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und in den Monaten Mai bis Scpt. jede Woche unentgeltlich 2 Konzerte im Freien veranstaltet werden müssen. Carl ist bekanntlich auch Dirigent der K. Badkapelle Wildbad.

Andernach, 28. Okt. Der bekannte Gast­hof zurgroßen Glocke" ist während einer Aus- brsserung der Gasleitung vollständig zusammen, gestürzt

Im Walde bei Hochausen im Taunus wurde der Förster Ries durch Wilderer in die Brust geschossen und lebensgefährlich verletzt. Der Thäter ist noch unbekannt.

Württemberg.

Stuttgart, 26. Oktober. Stadtdekan Weitbrecht ist zum Prälaten und General- superintcndenten in Ulm an Stelle des in den Ruhestand getreten Prälaten Dr. v. Lechlec er­nannt worden.

Laut einer halbamtlichen Mitteilung des Staalsanzeigers tritt derLandtag am 23. Nov. wieder zusammen, um alsbald in die Beratung sehr wichtiger Gesetzentwürfe einzutreten, als da sind: Polizeistrafgesetz. Steuerreform in Bezug auf Wandergewerbe u. dergl., Abschaffung der Lebenslänglichkeit der Ortsvorsteher und Ver- faffungSrevision. Das kann eine ziemlich lange Tagung geben, vielleicht bis in den Mai hinein; unter Umständen aber kann die Tagung auch sehr kurz ausfallen und sogar eine Kammer­auflösung erfolgen. Hat doch der Finanzminister erklärt, daß er unter keinen Umständen sich mit dem Beschluß der zweiten Kammer einverstanden erklären könne, wonach die direkte Einkommen- steuer in den höheren Progressionen bis auf 6°/o gesteigert werde. Nach den Ausführungen einiger Abgeordneter der Volkspartei, wie des Zentrums und der Deutschen Partei ist indessen anzunehmen, daß die zweite Kammer einen etwaigen Ab­änderungsvorschlag seitens der ersten Kammer in dieser Beziehung annehmen wird, um mit der Regierung nicht in Konflikt zu kommen, bezw. um nicht das ganze Sleuerrcformgesetz zu ge­fährden. Erheblich kritischer liegt aber die Sache bezüglich der Frage der Abschaffung der Lebens- länglichkeit der Ortsvorsteher. Die Deutsche Partei hat nämlich in ihrer Verlrauensmänner- versammlung vom letzten Sonntag sich dahin schlüssig gemacht, daß man den auf Lebens- dauer gewählten Ortsvorstehern für den Fall ihrer Nichtwiederwahl nicht nur ihr festes Ein­kommen. sondern auch alle ihre Nebeneinnahmen als Pension vergüten müsse. Bekanntlich stellt sich das Zentrum schon längst auf diesen Stand- Punkt, und wrrd sich die Volkspartei stark mäßigen müssen, um den Gesetzentwurf wenigstens im Prinzip zu retten. Am allerschwierigsten aber dürfte sich die Sache gestalten bei der Frage der Verfassungsrevision. Hierin stellt.sich die Deutsche Partei, gemäß den Beschlüssen der schon erwähnten Vertrauensmännerversammlung, so ziemlich ganz auf den Boden der Volkspartei, d. h. auch sie will die erste Kammer nicht wesentlich vermehren lassen, und ihr noch weniger die von der Regierung verlangten Rechte bezüg- lich der Spezialberatung des Etats gewähren. Die Regierung aber wird wohl schwerlich dieses notwendige^Gegengewicht gegen die Verdrängung aller Priviligierten aus der zweiten Kammer aufgeben.

Stuttgart, 28. Okt. Die Steuer, kommission der Kammer der Abgeordneten erledigte in der gestrigen und vorgestrigen Sitzung die Artikel 1324 des Kapitalsteuer, gesetze». Zu dem von der Steuererhebung handelnden Art. 15 beantragte der Berichterstatter einen neuen Absatz des Inhalts: Die Erhebung der Kapitalsteuer erfolgt durch die Staatssteuer­behörde. Die Abgeordneten Gröber und Rembold beantragten:Die Erhebung der Kapitalsteuer erfolgt durch dieselbe Behörde wie die Einkommen- steuer unter entsprechender Anwendung der für die Erhebung der Einkommensteuer bestehenden Vorschriften." Bei der Abstimmung erhielt jeder dieser Anträge 7 Stimmen. Die Frage ist somit unentschieden. Nach Art. 21 rr sind die Erben eines Steuerpflichtigen, der zu wenig Kapitalsteuer bezahlt hat, verpflichtet, den drei­fachen Betrag der hinterzogenen und am Todestag noch nicht verjährten Steuer nach dem

Verhältnis ihrer Erbanteile, jedoch nur bis zur Höhe der letzteren nachzuzahlen.

Stuttgart, 24. Okt. Am Sonntag nach- mittag fand in der Liederhalle die angekündigte Handwerkerversammlung statt. Hof­flaschner Baader-Stuttgart eröffnete dieselbe und hieß die Erschienenen willkommen. Der Vorsitzende erteilte das Wort an Overregierungs- rat M o st h a f Derselbe führte aus, daß die Staatsregierung das lebhafteste Interesse daran habe, daß aus dem neuen Reichsgesetz positive nützliche Errungenschaften für das Handwerk ge­schaffen werden im Einvernehmen zwischen den Gewerbevereinen, die viel Gutes geschaffen haben. Das Schwergewicht dieser ganzen Organisation ruht, so führte der Redner nach demSt Anz" aus, auf der Gcsamtvertretung des Handwerks großer Bezirke, den Handwerkerkammern» denen wichtige Aufgaben, gesetzgebende, verwalt­ende. beratende überwiesen sind. Soll das neue Gesetz nicht ein toter Buchstabe bleiben, so muß diese Organisation ltbensvoll werden; und dies setzt voraus, daß die verschiedenen Lokalvereine, über die wir verfügen, sich nicht in schroffer Einseitigkeit gegen einander abschließen, sondern in gemeinschaftlicher Arbeit und regem Wett­bewerb das allgemeine Interesse fördern. In Württemberg werden die Gewerbevercine wenig stenS für die nächste Zukunft einen bedeutenden Einfluß auf die Zusammensetzung und Wirksam­keit der Handwerkerkammer erlangen. Es ist gut, daß dem so ist, daß wir in Württemberg die alterpcobte Institution der Gewerbevercine haben, hätten wir sie nicht, so würden die Hand- werkerkammern völlig in der Luft stehenj, denn eine ausschließlich auf die wenigen Fachgenossen, schäften der großen Städte gegründete Hand- wcrkerkammer könnte unmöglich daraus Anspruch machen, als eine Vertretung der Interessen des württ. Handwerks anerkannt zu werden. Die Nichthandwerker in den Gewerbevereinen haben keinen Anteil an den Wahlen zur Handwerker­kammer. Andererseits stehen die Bereinigungen der reinen Fachgcnoffen, also die Innungen, freie und Zwangsinnungen, und die Fachgenossen, schäften den Gewerbevereinen in völliger Gleich­berechtigung gegenüber. Die Gewerbevereine können eine ganze Reihe von Aufgaben, die für das Handwerk gelöst werden müssen, so insbe- t sondere die Mehrzahl der auf dem großen Ge- biet der wirtschaftsgenossenschaftlichen Unter­nehmungen liegenden, der Natur der Sache nach nicht anfassen. Hier muß der engere Verband der Fachgenossen in die Lücke treten. Darum muß jeder Freund des Handwerks und darum in erster Linie die Regierung nur wünschen und hoffen, daß die bestehenden genossenschaftlichen Vereine sich weiter entwickeln, und daß neue sich da bilden, wo für sie ein gesunder Boden vor­handen ist. Erst eine jahrelange Erfahrung wird darüber entscheiden, welche Art der ver­schiedenen Vereinigungen die beste gewesen sein wird; es wird diejenige sein, welche in treuer Arbeit das Beste thun wird, um die Wider­standskraft des Handwerks gegenüber Groß­kapital und Großindustrie zu stählen, seine Leistungsfähigkeit zu erhöhen. Jedes ernste Streben in dieser Richtung begrüßt die Regier- ung mit aufrichtiger Freude, sie begrüßt darum besonders die heutige Versammlung als einen ersten Schritt im Sinne des Zusammenarbeitens der Handwerkerorganisationen der verschiedenen Richtungen, die, wie wir hoffen, das Verständnis für die Notwendigkeit dieses Zusammenarbeitens in weitere Kreise tragen wird. Oberregierungs, rat Mayer begrüßte die Versammlung namens der Zentralstelle für Gewerbe und Handel. Malermeister Ruß betonte sodann, der Zweck der neuen Handwerkerorganisation sei zunächst, einen neuen Wahlkörper .für die Handwerker- kammern zu schaffen, damit nicht die wohlthätigen Bestimmungen des neuen Reichsgesetzes in letz­teren illusorisch gemacht werden; dann aber auch namentlich alle einzelnen Gruppen Handwerker im ganzen Lande zu vereinigen, damit sie rhre speziellen Berufsangelegenheiten ohne fremde Einmischung und ungestört mit einander beraten können. (Widerspruch und Beifall). Ucber die Ordnung des Lehrlingswesens, Errichtung von Fachschulen und Einführung obligatorischer Lehr­

lingsprüfungen berichtete sodann Friseur Beck. Stuttgart; über Regelung des Gesellcnwesens, Schaffung und Ueberwachung von Herbergen, Arbeitsnachweis u. s. w. Bäckermstr. Mangold. Sodann sprach Metzgermeister Häußermann über die finanzielle und soziale Besserstellung der Handwerksmeister. Belehnbarkeit der Hand­werkerrechnungen bei Jnkassobanken, Bekämpfung des Pfuscherlums und des unlauteren Wettbe­werbs, Errichtung von Rohstoff, und Verkaufs­genossenschaften u. s. w. Bei der sich an­schließenden Erörterung verteidigten zunächst Maler Jeremias und Schreinermeister Bauer- Stuttgart die Gewerbevereine, die seit 60 Jahren das gleiche Programm haben, wie das jetzt vor- gelegte. Metzgermeister Häußermann erwiderte, er wolle das. was die Gewerbevercine geleistet haben, nicht verkennen; er frage aber, ob in den 60 Jahren deS Bestehens der Gewerbevereine das Handwerk zur Blüte gekommen sei. Gerber Braun aus Heilbronn rühmte die Thärigkeil des Heilbronner Gewerbevereins, der 2 Handwerker« danken, eine Gewerbehalle, eine gemeinschaftliche Berkaufshalle und ern Gewerbemujeum errichtet, Preise für Lehrlingsprüfungen eingeführt und Ausstellungen veranstaltet habe. Buchbinder Gemeinderat Rothenhöter spricht im Interesse weiterer Verständigung zwischen den Gewerbe­vereinen, den Innungen und den freien Ge- nossenschasten. Auch Schreiner Bauer-Eßlingen spricht für die Gewerbevercine. Alb. Treiber empfiehlt den Handwerkern, in die dargereichte Hand der Regierung einzuschlagen und ruhig an die Ausführung ihrer Ausgabe zu gehen; den Geweibeoereinen sei es zu überlassen, ob und wie sie die Notstände in den einzelnen Hand- werkerberufsartcn nunmehr beseitigen. Es müsse ein rühmlicher Wetteifer entstehen, kein Streit und Zank. Man möge das Vergangene ruhen lassen und um so kräftiger für die Zukunft des Handwerks arbeiten. Schreiner Küoel Biberach führt aus, in den kleinen Städten sei kem Boden für die Zwangsinnungen, man solle getrennt marschieren, aber vereint schlagen. Oderregier, ungsrat Mosthaf erklärt noch zum Schluß, daß zwischen seiner in Tübingen abgegebenen Erklärung und seiner heutigen kein Gegensatz bestehe. Die Staatsregierung werde die Er­richtung von Innungen auf dem Boden des neuen Gesetzes unterstützen, sie wünsche nur nicht, daß aus den Handwerkskammern ein Herd poli­tischer Agitation gemacht werde und daß man darin für den Befähigungsnachweis u. s. w. agi­tiere. Die selbständig organisierten Handwerker können sich des Wohlwollens der Sraatsregier- ung versichert halten. (Beifall). Schließlich wurde folgende Resolution mit großer Mehrheit ange­nommen:Die heutige Handwerkerversammlung hält die berufliche Organisation der einzelnen Gewerbe für dringend notwendig und bittet die Regierung, die nach diesem Ziel strebenden Hand­werker kräftig zu unterstützen." Alb. Treiber erläutert hierauf die Gründe, warum statt einer einzigen 4 oder 5 Handwerkerkammern für Würt­temberg zu empfehlen sind. Den stark bevölker­ten Neckarkreis könne man in 2 Handwerker, kammern teilen, aber die Residenzstaat solle die eine Hälfte des Neckarkrelses in sich begreifen. Die Lage des Handwerks sei doch manchmal sehr verschieden, je nachdem ein Bezirk mehr Land- Wirtschaft oder mehr Großindustrie betreibe. Hierauf wird die Forderung, daß die Hund­werkerkammern aus je 25 Mitgliedern durchweg selbständigen Handwerkern, bestehen, und daß m diesen die wichtigeren Handwerkszweige mög­lichst gleichmäßig durch eigene Berussaogehörige vertreten sein sollen, sowie daß die Handwerker- kammern auch je 5 Nlchlhandwerker wählen dürfen und endlich, daß der Vorsitzende der Handwerkerkammern unter allen Umständen ein Handwerker sein müsse, angenommen. Zum Schluß wurde zur Durchführung des Programms zur Organisierung deS Handwerks im ganzen Land ein Ausschuß von 13 Mitgliedern gewählt.

Vom 1. November d. I. an werden bei sämtlichen Postanstalten des Landes K a r t e n - briefe mit dem Postwertzeichenstempel von 10 Pfg. zum Preis von 10 Pfg. für das Stück zum Verkauf bereit gehalten. Auf die Karlen- briefe finden die Bestimmungen für die Briefe