Merlage zu Ar. 201 des Knzthälers.

Neuenbürg, Donnerstag den 23. Dezember 1897.

Württemberg.

Tuttlingen, 21. Dez. Eine Gesellschaft zur Herstellung künstlicher Bausteine hat sich hier konstituiert. Die Herstellung wird in der Fabrik Donaufeld betrieben werden und zwar nach Patent äe LruM. Die Berechtigung zur Herstellung und dem Vertrieb für eine Anzahl von Oberämtern hat sich die Gesellschaft käuflich erworben.

Münsingen Alb, 21. Dez. Dieser Tage kehrte ein Handelsmann aus Kram, ein sog. Kramer, in einem Albdorf in einer Wirt­schaft ein und bot seine Waren an. Der anwesende Dorfschmied fragte den Handelsmann was seine ganze Kiste koste? Dieser antwortete: Alle 17 Laden bekomme»- Sie um 300 Mark. Das war denn dem Schmied doch zu thcuer. Nun sagte der Kramer: Geben Sie mir für die erste Lade 1 Pfg., für die zweite 2 und für jede weitere Lade je das Doppelte. Der Schmied rechnete: erste Lade 1 Pfg., zweite Lade 2 Pfg., dritte Lade 4 Pfg., vierte Lade 8 Pfg., fünfte Lade 16 Pfg. Hür hörte er auf und schlug ein, indem er glaubte, daß die andern 12 Laden nicht mehr viel machen könnten. Als man aber die Summe von 655 Mk. 36 Pfg. herausbrachte, erschrak der Käufer gewaltig und suchte natürlich den Handel rückgängig zu machen, was ihm schließlich auch durch Bezahlung eines frugalen Vesperbrodes gelang. Der Mann wird sich vor so unüberlegten Kaussabschlüssen in Zukunft hüten.

Stuttgart. (Landesproduktenbörse. Bericht vom 20. Dezember von dem Vorstand Fritz Kreglinger.s Im Laufe der vergangenen Woche war die Stimmung im Getreidegeschäft ruhig. Von den Laplatastaaten lauten die Ernteberichte nicht mehr so zuversichtlich. Der heutige Börsentag verlief wegen der bevorstehenden Festtage ziemlich aeschästslos. Mehlpreise pr. 100 Kilogr. inkl. Sack: Mehl Nr. 0 : 34 ^>4 bis 35 -4L Nr. 1: 32 bis 33

Nr. 2: 30 50 bis 3t ^4 50 4I, Nr. 3: 29 ^4 «t

bis 29 ^4 50 Nr. 4: 25 -44 bis 25 50

Suppengries 34 °44 50 bis 35 50 <>. Kleie 8 » 44 .

Anstand.

Portsmouth, 20. Dez. Das deutsche FlaggschiffDeutschland" wurde gestern früh hier erwartet. Als das Schiff bis zum Abend von Dover noch nicht signalisiert war, kam man auf die Vermutung, daßDeutschland" durch den herrschenden dichten Nebel aufgehalten worden sei. Bald nach 6 Uhr zeigte das Aufflammen des Siguallichtes an, daß ein Schiff in der Nähe von Spithead angckommen war. Hieraus erkannte man, daßDeutschland" undGefion" ihren Weg durch den Nebel genommen hatten und etwa zwei Merlen von Spithead vor Anker lagen. Daß man mit einem MaleDeutsch­land" vor Anker liegen sah, erregte lieber- raschung, da der spezielle Auftrag gegeben war, Signal zu geben, sobald irgend ein Schiff die deutschen Panzerkreuzer getroffen hätte. Admiral Seymour, der die ganze Zeit über gewartet hatte, um alsbald den deutschen Schiffen die Ehren erweisen zu können, machte sich nun so­fort auf, um den Prinzen Heinrich zu bewill­kommnen. In Marinekreisen betrachtet man die Fahrt der deutschen Schiffe durch den Nebel und ohne Kommunikation mit irgend einer Signal- station als eine glänzende seemännische L e i st u n g.

Das neueste sensationelle Ereignis, welches aus Ostasien gemeldet wird, ist die Be­setzung des bekannten chinesischen Kriegshafens Port Arthur durch ein russischesGe- schwader. Allerdings hat man sich von amt­licher Petersburger Seite sofort bemüht, die Welt wegen dieses überraschenden Vorgehens Rußlands in Ostasien zu beruhigen, denn -die offiziöseRufs. Telegr.-Ag." erklärt, das betr. Geschwader sei mit Zustimmung der chinesischen Regierung in Port Arthur eingelaufen, lediglich um daselbst den Winter zuzubringen, von einer erzwungenen Occupation oder einer feindseligen

Demonstration nach irgend einer Seite hin könne nicht die Rede sein. Trotzdem bleibt es abzuwarten, ob die Russen i« nächsten Frühjahr wirklich aus Port Arthur wieder herausgehen werden, im Hinblick auf die deutsche Landung in Kiautschau werden sie vielmehr in dem stra­tegisch so wichtigen Port Arthur, welches die Seeverbindung nach Peking beherrscht, überhaupt verbleiben.

PortArthur, bekannt aus dem jüngsten chinesisch-japanischen Kriege, auf der südlichsten Spitze der Halbinsel Liautung, östlich vom Kap RegentS Sword (Lau-tie-Schan.) Mit dem etwa 160 km südöstlich beim Kap Shantung gelegenen Hafen von Wei-hai-wei beherrscht es den Eingang zum Golf von Perschili. Die Festung liegt an einer Bucht, die durch eine kleine Insel geschützt ist. Sein Hafen hat eine Länge von 460 m und eine Breite von 320 m Im nordöstlichen Teile des Hafens befindet sich das einzige Trockendock Chinas. Der Hafen ist st e ts eisfrei. Vom Vizekönig Li-Hung- Tschang wurde Port Arthur mit ungeheueren Kosten zu einem Kriegshafen ersten Ranges ausgebaut, woselbst infolge der großartig angelegten Werften, Eisengießereien usw. alle Ausbesserungen an Kriegsschiffen vorgenommen werden können. Befestigt ist Port Arthur durch zwölf geschlossene Küstenwerke, die mit mehr als 40 Kruppschen schweren Geschützen und mehreren großen Mörsern versehen sind. Nur durch die Nachlässigkeit der Chinesen wurde es den Japanern möglich, diese Festung am 22. November 1894 nach kurzem Bombardement einzunehmen. Der Ort selbst, früher ein elendes Fischerdorf, zählt jetzt bereils über 4000 Ein­wohner. obwohl das Trinkwasscr schlecht ist.

Unterhaltender Teil.

Das Wiedersehen.

Eine wahre Weihnachtsgeschichte.

Erzählt von Reinhold Günther.

(Fortsetzung)

Die Geduld Lindas war zu Ende.

Heinz!" fuhr sie auf.Eine Reise mit Deiner Frau zu Deinen Schwiegereltern, um gemeinsam das höchste Fest zu begehen, nennst Du verächtlich eine Spritztour?"

Ich habe mich vielleicht nicht ganz richtig ausgedrückt," warf er schüchtern ein. Sie ließ ihn jedoch nicht weiter zu Wort kommen, sondern aufspringend und ihm den Rücken kehrend, rief sie leidenschaftlich mit Gewalt die Thränen zurückdrängend:

Dafür habe ich in der That nur ein Pfui!"

Linda!" Auch der junge Mann hatte sich rasch erhoben, die Zigarre flog in das leise knisternde Kaminfeuer.Ich bitte Dich." setzte er kalten Tones hinzu,keine Szene, sondern ein wenig Vernunft."

O, ich mache Dir keine Szene und bin ganz vernünftig," versicherte sie trotzig. Es kostete ihr eine gewaltige Anstrengung, nicht in lautes Weinen auszubrechen.

Nein, das bist Du nicht," versetzte er entschieden.Sonst würdest Du meine Gründe für stichhaltig anerkennen und Deinen Wunsch als unerfüllbar betrachten. Sieh' mal, Kleines," fuhr er wieder weich werdend fort und zugleich sich ihr nähernd.Glaube mir, Niemand ist schneller bereit, alle Deine Wünsche zu erfüllen, wie ich . . ."

O ja," lachte sie nervös,"ich habe das oft genug von Dir gehört, aber wenn es die Ernstprode gilt, so sieht man leider nur zu deutlich, daß die schönen Worte leerer Schall gewesen sind."

Sie wartete auf eine Antwort, aber Heinz blieb stumm. Traurig starrte er in das langsam erlöschende Kaminfeuer. Die bange Pause im Gespräch dauerte nur wenige Sekunden, aber sie brachte die Entscheidung.

Ich frage zum letzten Male," sagte Linda

hart, ihre weit geöffneten Augen fest auf ihn richtend:Soll die Reise stattfinden oder nicht?"

Er zuckte schweigend die Achseln.

Sie wendete sich zum Gehen. An der Thür blieb sie noch einmal stehen.

Ich möchte genau verstanden sein," warf sie ihm hin.Ich reise schon in der nächsten Stunde. Ich kehre zu meinen Eltern zurück. Unsere Wege trennen sich für immer ..."

Linda." schrie er auf. ihr nachstürzend. Aber schon hatte sich die Thüre wieder hinter ihr geschlossen. Er war allein mit sich und seinen Gedanken. Wie vernichtet sank er auf einen Stuhl. Immer und immer wieder kam ihm die Frage und nur diese eine:Ist es möglich-, sie verläßt Dich deswegen?" Und wie er auch sann, er fand keine andere Antwort als das grausame:Sie hat Dich niemals geliebt, sonst könnte sie nicht so handeln."

Eine längere Zeit verging, ohne daß Heinz im Stande gewesen, einen Entschluß zu fassen. Endlich erhob er sich, fast taumelnd, mit leerem, schmerzenden Kopfe.

Es war ja nicht möglich," faßte er neue Hoffnung. Linda würde in ihrem Zimmer sitzen, gewiß weinte sie. Wenn er den ersten Schritt zur Versöhnung thäte, ihr noch einmal die schwer wiegenden Gründe auseinander setzte, so mußte doch noch Alles gut werden.

Hastig eilte er hinüber, um mit bebenden Fingern anzuklopfen. Keine Antwort. Heinz legte die Hand auf den Thürdrücker, der gab nach ohne Widerstand zu leisten und nun über­zeugte ihn ein schneller Blick, daß das Zimmer leer sei.

Als sich Heinz totenbleich, mit schlaff her- unterhängenden Armen umwendete, traf sein Auge auf das Zimmermädchen, die ihn mit scharfsichtiger Neugierde beobachtete.

Die gnädige Frau," gab sie Heinz's tonloser Frage zur Antwort,ist vor einer Viertelstunde ausgegangen, ohne weitere Befehle zu hinterlassen."

Er nickte mechanisch. Die Worte schlugen wie aus weiter Ferne an seine Ohren, kaum daß er sie vernahm.

Jetzt stand er in seinem Arbeitszimmer. Es war ihm, als sei sein Herz plötzlich zu Stein geworden, so leblos lag es ihm in der Brust.

Was nun?"

Seine Augen fielen auf den Revolver, der da blitzend in der Lade des Schreibtisches vor ihm lag. Aber ebenso schnell wie ihm der Gedanke gekommen, wies er ihn auch wieder von sich. Nein, er liebte ja noch immer diese Frau und sein blutiger Schatten sollte sie auf ihrem ferneren Lebenswege nicht verfolgen. Nur fort, schnell fort von hier, wo ihn alles an sein auf ewig zerstörtes Glück erinnerte. In die weite Welt hinein, um sich zu vergraben und einsam das schreckliche Schicksal zu tragen.

Hastig, wie ein Bankräuber und ohne sich weiter Rechenschaft über seine Handlungsweise zu geben, raffte er die in der eisernen Kassette ruhenden Weripapiere zusummen.

Wenige Augenblicke später stand er auf der Straße. Es war seit dem Nachmittag kälter geworden und die Nässe auf dem Plaster hatte sich allgemach m recht unangenehmes Glatteis verwandelt, da trotz des eifrigen Saodstreuens der geschäftigen Hausknechte ein schnelles Gehen keineswegs gestattete. So wurde Heinz in seinem anfänglichen Fortstürmen bald aufgehalten und zu einigem Nachdenken gezwungen.

Daß er fort von hier müsse, blieb ihm bestehen. Schon um des ärgerlichen Aufsehens willen, das sicher in allen seinen Bekanntenkreisen entstand, wenn diese erfuhren, daß seine, ihm erst vor wenigen Monaten angetraute Frau ihn plötzlich verlassen habe. Aber wohin sollte er sich flüchten?

Heinz überlegte. Der Schnellzug nach dem Norden, welcher die Verbindung mit der großen Hafenstadt unterhielt, wo sich stündlich Gelegenheit