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Verband der württ. Gewerbevereine. Der auf Grund der Beschlüsse des letzten Verbandstages neu zusammengesetzte Ausschuß des Verbands der württ. Gewerbevereine hielt am letzten Sonntag im Stadtgartensaal in Stuttgart unter dem Vorsitze des von langer Krankheit wieder genesenen Verbandsvorstandes Prof. Gieß! er eine Sitzung, in der eine sehr reichhaltige und interessante Tagesordnung zu erledigen war. Als erster Punkt derselben war die endgiltige Konstituierung der neuen Gauverbände und sonstige Organisationsangelegenheiten zu behandeln. Nach dem Beschlüsse des Geislinger Verbandstags sollen sich die württ. Gewerbcvereine den geplanten Handwerkskammerbezirken in der Weise eingliedern, daß jeder Bezirk in 3 Gaue zerfällt. Jeder Gau stellt zum Ausschüsse des Landesverbandes 3 Delegierte. Diese Neuorganisation ist abgeschlossen und die Delegierten ' waren vollzählig erschienen. Eine lebhafte Erörterung rief der Antrag des Delegierten Rcichs- tagsabgeordneten Augst-Gerabronn hervor, der dahin zielte, daß die Gauvorstände ,-o chso Mitlieder des Landesausschusses sein sollten, neben en gewählten Delegierten. Der Antrag wurde schließlich mit überwältigender Mehrheit angenommen. Auch die Neuregelung der Verbandsbeiträge wurde in gleicher Weise entschieden. Die über kurze Zeit zu erwartenden Wahlen zur Handwerkskammer gaben dem Vorsitzenden Anlaß zu eingehenden instruktiven Ausführungen. Die anschließende kurze Besprechung zeigte, daß man in den Kreisen der Gewerbevereine sich der Wichtigkeit der Sache Wohl bewußt ist und mit nachdrücklicher Einmütigkeit an die Arbeit gehen wird. Von großem Interesse war der Versammlung der Bericht über den Stand des Verbandes. Hienach beträgt die Zahl der württ. dem Verbände angehörenden Gewerbevereine 128 mit im ganzen 20321 Mitgliedern.
Eßlingen, 29. Aug. Bei dem Obstver- kaus, der am letzten Samstag in der Allmand, Stadtheide :c. abgehalten wurde, wurden wieder gute Preise bezahlt. Das Quantum auf den Bäumen, geschätzt zu 700 Simri, erzielte 2315 Mark Erlös. Hessisches Bahnhofobst wurde verkauft zu 4.50 Pro Zentner.
Heilbronn, 29. Aug. Anläßlich der 150. Wiederkehr des Geburtstages Goethes wurde gestern abend der Kiliansturm, welch' letzterer in Goethes „Götz von Berlichingen" eine Rolle spielt, festlich beleuchtet. Zu gleicher Zeit fand im Saale der „Sonne" — Goethe wohnte am 27.Z28. August 1797 in diesem Hause und soll zum Andenken an diesen Besuch eine Gedenktafel angebracht werden — eine Goethefeier statt, bestehend aus deklamatorischen, musikalischen und gesanglichen Vorträgen. Die Festrede hielt Hr. Oberreallehrer Seybold, der ein anschauliches Bild von der Wirksamkeit und dem Schaffen des deutschen Dichterfürsten entwarf.
Backnang, 30. August. Dem Bericht in Sachen der Ermordung der Bertha Baumann ist nachzutragen, daß der verhaftete Gerbermeister, nachdem in mehrstündiger Gerichtsverhandlung eine Reihe von Zeugen vernommen worden war, wieder (nun zum 4. Male) auf freien Fuß gesetzt wurde. Trotz fortgesetzter eifriger Nachforschung ist es noch nicht gelungen, in diese dunkle Angelegenheit Licht zu bringen.
Saulgau, 31. Aug. Schlimm ging es vorgestern nacht unserem Stadtschultheißen, als er nach Hause gehen wollte. Er begegnete zwei Burschen, welche groben Unfug verübten und die Nachtruhe störten, und wollte dieselben zur Ruhe verweisen. Die Spektakelmacher griffen aber den Stadtschultheißen an und einer davon schlug ihm mit einem Totschläger aus den Kops, daß er augenblicklich betäubt umfiel. Ein Bürger, der zur Hilfe herbeieilte, bekam auch noch einen Teil der ausgeteilten Schläge. Schließlich wurden die Burschen doch verhaftet und sitzen nun hinter Schloß und Riegel.
Friedrichshafen, 29. Aug. Am 1. Sept. findet eine Besichtigungsfahrt der neuen Gürtelbahnstrecke gegen die bayerische Grenze durch Se. Majestät und den Ministerpräsidenten statt, wozu einige Oberbeamte geladen sind. Es wird ein
kleiner Sonderzug arrangiert, welcher somit die erste Probefahrt bilden dürfte. Gegenwärtig finden Brückenbelastungsproben statt.
Aus dem Manövergelände bei Herrenberg, 30. Aug. Wir genießen zum erstenmal den Anblick eines Signalballons, der beim heurigen Manöver Verwendung findet. Es ist ein weithin leuchtendes Ungeheuer von goldgelber Farbe in der Form einer riesigen Wurst, allem Anschein nach mit Segeln und mit Steuerung versehen. Die Gondel besteht aus einem vierkantigen Kasten, in dem 2 Personen bemerkt werden. Mittelst Telegraphie ohne Draht werden deutlich sichtbare elektrische Zeichen gegeben. Die Signale werden von 2 kleineren Ballon gegeben.
Stuttgart. sLandesproduktenbörse. Bericht vom 28. August von dem Vorstand Fritz Kreglinger.j Am Getreideweltmarkt zeigte sich in letzter Woche keine Preisänderung. Der Konsum kaust nicht, da das Mehlgeschäst gleich Null ist. Die Landmärkie melden einen kleinen Preisrückgang. — Mehlpreise pr. 100 Kilogr. inkl. Sack Mehl Nr. 0: 29 bis 29
50 Nr. 1: 27 ^ bis 27 50 ^, Nr. 2:
25 50 bis 26 — ^ 4 , Nr. 3 : 24
bis 24 ^ 50 ^I, Nr. 4: 22 bis 22
50 Suppengries 29 ^4 — ^ bis 29 ^ 50 ^t. Kleie 8 80
Instand.
In Bern forderte eine Versammlung von 500 Handlangern deutscher Zunge, daß die italienischen Paliere abgeschafft und durch einheimische Aufseher ersetzt werden.
Paris, 29. Aug. Hauptmann Tavernier, Berichterstatter des Pariser Kriegsgerichts, wird im Aufträge des Kriegsgerichts in Rennes du Paty de Clam in Gegenwart des Advokaten Demange verhören. — Der frühere Redakteur des Petit Journal, Lissajoux, welcher dem Eclair das geheime Aktenstück Os canuillo äo v mitteilte, ist heute nachmittag verhaftet worden.
Paris, 30. Aug. Hauptmann Tavernier, der Berichterstatter des zweiten Pariser Kriegsgerichts, unterzog gestern im Beisein eines Gerichtsschreibers du Paty de Clam einem Verhör. Nach dem „Matin" habe du Paty de Clam sensationelle Enthüllungen gemacht, die von sehr großer Bedeutung sein würden.
Paris. (Der Fall Mercier). Durch die Enthüllungen des Hauptmann Freystätter sind die Missethaten des ehemaligen Kriegsministers Mercier offenkundig geworden. In Pariser Blättern wird festgestellt, daß die Verbrechen des Generals Mercier in folgendem bestehen: 1) Er hat Amtsmißbrauch getrieben, indem er als Minister dem Kriegsgericht von 1894 Aktenstücke zugehen ließ, die der Angeklagte und sein Verteidiger nicht zu Gesicht bekamen; 2) er hat als Minister eine Fälschung benützt, nämlich die falsche Uebersetzung der Depesche Panizzardis, die er dem Kriegsgericht zukommen ließ; 3) er hat Aktenstücke vernichtet, die er nur in seiner Eigenschaft als Minister besaß; 4) er hat die falsche Depesche Schneider benützt; 5) er hat in den Geheimdossier des gegenwärtigen Kriegsgerichts durch den General Chamoin abermals die falsche Depesche Panizzardis einzuschmuggeln versucht. Trotzdem erfreut sich Ehren- Mercier noch der goldenen Freiheit. Wie es heißt, wird sich die Regierung, der die Energie völlig ausgegangen zu sein scheint, an den Beschluß der Deputiertenkammer vom 5. Juni 1899 halten und den General wegen dieser Verbrechen erst zu Rechenschaft ziehen, wenn das Kriegsgericht in Rennes sein Urteil über den Hauptmann Dreyfus gesprochen haben wird.
In New-Dork ist das Kloster Sanct Anna, in welchem auch katholische Waisenkinder untergebracht waren, durch Brandstiftung zerstört worden. 400 Kinder und 85 Nonnen kletterten auf Leitern über die Dächer und sprangen aus den Fenstern des sechsten Stockes. Drei Kinder und eine Nonne wurden getötet, neun verwundet, die anderen gerettet.
In Santiago auf Haiti ist die Revolution ausgerufen worden. General Pepita wurde von den Aufständischen geschlagen. Der Erfolg Jimenes scheint sicher.
Wermischtes.
Kiel, 25. Aug. Ausländische Blätter berichten über folgenden Auftritt, der sich jüngst hier beim Nachtenfest abgespielt habe. Zwxj ihrer Rasse gemäß unerschrockene Amerikanerinnen wurden dem Kaiser auf der Jacht „Hohenzollern" vorgestellt. Eine derselben nahm das Won und hielt dem Kaiser einen Vortrag über die „erniedrigende" Stellung der Frau in Deutschland. Der Kaiser hörte geduldig zu und sagte, als die Amerikanerin zu Ende gespeecht hatte, mit einem leichten Lächeln: „In dieser Frage halte ich mich an meine Frau. Wissen Sie, was dieselbe mir zu sagen Pflegt? Sie sagt mir, der Beruf der Frauen weise sie zunächst auf nichts anderes als die vier K."— „Die vier K.", riefen beide Amerikannerinnen. — „Ach, ich vergaß, daß Sie kein Deutsch verstehen. Die vier K sind: Kinder, Küche, Kirche, Kleider." Die beiden Amerikanerinnen zogen sich nun zurück, überzeugt, daß hier jede Erörterung ihrer These unnütz sei.
Aus Baden, 29. Aug. Bei den jetzigen militärischen Besichtigungsreisen unseres Großherzogs wird eine Anekdote in die Erinnerung zurückgerufen, die sich bei einem ähnlichen Anlaß in einer kleineren Amtsstadt abspielte, allerdings schon vor einer Anzahl von Jahren. Der Großherzog hatte, wie manchmal bei solcher Gelegenheit, die Gastfreundschaft des — unverheirateten — Amtsvorstands zu einem Frühmal angenommen und war mit seinem Gefolge in dem vornehmsten Zimmer des Amtshauses der Dinge gewärtig, die da kommen sollten. Da Plötzlich öffnete sich die Thür des Nebenzimmers und in derselben erschien mit Hilfe eines Amtsdieners, beide in Uniform, einen wohlbesetzten Tisch hereintragend, der Herr Amtsvorstand, etwas angestrengt von der ungewohnten Beschäftigung im Kreise der staatlichen Verwaltung. Alles ging aufs beste von statten, nachdem einmal diese erste Schwierigkeit überwunden war, und der Großherzog erfreute die Gäste wie den Gastgeber mit gewohnter liebenswürdiger Leutseligkeit. Beim Abschied aber fügte er seinem Danke noch die Hoffnung bei, es werde, wenn er wiederkomme, bis dahin der treffliche Herr Amtsvorstand sich eine Lebensgefährtin zugesellt haben. Das ist auch getreulich geschehen, und der Herr Amts- Vorstand hat keinen üblen Berufsweg seither zurückgelegt.
(Angenehme Ueberraschung.j Witwer (zu seiner 16jährigen Tochter): „Weißt Du schon, Anna, daß unsere Wirtschafterin sich verheiratet?" — Tochter: „Gott sei Dank, daß dieser alte Drachen aus dem Hause kommt; mit wem verheiratet sie sich denn?" — Vater: „Mit mir!"
(Ein schöner Traum.) Süffel: „Was ist denn passiert, Bummel, daß Du so beglückt d'reinschaust?" — Bummel: „Ich habe einen wunderschönen Traum gehabt: Trinke ich da im Hofbräu zehn Krügel, und wie's zum Zahlen kommt, wache ich auf!"
Mutmaßliches Wetter am 1. bis 3. September.
i Nachdruck verboten.;
Der neue Luftwirbel aus dem atlantischen Ozean hat sich über die ganze Nordsee, sowie über Norddeutschland und die untere Ostsee ausgebreitet. I» Süddeutschland ist das Barometer auf mittel zurück« gegangen, nur im südlichen Frankreich behauptet sich noch ein Hochdruck von 765 mm. In Rußland liegt noch die ältere Depression von wenig unter mittel. Für Freitag und Samstag werden vorherrschend westliche Winde fortgesetzt gewitterartig bewölktes und neben zeitweiliger Aufheiterung auch zu vereinzelten Entladungen geneigtes Wetter bringen.
Am 2. und 3. September.
lieber dem südwestlichen Frankreich, ferner über Oberbayern und Deutsch-Oesterreich behauptet sich noch je ein Hochdruck von 765 mm. Die Depression über Großbritannien, der Nordsee, Skandinavien, Norddeutschland. der Ostsee und dem nördlichen Rußland hat offenbar keine weiteren Reserven mehr und wird wohl bald wieder langsam ausgelöst. Für Samstag uno Sonntag ist noch vorwiegend trockenes und auch zeitweilig heiteres Wetter, jedoch auch Neigung zu vereinzelten Gewitterstörungen zu erwarten.
Redaktion, Druck und Verlag von T. Meeb Neuenbürg.