Calw, 27. Jan. Die vereinigten Decken- sabriken Zöppriz. Wagner u.Comp,, die jedes Jahr ihr Anwesen vergrößern, erstellen ein großes Färbereigebäude, da das bisherige nicht mehr ausreicht. Ebenso vergrößert Handelsschuldirektor Spöhrer seine Schule durch einen großen Neubau mit 24 Zimmern und Räumen für die Oekonomie. Auch das Villenviertel.am Teuchelweg erfährt durch ein weiteres Gebäude einen Zuwachs und die abgebrannte Kunst- mühle von A. Lutz wird in Bälde in großer Ausdehnung neu erstehen. Zu diesem kommen noch mehrere andere Gebäude, so daß es für die Geschätswelt an lohnender Beschäftigung nicht fehlen wird.
Pforzheim, 26. Jan. Auf dem heut. Schweinemarkt waren ca. 90 Ferkel zugeführt. Dieselben wurden sämtlich zu einem Durchschnittspreis von 18 bis 22 Mk. das Paar verkauft.
Deutsches Aeich.
Erklärungen zur auswärtige« Politik.
Die Budget Kommission des Reichstags hat sich am Monlag in einer längern Sitzung mit der auswärtigen Politik beschäftigt. Verschiedene Abgeordnete waren sehr wißbegierig; Fragen über die verschiedenartigste Dinge, unser Schiff in Kreta, die Stellung Portugals und Englands in Afrika, die Dreyfus Angelegenheit, die Rechte der deutschen Gläubiger Griechenlands und Portugals, die Franzosen auf der Insel Hainan, Größe, Kosten - Aussichten unseres Besitzes in Kiaotschau u.s w. wurden an den Staatssekretär v. Bülow gerichtet und von ihm, soweit es anging, beantwortet. Ein Staatsmann kann nicht immer alles sagen, was er weiß; bei Dingen, die noch im Fluß sind, wird er sich hüten, sich durch bestimmte Acußerungen im voraus für die Zukunft festzulegen. Unter den Fragen, zu denen Herr v. Bülow bündige Erklärungen abgeben konnte, sind zwei besonders hervorzuheben: über Dreyfus und über das Kiaotschau-Abkommen.
Der unglückselige Mann auf der Teufelsinsel hat niemals zu irgend welchen deutschen Organen Beziehungen irgend welcher Art gehabt. Die Geschichte von den in dem Papierkorbe einer Botschaft gefundenen Beweisstücken würde sich, wie Herr v Bülow sagte, vielleicht in einem Hintertreppen Roman hübsch ausnehmen, hat sich aber nicht ereignet. Die Franzosen haben also von etwaigen Aufklärungen, welche der Zola- und andere Prozesse noch bringen könnten, gar nichts nach der deutschen Seite hin zu befürchten, und die leere Vorspiegelung, daß Frankreich durch Aufdeckung der Wahrheit mit Deutschland in Verwicklungen geraten könnte, sollte nun endlich für den wildesten Chauvinisten abgethan sein. Die „gleichmäßig ruhigen" deutsch-franzö- fischen Beziehungen sind von den Skandalen um Dreyfus nicht berührt worden.
Neben dem Kiaotschau-Abkommen ist die Frage der Stellung der deutschen Missionen in China besonders geregelt worden. Für die an katholischen Missionaren verübten Unthaten haben der Gouverneur von Shantung und sechs Mandarinen büßen müssen, die Mission, der die Ermordeten angehörren, enthält eine hohe Ent- ! schädigung, und zur weiteren Sühne neben der Bestrafung der Uebelthäter sind drei Kirchen zu errichten. Ferner wird noch gesondert über mehrere wichtige Spezialfragen, wie Bau von Eisenbahnen und Ausbeutung von Kohlenlagern mit guten Aussichten verhandelt. Bei Erwerbung des Hafens haben wir nicht nötig gehabt, besondere Verbindlichkeiten mit irgend einer dritten Macht ttazugehen, und besondere Erklärungen an die Mächte vor oder nach Entsendung des Kreuzer- geschwadcrs erübrigten sich umsomehr, als wir ! s ^r Festsetzung in Kiaotschau weder der französischen und englischen Jntereffen-Sphäre ! noch dem russischen Machtgebiete zu nahe getreten sind. Was die Frage betrifft, welche l handelspolitischen Maßnahmen in Kiaotschau ge- > troffen werden sollen, so sind darüber noch keine "ldgiltigen Beschlüsse gefaßt; aber wahrscheinlich Verden wir nach dem Grundsätze „Leben und leben lassen" verfahren, d. h. den Verkehr keinen besonderen Beschränkungen zum Nachteile anderer »eationen unterwerfen. Kiaotschau wird zwar
nicht von heute auf morgen in ein deutsches Hongkong verwandelt werden; aber nach dem Urteile aller Sachverständigen erfüllt es die Voraussetzungen für eine günstige wirtschaftliche Entwicklung. Besonders wertvoll war es, aus dem Munde des Staatssekretärs die Versicherung zu hören, daß durch unsere ostastatische Aktion die Beziehungen zu irgend einer andern Macht nicht gestört worden sind.
Daß Rüdesheim zum Festort für die deutschen Nationalfestspiele gewählt werden wird, erscheint immer sicherer. Schon ist ein Komite ernannt worden zur Erwerbung des nötigen Geländes bei Rüdesheim. Man hat die Absicht, sich von den Städten des Rheingaues, von Frankfurt bis Köln, eine jährliche Summe von ca. 2900 Mark garantieren zu lassen.
Berlin, 25. Jan Die bekannte Pariser Chansonnettcnsängerin Ivette Guilbert hat gestern im Apollolheater unter großem Erfolge ein zehntägiges Gastspiel eröffnet. Sie erhält für jeden Abend ein Honorar von 3000
Württemberg.
Stuttgart, 26. Jan. Die württ. Finanzverwaltung steht wegen Abschluß einer 3 "/„ württ. Staatsanleihe im Betrage von 8 Millionen ^ in Unterhandlung. (Sch. M.)
Stuttgart. Die Verfassungskommission des Landtags beendigte am Dienstag die zweite Lesung des Verfassungsgejetzes. Bei der Zusammensetzung der ersten Kammer wurden einige von der ersten Lesung abweichende Be schlöffe gefaßt. Die Zahl der Mitglieder aus dem ritterschaftlichen Abel wurde auf 6 festgesetzt (Entwurf und 1. Lesung 8). Die Zahl der vom König auf Lebenszeit zu berufenden Mitglieder beträgt nach dem Entwurf 10. Bei der ersten Lesung kam ein Beschluß nicht zu stände. Hautz mann beantragt, die Zahl dieser Mitglieder darf den dritten Teil der Prinzen und standcsherr- lichen Mitglieder nicht übersteigen, was dem bisherigen Recht entspricht. Angenommen mit 10 gegen 3 Stimmen. Die Abgg. Sachs und v. Sandberger hatten Annahme des Regierungs Entwurfs beantragt mit dem Zusatz, daß min bestens drei dieser Mitglieder aus den Kreisen der Industriellen und Landwirte zu wählen seien. Der auch in dieser Lesung eingebrachte Antrag des Abg. v. Geß, daS Wahlrecht der guten Städte zu beseitigen und dafür allen Städten mit über 10000 Einwohnern ein solches einzuräumen, wurde abgelehnt mit 9 gegen 4 Stimmen. Die Aufhebung der Stich- wählen wurde genehmigt mit 7 gegen 6 Stimmen (Volkspartei und Sozialdemokrat) Das sogenannte romanische Wahlsystem wurde abgelehnt mit 8 gegen 5 Stimmen. Die Volkspartei wird gegen das ganze Gesetz stimmen, wenn die Stichwahlen beseitigt werden. Das Zentrum stimmte für die Abschaffung der Stichwahlen, wird aber davon die Zustimmung zum Gesetz nicht abhängig machen. Der Ministerpräsident erklärte, daß die Regierung an dem Entwurf festhalte.
Stuttgart, 27. Jan. Die Kommission für das O r t s v o r st e h e r g e s e tz beriet gestern, Mittwoch, über den neben dem grund- legenden Art. 1 wichtigsten und tiefeinschneiüenden Art. 3 des Entwurfes, welcher die rückwirkende Kraft, d. h. die Anwendung des Gesetzes auf die bei Inkrafttreten des letzteren im Amt befindlichen Octsvorsteher ausspricht und den diesen Ortsvorstehern im Fall rhrer Nichl- wiederwahl zu gewährenden Ruhegehalt des Nähern regelt. Der Ber.Erstatter K. Hauß- mann leitete die Beratung mit einem 1'/» ständigen, die rechtlichen und thatjächlichen Verhältnisse eingehend beleuchtenden Vortrag ein, wobei er der „Rückwirkung" als einem dringenden und unmittelbaren praktischen Bedürfnis entsprechend eine ausschlaggebende Bedeutung beilegte. An der sehr lebhaften Erörterung beteiligten sich neben den beiden Berichterstattern der Staatsminister des Innern v. Plschek, der anwesende Kammerpräsident Payer und die Abg. Rembold, Prälat von Schwarzkopf, Hartranft Freudenstadt, Schrempf, Spieß, Schick und Rath. Die Redner der
Volkspartei traten wie der Staatsminister des Innern für Annahme des Artikel 3 (Rückwirkung und Entschädigung) in seinen Gcundzügen ein, während die Vertreter der übrigen Parteigruppen sich teils im Prinzip aus Gründen des Rechts und der Billigkeit gegen die „Rückwirkung" überhaupt aussprachen, teils in der Schwierigkeit einer fachgemäßen, allseits befriedigenden Regelung der Entschädigung der nicht wieder gewählten Ortsvorsteher, namentlich was die Einrechnuog der „Gebühren" anbelangt, ein mehr oder weniger unüberwindliches Hindernis für die Annahme und glatte Durchführung des Art. 3 erblicken. Ein von dem Berichterstatter Haußmann auf die Ausführungen des Abg. Rembold eventuell angebotener Einigungsvorschlag dahin, daß die vertragsmäßigen Rechte der im Amt befindlichen Ortsvorsteher voll gewahrt werden sollen und daß darüber, was vertragsmäßige Rechte sind, die bürgerlichen Gerichte im einzelnen Fall sollen zu entscheiden haben, wurde sowohl von dem Abg. Rembold als von dem Staatsminister des Innern bekämpft.
Cannstatt, 23. Jan. Heute tagte im Kursaal der Kreisturn tag des Kreises Schwaben. Die Beratungen nahmen um 10 Uhr vormittags ihren Anfang. Dem Antrag der beiden Cannstatter Turnvereine gemäs wurde beschlossen, das n ä ch st e K r e i s t u r n f e st im Jahre 1899 in Cannstatt abzuhalten.
Aus dem Vaihinger Oberamt, 24. Jan. wird dem „Schw. Merk." geschrieben: Manche Eisenbahnwünsche und Hoffnungen sind eS, die gegenwärtig unsern Bezirk beherrschen, ob nun die bei Nußdorf oben gelegenen Gemeinden sich begreiflicherweise für das Pforzheimer Projekt verwenden oder die im Enzthal gelegenen für die geplante Strecke Ludwigsburg. Vaihingen. Denn das sagen sich die Bewohner des Enz- grundes: wird es diesmal wieder nichts mit der ersehnten Eisenbahn, dann können die Hoffnungen auf eine Bahnlinie überhaupt begraben werden. Nur sollte auch gleichmäßig verfahren werden, denn die Einwohner von Unterriexingen sind wenig erbaut, wenn ihnen blos ein- Haltestelle anstatt eines Lahnhofes mit ganzem Verkehr winken würde, und wir sehen es nur als ein Versehen an, wenn ihnen die Kommission darüber noch keinen freudigeren Ausschluß gegeben hat. Es liegt im Enzgrund noch so manche Kraft an Menschenmaterial und Wasser brach, die durch eine Eisenbahnverbindung besser verwertet werden könnte.
Ausland.
Paris, 26. Jan. Der frühere Bautenminister DvesGuyot hat den jetzigen Minister des Aeußern Hanotaux aufgefordert, seinen Einfluß gellend zu machen, damit die an Dreyfus begangene Ungerechtigkeit g e sü h n t werde. Infolge der Erklärungen des deutschen Staatssekretärs v. Bülow werde das gesamte Ausland fester denn je überzeugt sein, daß die französische Regierung mit fanatischer Hartnäckigkeit einen Unschuldigen als Verräter hinstelle.
Peking, 26. Jan. Die „Times" meldet: Der russische Geschäftsträger drängt auf die unverzügliche Ablehnung der britischen Anleihebedingungen. Er erklärte gestern dem Tsung-li- Jamen. Rußland sei bereit. Ehina eine Anleihe unter denselben finanziellen Bedingungen zu verschaffen, die England angeboren habe Der französiiche Geschäftsträger unterstützte ihn hierbei. Bestätigt sich diese Nachricht der „Tunes," dre eigentlich nach dem Voraufgegangenen kaum noch zweifelhaft erscheint, dann ist allerdings eine ernste Verwicklung zwischen England und dem russisch - französischen Zweibund in aller nächste Nähe gerückt.
Philippopel, 26. Jan. Prozeß Boit- schwew vor dem Appellgericht. Die der Ermordung der Sängerin Anna Szimon ange- klagten Rittmeister Boitschew, Detschko und Novelitsch wurden zum Tode verurteilt. Nicola Boitschew, Bruder des Rittmeisters, wurde sreigesprochen. Die in der ersten Instanz der Zivtlpartet zuerkannte Entschädigung im Betrage von 5000 Franken wurde bestätigt.