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verhaftet, sonst hätte das Publikum an ihr Lynchjustiz geübt; sie wurde späterhin zu 6 Monaten verurteilt.
Der junge Mann, der mich zuerst gebeten hatte, Elisabeths Verteidigung zu übernehmen, erschien zwei Stunden später bei mir und überreichte mir als Honorar sein ganzes Vermögen, 50 Dollars; doch bat ich ihn, das Geld zu behalten, und es später zur Einrichtung zu verwenden, wenn er sich mit Elisabeth — sie war seine Braut — verheiratete.
Beide besuchten mich neulich, er ist jetzt ein wohlhabender Tischlermeister und erfreut sich ebenso wie seine Gattin allgemeiner Hochachtung.
„Etwas über Kurlisten" schreibt ein Leser der Württ. Volksztg.: Am 10. Juli d. Js. kam der Einsender mit dem letzten Zug 11 Uhr in Freudenstadt an, übernachtete in einem dortigen Gasthof und verließ in der Frühe des andern Tages die Stadt. Acht Tage nachher las ich im „Schwäb. Merkur" meinen Namen in der Kurliste des Höhenluftkurorts Freudenstadt. Diese Art und Weise, eine mehrspaltige Knrliste voll zu bringen, erkläre ich zum mindesten für eigenartig. Die Veröffentlichung meines siebeu- stündigen Aufenthalts in Frendenstadt hatte eine Masse widerwärtiger Auseinandersetzungen zur Folge: Ich erhielt einen Urlaub zum Gebrauch einer Kur in Baden-Baden: zu Beginn dieses Urlaubs fuhr ich direkt nach Freudenstadt, um von dort das Murgthal entlang nach der Station Weisenbach und weiter nach Baden-Baden zu gelangen. Dadurch, daß erst acht Tage nach dem einmaligen Uebernachten in Freudenstadt mein Name in der dortigen Kurliste stand, wurde der Anschein erweckt, wie wenn ich gar nicht nach Baden-Baden gekommen wäre. Meinem ganzen Verwandten- und Freundeskreis war es bekannt, daß ich nach Baden-Baden reisen werde, und hintendrein mußte ich schriftlich und mündlich den Leuten auseinandersetzen, daß ich nur sieben Stunden lang Freudenstädter Höhenluft in einem Gasthofzimmer gekostet habe. Ich möchte daher dringend darauf aufmerksam machen, daß diese Art von Zusammenbringung einer Kurliste die Interessen der Stadt als Fremdenstadt nicht fördert. — Infolge dieses Freudenstädter Kurlistenartikels teilt ein anderer folgendes Vorkommnis mit: Vor einigen Jahren saßen wir Kurgäste in unserem Hotel an der Tafel. Als Nachtisch wurde uns die neueste Kurliste überreicht, in der wir alsdann unfern Namen suchten. Mein Tischnachbar und ich machten große Augen, als wir hinter unseren Namen je ein „mit Gemahlin" fanden. Wußten wir doch unsere Frauen wohlgeborgen zu Hause! Sie hatten uns nicht einmal nach Freudenstadt begleitet. Es lag also nicht der geringste Anlaß vor, sie in der Liste unterzubringen. Man scherzte allerwärts über diese Kurgästevermehrung und es fehlte natürlich auch nicht an derben Späsfen, deren unschuldigster nun die sofortige Ankunft unserer Frauen mit Extrazug in Aussicht stellte. Da that auf einmal unser Gegenüber, ein würdiger Herr aus Frankfurt a. M. — wenn er's liest, soll er von uns gegrüßet sein — seinen Mund auf und sprach: Meine lieben Herren! seien Sie nur zufrieden! Sie haben wenigstens Frauen, da fällt die Sache nach außen nicht so auf. Ich bin Junggeselle. Hier aber lese ich soeben zu meinem großen Entsetzen: Rechnungsrat Ai. „mit Fräulein Tochter". Was wird da mein Stammtisch in Frankfurt von mir denken!! Ergebenst ....
(Spanische Schwindler.) In neuerer Zeit sind seitens spanischer Schatzgräber-Schwindler, vor denen schon wiederholt gewarnt wurde, abermals Betrügereien versucht worden, indem an verschiedene hiesige Personen je im wesentlichen gleichlautende Briefe eines angeblich in Konkurs geratenen, im Gefängnis zu Madrid befindlichen Banquiers durch die Post übersandt wurden. In diesen Briefen wird den Adressaten mit geteilt, daß es sich um die Hebung eines auf einer Bank befindlichen Kapitals von 40000 Pfund Sterling, sowie um die Hebung von zwei Millionen Franken handle, welche der Schreiber
des Briefes auf feiner Flucht in der Umgebung des Wohnortes des Adressaten vergraben habe, und daß der Briefschreiber, weil als Gefangener an der persönlichen Hebung der genannten Summen verhindert, gegen Ueberlassung von 25 Prozent des Betrages die Dienste des Adressaten in Anspruch nehme, und daß der letztere im Falle seines Einverständnisses zuvor diejenigen Kosten vorzustrecken hätte, welche zur Rettung des Grundrisses über die Oertlichkeit des Versteckplatzes des vergrabenen Geldes und zur Rettung des Empfangsscheins über das auf der Bank hinterlegte Kapital erforderlich feien.
Amerikanisches Bier. Was man in Amerika amtlich unter „Bier" versteht, ergiebt folgende Definition, die von der chemischen Abteilung des Ackerbau-Departements gegeben wurde: „Bier ist eine gegohrene Zuckermischung, der ein gesunder Bitterstoff zugesetzt ist." — So weit ist man also in der neuen Welt von der guten alten deutschen Sitte, Bier nur aus Hopfen und Malz herzustellen, schon abgewichen. Kein Wunder, daß das amerikanische „Bier" so häufig nach Traubenzucker, Kokkelskörnern und Gott weiß was sonst für Surrogaten schmeckt!
(Stärker als August der Starke.) Franz Andreas von Favrat wurde im Jahre 1734 in Schlesien geboren, war im siebenjährigen Kriege Preußischer Hauptmann, avancierte nach und nach zum General der Infanterie u. Gouverneur von Glatz und starb 1804. An Stärke übertraf er noch den bekannten Kurfürsten von Sachsen, August, genannt der Starke. Denn er brach einem durchgehenden Pferde den Hals, indem er ihm einfach in die Mähne griff, spaltete einem feindlichen Husaren-Offizier den Kopf bis auf die Schultern, hob ein Pferd mitsamt dem Reiter empor und exerzierte mit einer Drei- Pfünder-Kanone wie mit einer Muskete. Als es mit ihm zu Ende ging und der Arzt sich zu ihm ans Bett setzte, meinte er: „Mit mir ist's bald vorbei, ich habe gar keine Kräfte mehr!" Dabei griff er mit der Hand nach dem Stuhlbein und hob den Stuhl mitsamt dem Arzte in die Höhe.
Was für ein geplagter Mann ein Volksschullehrer ist, beweist nachstehender Brief, den ein städtischer Lehrer in Halle von dem Vater einer seiner Schülerinnen erhalten hat, die wegen Ungeziefer einen besonderen Platz erhalten hatte. Das Schriftstück hat folgenden Inhalt: „Herrn Lehrer .... Ich mögte ihn ersuchen da Sie meine Tochter wiederholt zurück gesetzt haben wegen Unreinlichkeit möchte ich mir doch bald verbitten da sie meine Person Plamieren denn den Aussehn nach treiben Sie noch ihren Schmerz was man bloß von unverständigen Menschen verlangen kann. In meiner Familie herrscht nur Reinlichkeit — den es mus doch viel Ungeziefer in ihrer schule geben sonst könnten sie keins haben und möchte ich doch bitten den andern Kinder auch auf den Kopf zu sehn nicht blos meines denn wenn sie mein Mädchen auf diese Weise belästigen wollen so will ich sie wegnehmen, damit meine Person nicht geplamiert wird in der ganzen Stadt. Sollten diese Worte nicht genügen, so werde ich persönlich erschein und es mündlich abmachen. Friedrich Gr."
Der Durchmesser eines menschlichen Kopfhaares ist von einem Engländer ausgerechnet und auf den 400. Teil eines Zolls festgestellt worden. 400 nebeneinander gelegte Haare würden also den Raum eines Zolls bedecken. Das Männerhaar ist durchschnittlich trotz des häufigen Schneidens viel feiner als das Frauenhaar. Eigentümlich ist, daß die Farbe des Haares dessen Durchmesser beeinflußt; blondes und flachsfarbiges Haar ist am feinsten, hellblondes und vor allem schwarzes am stärksten, rotes und dunkelbraunes halten die Mitte. Verschiedene Male ist die schwierige Aufgabe unternommen worden, die Kopfhaare zu zählen. Der erwähnte Engländer brachte ungefähr 12000 heraus. Auch die Zahl der Haare ist von der Farbe abhängig. Ein Quadratzoll der Kopfhaut trägt 728 flachsfarbene, 638 hellbraune und
585 schwarze Haare. Daß das männliche Haupthaar bei weitem nicht die Wachstumfähigkeit hat die das weibliche hat, erklärt sich daraus, daß die weibliche Kopfhaut mit vielmehr Fettgeweben unterlegt ist.
(Das Mittagessen ist erst eine Sitte der neueren Zeit.) Die alten Römer, sowie auch die Deutschen kannten nur Abendmahlzeiten. Das Mittagessen ging aus dem Frühstücke hervor. Im 14. Jahrhundert aß man schon um 8 Uhr morgens. Erst zur Zeit Ludwigs XIV. setzte man sich um 11 Uhr zu Tisch und selbst in England war dies zur Zeit der Regierung der Königin Elisabeth die Essenszeit. Im Jahrhundert der Revolution rückte man den Mittag, wenigstens in der feineren Welt, bis auf 2 und 3 Uhr hinaus und heute ißt man in Paris nicht leicht vor 6 und in England oft nicht vor 10 Uhr abends zu Mittag. Nur an den Deutschen ist diese Revolution spurlos vorübergegangen, sie halten auch heute noch mit der Sonne ihren Mittag. Nicht Unrecht kann man aber jenem Philosophen geben, der da sagt: „Die beste Zeit zum Essen ist für Reiche, wenn sich der Hunger einstellt; für Arme, wenn sie etwas zum Essen haben."
(Der gestrenge Herr Papa.) Die Thatsache, daß mit dem Antritt des Mündigkeitsalters zugleich das Züchtigungsrecht der Eltern seine Gültigkeit verliert, mag bei uns juristische Giltigkeit haben, aber die freien Söhne des Westens kennen auf ihren patriarchalisch eingerichteten Farmen solche Beschränkung der elterlichen Gewalt nicht. So hat vor kurzem der 106 jährige Farmer Monroö Hedges aus Jndianopolls seinen 70 jährigen Sohn regelrecht geprügelt, weil dieser nach einer Kneiperei gänzlich be—nebelt nach Hause gekommen war und in seinem Rausche Beleidigungen gegen andere Familienmitglieder ausgestoßen hatte. Aber Mister Hedges! Jugend muß doch austoben!
(Von der Sekundärbahn, j Der Schützenbund des Ortes Bummelheim an der Sekundärbahn gelegen — erließ folgende Kundmachung: Die Begrüßung der auswärtigen Vereine findet je nach Eintreffen des Vormittagszuges zwischen 9 Uhr und 10 Uhr statt.
(Reizend.) Gast: „Was? Von all den Gerichten, die auf der Speisekarte stehen, giebt es nur Schweinshaxen? Wozu schreiben Sie denn die anderen erst drauf?" — Kellner: „Die anderen stehen nur drauf, um den Appetit zu reizen."
(Entschuldigung.) Richter (zum Angeklagten): „Sie haben sich eine Flasche Wein gekauft und mit falschem Gelde gezahlt?" — Angeklagter: „Ich bitte, Herr Richter, der Wein war auch nicht echt!"
(Grob.) Junges Mädchen: „Man behachtet, ich hätte die Nase meiner Mutter." — Gute Freundin: „Na, dann soll sie froh sein, daß sie sie los ist!" („Kobold.")
Gedankensplitter.
In Bötzingen am Kaiserstuhl ist an einem Hause zu lesen:
Wenn dieses Haus so lange sieht!
Bis auf der Welt der Neid vergeht?
So steht es nicht gewisse Zeit,
Es steht in alle Ewigkeit.
Wahrheit und Humor.
Die bittere Wahrheit, allein serviert,
Mag niemand gerne hinunterschlucken,
Doch wird sie schlau mit Humor kandirt,
Dann nimmt man sie lächelnd, ohne zu mucken.
Wer sich selbst an das Unwahre kettet, wird mit der Zeit ebenso.
Die gescheidesten und die dümmsten erkennt man an ihrer Schweigsamkeit.
Lebe, wie du, wenn du stirbst,
Wünschen wirst gelebt zu haben.
Laß die schwerste Pflicht dir die heiligste Pflicht sein.
Mancher verkürzt sich mit der Art, wie er sich die Zeit verkürzt, auch das Leben.
Redaktion, Druck und Verlag von C. Meeh in Neuenbürg.