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Weder Aerzte, noch Verbandstoffe, noch Lazarethe und dergleichen sind in genügender Menge vor­handen gewesen, nm die, wie die Spanier behaupten, 2000 Verwundeten umerzubringen. Und dabei ist das noch gar kein so übermäßig großer Ver­lustsatz. Das deutsche Heer hat nach Schlachten wie Mars-la-Tour am 16. August mit 16000, Gravelotte-St. Privat am 18 August 1870 mit 20000 Mann Verlust die Pflege der Verwundeten, wenn auch unter riesigen Anstrengungen bewältigt: was soll man da von den Einrichtungen der Amerikaner denken, die nach eigenem Eingeständnis hilflos vor tausend Manu Verlust stehen? Es fehlen etwa 40 Aerzte, es fehlen Hospitalschiffe, kurz es ist alles mangelhaft. Auch hier springt wieder der schwere Nachteil der amerikanischen Heeresverfassung in die Augen. Im Augenblick der Kriegserklärung kann nicht alles erst geschaffen werden, auch nicht das Lazarettweisen.

Unterhaltender Heil.

Das Fräulein von Harlaß.

Novelle von Waldemar Bernd t.

(Fortsetzung.)

Ein Freund in der Not ist Goldes wert, sagt sehr richtig das Sprichwort," entgegnete er, den Kopf nachdenklich hin- und herwiegend, aber weshalb erinnert man sich erst dieses Freundes, wenn die Not wirklich schon da ist?"

Fragend schaute Tränkler den ehemaligen Rechtsanwalt an.Was wollen Sie damit sagen, Schwarz?" forschte er.

Sie bedürfen meines Rates, denn Sie nehmen denselben immer wieder in Anspruch und wahrlich, nicht zu ihrem Nachteil!" erklärte Schwarz in trockenem, geschäftsmäßigem Tone. Aber Sie schämen sich meiner, Herr Hofrat, Sie scheuen sich, öffentlich mit mir zu verkehren, und doch bin ich Ihnen nnentbehrlich geworden. Ich habe so tief in ihre Verhältnisse hinein­geschaut, daß ich Ihnen gefährlich werden könnte, daß Sie alle Ursache haben, es mit mir nicht zu verderben, und doch muß ich mir gefallen lassen, daß Sie mich in Gegenwart Anderer völlig ignorieren, daß Sie mich nur durch das Hinterpförtchen in Ihren Garten und nur zur Nachtzeit einlassen, daß Sie mich nur hier in diesem Winkel Ihres Grundstücks empfangen, anstatt ungeniert im Wohnhause, in Ihrer Arbeits­stube oder einem anderen für geschäftliche Besuche geeigneten Raum. Weshalb soll ich ferner mich als Paria behandeln lassen, wo man meiner Hilfe und meines Beistandes nicht entratcn kann ?"

Sie sind ein wunderlicher Kauz, lieber Doktor!" versuchte Jener zu scherzen, während seine Stimme vor innerer Erregung leise zitterte, soll ich Ihnen Dinge auseinandersetzen, die Sie selbst längst wissen, weil sie auf der Hand liegen?"

Der Hofrat nannte den Advokaten nur dann Doktor, wenn ihm daran lag, ihn bei guter Laune zu erhalten.

Sie wissen, was mich zu dieser Vorsicht zwingt," fuhr er fort, als Schwarz nichts erwiderte,die Rücksicht auf mein Amt und meine Stellung. Als Diener des Staates darf ich mir nichts vergeben. Ihre Vergangenheit ist nicht ohne Makel, und man würde sehr bald Veranlassung nehmen, mich zu korrigieren, wollte ich in der Wahl meines näheren Umganges nicht die nötige Rücksicht nehmen. Soll ich Ihnen noch mehr sagen, lieber Schwarz?"

Ein ehemaliger Zuchthäusler wie ich muß sich freilich von der besseren Gesellschaft als ausgestoßen betrachten, aber wer kann es mir verdenken, daß ich mich an eben dieser Gesellschaft, zu welcher ja auch Sie gehören, räche!"

Ich begreife vollkommen, daß Sie verbittert sind, Doktor, aber an den Verhältnissen, wie sie nun einmal liegen, kann doch ich nichts ändern. Sie wissen, daß ich, sobald als es die Umstände gestatten, mein Amt niederlege, die Fesseln abstreife, die mir dasselbe angelegt hat. Dann bin ich frei und Herr meines Willens, und dann soll und kann mir Niemand mehr vorschreiben, mit wem ich Umgang Pflegen darf und mit wem nicht."

Das Bestreben, den Winkeladvokaten zu besänftigen, ihn seinen Wünschen geneigt zu

machen, war deutlich aus deu Worten Tränklcrs herauszuhören.

Gut, warten wir es ab!" sagte der Alte einlenkend,vielleicht kommen wir später auf diesen Punkt zurück. Zur Sache selbst weiß ich augenblicklich keinen Rat, die Angelegenheit will reiflich überlegt und vorsichtig behandelt sein. Lassen Sie mir einige Tage Zeit, ich hoffe, Ihnen dann bestimmte Vorschläge machen zu können."

Recht so, lieber Doktor, gehen Sie mit sich zu Rate, ich erwarte Sie in drei Tagen um dieselbe Zeit wieder hier," meinte Tränkler. Und erwägen Sie alles, Schwarz - Sie wissen, ich bin erkenntlich!"

Jeder Arbeiter ist seines Lohnes wert, Berehrtester, und auch meine Thätigkcit rechnet aus Anerkennung," versetzte der Advokat, indem er sich erhob.Also in drei Tagen!"

Ich erwarte Sie!"

Der Mann ging, von den Lippen des Hofrats aber klang es leise wie eine dem dunklen Ehren­manne geltende Verwünschung.

Im Frühstückszimmer der Billa Eberstein saßen der Baron und seine Gattin Hermine am Tisch. Seit einem halben Jahre war die Nichte der Generalin Freifrau von Eberstein, und ein glücklicheres Paar konnte es auf der Welt nicht geben. Der Baron sah seiner jungen Frau jeden Wunsch an den Augen ab und sie vergalt ihm seine Aufmerksamkeit und Güte durch doppelte Zärtlichkeit, warme, hingebende Liebe. Die Schwester des Barons hatte ihren längst gehegten Lieblingswunsch, ganz nach der nahen Residenz überzusiedeln, ausgeführt, aber sie war ein öfterer und gern gesehener Gast ans der Besitzung ihres Bruders.

Während des Frühstücks pflegte der Baron die Zeitungen zu lesen und seiner jungen Frau das Neueste daraus mitzuteilen; heute aber war er auffallend einsilbig und auf die zärtlichen Fragen seiner Gattin hatte er nur kurze, wenn auch nicht unfreundliche Antworten. Besorgt schaute Hermine ans den Mann und es entging ihr nicht, daß auf seiner edelgeformten Stirn eine Wolke lagerte.

Willst Du nicht zulangen, Otto, Du hast noch nichts berührt," sagte sie, ein Stückchen präsentierend.

Ich danke, Kind, ich verspüre nicht deu geringsten Appetit!" versetzte der Gefragte, ohne von seinem Zeitungsblatt aufzuschen.

Bist Du krank?" forschte das junge Weib im süßen Flüstertöne weiter.

Ich fühle mich vollkommen Wohl!" war die Antwort.

Hermine schüttelte das Haupt und sie hatte Mühe, die aufsteigenden Thränen zu bekänrpfen.

Der Baron schien es nicht zn bemerken, anscheinend ganz in seine Lektüre vertieft, beachtete er nicht, was um ihn her vorging. Wer freilich ihn unbemerkt beobachtet hätte, würde gefunden haben, daß seine Aufmerksamkeit keineswegs nur auf den Inhalt der Zeitung gerichtet war, denn oft genug schauten seine Augen über das Blatt Papier hinweg nachdenklich ins Leere. Draußen, im Park, sangen die Amseln und schlugen die Finken, und die melodischen Töne dieser herrlichen Sänger des Frühlings drangen durch das geöffnete Fenster herein zu dem jungen Ehepaar; aber sie vermochten die trübe Stimmung, die auf dem Hausherrn zu lasten schien, nicht zu verscheuchen.

Da trat ein Diener ins Zimmer und meldete den Rittmeister von Plaß. lieber das Gesicht Ebersteins flog ein leichtes, schmerzliches Zucken, als verspüre er einen plötzlichen Stich. Noch ehe er Zeit hatte, dem Lakai zu sagen, daß der An­kommende eintreten möge, erschien derselbe bereits ans der Schwelle.

Guten Tag, gnädige Frau, guten Tag, lieber Baron!" sagte er, Hermine die Hand küssend,famos, komme da gerade zum Frühstück, erlaube mir, mich einzuladen, habe einen scharfen Ritt gemacht!"

Die junge Frau drückte auf den Kopf der elekt­rischen Klingel an ihrer Seite und befahl dem ein­tretenden Diener ein frisches Gedeck zubringen. Dann machte sie in liebenswürdiger Weise die Wirtin und reichte dem Gaste die verschiedenen Platten, während weder sie noch ihr Gatte sich zulangten.

Ich komme mit einer Einladung, lieber Ebcrstein," fuhr der Offizier fort,und z,y^ im Austrage unseres gemeinschaftlichen Freundes Rotherrfels. Sie kennen ja die ausgedehnten Rothcuselsscheu Besitzungen mit dem Prächtige» Wildstand; nun, der Gutsherr will übermorgen große Entenjagd abhalten und rechnet auch »m ihre Teilnahme. Wird jedenfalls grandios, unser Freund führt süperbe Küche und wunderbaren Weinkeller! sämtliche Gutsherren der Umgegend sind geladen, ebenso viele Cavaliere aus de, Residenz, auch der Forstmeister wird erscheinen/

Weshalb läßt mir Herr von Rvtheufch nicht, wie er dies sonst stets that, die Einladung direkt zugehen, sondern bedient sich diesmal Ihrer Vermittelung?" fragte der Baron in kühlem Tone.

Das habe ich allein auf dem Gewissen bester Freund," versetzte der Rittmeister, die Serviette zur Seite legend und seinen langen blonden Schnurrbart streichend;war gestern drüben auf Rothenfels, der Gutsherr ließM die Einladungskarten durchsehen und dabei sam ich auch die an Sie gerichtete. Werde diese morgen persönlich abgeben, sagte ich, habe vor, morgen nach Villa Eberstein zn reiten und die Herrschaften zu besuchen. Rothenfels hatte nichts dagegen und so müssen Sie mich schon mal - nicht als postillon ck'amour, Wohl aber als Sendboten der Diana in den Kauf nehmen."

Er belachte diese Bemerkung sehr lebhaf,, während er seiner Brieftasche die für den Barm bestimmte Einladungskarte entnahm und sie diesem übergab.

Werden sich natürlich cinstellen, liebet Baron!" näselte der Ulan.

Der Blick des Gefragten glitt über das Antlitz seiner Frau, als wolle er in ihren Zügen lesen, was er thun solle.

Das darfst Du nicht ablehnen, Otto," sagte Hermine, ihre feine iveiße Hand auf seine Rechte legend,Herr von Rothenfels würde es Ar sicher übel nehmen. Du ließest Dich in den letzten Monaten schon zweimal entschuldigen, dies«! würde er sich verletzt fühlen. Außerdem bist Tn ja leidenschaftlicher Jäger gönne Dir di«- Licblingsvergnügen."

(Fortsetzung folgt.)

das

Paris,

Ansuchen

Telegramme

Juli. Frau

o.

Dreyfus stellte

au das Justizministerium,

Urteil gegen ihren Gatten für nichtig zu erklären, weil geheime Aktenstücke dem Kriegsgericht mit- getcilt worden seien ohne Wissen des Angeklagten und seines Verteidigers.

New-Jork, 5. Juli. Der Washingtoner Correspondent desEvening Journal" meldet, Admiral Sampson habe den Versuch gemacht die unterseeischen Minen am Eingang in den Hasen von Santiago zur Explosion zu bringen, jedoch sei der Versuch nur bei einigen geglückt. -- Die spanischen Batterien ans Cago Smith dem Fort Morro und in La Sagopa seien »och immer in Thätigkeit.

New-York, 5. Juli. Nach Telegrammen aus dem Hauptquartier des Generals Shaster von gestern habe das Gewehrfeuer zwischen den Vorposten den ganzen Tag gedauert, aber aui beiden Seiten nur geringen Schaden verursacht General Shaster wurde durch einen Büchscnfchuk leicht am Fuße verwundet.

New - York, 6. Juli. Die Kommandanten der spanischen SchiffeViscahast,Furor" Pluton" find gefangen, drei Offiziere und jech- Mann desPluton" flüchteten sich an Ws eines derAßociated Preß" gehörigen ckvifm-.

Washinton, 6. Juli. Mac Kinkel, tele­graphierte an Shaster: Er solle sich mit Samp son darüber beraten, ob es für die Flotte mag H sei, in den Hafen von Santiago einzulaufen u die Stadt zu beschießen. Shaster bestätigt, ° Pando mit 6 000 Mann in Santiago emgetrosi sei und daß die Truppen bereits auf den schiedenen Befestigungen verteilt seien.

Brüssel, 6. Juli. Während des Hoch ' ^ in der Kirche zu Neusville schoß wn anschr , Geistesgestörter auf den die Messe lft, Pfarrer und Vikar.. Beide blieben un st Der Attentäter wurde verhaftet. _

Redaktion, Druck und Verlag von C. Meeh in Neuenbürg.

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