenz von den ausgestellten Schulen und Vereinen erwartet. Omem Schülergesang folgte eine Ansprache des Ortsgeistlichen, Pfarrer Schüle. Die einst hier angesiedelten Waldenser, führte er aus, seien in fast allen Stücken mit der ansässigen Bevölkerung verschmolzen, eins seien sie namentlich mit den angesessenen Württembergern in der Liebe zum Fürstenhaus. Der König schritt dann die Reihe ver ausgestellten Kollegien und Vereine ab, wobei er einzelne ansprach. Ueber die Leut- stligkeit des Königs war nur eine Stimme der fl^ude. Unter begeisterten Hochrufen setzte dann er König seine Fahrt nach Pinache und Serres

überall festlich empfangen. Dann wurde "l Rathaussaal zu Dürrmenz ein von der ^mtskorporation angebotenes Gabelfrühstück ein­genommen. Dekan Wunderlich-Knittlingen ent­

ledigte sich aufs glücklichste seiner Aufgabe, die Gefühle der geladenen Gäste und der ganzen Bevölkerung zum Ausdruck zu bringen. Der König sprach sich über den Teil des Bezirks, den er bei dieser Gelegenheit zum erstenmal sah, sehr befriedigt aus. Nach 3 Uhr entführte uns die Bahn den hohen Gast. Besonders angenehm berührte es, daß die lästigen Absperrmaßregeln in Wegfall kamen, so daß auch dem Geringsten Gelegenheit geboten war, seinen König von Angesicht zu sehen. So glauben wir auch, daß der König es gespürt hat, daß hüben an der Grenze seines Gebiets, in dem von Waldensern durchsetzten Bezirk treue Unterthanenherzen schlagen, die noch lange mit Stolz und Dank­barkeit dieses Festtages gedenken werden. Die Leutseligkeit des Königs durfte auch ein Paten­kind von ihm erfahren. Bei der Abfahrt vom Rathaus hatten die Pferde schon angezogen, als ein Mann aus Villars dem König einen Knaben entgegenhielt, der ein einfaches Sträuß­chen in der Hand trug, um es seinem hohen Paten zu überreichen. Der König ließ halten, nahm die Blumen entgegen, streichelte dem Kinde die Wangen und unterhielt stch mit ihm. Hocherfreut betrachteten die Umstehenden die Gruppe: das einfach gekleidete Landkind, gelieb- kost vom König in der vierspännigen Karosse.

Deutsches Reich.

Wie nachträglich bekannt wird, ließ der Kaiser bei seinem letzten Aufenthalt in Danzig vor der Besichtigung des Panzerkreuzers Kaiser" die Besatzung auf Deck antreten und hielt an sie folgende Ansprache:Ich habe das Schiff hierher befohlen, um Euch persönlich Meinen kaiserlichen Dank auszusprechen für Euer Verhalten bei der Einnahme von Kiau- tschau. Besonderen Dank und Anerkennung ver­dient auch das Vorgehen des Admirals von Dieder ich vor Manilla". Diese Worte werden im ganzen Lande ein freudiges Echo finden. Es hatte sich um das feste, das deutsche Ansehen mit großem Nachdruck wahrende Auftreten dieses deutschen Seeoffiziers gegenüber den amerikani­schen Anrempelungen ein Netz von Legenden gesponnen. Die Worte des Kaisers haben das Gewebe mit einem Male gründlich zerrissen, und das Volk weiß ihm dafür aufrichtigen Dank.

Württemberg.

Stuttgart, 5. Okt. Wie wir aus zu­verlässiger Quelle erfahren, sind die von der Zeichenausstellung her wohlbekannten Arbeiten des Seminars unö der Zeichenkurse in Nagold, sowie diejenigen des Seminars Saulgau infolge eines Berichts von einem Abgesandten aus dem hessischen Ministerium des Innern nach Hessen selbst erbeten worden. Diesem Wunsche ist ent­sprochen worden. Es ist gewiß erfreulich, daß die Leistungen der genannten Anstalten nicht blos in der engeren Heimat, sondern auch auswärts Anerkennung finden.

Stuttgart, 4. Okt. Unsere Meldung vom 30. Sept. betr. einen in einer hiesigen Wirtschaft verübten Skandal bedarf insofern der Richtig­stellung, als die Verüber thatsächlich nicht Teil­nehmer an dem hier stattfindenden Notariatskurs sind, sondern sich fälschlich als solche ausgegeben haben. Die wirklichen Teilnehmer an dem zur Zeit hier stattfindenden Notariatskurs sind bei jener Sache völlig unbeteiligt, weshalb auch gegen sie keine Anzeige erstattet worden ist.

Cannstatt, 4. Okt. Der Bau der neuen Kirche (zugleich Garnisonskirche) an der Waib­lingerstraße macht gute Fortschritte. Der äußere Rohbau des Hauptgebäudes ist nahezu fertig und auch der Turm ist schon ein schönes Stück in die Höhe gewachsen. Gutes Wetter voraus­gesetzt, wird das Bauwerk im Aeußern noch diesen Herbst vollendet werden. Die schönen architek­tonischen Formen zusammen mit der sanften Ab- türmung der Backsteine machen einen äußerst wohlthuenden Eindruck.

Nürtingen, 5. Oktbr. Ein schwerer Unfall, dem eine Zugsentgleisung nahe war, ereignete sich gestern Abend auf dem Bahnüber­gang kurz vor Oberboihingen. Als der um 8 Uhr abends hier durchfahrende Güterzug diese Stelle passierte, wollte in demselben Augenblick

ein Fuhrmann aus Balzholz mit seinem mit 2 Pferden bespannten beladenen Holzwagen die Bahn bei nicht geschlossener Barriere überschreiten. Die Pferde wurden von der Maschine des daher sausenden Zuges erfaßt, mit der Deichsel vom Wagen losgerisfen, eine Strecke weit geschleift, zermalmt und getötet. Nachdem der Bahnkörper wieder frei war, setzte der Zug seine Fahrt fort. Näheres wird die Untersuchung ergeben.

Neuffen, 4. Okt. Ein freches Gauner­stück ist hier letzten Sonntag lautTüb. Chr." am Hellen Mittag verübt worden. Ein bis jetzt noch unbekannter Stromer stieg vom Hofe aus durch die offenen Fenster in das verschlossene Haus des Bauern Wetzel ein. Hier durchsuchte er Küche und Keller und that sich an Milch, Honig und Most gütlich. Darnach vertauschte er sein Zuchthaushabit mit dem Hochzeitsanzug des Bauern, nahm noch das bare Geld, etwa 30 mit und machte sich auf die Socken. Bis jetzt hat man von dem Gauner keine Spur.

Ausland.

Palermo, 4. Okt. Anläßlich des 80. Ge­burtstages Crispis ist die Stadt reich be­flaggt. Es herrscht gehobene Stimmung. Aus ganz Sizilien und dem Kontingente treffen Glück­wünsche ein. König Humbert sandte ein Glück­wunschtelegramm, in welchem er an die mutigen Dienste, die Crispi der Sache der Freiheit und Unabhängigkeit Italiens geleistet, erinnert und seine ausdauernde Hingabe an die nationale Sache und seine warme Anhänglichkeit an ihn, den König, hervorhob. Ebenso sandte Kaiser Wil­helm ein Glückwunschtelegramm.

London, 4. Okt. Das Unterhausmitglied Clark hat die Sätze aus der Rede des Herzogs von Devonshire, aus denen nach seiner Ansicht die Möglichkeit einer friedlichen Beilegung der Streitigkeiten sich ergiebt, nach Prätoria tele­graphiert. Darauf antwortete die Transvaal- Regierung telegraphisch, sie vernehme mit Ge- nugthuung, daß mächtige Einflüsse am Werke seien, um eine friedliche Lösung herbeizuführen. In Anbetracht der Art und Weise jedoch, wie die früheren Vorschläge verworfen wurden, könne die Regierung nicht nochmals Vorschläge machen. Wenn ein aufrichtiger Wunsch nach Frieden vor­handen sei, so biete die Annahme der gemischten Kommission eine ausgezeichnete Einleitung zu einem befriedigenden und ehrenvollen Ausgleich. Eine Depesche derTimes" aus Kapstadt meldet, General Withe fand bei seiner Ankunft Hierselbst, daß man die Lage an der Grenze von Natal so ernst ansieht, daß die Behörden es für rätlich hielten, an den Admiral in der Simons- Bai telegraphisch die Anfrage zu richten, ob der KreuzerDoris" verfügbar sei, um den General Withe und 12 Offiziere direkt nach Durban zu bringen.

New-Jork, 4. Okt. DerWorld" über­mittelte dem Präsidenten Mac Kinley telegraphisch die erste Serie von Unterschriften der Petition, in welcher er ers ucht wird, England und Trans­vaal seine Dienste als Vermittler anzubieten.

Unterhaltender Heil.

Beim Kampf um Orleans.

Erzählung aus dem Kriege 1870/71.

(Fortsetzung.^

Für den Augenblick dachte kein Mensch mehr an die Prussiens, alles huldigte dem Lieblings­getränk der Franzosen in den unteren Volks­schichten, dem Absynth, den man nicht mit Un­recht als den speziellen Teufel Frankreichs be­zeichnet hat. Jeder drängte sich, seine Portion zu erhalten, und die Wirkung auf diese ausge- mergelten Naturen, die keine Widerstandskraft besaßen, äußerte sich gar bald in erhöhter Lustig­keit und Zügellosigkeit. Denfert schenkte flott ein, aber sein Faß ging auf die Neige, wenn die Hülfe nicht bald kam, war seine List ver­geblich und das Schicksal seiner Gefangenen nur um so schrecklicher, je betrunkener inzwischen die Herren Moblots und Bürger und Bürgerinnen von Orleans geworden waren.

Schon erschallten einige Stimmen:Kriegs- rat halten! Kriegsrat halten!" undKriegsrat halten! schleppt die Gefangenen herbei," ant-