877
von Nordamerika; sie nahmen 398 Mill. Frcs. ein, während sich die Ausgaben auf 449 Mill. Frcs. beliefen. Es folgt England mit 286 Mill. Frcs. Einnahmen und 202 Mill. Frcs. Ausgaben. Frankreich nimmt den vierten Rang ein, Rußland den fünften. An sechster Stelle steht Oesterreich (ohne Ungarn.)
Nordhausen, 25 Nov. Eine Stradivari- Geige aus dem Jahre 1718 wurde durch Zufall hier entdeckt Ein junger Kaufmann erstand eine alte ramponierte Geige, die mit Zirheriaiten bezogen war. von einem Dorfmusikanten stammte und schon längere Zeit im Schaufenster eines diesigen Althändlers ousgelegen halte, für 12 Bei der Reparatur fand sich der Stempel „Ltrackivarius koeit 1718". Sachverständige bekunden den Ton des restaurierten Instruments als einen ganz hervorragenden und die Echtheit als Stradivari. Der Wert der Geige, welche somit aus den besten Zeiten des Meisters stammt, wird auf 6000 vkL beziffert.
Württemberg.
Bebenhausen. 26 Nov. Die heutige Hosjagd wurde im Revier Herrcnberg gehalten. Zu derselben waren dte Herren Generalmajor z. D v. Schmidt, Erster Staatsanwalt Fetzer von Tübingen und Forstamtsverweser Müller von Wildberg eingeladen. Abends reiste Seine Durchlaucht der Fürst von Hohenlohe-Langen- bürg wieder von hier ab, um nach Straßburg zurückzukehren. Dafür traf Forstmeister Forstrat Graf v. Uxkull-Gyllenband von Neuenbürg auf Allerhöchste Einladung ein. Zur Abendtafel hatte Oberförster Lausterer von Herrenberg die Ehre rmgeladen zu werden.
Tübingen, 28. Nov. Bei der gestrigen Stadtschultheißenwahl wurden 1126 Stimmen abgegeben, von denen auf Polizeiamtmann Haußer 1091 und auf Stadtschultheißenamts- ajsistent Hepp 14 Stimmen sielen. Zersplittert waren 21 Stimmen. Haußer tst somu gewählt.
Stuttgart, 25. Nov. Der Bericht der Steuerkommission der Kammer der Abgeordneten über die Wandergewerbesteuer ist im Druck erschienen. Berichterstatter ist Rembold (Zentrum), Mitberichterstatler Binz (Bolksparrci). Aus dem Vortrag des Berichterstatters sei erwähnt: Ein Sonder- gesetz mit gründlicherer und im Allgemeinen schärferer Heranziehung erscheint in der Thal als begründet: l) einmal durch die Sonderart und Sonsterstellung des Wandergewerbebelrieds. DaS Wandergewerbe hat regelmäßig weit häufigeren Umsatz, als das stehende Gewerbe. Das Sondergesetz soll eher ermöglichen, das Wandergewerbe in Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Verhältnisse in gerechter Weise gegenüber dem der Einkommen- und der ordentlichen Gewerbesteuer unterliegenden stehenden Gewerbe heranzuziehen. Wäre es schließlich bei inländischen Wandergewerbebetrieben noch eher thunlich, sie der Einkommensteuer und der allgemeinen Gewerbesteuer mit entsprechenden Aenderungen zu unterwerfen, so wäre das nicht anwendbar auf nicht würtl. Wandergewerbe. Ein weiterer Grund ergiebt sich aus dem Hinblick darauf, daß die für uns hauptsächlich in Frage kommenden deutschen Staaten besondere Wander- gewerdesteuergesetze haben. Bei Begründung der Schaffung dieses besonderen Gesetzes darf zweifellos auch Rücksicht genommen werden auf die Klagen und Hilferufe des seßhaften, stehenden Gewerbes, das einen guten Teil des für die staatliche und gesellschaftliche Ordnung wichtigen Mittelstandes repräsentiert und des Schutzes in dem wichtigen Ausgleiche der steuerlichen Ver- hältnisse nicht entraten darf. Die Rücksicht auf die vielen Klagen des Publikums in Stadl und Land über die Behelligungen durch Hausierer, insbesondere Detailreisende, verdient gewiß auch Beachtung. Nicht minder ist zu berücksichtigen, daß der Hausterbetried, wenigstens von dem Standpunkte der Konsumenten aus, die frühere Bedeutung vielfach verloren hat. da die Ver- sorgung mit Waren aller Art durch das stehende Gewerbe für sämtliche Teile des Landes durch die außerordentliche Hebung der Verkehrswege in der Gegenwart und durch die Ausdehnung der stehenden Gewerbe (Ladengeschäfte) dis in die
kleinsten Orte hinein überaus erleichtert ist. Hiebei wird nicht verkannt, daß der Betrieb in einzelnen Fällen, besonders bei selbstoerfertigten Waren, wirtschaftliche Bedeutung nach anderer Richtung zu beanspruchen hat. Weiterhin ist hinzuweisen auf die ungünstigen Einflüsse, welche das Umherziehen auf die Person und Familienangehörige in Hinsicht auf Lust zur Arbeit u. a. leicht auszuüben geeignet ist und erfahrungsgemäß übt. — Wie nicht leicht auf einem anderen Gebiete ist die Möglichkeit zu schaffen, der Besonderheit der Verhältnisse namentlich durch billige Rücksichtnahme von Fall zu Fall Rechnung zu tragen. Diesen Erwägungen hat der Entwurf in einzelnen Bestimmungen des Gesetzes und des Tarifs schon Rechnung getragen; die Kommission hat mehrfach in ihren Beschlüssen es noch weiter thun zu müssen geglaubt. — Was den Tarif betrifft, so schlägt der Entwurf gegenüber den sonst bestehenden Tarifen einen Mittelweg ein, indem er für die einzelnen Gattungen von Waren und Leistungen Abteilungen wie der bayrische, allerdings erheblich weniger, dagegen für die Steuersätze der einzelnen Abteilungen ziemlich weite Rahmen aufstellt, so daß innerhalb dieser der Steuerbehörde, ähnlich den Gesetzen des preuß. Systems, für die An- Wendung bedeutender Spielraum bleibt. Mit diesem Mittelsystem dürfte der Entwurf das Richtige treffen. Wenn auch dem Ermessen der Behörde damit Vieles eingeräumt wird, so ist das doch durch das Vielgestaltige und Biel- oeränderliche in der Art des Wandergewerbebetriebs wohl begründet, und es wird gerade hiedurch eine gerechte und auch billige Würdigung aller einzelnen Verhältnisse und insbesondere durch die Ausnahmesätze auch die Schonung der Kleinen ermöglicht. — Die Einzelprüfung hat Bedenken ergeben, ob nicht durch die vorge- geschlagencn unteren Sätze, zumal wenn die Gemeindesteuer höher ist als die Slaalssteuer und wenn die Ausdehnungsabgabe für mehrere Oberamtsbezirke hinzukommt, die Gefahr gegeben ist. daß so wie so schon kleine. ärmliche und mühselige Verhältnisse geradezu niedergedrückt werden <so beantragt die Kommission bei Abt. a als Ausnahmesatz statt 1 und 2 zu setzen 1 (bei Abt. b statt 2 und 4 <-kL nur 2 o-L). Hiedurch würde der Minimalsatz der Normalveranlagung herabgesetzt auf 2 ^ und eS kann die Behörde, auch im Falle daß keine Ausnahmegründe vorliegen, auf diesen Betrag herabgehen, wenn sonst die Verhältnisse es begründen. Ferner beantragt die Kommission mit 8 gegen 1 Stimme zu Tarifnummer 2, Detailreisende, die Erhöhung des Maximalsatzes von 200 auf 300 vkL.
Anstand.
Zu der Prügelei im österreichischen Abgeordnetenhause deren Opfer die deutsch-nationalen Abgeordneten Schönerer und Wolf und der Deutschfortschriltler Pfersche wurden, hat, wie aus allen Berichten hervorgeht, der Präsident Abrahamowicz das Signal gegeben, indem er die Abgeordneten der Rechten ausdrücklich aufforderte, ihn von den seinen Sitz umdrängenden deutschen Abgeordneten zu „befreien." Kein deutscher Abgeordneter hat zuerst die Hand erhoben, die Thätlichkeiten gingen von den slavischen Abgeordneten aus, die deutschen befanden sich in der Notwehr. Um weiterm Tumult vorzubeugen, ist eine neue Geschäftsordnung mit größerer Disziplinär- gewalt im Abgeordnetenhause durchgesetzt. Aber das Recht wurde bedauerlicherweise durch ein Unrecht, durch die Uederrumpelung der deutschnationalen Parteien seitens ihrer Gegner, erreicht. Am Freitage drangen hundert Polizisten ins Parlament ein; besetzten den Saal und trugen die sich verzweifelt wehrenden Abgeordneten auf ihren Händen hinaus. Die tiefe Empörung, die sich der Volksseele bemächtigt, hat sich in Kundgebungen Luft gemacht, welche die Studenten und Arbeiter in Wien und in Graz veranstalteten.
Wien, 27. Nov. Der Ministerpräsident Graf Baoeni soll der parlamentarischen Kommission der Rechten gesagt haben, er lege die Entscheidung über die weiteren Maßregeln
in die Hand des Kaisers, der schon heute um 6'/» Uhr hier eintrifft. Auf der Ringstraße herrscht bereits ein großes Gedränge und heftige Erregung. In allen Kasernen wird das Militär bereitgehalten; man muß auf das Schlimmste gefaßt sein. Man versichert, die Arbeiter würden heute nicht ausrücken. In der Universität versammeln sich die Professoren, um eine gemeinsame Erklärung bezüglich der Gewaltthaien abzugeben.
Wien, 27. Nov Gestern Nachmittag und Abend fanden große Ansammlungen zwischen der Universität und dem Parlament statt, sie waren durch Studenten hervorgerufen, welche Kundgebungen planten. Die Sicherheilswache zerstreute die Ansammlungen und nahm 40 Verhaftungen vor. Ein kleiner Haufe Studenten begab sich zur Redaktion der „Ostdeutschen Rundschau", brachte Hochrufe aus und sang die „Wacht am Rhein", zerstreute sich aber bei dem Herannahen der Wache
Paris, 27. November. Oberstlieutenant Picquart hat in dem Verhör vor General Peltieux keinerlei Beweismaterial vorgelegt, sondern nur die Vermutung ausgesprochen, daß Major Esterhazy gleichzeitig rm Solde des französischen und des ausländischen Spionen- dienstes gestanden habe. Major Esterhazy habe die Leitung des französischen SpionendiensteS und seinen Mitschuldigen im Gcneralstave, welcher ihm als Vermittler diente, hinters Licht geführt. Oberstlieutenant Picquart nannte auch den Mitschuldigen. Dem „Echo de Paris" zufolge dürfte General Saussier bereits am Montag die Entscheidung treffen.
Aus Belgien, 25. Nov. In der Sparkasse zu Brüssel entwendeten unbekannte Diebe während der Amtsstunden eine Barsumme von 180000 Franken. Während der Amtsstunden? Nicht übel!
Zlntery altender Teit.
Wie ich meinen Schwager kennen lernte.
(Schluß.)
„Bitte, Füsilier Hermann Bornemann, nehmen Sie gefälligst Platz!" Ich folgte halb betäubt der Aufforderung, denn die Bitte von Vorgesetzten ist bekanntlich Befehl.
„Haben Sie Hunger?"
Trotz der eben vertilgten Zwiebackbrühe konnte ich das nicht leugnen, denn sie stellte höchstens den fünften Teil der Speijcmassen dar, welche meinem einundzwanzigfährigen Soldaten- magcn genügt haben würden.
Auf der Wolldecke bauten sich nunmehr die appetitlichsten Sachen aus. einem bei uns längst verklungenen Speisezettel angehörend, als da waren: Wirkliches, echtes, richtiges Kommißbrot (kein Zwieback), köstliche Mettwurst, kalter Schweinebraten, Mixed-PickleS, ein großer Keil Holländer Käse und eine leicht angetrunkene Flasche Kognak. ^
„So, bitte, gehen sie darauf wie bei Weißea- burg, Wörth und Sedan, machen Sie ihrem guten Regiment auch hier keine Schande, — ich helfe ein bischen zur Gesellschaft mit!"
Innerlich schüttelte ich zwar den Kopf über diese ivnderbare Liebenswürdigkeit, äußerlich je- doch durchaus nicht, sondern hieb ein wie Blücher. Nach dem ersten Halbpsundbrot und dem zweiten Schluck Kognak schwoll mir der Heldenmut wieder so weit, daß ich mich zu der Frage empor- schwang: „Wodurch habe ich die Ehre verdient, daß der Herr Feldwebel mich — mich —?"
„Daß der Herr Feldwebel",', fiel mein Gastgeber ein, „Sie so unvermutet vom Sturzacker weg zu einem den Umständen nach gar nicht so Übeln Vesperbrot emladet, nicht wahr? Na, junger Freund", die Augenwinkel des Vize zackten lustig, „weil sie mir einen ganz ausnahmsweise verhungerten Eindruck machten. Mein mitleidiges Herz und so weiter und so weiter, verstanden?"
„Zu Befehl, Herr Feldwebel!"
Jedes Ding Hai seine Zeit, selbst ein Füsilier- Hunger; ich war zur Abwechslung mal wieder richtig fatt. klappie mein Messer zu und schob es in die Tasche.
„Hat's gefchmcckt, Freundchen?"
„Danke gehorsamst, Herr Feldwebel, ganz ausgezeichnet!"