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Meilcrge zu Ar. 156 des EnzthäLers.
Neuenbürg, Mittwoch den 5. Oktober 1898.
Unterhaltender Teil.
Eine Domenkrone.
Von Graf F. A.
(Nachdruck verboten/
Eine Rose erblühte am bayerischen Herzogshofe — Prinzessin Elisabeth. Ihre hohe, schlanke und doch der Fülle nicht entbehrende Gestalt, ihre nicht nach klassischen Regeln geformten, aber in hohem Grade den Ausdruck von Anmut tragenden Züge, die klare, von schwarzem, üppigem Lockenhaar umwallte Stirn, das große schöne Auge nahmen auch den, der sie zum ersten Male sah, für sie ein, und die natürliche Bescheidenheit, welche sie, abweichend von so manchen anderen „im Purpur Geborenen" im Gespräch zeigte, steigerte den günstigen Eindruck noch. Sie war allgemein beliebt, allgemein verehrt! Am meisten von Einem, von dessen Existenz die Prinzessin anfangs Wohl kaum eine Ahnung hatte. Mr wenige Jahre älter als sie, hatte er bis dahin sein Leben ausschließlich dem Studium seiner Wissenschaft, der Medizin, gewidmet. An den fröhlichen Gelagen seiner Kameraden hatte er nicht Teil nehmen können, fiel es doch seiner Mutter, der Witwe eines Finanzbeamten, schwer genug, ihm das Notwendigste zum Aufenthalt in der kostspieligen Residenz zu gewähren, und nur durch Stundengeben vermochte er seinem bescheidenen Einkommen ein wenig aufzuhelfen. Was that's. Er war genügsam, er war zufrieden!
Er war zufrieden, bis er eines Abends, als der duftende Flieder, vom Frühlingswind leicht bewegt, gar so neckisch mit seinen Blütenzweigen w das Fenster seines einsamen Studierzimmer- chens klopfte, als im Busch am Bach, der in die Isar floß, die Nachtigall ihre Liebesklagen ertönen ließ und die laue, linde Luft lockend zu ihm herüberstrich, sich darauf besann, daß er ja eigentlich ein Mensch sei. Ein junger Mensch noch dazu, in dem Alter, in dem Andere genießen - oft nur zu viel. Er kannte kaum einen Genuß, das war ebenso schlimm! Max drückte den Hut auf das braunlockige Haar und eilte hinaus, sorgfältig vermeidend, noch einen Blick auf den großen anatomischen Atlas zu werfen, den er auf seinem Schreibpult aufgeschlagen zurückließ, als könne sonst das Buch ihn wieder zurückzwingen zu weiteren, endlosen Studien. Fort, hinaus!
Er, der sonst so Bedächtige, ist wie umge- tvandelt. Nach Nymphenburg eilt er hinaus, dort in den vom Frühlingshauch durchwehten Anlagen zu lustwandeln. Rechts am Park an der Magdalenenkapelle sieht er zwei Frauengestalten in Hellen Gewändern. Sie kommen ihm entgegen, sie gehen an ihm, der schüchtern bei Seite tritt, vorbei. Die Größere von ihnen läßt ihr Spitzentuch fallen, ohne es zu bemerken. Er bemerkt es, hebt es auf, eilt ihnen nach, überreicht es mit leichter Verbeugung wie bezgubert bleibt er stehen, als sie mit reizendem Lächeln ihm ihren Dank ausspricht, steht noch auf demselben Fleck, als sie längst sich zum Eiehen gewandt.
Seitdem denkt er nur an sie, träumt nur von ihr. Wie sie heißt, wer sie ist, das weiß er nicht, das kümmert ihn nicht. Sie mag Wohl hohen Standes sein, eine Baronesse, eines Grafen Tochter vielleicht sogar — wenn er daran denkt, >vird er Wohl einen Augenblick düster, aber gleich darauf summt er etwas vor sich hin, das ungefähr klingt wie das Dichterwort: „Daß ich Dich uebe, was geht's Dich an!" und seine Miene hellt sich wieder auf.
Einige Male noch begegnet Max ihr in üchmphenburg. Stets grüßt er ehrfurchtsvoll, Wer sein Blick muß doch Wohl etwas von dem ^vrwen haben, was sein Herz bewegt, denn Mch über die anmutigen Züge der Prinzessin fuegt ein leichtes Erröten, als sie ihm dankt, und ihr schönes Auge heftet sich einen Moment langer, als die strenge Etikette erlaubt, auf sein
edelgeformtes Gesicht, auf die blühende Gestalt des Jünglings mit der breiten Brust und den kraftstoßenden Muskeln.
Laute Stimmen hinter ihm. „Hier findet man den Duckmäuser?" ruft man ihm lustig zu. „Er macht Wohl gar den hübschen Damen dort die Cour?"
„Still, das ist ja die Prinzessin Elisabeth!" klingt es hastig von eines Anderen Lippen, und die laute Schaar verstummt und schaut den beiden Damen nach. So bemerken die lustigen Gesellen wenigstens nicht, daß Max totenbleich, die Hand auf das Herz preßt. „Fahr Wohl!" murmeln seine bleichen Lippen.
Ein Traum des Glücks dahin!
Um Prinzessin Elisabeth warb der Herrscher Oesterreich-Ungarns. Es war alte Tradition, daß die Habsburger sich hhre Bräute aus dem Hause Wittelsbach holten, aber wenn je zuvor, fand 'sich hier — so schien es! — ein passendes Paar zusammen. Des jungen Kaisers hohe, elastische Gestalt in der schmucken Husarenuniform nahm sich prächtig aus neben der jugendschlanken Prinzessin, welche die Münchener mit Bedauern, aber auch nicht ohne eine Regung des Stolzes aus ihren Mauern scheiden sehen, um den Thron der Kaiserin von Oesterreich, Königin von Ungarn einzunehmen — und zur selben Stunde, da das geschah, hallte ^in Schuß durch ein einsames Studentenstübchen, und durch das Herz getroffen, sank Max schwer auf seinen Schreibtisch nieder ...
Ein schlimmes Omen! ....
Jahre sind verrauscht. In einem der Prunkzimmer der Wiener Hofburg sitzt eine hohe, bleiche Frauengestalt. Gibt es Glück auf Thronen ? Wenn dies der Fall, sie hat es nicht gefunden. Zwar ihr Gatte ist voll zarter Rücksichtnahme für sie. Aber, so jung er noch ist, die Regierungsgeschäfte nehmen ihn stark in Anspruch. Man bedauert ihn, am meisten die Damen, deren Herz ja immer am leichtesten gerührt ist. Die Gräfin Poldi P. möchte ihn so gerne trösten; sie ist von all den patriotischen Hofdamen die patriotischste. Sie trägt stets das Bild des Kaisers auf dem Herzen — auch im Herzen! Die liebe, kleine Poldi, sie meint es so gut! Sie weiß es einzurichten, daß der Gegenstand ihrer Verehrung sie „ganz unvermutet" findet, in Thränen schwimmend, das üppige Blondhaar über die runden, Weißen Schultern ausgelöst, auf ihre Ottomane hingestreckt ....
Graf P.: „Ich weiß nicht, was ich thun soll! Wenn es sich um Jemand Anderes handelte, so wäre ich keinen Augenblick in Ungewißheit! So aber . . .."
Fürst A: „Es ist halt ein schwieriger Fall! Aber ich mein', am besten ist's immer, Sie thun, als ob Sie gar nix wüßten!"
Graf P.: „Das geht doch nicht! Das muß man da sehen, wenn man nicht ganz und gar kurzsichtig ist!"
Fürst A.: „Seien Sie kurzsichtig, lieber Graf!"
(Fortsetzung folgt.)
Me Kaiserreise nach Jerusalem.
XI.
ii. Jerusalem. I
Der erste Eindruck.
Das Gebirge Juda ist ein unfruchtbares Kalkgebirge, in dem nur geringe Vegetation zu bemerken ist. Hier und da neben kleinen Dörfern finden sich wohl Oelanpflanzungen, Gärten und kleine Wiesenstücke, wo eine Quelle entspringt, sonst ist alles öde und steinig; selbst die in solchen Gegenden zahlreichen Raubvögel sieht man hier wenig. Dann und wann scheucht der Galopp der Pferde ein Steinhühnerpärchen auf; auch Schakal und Fuchs lassen sich blicken, aber im ganzen ist alles wie .ausgestorben. Gegen 11 Uhr kamen wir, immer stark im Gebirge auf schlechtem Wege anscheinend, an ein größeres Dorf Abu-Gosch, das biblische Emmaus,
wo wir uns mit unfern Pferden auf einem Rasenplatze unter alten Oelbäumen lagerten und unser mitgenommenes Mahl verzehrten. Wir lagerten neben einer stattlichen Kirche aus der Zeit der Kreuzzüge, einem hohen, schönen Baue mit drei gewölbten Schiffen, ganz aus Kalksteinquadern errichtet und so solide gebaut, daß kein Gewölbe, kein Pfeiler den Verfall zeigt, Noch ritten wir anderthalb Stunden, — wo es anging, stets im scharfen Galopp — und je näher wir der heiligen Stadt kamen, umso gespannter wurden wir auf ihren Anblick. Die Gegend spricht von Simson, dem Richter, im Volksmunde sowohl, als in der biblischen Geschichte. Auf hoher Bergwand zur Linken zwischen Pappeln späht ein schlankes Minaret wie eine Warte hernieder, Zorea, die Vaterstadt Simsons, des Schreckens aller Philister, der als Richter heute noch nicht vergessen ist.
Höher und höhex führt der Pfad durch wild zerklüftetes Felsenthal, höher und höher, bis links auf dem Abhange ein Weißes Quadergebäude, daneben im Thal ein freundlicher Häusertrupp mit seinen grünen, mauerumfaßten Gärten, vor uns auf der Höhe Bau an Bau, hochragend, weitgedehnt und ziegelgedeckt, uns empfängt. Neu-Jerusalem grüßt uns. Hier zeigt sich auch deutsche Arbeit, drunten das Aus- sätzigen-HosPital der deutschen Brüdergemeinde, droben ein deutsch-evangelisches Dorf der Tempelfreunde, weiterhin christliche Anstalt neben christlicher Anstalt, das sind Jerusalems erste Häuser! Es war 1 Uhr, als wir die höchste Höhe erreicht hatten und nun dort standen, wo so oft die Kreuzfahrer mit Jauchzen, Gebet und Kampfesmut die heilige Stadt begrüßt haben, wo Millionen und Millionen von Pilgern sich ihr in frommer Ehrfurcht nahen. Es ist nicht das heutige Jerusalem, dessen erster Anblick sie so tief bewegt, es ist das Jerusalem der Geschichte, Jerusalem die Goltesstadt!
Die Stadt Davids ist dem Zwecke ihrer Gründung treu geblieben und hat trotz furchtbarer Schicksale ihre Bestimmung einer Gottesstadt nicht nur behalten, sondern erweitert. Jerusalem ist das Ziel der Wünsche für den gläubigen Juden, seine Tempelstadt, an der er mit wehmütigem, aber unerschütterlichem Sehnen festhält. Jerusalem ist die heilige Stadt der Muhammedaner, es besitzt die Kubet-es-Sachra, die zweitheiligste Moschee. Jerusalem ist die heilige Stadt für jeden gläubigen Christen, die Stadt in welcher Jesu Fuß gewandelt, in welcher der Heiland gelitten hat, gekreuzigt, gestorben und begraben ist, wo er auch auferstand.
Die Stadt präsentiert sich dem von Jaffa Kommenden nur teilweise, weil sie auf dem Abhange liegt, auf dessen Höhe man steht. Hinter der Stadt sieht man den Oelberg sich erheben, den schönen, ehrfurchtgebietenden Berg, auf dem Christus so gern weilte. DaS erste Gebäude, an dem wir vorbeikommen, ist das Kaiserswerther Mädchenwaisenhaus, TalithaKumi, in welchem 129 Kinder von 9 Schwestern erzogen werden. Dieses Haus will, wre Zoar in Beirut, für die weibliche Jugend das sein, was das syrische Waisenhaus für die männliche ist, die Geburtsstätte eines neuen, christlichen Lebens. Bereits sind über 50 der srühern Zöglinge der Schwestern als Lehrerinnen im Orient thätig, 23 wurden bisher Diakonissen, andere Bibelfranen, eine große Anzahl Dienstboten. Die meisten geben als christliche Hausfrauen den empfangenen Segen weiter. Außerdem haben die Kaiserswerther Schwestern in Jerusalem im Norden der Stadt ein schönes, neues Krankenhaus mit 814 Pfleglingen. Wir grüßen das „preußische" Diakonissenhaus, wie es die Leute dort nennen, welches mit so wackerer Arbeit die heimische Kirche in Jerusalem vertreten hat.
Links an der Straße liegen die weitläufigen und stattlichen Gebäude des russischen Konvents, namentlich ist die Kirche desselben mit ihren zahlreichen Kuppeln ein wirklich schönes Gebäude.