davon geben die Entgleisungen der letzten Woche wieder ein deutliches Zeichen. Am Dienstag entgleiste der Fernzug neben Frauenalb an steiler Böschung, am Freitag in Herrenalb und am Samstag unterhalb Herrenalb zweimal, vor der Albdrücke und bei Marxzell. Bei letzterem Unfall wurde konstatiert, daß die rechte Schienen­spur samt Unterlagsplatte auf etwa 100 m um 1 em nach auswärts gedrückt war, und die Köpfe der Schienennägel, statt die Unterlagsplatte fest- zuhalten, 3 em darüber hinausragten. Betrachtet man aber auch die Bahnschwellen etwas näh«, so findet man Exemplare darunter, welche der Last eines Fernzuges bezüglich ihrer Stärke- dimcnsionen unmöglich entsprechen können; haben doch die im Gebrauch befindlichen Duplex- Maschinen allein 32 Tonnen Dienstgewicht. Nun denke man sich 812 mehr oder weniger gefüllte Personen- oder Güterwagen dazu, so ist es kein Wunder, wenn in der gegenwärtigen Regenperiode das Sprichwort heißen mußder Schwächste giebt nach"; sonst wären vier Entgleisungen in einer Woche unmöglich.

Sehr zu bedauern ist es ferner, daß der konzessionierten Firma nicht die Austage gemacht wurde, mindestens 10 Jahre die Bahn in eigenem Betrieb zu behalten, resp. ein Verkaufsverbot für diese Zeit an die Konzession geknüpft zu haben. Was nützt es dem beteiligten Publikum, daß diese Bahn nach ihrem kurzen Bestehen sich schon in dritter Hand befindet? Der wiederholte Ruf nach billigeren Personen-Tarifsätzen für den Lokalverkehr Karlsruhe-Ettlingen war der ersten Hand viel eher möglich zu erfüllen, als der dritten, denn daß der jeweilige Verkauf der Bahn bei dem ungeahnten Verkehr auf der­selben al pari vor sich ging, daran wird Wohl niemand glauben.

Die jetzigen Inhaber der Bahn mögen aber beherzigen, daß ein zweckentsprechender Umbau der Albthallinie in allernächster Zeit, ehe es zu spät ist, dringend not thut, daß eine Normal­schwelle mit dritter Schiene von Busenbach bis Herrenalb sofort gelegt werden sollte, dann wären auch die berechtigten Klagen aller Beteiligten, welche komplette Wagenladungen beziehen und versenden, mit einem Schlage dauernd abgeholfen."

Neuenbürg, 2. Okt. (Korr.) Die gestrige Zeichenausstellung war von seiten der hies. Einwohnerschaft zahlreich besucht. Diese erfreu­liche Thatsache ist ein Beweis dafür, daß man in unseren Handwerkerkreisen anfängt, die Gegen­wart richtig zu verstehen. Heutzutage, wo das Kleingewerbe eine schwere Krise durchzumachen hat, müssen im Mittelpunkt aller Maßregeln für das Handwerk die Bemühungen stehen, dasselbe in Stand zu setzen, alle Waffen der gewerblichen Ausbildung in seinem Konkurrenzkampf gegen die Großindustrie schwingen zu können. Der Handwerker braucht gegenwärtig nicht bloß eine tüchtige Praktische, sondern auch eine theorethische Ausbildung in den gewerblichen Fortbildungs­schulen. Daß das Zeichnen in dieser eine her­vorragende Rolle spielt, wird niemand bestreiten. Der Handwerkerstand kann es daher nur mit Freuden begrüßen, wenn überall, auch auf dem Lande gewerbliche Zeichenschulen errichtet werden. Der Eindruck der gestrigen Zeichenausstellung war durchweg ein sehr günstiger. Man bekam hierbei die Ueberzeugung, daß der Zeichenunter­richt hier in guten Händen liegt. Einsender dieses ist der Ansicht, daß nur wenige württem- bergische Städte von der Größe Neuenbürgs eine derartige Ausstellung aufweisen könnten. Gerade­zu mustergiltige Zeichnungen bekam man zu Ge­sicht, wenn auch desMeisters Hand" hie und da deutlich sichtbar war. Insbesondere gefielen die Zeichnungen, die nach der Natur gezeichnet waren.

Neuenbürg, 30. Sept. Das Stadt- Polizeiamt Stuttgart warnt wiederholt vor Kur­pfuschereien; dazu gehören die Anpreisungen von G. H. Braun, Breslau, Spezialbehandlung von Kopf-, Nerven- und Magenleiden; von W. St. Kustermann, Karlsruhe, elektrische Selbstkuren; von Jürgensen in Herisau (Schweiz), Mittel gegen offene Beinschäden; von Paul Weidhaas, Niederlößnitz bei Dresden, Mittel gegen Asthma, Brustlciden rc.; von H.

Wolter, Charlottenburg, Gehörölextrakt; von Franz Otto, Berlin,Lebenswecker" und Lebensöl"; von W. Liebert, Connewitz i. S., Mittel für Nervenleidende.

Calw, 1. Okt. 41. Verbandstag der Württb. Gewerbevereine. In der hübsch geschmückten Turnhalle fand heute die Wander­versammlung des Verbandes statt. Unter den Anwesenden bemerkten wir als Vertreter der Regierung Ministerialrat Mosthaf, Regierungs­rat Wendel als Vertreter der Zentralstelle für Handel und Gewerbe, ferner die Landtagsabgg. Henning, Gabler und Reichstagsabg. Augst, die Vertreter der Vereine und die Gauvorftände des Verbandes, Vertreter der Stadt Calw u. s. w. Im ganzen waren 91 Vereine vertreten und über 300 Teilnehmer mögen zugegen gewesen sein. Um ItN/s Uhr eröffnete Prof. Gießler die Versammlung: Es sei seitens des Kabinetts Sr. Maj. des Königs ein huldvolles Schreiben eingegangen, das die allerbesten Grüße und die wärmsten Glückwünsche Sr. Maj. zum Gedeihen der Verhandlungen ausspricht. Zum Dank für dieses huldvolle Gedenken brachte die Versamm­lung ein begeistertes Hoch auf den König aus. Ministerialrat Mosthaf begrüßt den Verbands­tag im Aufträge des Ministeriums des Innern und wünscht den Verhandlungen den besten Er­folg. Der Wunsch der Regierung sei das er­sprießliche Zusammenwirken der Gewerbevereine mit den anderen gewerblichen Verbänden. Prof. Gießler dankt dem Vertreter der Regierung und betont, die Gewerbevereine würden es nicht daran fehlen lassen, auf das Bereitwilligste den ausgesprochenen Wünschen Folge zu leisten. Prof. Gießler erstattete sodann den Bericht des Ver­bandsvorstandes. Der Verband habe um 19 Vereine und um 4319 Mitglieder zugenommen, so daß nunmehr im Ganzen 20 381 Mitglieder dem Verbände angehören, von denen die Mehrzahl Handwerker sind. Die Beteiligung und das Interesse an der Sache der Handwerker habe zugenommen. Redner spricht seine Freude über die bisherigen Erfolge aus, doch stünden leider noch viele Tausende von Handwerkern unthätig abseits, doch auch diese müßten noch der Orga­nisation beitreten. Auch über die Agitation be­richtete Redner. Unter anderem bedauerte er die Stellungnahme der Kölner Versammlung von Gewerbevereinen zu der Frage der Beschickung der Pariser Weltausstellung, die Fernbleiben von der Ausstellung beschloß. Das sei falsch. Die Gewerbevereine hätten mit der Politik nichts zu thun; man dürfe nicht eine ganze Nation für die Fehler Einzelner verantwortlich machen. Man solle nicht von Paris fernbleiben, sondern man müsse dorthin gehen zum Wettkampf und zum Lernen. Hierauf besprach Redner einige von ihm selbst ausgehende Vorschläge unter dem Bei­fall der Versammlung, die, wenn sie ihre Ver­wirklichung finden, gewiß zur Hebung der Lage der Handwerker gereichen würden. Prof. Gießler will das Großkapital dem Kleinbetrieb dienstbar machen. Dieses solle im Großen Motoren kaufen und dann diese gegen eine geringe Monatsmiete den Gewerbetreibenden, auch den kleinsten, leihen. Hierdurch werde nicht bloß das Einkommen eines jeglichen Handwerkers erhöht, sondern dies bringe auch große gesund­heitliche Vorteile mit, was Redner durch zahl­reiche Beispiele darthut. Wenn der Betrieb sich vergrößere, so werde der Motor gegen einen größeren umgetauscht und finde anderswo Ver­wendung. Da die Motoren geliehen seien, gegen ganz geringe Monatsmiete, so würden die Leute niemals durch das Schreckgespenst der Schulden geschreckt. Sodann wendet sich Redner gegen die Auswüchse des Submissionswesens, z. B. gegen das Unterbieten. Viele junge Meister, ohne jeg­lichen materiellen Rückhalt, trachteten danach unter allen Umständen Arbeit zu erhalten und unterböten so die anderen Meister, was natür­lich dem ganzen Handwerk schädlich sei. Redner schlägt eine Handwerkerversicherung vor, die jungen Meistern in einem bestimmten Alter nach so und so vielen Prämienzahlungen eine Kapital­summe auszahlen soll. Dies gebe den Meistern einen materiellen Rückhalt und verhüte so das schädliche Unterbieten. Redner spricht des weiteren über einzelne spezielle Fragen, die Wohnungs­

frage, die Frage der staatlichen Unterstützung u. s. f. und wünscht schließlich, bei den kommen­den Handwerkerkammerwahlen möchten die rich­tigen Männer gewählt werden, damit Ersprieß­liches geleistet werde. Redner beglückwünscht endlich noch den Gewerbeverein Calw zu seinem 50jährigen Jubiläum. Dr. Hans Crüger- Eharlottenburg, Anwalt des Allgem. Verbandes der auf Selbsthilfe beruhenden deutschen Er­werbs- und Wirtschaftsgenossenschaften, sprach über das gewerbliche Genossenschaftswesen, Waren­bazare und Großbazare: Mittels Staatsmitteln sollte auch dem Gewerbestand wie anderen Ständen zur technischen wie zur kaufmännischen Ausbildung Unterstützung gewährt werden. Redner empfiehlt die Bildung von Genossenschaften, deren Vorteile auch für die Handwerker von Nutzen seien. Es sei falsch, wenn man sage, das Hand­werk gehe zu Grunde; verschiedene Handwerke seien schon am Niedergehen begriffen gewesen und blühten jetzt wieder, so z. B. die Schlosserei durch die Fahrradreparatur. Man dürfe die Hoffnung nicht aufgeben, sondern müsse zielbe­wußt Weiterarbeiten. Redner bekämpft die sogen. Mittelstandspolitik und empfiehlt die Genossen­schaftspolitik. Durch die Errichtung der Waren­häuser und Großbazare entstünden wohl dem Kleinhandel und dem Handwerk gefährliche Kon­kurrenten und man wünsche nun die höhere Be­steuerung der Warenhäuser. Das nütze aber den Kleinen nichts, wenn die Großen mehr Steuern zahlen müßten als bisher, da die Konkurrenz doch bestehen bleibe und nur die Allgemeinheit leide und vernichten dürfe man auch die Großen nicht und wohin denn das letztere führen solle? Man solle nicht auf Staatshilfe, sondern auf Selbsthilfe bauen. Die genossenschaftliche Orga­nisation sei allein befähigt, dem Handwerk zu helfen. Die Handwerker mögen nicht gegen die bestehenden Verhältnisse ankämpfen, sondern sich den gegebenen Verhältnissen anpassen. Das Kreditbedürfnis dürfe eigentlich nicht so leicht befriedigt werden, denn das schädige die vor­handenen gutsituierten Handwerker und nütze den Kleinen, die nur auf Kredit bestehen, nichts. Die Handwerker sollten sich in Genossenschaften zu- sammenthun, gemeinschaftlich gut und billig ein­kaufen, in der Genossenschaft die Preise fest­setzen und womöglich auch gemeinschaftlich ver­kaufen in großen gemeinschaftlichen Verkaufs­magazinen. Leider hindere häufig der gegen­seitige Konkurrenzneid die Handwerker an ge­meinsamer ernster Arbeit. Gemeinsam solle ge­handelt werden und das Selbstbewußtsein deS Standes müsse gehoben werden. (Lebhafter Bei­fall). Prof. Gießler dankt Dr. Crüger und meint, wenn auch manche Anwesenden nicht mit gar allem Vorgetragenen einverstanden seien, so müsse man doch sagen, daß man großartiges ge­hört habe. In einer an den Vortrag Dr. Crüger's sich anschließenden Debatte sprechen Fabrikant Müller-Göppingen über Warenbazare und Wülfing er-Hall, der einige Anfragen stellt, worauf Dr. Crüger sofort antwortet. Pros. Ziegler-Geislingen berichtet über die dies­jährige Gewerbe- u. Fortbildungsschulausstellung. Redner bespricht die obligatorische Einführung des Zeichenunterrichts .an den Volksschulen und bemängelt, daß die Fortbildungsschul-Unterrichts- stunden zu einer Tageszeit abgehalten würden, zu der die jungen Leute müde und ruhebedürftig seien. Die Stunden sollten also verlegt werden, was nicht nur der Gesundheit der Lehrlinge, sondern auch den Gewerbebetrieben selbst zu gute käme. Redner empfiehlt schließlich das technische Zeichnen. Die Berichte über den hessische» und den schweizerischen Verbandstag, so­wie die Berichte der Gauvorstände werden der vorgerückten Zeit wegen von der Tagesordnung gestrichen. Die Neuregelung der Ver­bandsbeiträge wird debattelos einstimmig genehmigt. Die Versammlung beschließt ein Ge­such an die Staatsregierung zu richten, anläß­lich der Pariser Weltausstellung dort ein Bureau einrichten zu wollen, welches zur i;n- struktiven Führung der die Ausstellung Be­suchenden dienen möge. Dem Rechner des Verbands, H. Levi-Stuttgart, wird nach Vor­trag des Kassenberichts die Entlastung und der Dank des Verbandes für die Müheleistungen