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Art 40 s (Steuereinzug) die nötigen Erklärungen. Die Kammer der Abgeordneten hatte Stenereinzug durch die Gemeinde beschlossen, die I. Kammer Will Stenereinzug durch den Staat; die Kammer schlägt vor, auf dem Bermittlungswege zu bestimmen: „Der Einzug der Einkommensteuer erfolgt durch die Staatssteuerbehörden in denjenigen Gemeinden, welche sich innerhalb der Frist von tz Jahren nach dem Inkrafttreten des Gesetzes hiezu bereit erklären, im staatlichen Auftrag durch die Gemeinde. Durck gemeinschaftliche Entschließung der Ministerien oes Innern und der Finanzen kann der Steuereinzug der Gemeinde sofort oder- nachträglich untersagt werden, wenn Thatsachen vorliegen, aus welchen hervorgeht, daß bei Ausführung des Auftrags das wirtschaftliche Interesse der Gemeinde notleidet oder der sichere Eingang der Steuer gefährdet erscheint. Die Untersagung ist auf Antrag der Gemeinde aufzuheben, wenn nachgewiesen wird, daß die Gründe derselben weggefallen sind. Die Gemeinde haftet für die rechtzeitige und vollständige Ablieferung des ihr zum Einzug überwiesenen Steuerbetrags. Die Ablieferung erfolgt unmittelbar an die Staatskasse. Im Fall des Steuereinzugs durch die Gemeinde kommt derselben auch die etwa notwendige Betreibung der Steuer im Wege der Zwangsvollstreckung nach Maßgabe des II. Abschnittes des Gesetzes vom 18. August 1879 über die Zwangsvollstreckung wegen öffentlich- rechtlicher Ansprüche zu. Von Steuerpflichtigen, welche Besoldungen, Wartegelder, Ruhegehalte, Pensionen und Unterstützungen aus der Staatskasse beziehen, wird die Einkommensteuer auch in den Gemeinden, welche den Stenereinzug übernommen haben, durch die Staatsbehörden erhoben. Finanzminister v. Payer betont, es sei zu wünschen, daß der Beschluß des andern Hauses hier angenommen werde, denn der Antrag der Kammer sei, so erfreulich er auch sein möge, für die Regierung kaum annehmbar. Man solle bestimmen, daß ein Bedürfnis für den Steuereinzug durch die Gemeinde nicht eine bestimmte Größe überschreite. Prälat Sandbergcr (fr. V.) stellt den Antrag auf Annahme des Beschlusses der I. Kammer, v. Geß befürwortet den Vermittlungsantrag der Kommission, Berichterstatter- Gr über führt aus, die bisherige Hauptsteuer aus Grund, Gebäude und Gewerben müsse die Gemeinde erheben, man solle auch den Einzug der künftigen Hauptsteuer durch die Gemeinden möglich machen, v. Zeyer bleibt auf seinem Standpunkt. Binz (V. P.) scheint der Artikel Nicht so wichtig, wie man ihn mache. Die Ein- schätzung sei viel wichtiger. Er empfehle den Kommissionsantrag. Schrempf (K.) ist ebenfalls für Kommissionsantrag, v. Sandberger sowie v- Zeyer erwidern. Schnaidt (V. P.) Es werde ihn freuen, wenn im Kommissionsantrag sem früherer Antrag wieder aufwache. Für ihn wmme nur das Interesse der Steuerzahler in Betracht, und dies könne nur die Gemeinde beurteilen. Käs (V. P.) Der Kommissionsantrag komme der Regierung schon genügend entgegen. Nachdem Kinz (V. P.) noch kurz gesprochen, wird abgestimmt. Der Antrag Sandberger wird mit 22 gegen 54 Stimmen abgelehnt und der Kommissionsantrag mit 57 gegen 18 Stimmen angenommen; ebenso die übrigen Artikel ohne Debatte. Man geht über N^^pllalsteuergesetz. Berichterst. Sandberger B-) empfiehlt die Kommissionsanträge. Diese werden größtenteils nach unwesentlicher Debatte genehmigt. Bei den Strafbestimmungen bezw.
Heranziehung der Erben bei Steuer- /B'chbatronen die Regierungsvorlage wieder hergestellt. Schlußabstimmung über das ganze esty erfolgt morgen Vormittag 10 Uhr.
^ 241. Sitzung.
> Stuttgart, 6. Juli. Auf der Tages- nuag steht 1. Anträge der Steuerkommission " abweichenden Beschlüssen der Kammer r . ^andesherrn über den Entwurf eines Gesetzes 2 AmddieWandergewerbesteuer,samt Nachtrag, fh^chabstimmung über den Entwurf eines setzes betr. die Einkommensteuer. 3. Schluß- b° 7 Z"chng. über den Entwurf eines Gesetzes Kapitalsteuer. Zu den Anträgen Das ^ Wandergewerbesteuer berichtet Remb old: -paus stimmt den Kommissionsanträgen zu
und nimmt das Gesetz einstimmig an. Bei der Schlußabstimmung über die Einkommensteuer wird diese mit 60 gegen 14 Stimmen angenommen. (Dagegen die Ritter, Prälat Sandberger, Prälat Weit brecht und Storz (V. P.) Die Kapitalsteuer wird mit 72 gegen 3 Stimmen angenommen. Präs. Payer spricht der Steuer- kvmmission den Dank des Hauses aus für die von ihm aufgewendete Mühe. (Bravo.) Hierauf wird das Kgl. Vertagnngsrescript verlesen. Präs. Payer schließt hierauf die Sitzung mit dem Wunsch ans frohes Wiedersehen. Freiherr v. Gemmingen (Fr. V.) spricht dem Präsidenten den Dank des Hauses aus für seine Geschäftsleitung. (Bravo.)
Stuttgart, 29. Juni Gestern ist die endgültige Konstituierung der „Gesellschaft zur FörderungderLuftschiffahrt", von welcher schon früher berichtet wurde, mit dem Sitz in Stuttgart erfolgt. Der Zweck der mit einem Aktienkapital von 800 000 Mk. gegründeten Gesellschaft ist die Ausführung und Erprobung von Luftfahrzeugen, zunächst des von dem Grafen v. Zeppelin konstruierten. Der Aufsichtsrat besteht aus den Herren: Geh. Kommerzienrat v. Duttenhofer-Rottweil, Oberbaurat Groß-Eßlingen, Kommerzienrat Kuhn-Stuttgart-Berg, Major a. D. W. Stein und Generallieut. z. D. Graf Ferdinant v. Zeppelin-Stuttgart; letzterer ist Vorsitzender des Aufsichtsrats. Als Vorstand der Gesellschaft wurde Ingenieur Hugo Kübler in Cannstatt bestellt. Nach Vollendung der Vorarbeiten, die Wohl einschließlich der Aufstellung eines am Bodensee zu erbauenden Magazins oder Ballonshäuschens nebst Gasfabrik bis nächstes Frühjahr dauern werden, ist beabsichtigt, mit dem Bau eines Fahrzeuges zu beginnen, mit welchem voraussichtlich im Sommer nächsten Jahres die ersten Versuchsfahrten über den Bodensee vorgenommen werden sollen.
Heilbronn, 5. Juli. Die erste Verurteilung wegen der jüngsten Straßenkrawalle ist heute bereits erfolgt. Der 23jährige Steinhauer Christian Merkle von Finsterroth, wohnhaft hier, wurde wegen eines Vergehens des Widerstands gegen die Staatsgewalt Zusammentreffen!) mit einem Vergehen der Beleidigung zu der Gefängnisstrafe von 4 Monaten verurteilt. Angeklagter hatte in der zweiten Krawallnacht am 25. Juni nachts einem Soldaten der sich auf dem Patrouillengang auf der Kaiserstraße befand, zngegrufen: „Reißt doch dem Lausbuben die Flinte raus." — Zur schärferen Bewachung der im landgerichtlichen Gefängnis untergebrachten Gefangenen sind in vergangener Nacht erstmals militärische Posten ausgestellt gewesen.
Mergentheim, 2. Juli. Dem Vernehmen nach wird von Seiten des Bundes der Landwirte die Stichwahl im 12. Wahlkreis angefochten werden und zwar wegen Wahlbeeinflusfung durch einen Beamten. Der Steuerwachtmeister Stolzen- berger, früher in Langenau, hat am Tage vor der Stichwahl in amtlicher Eigenschaft und in öffentlicher Erklärung gegen den Kandidaten, Stadtpflegcr Hang, die schwere Beschuldigung erhoben, derselbe habe sich von einem Güterhändler bestechen lassen und gegen Bezahlung die Hand dazu geboten, das gesetzliche Verbot der gewerbsmäßigen Güterzerstückelung zu umgehen. Diese Beschuldigung ist aber durchaus grundlos. Ein Ulmer Güterhändler wurde vor einigen Jahren wegen Hofmetzgerei zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Infolge Denunziation wurde auch gegen Hang Untersuchung eingeleitet, aber vom Gericht kein Grund gefunden, gegen Hang eine Anklage zu erheben. Wenn nun trotzdem Stolzenberger die unwahre Beschuldigung wiederholt, so hat er dadurch als Beamter eine Wahlbeeinflusfung schlimmster Art begangen und die Stichwahl kann mit Recht angefochten werden. Durch eine von Haug gegen Stolzenberger erhobene Beleidigungsklage wird der Thatbestand nochmals unzweifelhaft festgestellt werden.
Ulm, 4. Juli. Am Freitag wurde im Münster die alte 70 Ztr. schwere Schwörglöcke in den neuen Glockenstuhl des Hauptturms hinaufgezogen und aufgehängt. Zwei kleinere Glocken, die Thorglocke und Landfeuerglocke, hängen schon oben und morgen kommen von Kurtz in Stuttgart
2 neugegossenc Glocken von je 30 Ztr. Gewicht. Die grüße des neuen Geläutes mit 80 Ztr. wird von Kurtz in der nächsten Woche gegossen.
Schlechtenfeld, 4. Juli. Unter Vorspiegelung falscher Thatsachen gelang es dem Dienstknecht Taxt von Altheim OA. Ehingen vom hiesigen Gemeindepfleger eine Summe Geldes „bloß bis morgen" zu entlehnen. Als der gutmütige Gemeindepfleger nach vergeblichem Warten nach der Sache sehen wollte, stellte sich heraus, daß er und noch viele andere diesem Gauner zum Opfer gefallen waren. Taxt ist flüchtig gegangen, nachdem er in den letzten Tagen viele derartige Gaunereien verübt hat. ,
Trurrgart. fLandesproduklenbörse. BeriLt vom 4. Juli von dem Vorstand Hrip »reglinger.f Im Wochenverlauf hat sich die Stimmung für Getreide gebessert und es zeigt sich für Weizen wieder mehr Bedarf. Auch meldet Amerika höhere Preise. Hier ist das Geschäft ruhig, doch ist bessere Kauflust. Die Landmärkte sind schwach befahren. Preise unverändert. — Mehlpreise per 100 Kilogr. inkl. Sack: Mehl Nr. 0: 35 ,4t — ^ bis 36 — -I, Nr. 1:
33 ^ bis 34 , Nr. 2: 31 50 ^ bis
32 Nr. 3: 30 « — ^ bis 30 50 ^
Nr. 4: 27 ^ bis 27 50 Suppengries
35 ^ 50 Kleie 8
Württemberg.
Zürich, 4. Juli. Im Kanton Zürich wurde gestern bei der Schlußabstimmung über das neue Advokaturgesetz, die Zulassung der Frauen zum juristischen Studium mit 21207 gegen 20046 Stimmen angenommen.
Die Dreyfus-Affaire hat am Sonntag in Paris zu einer häßlichen Szene geführt. Der aus dem Dreyfus-Esterhazy-Zola-Prozeß bekannte Major Esterhazy, der in demselben als Zeuge gegen die Dreyfus-Partei eine so eigentümliche Rolle spielte, überfiel den gleichfalls aus jenem Prozeß als Zeuge bekannten Oberst Picquart auf offener Straße und mißhandelte ihn mit Stockschlägen. Picquart wurde bei seinen Bemühungen, sich zu verteidigen, von den Umstehenden verhöhnt, freilich ist ja Picquart seit feinen Prozeß-Aussagen, welche die Coulisseu- wirtschaft im französischen Heere bedenklich beleuchteten, stets ein Gegenstand des Hasses für die französischen Chauvinisten gewesen. Heber den Ausgang dieses Recontres, welches auf die französischen Heeresverhältnisse ein recht charak- terisches Licht wirft, lag bis Montag keine weitere Meldung vor; jedenfalls kann die französische Regierung den Zwischenfall nicht ruhig hingehen lassen, wenn sie nicht will, daß man im Auslande von gewissen Zuständen im französischen Offiziercorps einen ganz sonderbaren Begriff bekommt.
Paris, 5. Juli. Da Esterhazy dem nicht aktiven Militärstande angehört, wird der von ihm gegen Oberstlieutenant a. D. Picquart unternommene Ueberfall vor dem Zuchtpolizeigericht zur Verhandlung kommen.
Paris, 4. Juli. Die Begeisterung für die spanischen Truppen, die sich heldenmütig gegen eine vierfache Uebermacht wehrten, ist sehr groß. Wegen der Flotte Cervaras ist man sehr beunruhigt und über Camara sehr verstimmt.
Aus Italien, 1. Juli. Während Oberund Mittelitalien — berichtet man der „Neuen Zür. Ztg." — trotz der in einigen Gegenden vorige Woche niedergegangenen Hagelschläge im allgemeinen eine günstige Ernte erwarten lassen, liegen Nachrichten aus Unteritalien vor, daß infolge der großen Trockenheit das Bodenerträgnis zu wünschen übrig lasse. Ueberall finden Prozessionen statt, die Regen erflehen. (Die übrigen Teile des Dreibundes könnten da gut aushelfen.)
Washington, 5. Juli. Ein hier cin- getroffenes, 10 Meilen von Santiago aufgegebenes Telegramm meldet: Obwohl die amerik. Kriegsschiffe während der Dauer des Kampfes einem furchtbaren Feuer uusgesetzt waren, erlitten sie fast gar keine Beschädigung. Cervera machte in Anbetracht der überlegenen Streitmacht der Amerikaner den heldenmütigen Versuch, sich mit den Schiffen zu retten und setzte den Kampf noch fort, als sein eigenes Schiff schon in Flammen stand.
Nach der Schlacht bei Santiago hat sich gezeigt, wie unzureichend die amerikanischen Kriegsvorbereitungen gewesen sind, denn