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Generaldebatte wurden ohne weitere Debatte die einzelnen Paragraphen des Flotten- gesetzes und das ganze Gesetz in der Ge­samtabstimmung angenommen. (Lebhaftes Bravo.) Hierauf begründete Dr. v Levetzow (kons) seinen Antrag auf Errichtung eines Kaiser- Friedrichs-Denkmals auf Reichskosten Er er- innerte an das Heldentum und die Tragik, die in dem Leben und Sterben des Kaisers vereint waren, derunser Fritz" genannt wurde- Der Antrag wurde gegen die Stimmen der Sozial­demokraten angenommen.

Berlin, 29. März Der Kaiser fuhr gestern Abend, nachdem ihm die Meldung von der Annahme des Flottengesetzes erstattet worden war. zum Reichskanzler Fürsten Hohenlohe und beglückwünschte ihn zur Vollendung des Gesetzes. Bei der Abendtafel überreichte der Kaiser dem Staatssekretär des Reichsmarineamts, Kontre- admiral Tirpitz, das Patent als Staatsminister und Mitglied des StaatSministeriums.

Karlsruhe. 29 März DieKarlsr. Zig," meldet: Vom Kaiser ist noch am gestrigen Abend folgendes Telegramm an den Großherzog eingelaufen:Das Flottengesetz ist soeben mit starker Mehrheit in dritter Lesung angenommen worden, und vor allem ist das Deiner unermüdlichen Mitarbeit zu danken, mit der Du mir immer, wenn es sich um das Wohl des Vaterlandes handelte, mit Hingabe und Nachdruck beigestandsn hast. Zum Danke dafür stelle ich Dich ä la suite unserer Marine­infanterie, deren brave Jungen im fernen Osten unsere Flagge beschirmen. Gott segne Dich! Wilhelm I. R."

Nach langer Fahrt ist dieFlotten-Vorlage in den Hafen der Gesetzgebung cingelaufen. Der Reichstag hat das für unsere Wehrkraft, zum Schutze unsers Handels und unserer Kolonien so wichtige Gesetz mit großer Mehrheit angenommen. Diese Thatsache ist mit Genugthuung zu be- grüßen. Wenn man bedenkt, wie der Reichstag noch vor einem Jahre nicht einmal die überaus bescheidenen einjährigen Forderungen für die Marine anerkannte, so wird man die Schwierig­keiten ermessen können, die zu überwinden waren. Nach der Reichsregierung hat an der Förder­ung der Vorlage neben Herrn v. Bennigsen, der eigens von Hannover nach Berlin gekommen war, um kurz vor seinem Scheiden aus der politischen Wirksamkeit für das große nationale Unternehmen einzutreten, der Zentrumführer Dr. Lieber ohne Frage den Hauptanteil.

Das Schicksal der Flotten-Borlage hat wieder einmal in erfreulichster Weise gezeigt, daß der nationale Gedanke im deutschen Volke in alter Kraft lebendig ist. Durch die Annahme des Gesetzes mit einer so überwiegenden Mehrheit ist der Beweis erbracht, daß da. wo Lebens- Interessen des deutschen Volkes in Frage kommen, wo cs sich um Sein oder Nichtsein handelt, die Meinungsverschiedenheiten zurücktreten und die gesetzgebenden Faktoren zusammenstehen. Diese Thatsache dürfte namentlich im Auslande, welches Abstimmungen über Forderungen für die Landes Verteidigung als Zeichen für die Gesundheit unserer inneren Verhältnisse zu betrachten ge­wohnt ist, ihren Eindruck nicht verfehlen.

Karlsruhe, 28. März. Gegen das Flottengesetz war ein Teil der badischen Zentrumspresse so feindselig demagogisch, wie irgend ein demokratisch oder sozialdemokratisches Blatt. Jetzt haben nicht nur Dekan Lender, sondern auch sämtliche übrigen badischen Zen­trumsabgeordnete im Reichstag, die Herren Hug, Schüler. Schälgen, Reichert, Marbe und Frhr. v. Buol für das Flottengesetz gestimmt. Hier- nach darf und muß man doch wohl annehmen, daß diese Vertreter von der Anschauung der Be­völkerung in Süddcutschland eine andere Ansicht gewonnen haben, als diejenige war, die ihre Presse monatelang dem Volke auftifchte. Das rst ein Vorgang, der auch für andere, insbe­sondere einheimische politische Verhältnisse doch lehr zur Vorsicht mahnt. Warum soll es einer Aussaat von Mißtrauen bedürfen, um den Weg .^ Umkehr vorzubereilen? Das ist aber Haupt- fachlich der Weg der seit Jahren beschritten wird, und der namentlich bei der Militärvorlage eine

so große Rolle spielte, wo ja selbst geistliche Würdenträger die politische -Arena betraten.

Berlin, 28 März. Der Seniorenkonvent des Reichstages beschloß, vor den Osterferien nur noch die dritte Beratung des Etats zu erledigen. Danach sollen die Osterferien eintreten und bis 26. April dauern. Die dritte Lesung der Militärstrafprozeßordnung beginnt erst nach den Osterferien.

Berlin. 28. März. Der württ. Kriegs­minister Frhr. Schott v. Schottenstein ist hier eingetroffen.

Das preußische Abgeordnetenhaus hat die Beratung des Eisenbahn-Etats beendet. Es erhöhte den außeretatsmäßigen Dispositions- Fonds zur Vermehrung der Betriebsmittel und Erweiterung der Bahnanlagen von 20 auf 50 Millionen Mark. Auch wurde mittelst Resolu­tion die Regierung aufgesordert, diese Erhöhung schon im laufenden Etatsjahre eintreten zu lassen.

Der Gedenktag der Erhebung Schleswig Holsteins, welcher überall in den Elbherzog lümern unter begeisterten Kundgebungen begangen wurde und der feinen Glanzpunkt in der Marine- und Universitätsstadt Kiel fand, bedeutet mehr als ein provinziales Fest. Ist doch der 24. März 1848 der eigentliche Geburtstag unseres großen, deutschen Vaterlandes gewesen, da durch die deutsch nationale Kundgebung der Schleswig- Holsteiner gegen die dänische Fremdherrschaft der gewaltige Stein ins Rollen kam, auf welchem Kaiser Wilhelm der Große und sein willensstarker Kanzler die Grundlagen des Reiches errichteten.

Karlsruhe, 28. März. Die beabsichtigte Besserstellung derVolksschutlehrer erfordert imBeharrungsstand einen jährlichen Mehraufwand von 338 000 -M, mit Ruhegehalten von 377 000 Mark.

Karlsruhe. 28. März. Dem Stadtrat ist mitgeteilt, daß der Stab und das erste Bataillon des Infanterieregiments Nr. 169, das sich zur Zeit noch hier befindet, mit dem 1. Oktober nach Lahr verlegt wird.

Karlsruhe. Der Biehversicherungs-Ge- sellschaft Plau in Plan (Mecklenburg) war feiner Zeit vom Ministerium des Innern der Geschäits- betrieb in Baden untersagt worden. Die Ge­sellschaft hat jetzt ihren Namen und ihren Sitz geändert (Schleswig - Holsteinsche Viehversichcr- ungsgeseüschast in Kiel). Amtlich wird darauf aufmerksam gemacht, daß das frühere Verbot auch dieser Gesellschaft gegenüber m Geltung bleibt

Karlsruhe, 29. März. Der Schöpfer des Karlsruher Kaiserdenkmals, Professor Adolf Heer, ist, wie dieBad. Landeszkg." meldet, in der vergangenen Nacht seinem schweren Leiden erlegen. Er war 1849 zu Vöhrenbach im Schwarzwald geboren.

Karlsruhe, 25. März. Von einer fixen Idee befallen wurde nach demBad. Ldsboten" eine Verkäuferin. Sie glaubte, den französischen Exkapitän Dreysus zu erblicken und versuchte, ihn vor seinen Verfolgern zu ver­bergen. Zu diesem Zwecke warf sie in dem Laden alles durcheinander, stülpte Kisten um u. s. w., um ein Versteck ausfindig zu machen. Fortwährend schrie sie dabei:Dreyfus ist un­schuldig. ich muß nach Paris, um seine Unschuld zu beweisen." Ein herbeigerufener Arzt ver- ordnete der Bedauernswerten Beruhigungsmittel, worauf sie in ihre Wohnung geleitet wurde. Ein zu eifriges Lesen des bekannten Sensations­romansDreyfus" mag wohl mit Anlaß zu der fixen Idee gegeben haben.

Verkracht ist wieder eine sozial­demokratische Gründung, die Flens­burger Genossenschaftsbäckerel. Das von den Arbeitern eingezahlte Kapital ist verloren gegangen. Das sozialdemokratische Parteiorgan in Kiel klagt darüber, daß so mancher Genosse, der seine sauer ersparten Arbeitergroschen geopfert hat, nun um eine bittere Erfahrung reicher sei, zumal in diesen Tagen vom Konkursverwalter noch 75 Prozent Nachschuß gerichtlich eingetriebeu werden. Das Blatt richtet aus diesem Anlaß die ernste Mahn­ung an die Arbeiter, sich von allen unvorsichtigen Gründungen sernzuhalten. DieFreis. Ztg." bemerkt dazu:Der Rat ist ganz gut, doch

sollte das Blatt auch der Erkenntnis Ausdruck geben, daß alle aus sozialdemokratischen Grund­sätzen aufgebauten Unternehmungen nicht lebens­fähig sind, wie neben vielen anderen auch das Flensburger Vorkommnis beweist."

Württemberg.

Wiirttembergischer Landtag.

Stuttgart, 29. März. Auf der T.-O. steht die Fortsetzung der Beratung des Ver­fassungsgesetzes (Art. II Stichwahl). In einem kgl. Handschreiben hat der König, die Königin und Prinzessin Pauline dem Hause für die Uebermitklung der Glückwünsche anläßlich der Verlobung der Prinzessin Pauline den herzlich­sten Dank ausgesprochen. Es wird in die T. O. cingetrcten. Art. II lautet:An die Stelle des § 144 der Verfassungs-Urkunde tritt sol- gende Bestimmung: bei den Wahlen der Avg. der Städte und Oberämter entscheidet die rela­tive 'Stimmenmehrheit und ins Falle der Stimmen­gleichheit das Los." Abg. o. Geß (D. P.) empfiehlt als Mllberichterstatter die Annahme des Beschlusses der Kommisstonsmehrheit. Für die Abschaffung der Stichwahlen sprächen viele Gründe. Die Stichwahl sei kein Volksrecht, sondern im Gegenteil ein Zwang. Abg. Gröber habe recht gehabt, als er die Stichwahlen den Gipfel des Widersinnes" nannte. Min.-Präs. v. Mittnacht erklärt, die Regierung könne von der Forderung der Beseitigung der Stichwahl nicht abgehen. Die Ablehnung dieser Forderung würde ein Scheitern des ganzen Gesetzes nach sich ziehen. Abg. Kiene (Zir.) erklärt Namens seiner Fraktion, für die Regierungs-Vorlage stimmen zu wollen. Haußmann-Gerabronn: Die Abschaffung der Stichwahlen werde in beiden Häusern eine Mehrheit finden und das Ver­fassungswerk werde zu stände kommen. Wenn man heute die Volkspartci frage, ob sie an dieser Forderung festhalke, auch wenn die Verfassungs- reform dadurch zum Scheitern komme, so würde der größere Teil davon abgehen. Redner ver­sucht dann nachzuweisen, daß durch die Ausheb­ung der Stichwahlen das Zentrum und die Sozialdemokratie Vorteile haben würben. Egger (Zir.) spricht für Abschaffung der Stichwahlen. Prälat o. Sandberger empfiehlt einen Versuch mit der relativen Mehrheit bei den Wahlen zu machen. Ob daraus Vorteile für unser poli­tisches Leben erwachsen würden, müsse man der Zukunft überlassen. Min. v. Pnchek erklärt, nachdem Abg. Haußmann die Erklärung gegeben habe, die Bolkspartei werde an diesem Artikel die Verfassungsreform nicht scheitern lassen, sei das Schicksal desselben besiegelt. Die Regierung gehe von dem Standpunkt aus, daß das Slich- waylprinzip keine innere Berechtigung habe, und daß die Aufhebung desselben unserm ungesunden politischen Leben förderlich sein werde. Adg. Kiene (Zentr.) begrüßt gleichfalls die Umkehr der Volksparkei in der Stichwahlfrage und polemisiert dann gegen Berichterstatter Haußmann, der in seinen Ausführungen der katholischen Geistlichkeit vorgeworfen habe, den Beichtstuhl als Agitationsort für Wahlen zu benützen. Dagegen müsse er die katholische Geistlichkeit energisch in Schutz nehmen. Haußmann- Gerabronn bemerkt dem Minister v. Pischek gegenüber, daß er eine Erklärung seiner Partei nicht abgegeben habe. Dem Vorredner habe er zu erwidern, daß er die Geistlichkeit nicht ange­griffen habe. Er habe lediglich an den Satz angeknüpfr. ein guter Katholik könne nicht anders als fürs Zentrum wählen, und daraus gefolgert, daß ein guter Katholik klopfenden Herzens zur Urne und zur Beichte gehe. Bei der Abstimm­ung wird Art. 11 mit allen gegen die Stimmen der Volksparkei und die der Abg. Stockmayer und Spieß angenommen. Die Art. 12, 13, 14, 15 und 16 werden nach kurzer Debatte in der Kommissionsfassung angenommen. Die Be­ratung des Art. 17 wird ausgesetzt und die Sitzung abgebrochen.

S tu t t g a r t, 28. März. ZurReichs- tagswahl. Der seitherige Vertreter der Stadt Stuttgart im Reichstage, Geh. Kommerzienrat Dr. Siegle, ist aus Gesundheitsrücksichten nicht mehr in der Lage, eine Kandidatur für die nächste