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Aus Stadt, Bezirk und Umgebung.

Neuenbürg, 9. Dez. Die K. General- direklion der Posten und Telegraphen macht wie alljährlich folgendes bekannt: Für den ge­steigerten Päckereiverkehr vor Weihnachten sind von der Postoerwaltung besondere Vorkehrungen durch Vermehrung der Beförderungs Einricht­ungen, der Arbeitskräfte rc. getroffen. Im Zu­sammenhang damit wird den Aufgebern von Postpacketsendungen, wenn sie auf deren rechtzeitige und unversehrte Ankunft rechnen, dringend empfohlen, die Einlieferung zur Post nicht erst in den letzten Tagen vor dem Christfest, sondern möglichst frühzeitig zu bewirken, auch die Sendungen fest und dauerhaftzu verpacken und mit einer deutlichen, vollständigen, haltbar befestigten Aufschrift zu versehen. Außerdem wird empfohlen, die Ein­lieferung nicht erst kurz vor Schaltcrschluß zu bewirken.

Nagold, 13. Dez. Manche hiesigen Ein­wohner haben wohl gestern (Sonntag) abend von 9'/i9'/» den Mondregenbogen über dem Schloßberg gesehen, nicht lange nachdem der Mond im Osten aufgegangen war. Er war sehr deutlich vom Firmament abgegrenzt; die Farben, wenn auch abgeblaßt, waren erkenntlich. Zum Schluß wurde der Bogen und der unter ihm liegende Kreisabschnitt weiß. Daß diese Naturerscheinung eine große Seltenheit ist, er­sehen wir aus Schillers Tell, II. Aufzug 2. Szene (auf dem Rütli), wo beim Anblick eines Mondregenbogens der von der Flüe in die Worte ausbricht:Das ist ein wunderbares Zeichen! Es leben viele, die das nicht geseh'n " (Ges.)

Pforzheim, 14. Dez. Auf dem heutigen Schweinemarkt waren 18 Läufer und 138 Ferkel zugeführt. Von den Läufern wurden 12 Stück verkauft zum Durchschnittspreis von 30 pro Stück. Die Ferkel wurden alle verkauft um Durchschnittspreis von Ul) dos Paar.

Deutsches Weich.

Zur Stunde haben die zur Verstärkung unserer in China befindlichen Seestreitkräfte bestimmten Kriegsschiffe und Marinemann­schaften die Reise nach dem fernen Osten angetreten, geleitet von den innigsten Wünschen der Nation. Noch niemals seit dem Bestehen des Reiches ist von den heimischen Gestaden eine so stattliche Marinetruppenmacht zur Wahrung , der deutschen Ehre und der deutschen Interessen im Auslande ausgezogen, als diesmal; die Entsendung eines mehr als kriegsstarken See­bataillons nach fernen Küsten steht sogar für Deutschland einzig da. Ebenso ist es noch nie vorgekommen, daß ein deutscher Prinz als Ober- befehlshaber einer deutschen Flotille hinausge- sankt worden wäre, nach Gestaden jenseits des Weltmeeres, wie dies jetzt beim Prinzen Heinrich von Preußen als Chef des neuen nach China beorderten Kreuzergcschwaders der Fall ist. denn der Vergleich mit dem Prinzen Adalbert von Preußen trifft da nicht zu. Die Bedeutung der deutschen Flottenaktion in den chinesischen Ge­wässern erhellt nicht zum wenigsten mit aus dem Umstande, daß Kaiser Wilhelm seinem eigenen Bruder ein hohes Kommando hierbei anvertraut hat, welche Thatsoche, wie versichert wird, be­reits in den Pekinger Hof- und Regierungs- kreisen ihren Eindruck zu machen beginnt.

Die vom Reichstage in erster Lesung an die Budgelkommission verwiesene Marine- Bor läge wird, wie schon im letzten Blatt mit geteilt, aus den Kommissionsverhandlungen nicht so bald wieder an das Plenum zurückgelangen. Wie in Reichstogswahlkreisen verlautet, will die Mehrheit der Budgelkommission erst nach Er­ledigung des Etats an die Beratung der Marine- Borlage herantreten, was demnach frühestens etwa Mitte Februar nächsten Jahres geschehen könnte, denn eher ist an eine Verabschiedung des Etats gewiß nicht zu denken. Wenn an diesen Dispositionen sestgehalten wird, dann dürfte das Reichstagsplenum möglicherweise erst nach Ostern in die Lage kommen, sich wieder mit dem Flotten- gesctz zu beschäftigen, falls die Kommission nicht

einen ganz besonderen Eifer bei der Vorberatung desselben entwickeln sollte. Ob sich die ver- kündeten Regierungen eine derartige Hinaus- schiebung der Entscheidung in der Flottcnfrage auf die lange Bank gefallen lassen werden, das muß allerdings noch dahingestellt bleiben.

Die erstmalige, nach fünfstündiger Verband- lung abgebrochene Lesung des Etats im Reichstage am vergangenen Samstag be­wegte sich im allgemeinen in recht sachlichen Geleisen. Nur Herrn Bebel war es vorbe- halten, mit seinen mehr als zweistündigen Aus­führungen, in denen er die gesamte Regierungs­politik und unsere ganzen Verhältnisse in Deutschland gehörigherunterriß", diese ruhigen Grenzen zu überschreiten, so daß er sich zuletzt einen Ordnungsruf des Präsidenten zuzog. Zu den schwebenden Tagesfragen förderte jedoch die allgemeine Etatsdebatte nicht viel Neues und Bemerkenswertes ans politische Tageslicht, es sei denn die Bemerkung des Zentrumsredners Fritzen, daß das Zentrum lebhaft eine Ver- ständigung in der Marinefrage wünsche. Zu erwähnen wäre dann noch vielleicht eine Er­klärung des Reichskanzlers Fürsten Hohenlohe gegenüber dem Abgeordneten Bebel, wonach sich Fürst Hohenlohe bestimmt dagegen verwahrte, je einmal eine bindende Zusage wegen Aufhebung des Koalitionsverbotes für politische Vereine im Reiche erteilt zu haben.

Berlin. 14. Dez. DerReichsanzeiger" schreibt: Das Reichspostamt giebt bekannt, daß ! vom 20. Dezember ds. Js ab Drucksachen in Rollenform bis zu 75 ein Länge und 10 cm Durchmesser auch innerhalb Deutschlands, sowie im Verkehre mit Oesterreich Ungarn zur Post­beförderung zugelassen werden sollen.

Der neuerdings veröffentlichte Gesetz­entwurf zum Schutze derBauhand- werker entspricht bis zu einem gewissen Grade dem französischen Gesetz. Nach diesem, das auch in Elsaß-Lothringen noch gilt, kann auf Antrag der BaustelleN'Wert abgeschätzt und darnach der Anspruch der Bauhandwerker bemessen werden. Der jetzt ausgearbeitete deutsche Entwurf macht die Abschätzung des Baustellen Wertes zur Vor­aussetzung für die Eintragung der Forderung der Bauhandwerker in das Hypolhekenbuch an bevorzugter Stelle.

Die in mehreren deutschen Zeitungen ver- öffentlichte, aus Londoner Blättern stammende Nachricht, daß Anfang November eine deutsche Exp-dition von 200 Mann mit 6 Offizieren im Hintcrlande von Kamerun durch Eingeborene uiedergemacht worden sei, ist. da mit Kamerun telegraphische Verbindung besteht, und an maß gebender Stelle keinerlei Meldung vorliegt, als vollständig aus der Luft gegriffen zu betrachten.

Karlsruhe. 13. Dez. In der heutigen Sitzung der Zweiten Kammer stellte der Abgeordnete Hug im Namen der Budget­kommission an die großh. Regierung die An- frage, ob die Gerüchte, welche eine Geiährdung der Selbständigkeit Badens auf dem Gebiete des Eisenbahnwesens in sich schließen, begründet seien. Minister v. Brauer erwiderte darauf, daß mit Preußen Verhandlungen wegen des Erwerbs der Main-Neckarbahn nicht stattgefunden hätten. Ebensowenig hätten Verhandlungen stattgcfunden betr. die badischen Staatsbahnen. Die Regier­ung zweifle nicht an Preußens vollster Loyiliiät und halte an der unbedingten Selbständigkeit des badischen Eisenbahnwesens fest.

Saarunion. 10 Dez Ein erschütternder Vorfall hat sich heute Mittag ganz nahe der Stadt abgespielt. Die Frau des Handelsmannes Johle hier warf ihre drei Kinder in die Saar und sprang dann selbst hinein. Die Thal wurde sofort bemerkt und man war auch gleich mit R"ttungsversuchen bei der Hand, aber trotzdem war es bereits zu spät. Alle vier zog man als Leichen aus dem Wasser. Die Frau, welche diese Thal in einem Anfalle von Geistesstörung vollführt haben muß, war in guter Hoffnung und harrte jeden Tag ihrer Niederkunst. Das älteste Kind von ungefähr 6 Jahren sprang fort, als es sah, was mit seinen Geschwistern ge­schah. wurde aber von der Mutter eingeholt und

in den Fluß gerissen, wo es mit Mutter und Geschwistern den Tod fand. (Sir. P)

Colberg. 9. Dez. Welcher Andrang zu erledigten Stellen herrscht, kann man wieder aus den Meldungen ersehen, die zu der hiesigen Stelle eines Badesekretärs und Vergnügungsdirektors eingelaufen sind. Die Zahl der Meldungen beträgt 60. Unter den Bewerbern befinden sich, derOstseezeitung" zufolge, Stabsoffiziere z. D. und a. D.. Haupt- leute uod Lieutenants a. D., Bürgermeister a D., Kaufleute, Bureauvorstehcr bei Rechtsanwälten und sonstige Burcauveamte, Amtssekretäre, Buch­halter, Tanzlehrer, frühere Gutsbesitzer, Landwirte, Philologen, ferner ein Realschullehrer, 1 Lehrer, 1 Leiter einer Bauschule, 1 landrätlicher Registrator. I Rechnungsführcr, 1 Zahlmeister a. D., 1 Pastor a. D., 1 Kondukteur bei einer Dampfjchiffgesellschast ein Schutzmann, 1 Futter- meister bei einer Aktiengesellschaft und 1 Friseur.

Württemberg.

Stuttgart. Das hiesige Stadlpolizei­amt erläßt folgende Bekanntmachung, betr. das Oelen von Treppen und Fußböden. Es ist vielfach wahrzunehmen, daß Treppen und Fußböden mit Petroleum oder mit Stoffen, welchen Petroleum zugesetzt ist, geölt werden, ein Verfahren, welches von sachverständiger Seite als höchst verwerflich und gefährlich bezeichnet wird. Die Gefahr besteht darin, daß im Falle eines ausbrechenden Brandes durch die Sättigung des Holzes mit diesen Stoffen nicht allein eine rasche Ausbreitung des Brandes, sondern auch eine starke Rauchentwicklung her­beigeführt wird. Das Publikum wird daher vor der Verwendung des Petroleums zu dem i g;dachten Zweck aufs nachdrücklichste gewarnt, i Zum Oelen der Treppen und Fußböden empfiehlt sich reines gekochtes Leinöl. welches in allen Materialwarenhandlungen erhältlich ist. Dasselbe kann mit Terpentinöl verdünnt werden. Auch hier ist darauf zu achten, daß nur so viel Oel aufgetragen wird, als in das Holz eindringen kann, und daß das Oel in das Holz tüchtig hineingerieben wird. Wird dies nicht beachtet, so entstehen nicht nur klebrige Oelschichten, welche leicht ein Ausgleiten des Fußes auf denselben und damit Unfälle herbeiführen, sondern es drohen auch dieselben Gefahren wie bei der Verwendung des Petroleums. Des­gleichen erläßt das Stadtpolizeiamt eine Bekanntmachung, betreffend die Zubereitung und Verwendung von Bodenwichse in den Haus­haltungen.

Ulm. 13. Dez. Die Stadt Ulm hat in längster Zeit beim Kgl. Ministerium um die Ermächtigung nachgrsucht, ein Anlehen von 3 Millionen Mark aufzunehmen.

Löchgau (OA. Besigheim). 13. Dez. Für den zum Amtspfleger in Besigheim bestellten Schultheißen Merz wurde heute Neuwahl eines Ortsoorstehers vorgenommen. Von abgegebenen 188 Stimmen fielen 180 auf Schultheiß Benz von Wahlheim, welcher somit gewählt ist.

Vom kleinen Heuberg, 12, Dez. Das Kind des Schiffwirts S. in B.. ein hübsches nettes Bübchen im Alter von 3 Jahren sah vor Jahresfrist in einer Schmiede der lodernden Eisen- und der Schmiedarbeit zu Plötzlich springt ein verschwindend kleines Eisensplitterchen dem Buben in das Auge, ohne jedoch nachteilige Folgen zu bringen. Nachdem beinahe ein Jahr vorbei war. wurde das Kind an dem Auge blind, das Eisenteilchen wurde in der Augen­klinik zu Tübingen auf magnetischem Wege ent­fernt. Die Operation verlief günstig. Einige Wochen nach derselben mußte jedoch das Auge, um das andere gut erhallen zu können, heraus­genommen werden. Die bekümmerten Eltern hatten sich in ihrer Bedrängnis selbst an den Herzog Karl Theodor gewendet, allein auch hier lautete der Bescheid auf Entfernen des kranken

Im Verlage der Hofbuchdruckerei von Greiner u Pfeiffer in Stuttgart sind wiederum neue A n s > ch t s p o st k a r t e n in Aquarell-Manier, darunter Calw erschienen.

Fortsetzung in der Beilage.

Redaktion, Druck und Verlag von C. Meeh in Neuenbürg.