persönlichen Arbeitsverdienstes eine völlige Um- l arbeitung erhält. Die Kommission war geneigt,' sich auf den Standpunkt der Verständigung zu stellen, wie dies die Regierung gethan hat. In der Kommission hat man die verschiedenen In« teressen der einzelnen Gruppen überall und immer in den Hintergrund gestellt. Die Mit­wirkung der Regierung war dabei von unschätz­barem Werte, v. Ow: Die Regierungsvorlage gehe davon aus. daß für Grund- und Gebäude­steuer keine prinzipiellen Aenderungen vorge­nommen werden sollen; dieselbe stellt sich nach wie vor auf den Standpunkt, daß die Grund­steuer als Ertrags- und die Gebäudesteuer als Vermögenssteuer betrachtet werden solle, die als bald abzulösende Uebergangs-Steuer diene. Anders sei dies bei der Gewerbesteuer. Hier werden tiefeingreifende Aenderungen ge- troffen, zunächst soll hier der persönliche Arbeits- verdienst des Gewerbetreibenden zur Steuer her­angezogen werden. Des weiteren gibt der Er- trag des Gewerbes als solches eine besondere Steuer. Seither wurde der Ertrag des Gewerbes abgeschätzt und daraus der persönliche Arbeits- verdienst herausgerechnet. Wenn die Vorlage der Regierung angenommen würde, so müßte eine Neuaufnahme der Erträgnisse aller Ge­werbetreibenden stattfinden, denn bei Berechnung der bisherigen würde überall der persönliche Arbeitsverdienst abgerechnet sein. Während der Bedarf an direkten Staatssteuern auf 16,9 Mill. festgesetzt, und der Ertrag der direkten Ein- kommensteuern aus 9,4 Mill. angenommen wird, so sind noch 7.5 Mill. durch die Einkommenssteuer zu decken. Von der 14 Mill. notwendigen Kommunalsteuer haben nach jder Regierungs­vorlage zu tragen: Grund» und Bodenstcuer 48,9 °/o, Gebäude- 34 "/o, Gewerbe- dagegen 17,1 °/o. Bei einer Berechnung der Regierungs- Kommission wurde angenommen, daß das Ge- werbe mit 8 °/o als verschuldet anzusehen ist. Während das Gewerbe seither an Staatssteuer 3,6, an Kommunalsteuer 6.2 Mill. zu zahlen hatte, zusammen also 9,5 Mill., wären künftig­hin 4,3, bezw. 4,1 also im Ganzen 8.4 Mill. zu leisten. Das Zusammenwirken der beiden Steuern bedeute also eine Entlastung für das Gewerbe. Die höhere Belastung der Gewerbe in der Staatssteucr sind eine Folge der pro­gressiven Einkommensteuer, und habe ich stets davor gewarnt, bei der Progression nicht über das in anderen Ländern übliche Maß hinaus- zugehen. Die Denkschrift der K Staatsregierung geht davon aus, daß 1) die den Ertragssteuern zuerkannte, ausgleichende, ergänzende Funktion gegenüber von den Lücken und Mängeln der Einkommensteuer, 2) die verstärkte Besteuerung des auch aus den Gewerben fließenden fundierten Einkommens, 3) die Erhaltung des Gleichmaßes in der Besteuerung von Landwirtschaft und Ge­werbe neben der Grundsteuer auch ferner die Beibehaltung einer Gewerbesteuer erfordert. Hier besagt also die Regierung, daß die Grundsteuer die Steuer aus fundiertem,Einkommen darstellt, während die Gewerbesteuer als partielle Ver­mögenssteuer betrachtet wird. Die Grundkataster für die Gegenwart sind viel zu hoch. Das Pachtgeld der Besitzungen des Staates beträgt in Prozenten 1891 6 . 30 / 0 , 1896 6 , 30 / 0 , bei Verpachtungen anderer Verwaltungen 1891 9 , 50 / 0 , heute 5.1 o/a; am oberen Neckar ist die Bodenernte bis zu 30°/o gesunken. Die einheit­liche Annahme von 5°/» für die Besteuerung der Gewerbe ist eine Verschlechterung, namentlich für das Kleingewerbe. Eine ideale Lösung ist der Antrag nicht, aber man suche den gordischen Knoten zu lösen. Die Dauer dieses Gesetzes wird auf 6 Jahre festgesetzt. Währeud der Dauer deS Gesetzes ist für die Grund-, Gebäude-, Gewerbe- und Kapitalsteuer ein einheitlicher Steuersatz durch das Finanzgesetz zu bestimmen, und der Steuerberechnung des Grundkataster mit einem Abzug von 20 0 / 0 , sowie das Gewerbe­kataster mit einem Abzug von 50 0/0 zu Grunde zu legen. Dieser Abzug an dem Grund- und Gewerbekataster ist auch für die Kommunal- besteuerung maßgebend. Abweichende Bestim­mungen hievon zu treffen, ist dem Gesetz, betr. die Besteuerungsrechte der Gemeinden und Amts­körperschaften, Vorbehalten. Ist nach Ablauf

l dieser 6 Jahre eine Verlängerung der Gütig- ' keitsdauer dieses Gesetzes oder die Verabschiedung eines an dessen Stelle tretenden Gesetzes nicht erfolgt, so treten die vor dem 1. April 18.. hinsichtlich der Grund-, Gebäude- und Gewerbe­steuer geltenden Vorschriften mit Ausnahme der Vorschriften über die Besteuerung der Wander­gewerbe wieder in Kraft. Binz Winnenden ist der Ansicht, daß man ein ganzes Gesetz und kein Pcovisorum schaffen soll; nach dem jetzigen Beschluß hätte das Gewerbe allein 25 0/0 der Steuern zu zahlen. Beachtet muß auch werden, daß das unfundierte Einkommen bei der in­direkten Steuer mehr getroffen wird, als das fundierte, besonders bei dem Landwirte, der ja seine Lebensmittel nicht kaufen müsse. Das Provisorium errege das Mißtrauen des Volkes dem ganzen Gesetz gegenüber.

174. Sitzung.

Stuttgart, 15. Dez. Vormittags 9'/» Uhr wird die Generaldiskussion über den Ent­wurf eines Gesetzes, betr. Abänderung des Ge­setzes vom 28. April 1873 über die Gewerbe­steuer, Grund- und Gebäudesteuer fortgesetzt. Sachs.Crailsheim geht von der Umgestaltung der Gewerbesteuer und deren Ersatz durch eine Steuer aus dem Gewerbebetriebskapital aus. Man mußte sich daher in der Kommission die Frage vorlegen, ob sich bei dem Provisorium eine Neuaufnahme des Gewerbekatasters verlohnt. Bis heute ist in demselben noch die persönliche Arbeitskraft mit eingerechnet. Nun kommen die Vertreter der Landwirtschaft und verlangen eine Herabsetzung des Grundkatasters. Um nun die Jnteressenkämpfe zwischen Gewerbe und Land­wirtschaft von 1887 nicht wieder heraufzube- schwören, hat man sich dem Kommissions-Antrag geneigt gezeigt. Bei der hiedurch wesentlichen Verminderung der Gemeindesteuern fragt es sich ob es zweckmäßig ist, den vorgeschlagenen Abzug bei der Kommunalsteuer eintreten zu lassen. Man solle daher eine Beschlußfassung in dieser Richtung bis zur Beratung der Gemeindesteuern zurückstellen. Man solle dem Antrag zustimmen, denselben aber nicht auf die Kommunalsteuer ausdehnen. Berichterstatter Hähnle-Heidenheim: Die Eingaben der 9 landwirtschaftlichen Verbände an die erste Kammer mache den Eindruck, als ob wir in der Steuerkommission die Landwirt- schaft zu Grunde richten wollten, und man muß zugeben, daß in dieser Eingabe mit größtem Scharfsinn die Zahlen in einseitigster Weise zu Ungunsten der Landwirtschaft gruppiert wurden. Das Gesetz wird aber in Wirklichkeit die kleinen und mittleren landwirtschaftl. Betriebe bedeutend entlasten, während der Großgrundbesitz eine mäßige Mehrbelastung erfährt. Man muß der Ansicht entschieden entgegentreten, daß durch direkte Steuern die Landwirtschaft belastet wird. Viel höher ist das Gewerbe besteuert. Hier müsse eine Mäßigung eintreten, um die Henne, welche die goldenen Eier legt, nicht aus dem Lande zu treiben. Die Volkspartei lehnt den Antrag ab, wenn der Abzug nicht auch auf die Kom­munalsteuer ausgedehnt wird. Rew. b 0 l d»Aalen hält den Kompromißvorschlag der Kommission für praktisch; das Kleingewerbe erfahre immerhin eine große Entlastung. Der ganze Weg. der zu Gunsten der Landwirtschaft wirkt, sei ein Mittel für die Uebergangszeit. während welcher die Einführung der neuen Reform vorbereitet wird. Finanzminister v. Ri ecke ist über den fried­lichen Verlauf der Verhandlungen freudig über- rascht, und hofft, daß auch der weitere Verlauf zu einem günstigen Resultat führe. Der Re- gierungsvorschlag sei allgemein beifällig ausge­nommen worden. Die Einkommensteuer mache die Beibehaltung der Ertragssteuer vorläufig noch notwendig, um den Neubedarf zu erhalten, und um das bei der Einkommensteuer nicht genügend ge- troffene, fundierte Einkommen zu treffen. Nach dem Entwurf muß das fundierte Einkommen nach dem Prinzip der Leistungsfähigkeit als eine stärkere, geeignetere Steuerquelle herangezogen werden, und deshalb müssen neben der Ein­kommensteuer noch andere Steuerraten in Aus­sicht genommen werden. Die Lage der Land­wirtschaft macht hier eine vorsichtige Behandlung notwendig. Die Regierung hält heute noch an ihrem Antrag fest, zugleich aber den Kompromiß­

antrag nicht für unannehmbar. Doch mußte sie darauf bestehen, den Termin von 6 Jahren za verlängern, denn die Regierung verpflichte sich, die Aenderung in einer bestimmten Zeit vorzu­nehmen, da man nicht weiß, ob sie dies inner­halb 6 Jahren thun kann, denn man weiß nicht, wie lang es bis zum Abschluß der Steuerreform dauert. Dringend zu wünschen ist, daß die erste Kammer Gelegenheit erhält, in die Steuerberat­ung einzutreten. Redner wünscht einen allge­mein befriedigenden Abschluß der Steuerreform. Spieß-Künzelsau wendet sich gegen die heut­igen Ausführungen des Berichterstatters Hähnle. Redner steht auf dem Standpunkt des Mit­berichterstatters v. Ow und legt ausführlich de» Notstand der Landwirtschaft dar, während Ministerialrat Fischer die willkürlich gewählten Aufstellungen in den Eingaben der landwirtsch. Verbände widerlegt. Haußmann-Balingen: Es handelt sich hier um die Anpassung der Er­tragssteuer an die progressive Einkommensteuer. Es wäre theorelhisch wie praktisch am einfachste« gewesen, sofort einen Uebergang zu der Ver­mögenssteuer vorzunehmen und dadurch die Er­tragssteuer überflüssig zu machen. Es ist ja selbstverständlich, daß die Regierung mit einem Fuß auf dem bisherigen Boden der Ertrags­steuer stehen bleibt. Schwierigkeiten ergeben sich bei der Gewerbesteuer, wo bisher Gewerbe­erträgnis und Arbeitsverdienst zur Steuer her­angezogen wurden. Die Bolkspartei hätte dem Entwurf zugestimmt und ist nur überstimmt dem Kompromiß beigetreten, um nicht an dem Scheitern des Ganzen schuld zu sein, und weil wir keine Parteipolitik treiben. Wir erleben eS ;a täglich, daß eine Reihe von Leuten gegen dieses Gesetz sind, weil sie überhaupt Gegner der ganzen Steuerreform und der progressiven Einkommensteuer sind und das ganze Reform­werk zum Scheitern bringen möchten. Redner kritisiert darauf eingehend die in der Presse ver­öffentlichten Tabellen des Hrn. Max Hausmeister» der eben auch ein Feind, vor allem der progres­siven Einkommensteuer ist. Die Abänderung der Kataster sei eine notwendige Rechtsnorm, die vorgenommen werden muß, ein Verstoß gegen die Verfassung liegt hier nicht vor. Unver­ständlich ist es. daß bis heute die erste Kammer das in der Gluthitze des Monat Juli verab­schiedete Einkommensteuergesetz nicht längst in Angriff genommen hat und es ist zu hoffen, daß man nicht wartet bis auch noch das Kom­munalsteuergesetz von uns erledigt ist, sondern daß sofort in die Beratung eingetreten wird. (Allgemeines Bravo.) Nach einer kurzen Ver­ständigung zwischen dem Berichterstatter Hähnle und dem Abg. Rembold wird die General­diskusston geschlossen und morgen in die Spezial­debatte eingetreten.

Ravensburg, 15. Dez. Strafkammer. Ein interessanter Fall kam gestern hier zur Verhandlung. Eine Witwe namens Schlichte brachte es bei einer anderen Witwe, der Pri- vatiere Amann. im Verlaufe von 7 Jahren so weit» daß sie dieselbe unter verschiedenem Vor­bringen um 5000 beschwindelte. 128 Briefe, welche sie meistens selbst verfertigt hatte und von zwei reichen Bauernfrauen stammen sollten, die durch sie bei der Amann um Darlehen nach­suchten, da sie teils ins Jordanbad, teils nach Wörishofen mußten und hier mehr Geld ver­braucht hätten, als sie ihre Männer wissen lassen wollten rc. Endlich kam die Sache doch an den Tag und die ungetreue Frau Witwe bekam 2 Jahre Zuchthaus und 5 Jahre Ehr­verlust. Das abgeschwindelre Geld will sie größtenteils dem Lotterieteufel geopfert haben.

Aus Buttenhausen (O.A. Münstngen) wird gemeldet, daß der dortige Kriegerverein beschlossen hat, dem neulich verstorbenen General der Infanterie, v. Haldenwang, in Butten­hausen, seinem Geburtsort, ein Denkmal zu errichten.

Ausland.

Der Besuch des Zarenpaares zur Pariser Ausstellungim Jahre 1900 ist, wie derFigaro" aus Petersburg meldet, endgiltig festgesetzt. Die russische Ausstellungs-