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allen möglichen Seiten folgend, nunmehr auch dem Abgeordnetenhause Maßregeln gegen die Warenhäuser Vorschlägen wird. Die Sozial­demokraten wollen hingegen von einem Vorgehen gegen die Warenhäuser nichts wissen. Wenigstens haben nunmehr Berliner Genossen (Friedländer, Lippmann u. A.) beim Stuttgarter Parteitag beantragt, man möge sich gegen eine höhere Besteuerung der Warenhäuser aussprechen.

Vom Amtsgericht Menden in Westfalen wurde ein Radfahrer verurteilt, der vor einiger Zeit sich geweigert hatte, an der Ruhr­brücke zu Langschede das Brückengeld zu zahlen, und das Rad deshalb über die Brücke getragen hatte. In dem Urteil heißt es, daß bei Zahlung des Brückengeldes es nicht darauf ankomme, wie das Rad über die Brücke gebracht werde.

Nürnberg, 3. Okt. Die Wäschefabrik von I. Erlenbach errichtete anläßlich des 50jährigen Geschäftsjubiläums eine Stiftung im Betrag von 100 000 ^ für das Geschäfts- Personal.

Aus Bayreuth, 3. Oktober meldet die Amberger Volksztg.: Eine gräßliche Blutthat ereignete sich am gestrigen Sonntag während des Gottesdienstes in Bayreuth. Unweit des Bahnhofes ermordete der verheiratete Fabrik­arbeiter Reuter seine 3 jüngsten Kinder, indem er sie zu Boden warf und ihnen mit einem Rasiermesser den Hals durchschnitt. Nach geschehener Unthat bestieg Reuter den Bahndamm und ließ sich von einem Zuge überfahren. Er war sofort tot. Reuter war in der alten Baum­wollspinnerei beschäftigt und hinterlüßt eine Frau mit einem 9jährigen Sohne, dieselbe ist krank. Das Motiv ist wahrscheinlich plötzliche Geistes­störung. Derselbe war ein fleißiger Arbeiter und befand sich in guten Verhältnissen. Infolge eines Betriebsunfalls war er seit 3 Monaten arbeitsunfähig.

Aus der Rheinpsalz, 28. Sept. Wein. Die Lese der Portugieser-Rottrauben beginnt im Bezirke Dürkheim a. H. am 5. Oktober. Mit Beginn nächster Woche ist diese Weinlese an der Haardt allgemein.

Württemberg.

An den Kaiser hatte der König von Württemberg mittels eigenhändigen Schreibens eine Einladung zur Teilnahme an der Feier der Enthüllung des Kaiser Wilhelm-Denkmals in Stuttgart am 1. Oktober gerichtet. Darauf hat, wie derStaatsanzeiger" mitteilt, der Kaiser ebenfalls in einem eigenhändigen Schreiben an den König seinen herzlichen Dank für die Ein­ladung, sowie seiner Freude über die Errichtung des Denkmals in Stuttgart und die dadurch aufs neue bethätigten reichs- und kaisertreuen Ge­sinnungen des schwäbischen Volkes und die bei diesem Anlaß sich wiederum kundgebende Liebe und Anhänglichkeit des Königs an das deutsche Kaiserhaus und insbesondere an den verewigten großen Kaiser Ausdruck verliehen und gleichzeitig sein lebhaftes Bedauern darüber ausgesprochen, daß er zu dieser Zeit durch eine längst festge­setzte notwendige und nicht aufzuschiebende Be­sichtigungsreise in Ostpreußen verhindert sei, sich zu der Feier in Stuttgart einzufinden.

(Eisenbahnsache.) Aus Anlaß des bevorstehenden Herbstverkehrs werden die In­teressenten auf nachstehende Verfügungen der Generaldirektion der Staatseisenbahnen aufmerk­sam gemacht: 1) Die Begleitung von Weinsend­ungen in Wagenladungen durch die Versender beziehungsweise durch deren Leute ist allgemein zulässig. Diese Begleitung ist auch zugelassen, wenn für verschiedene zusammengeladeue Einzel­sendungen ein gemeinschaftlicher Begleiter gestellt werden will. Der Begleiter hat zutreffenden­falls eine Fahrkarte II!. Klasse zu lösen und Aufstellung im Innern des Wagens, also nicht aus der Plattform zu nehmen. 2) Die Güter­stellen sind angewiesen, zur Vermeidung von Verwechslungen und Verschleppungen nur solche leere und gefüllte Weinfässer zur Beförderung anzunehmen, welche an einer der beiden Boden­seiten mit weißer Oelfarbe genau gezeichnet sind. Es empfiehlt sich, die zum Versand kommenden Gebinde womöglich an beiden Bodenseiten mit

dem vollständigen Namen zu versehen. 3) Im Interesse einer regelmäßigen und raschen Ab­fertigung wird den Versendern von neuem Wein dringend empfohlen, jeder Auflieferung wenn thunlich, stets den Frachtbrief beizugeben oder die Güterstellen bei der Anfuhr wenigstens mit einer Notiz zu versehen, aus welcher zu ent­nehmen ist, nach welcher Station die Sendung bestimmt ist und ob solche als Einzel- oder als Wagenladungsgut Beförderung finden soll.

Stuttgart. Ein katholischer Geistlicher schreibt demStaatsanz." aus seinen Persön­lichen Erinnerungen: Der ff Bischof Dr. v. Linsenmann führte gern das Wort von der Schrift im Munde, nach dem er auch in unge­wöhnlicher Milde und Liebe handelte:Man soll den glimmenden Docht nicht ganz auslöschen und das zerknickte Rohr nicht vollends zer­brechen." Linsenmann stammte aus gemischter Ehe. Seine Mutter war evangelisch. Evange­lische Anverwandte fanden noch später bei ihm Unterstützung.

Stuttgart, 3. Okt. Am Mittwoch, 5. Oktober öffnet die Katzenausstellung ihre Pforten. Ueber 100 Nummern, darunter die seltsamsten Arten aus allen Weltteilen: die reine algerische Angorakätzin, im Besitz des Prinzen Ludwig Ferdinand von Bayern, ein algerischer Angorakater, beide 2000 Mk. je gewertet; die Modj Kitty-Katze aus Amerika, welche die Ozean­reise gut bestand, die Knotenschwanzkatzen, aus Indien stammend, die Zwergkatze, die heimischen Angora und unsere deutsche Haus-und Nutzkatze usw.

Ulm, 4. Okt. Heute begann vor dem hies. Schwurgericht die Verhandlung wegen des Wahl­krawalls in Göppingen. Angeklagt sind 16 Per­sonen, meist Arbeiter von Göppingen. Die An­klage geht aus Aufruhr, Landsriedensbruch und andere Vorgehen.

Hall, 4. Okt. Die Verhandlung gegen den Wilderer Felix Jakob aus Bernhardtmühle Gem. Neuenstein, welcher bekanntlich des Mords an dem Forstwart Schmauder angeklagt ist, hat mit seiner Verurteilung zum Tode geendet. Er wurde von den Geschworenen der Gnade des Königs empfohlen.

Kirchheim, 3. Okt. Ein 17 Jahre alter Metzgerbursche machte sich im Stall zu schaffen. Plötzlich schlug das Pferd aus und traf denselben so heftig in die Unterleibsgegend, daß er nach Verlauf einiger Stunden unter unsäglichen Schmerzen verschied.

Flein, 1. Okt. Allenthalben in unserem lieben Schwabenlande wird die Klage gehört, daß die Trauben Heuer so ganz fehlschlügen. Hier ist nun aber eine Kamerz zu sehen, die voll der schönsten Trauben hängt, so schön wie nur in irgend einem guten Weinjahr sie gesehen wurden. Schullehrer Wagner, der glückliche Be­sitzer, erntet von 6 Stöcken ca. 1Ztr. präch­tige Tafeltrauben. Eine ähnlich schöne Kamerz hat Baumwart Rudolf Kuder.

Stuttgart. »Landesproduktenbörse. Bericht vom 3. Oktober von dem Vorstand Fritz Kreglinger. j Die abgelaufene Woche brachte von Amerika aus einen kleinen Preisrückgang für Weizen, dagegen sind die Forderungen von Rumänien und Rußland gleich hoch. Sofort greifbare Ware bleibt gesucht. Mehlpreise pr. 100 Kilogr. inkl. Sack: Mehl Nr. 0: 31 bis

32 «4L ^, Nr. 1: 29 -4L bis 30

Nr. 2: 27 «4L 50 -k bis 28 Nr. 3: 26 «4L ^

bis 26 «4L 50 Nr. 4: 24 «4L -4 bis 24 -4L 50 4 . Suppengries 31 «LL 50 4 . Kleie 8 -4L

Stuttgart, 4. Oktober. Kartoffelmarkt am

Leonhardsplatz. Zufuhr 900 Ztr., Preis Pr. Ztr. 3 -4L 80 ^ bis 4 «4L 20 4 .

Obstpreiszettel vom 3. Okt.

Stuttgart. Mostobstmarkt am Nordbahnhof. Zufuhr: 3 W. aus Bayern, 850950 «4L, 4 W. aus Oe st- reich-Ungarn, 10001050 «4L, 15 W. aus der Schweiz, 800850 «4L, zus. 22 W.-Ladungen zu je ca. 10 000 Kilogr. Mostobst, die im Großen zu obigen Preisen und im Kleinen von 4 -4L 50 bis 5 «4L 20 per 50 Kilogr. verkauft, wurden.

Stuttgart. Wilhelmsplatz. Zufuhr 600 Ztr. Mostobst, Preis pr. Ztr. 4 «4L 50 ^ bis 5 «4L 50

Schorndorf, 4. Okt. Mostobst wurde verkauft der Ztr. zu 5 «4L 40 bis 5 «4L 60 ^Z. Bei Tafelobst war der Verkauf ein langsamer, der Ztr. kostete 8 «4L 50 ^ bis 8 «4L 60

Ausland

Sitten, 3. Oktbr. Heute Vormittags 10 Uhr 50 Minuten ist der Ballon unter Führung des Kapitäns Spelterini uif, mehreren Herren der Wissenschaft bei herrlichste Wetter und größtenteils wolkenlosem, tiefblaue», Himmel unter den Hurrahrufen der zahllose» Zuschauerschaft aufgestiegen. Es war ein hm! bewegender Anblick, als die 4 Luftschiffer a>y ferner Höhe ihre letzten Grüße der ausblickender Menge hinabsandten und diese in ein laute- Hurrah und Bravo ausbrach. DieWeg»- nahm, gleich wie der kleine Ballon, der kur vorher als Trabant abgelassen worden war di, Richtung nach Westen über die Alpen '»»ei Vevey zu.

Inmitten der Aufregung der Dreyfus-Affain ist am Samstag die spanisch-amerikanisch, Friedenskonferenz zusammen getreten, doch fanden in der Eröffnungs-Sitzung nur Form litäten Erledigung. Ueber den Verlauf der Konferenz-Verhandlungen wird man freilich einst­weilen nichts hören, denn die Konferenzteilnehm! haben sich in dieser Beziehung zum Stillschweige» verpflichtet. Da auf der Pariser Konferenz die Philippinen-Frage eine Hauptrolle spielen wird, so mag es den Spaniern vielleicht als ei» günstiges Anzeichen scheinen, daß ihnen gerade jetzt eine Siegeskunde von den Philippinen ge­kommen ist. Dieselbe besagt, daß die in der Provinz Antugua der zunr Visayas-Archipel ge­hörenden Insel Panay gelandeten Tagalen-Re- bellen von den Spaniern völlig geschlagen wor­den seien und 74 Tote sowie 13 Gefangene verloren hätten.

Paris, 3. Okt. Die Generalstabs- presffe spricht ihre große Befriedigung über die gestrigen Straßenkundgebungen aus, welche bewiesen, daß die Mehrheit der Bevölkerung gegen die Revision sei. Das Verdienst der Manifestationen gebühre Deroulede und der Patriotenliga. Die republikanischen Blätter tadeln die Regierung scharf wegen der Verhaftung der Veranstalter des Meetings, welches uni durch ein Bündnis zwischen Klerikalen Reaktionären verhindert worden sei.

Jalta, 4. Okt. Der Zar ist gestern mit­tag nach Dänemark abgereist, um an den Trauer- feierlichkeiten für die Königin Luise teilzunehimn. Die Kaiserin und die Prinzessin Heiurich be­gleiteten den Kaiser bis Sebastopol.

Cuneo (Oberitalien), 3. Okt. Seit drei Tagen ununterbrochen fällende Regengüsse verursachten ein Anschwellen aller Flüsse zu reißenden Strömen. Es wurde gewaltiger Schaden angerichtet. Die Eisenbahnbrücke auf der Linie Cuneo-Limone und die Brücke auf der Landstraße Cune-Turin sind fortgerissen. Viele andere Verbindungen sind unterbrochen.

Ars, 1. Okt. Heute kam von dem Schlacht­felde von Gravelotte ein englisches Ehepaar hier durch, das in einem Motorwagen die Reise von Liverpool nach Rom macht. Es fuhr von hier nach Metz, von wo aus es in einem Tage Straßburg und in einem zweiten Basel zu erreichen gedenkt. Der Wagen, der stündlich für 20 Pfennig Benzin verbraucht, ist ein eleganter mit Schlafeinrichtung und verschließbarem Verdeck versehener Phaöton, in Liverpool gebaut, br kostete etwa 3000

Konstantinopel, 2. Okt. Der Olm- stallmeister des deutschen Kaisers, Graf Wedel, der Leibstallmeister Plinzer und Generalmajor v. Scholl sind mit dem kaiserlichen Wagen uns Pferden in Konstantinopel eingetroffen. ^

(Aus einem Studentenbrief, s Lieber Onkel!

Unser Geldbriefträger feiert Sonnabend lew fünfzigjähriges Dienstjubiläum; vielleicht schM Du mir an diesem Tage eine Postanweisung, u? hätte dann Gelegenheit, dem alten, verdienter Beamten eine Kleinigkeit zuzuwenden.

sBettlerhumor.j Frau: Hunger habe" Sie? Ich kann Sie nicht recht verstehen, schlucken ja die meisten Ihrer Worte huuum - Bettler:Daran können Sie merken, groß mein Hunger ist."

Mit einer Beilage. _^

Reaktion, Druck und Verlag von C. Meeh in Neuenbürg.