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richtet, wird in allen zur Wahl stehenden Be­zirken massenhaft verbreitet und namentlich sind es die Radfahrer, welche die entlegensten Ort­schaften aufsnchen. um die sozialdemokratischen Kundgebungen unter die Leute zu bringen. Die Organisation der Radfahrer soll noch verbessert und ausgedehnt werden und es versprechen sich die Sozzen von ihr insbesondere bei der nächst­jährigen Reichstagswahl großen Erfolg.

Der Centralvorstand des Verbands der d e u t s ch e n B u ch d r u ck e r hat den englischen Maschinenbauern 500 Piund Sterling (10 000 Mark) übersandt und ihnen in ihrem Kampfe um den Achtstundentag viel Glück gewünscht. Dazu ist wohl zweifellos das Geld der Buch­drucker nicht gesammelt worden, damit es seinen Weg über den Kanal gehe. Auch andere Ge­werkschaften haben den englischen Maschinen- bauern Geld übermittelt; die Jnternationalität der Arbeiterinteressen wird jetzt bei den großen Ausständen immer mehr in den Vordergrund geschoben.

Württemberg.

3S. Berbanvstag der wirrttemb. Gewerbevereine.

Tübingen. 3. Okt. Der 39. Verbands­tag der württb. Gewerbevereine wurde Samstag abend mit einer solennen Begrüßungsfeier seitens des hiesigen Gewerbevereins eröffnet. Eine statt­liche Zahl von Vertretern aus allen Gauen unseres Landes halte sich schon eingefunden, welche denSängergruß" Attenhofers vom Sing- chor des Gewerbcreretns entgegennahmen. Die Begrüßungsrede hielt an Stelle des schon seit längerer Zeit schwer erkrankten Oberbürger­meisters Gös Herr Polizeiamtmann Haußer, der in gewandter Rede die Gefahren des Hand­werks schilderte und besonders vor allem Zwang im Handwerk warnte. Zur Beratung ver­sammelten sich am Sonntag vormittags 9 Uhr etwa 400 Mitglieder und Freunde der Gewerbe, vereine aus allen Teilen des Landes im großen Saal des Museums. Der Vorsitzende des Landesverbands, Prof. Gießler, teilte ein ein- gelaufenes Kgl. Kabinetsschreiben mit, das dem Berbandstage eine gelungene und erfolgreiche Tagung wünscht und bringt ein begeistert auf- genommenes Hoch auf Se. Maj. den König aus Im Auftrag des Ministers des Innern v. Pischek wünscht Overregierungsrat Mosthaf dem Ber­bandstage besten Fortgang. Die Gewerbevereine müßten verhüten, daß die Handwerkerkammern zu einem Herd der Agitation für Zwangs­innungen würden. Wichtige Funktionen des Gewerberechts seien ihnen durch das Gesetz über- tragen. Die Regierung lege Wert darauf, daß die Versammlung sich möglichst eingehend mit dieser Frage beschäftige. Hierauf erstattete der Vorsitzende den Jahresbericht, in welchem er einen kurzen Ueberblick über die Arbeiten und die Anträge einzelner Gewerbevereine des Landes giebt. Dann geht Redner über auf die Stell- ung der Gewerbevereine zur Neuorganisation des Handwerks. Die Gewerbevereine hätten im Prinzip die Freiheit im Gewerbe geltend zu machen und dem Verlangen nach Zwangsinnungen entgegenzutreten, deshalb sei für Errichtung neuer Gewerbevereine Sorge zu tragen. Die Not­stände seren weder durch ein Zurückgreifen auf alte Zustände noch durch organisierte Vereine zu heben, sondernZdurch den Fortschritt der Neu­zeit und ihre Errungenschaften. Das Lehrlings­wesen müsse gehoben und den heutigen Verhält­nissen angepaßt werden. Auch eine klare Stellungnahme zur Arbeiterfrage sei ein Ziel, dem die Gewerbevereine nachzustreben hätten.

Prof. Dr. v. Schönberg führte aus: Der Verband habe den Ansturm der Zünftler abzuweijen. Das Handwerk sei noch nicht so konkurrenzunfähig, wie man es bezeichnen möchte. Der Programmentwurf, mit dem er einig gehe, zeige die nützlichsten Mittel, für das Wohl des Handwerks zu wirken (Beifall).

Referent Dr. Trüdinger verbreitete sich über das neue Handwerkergesetz, über die Hand- werkerorganisalion, über freie Innungen, Zwangs- innungen u. s. , über die Aufgaben, die es stellt, und die Rechte, die es verleiht. In Würt­

temberg sei zwar gar keine Vorliebe für ZwangS- innungen, aber er wolle doch sagen, daß Frieden zwischen Fabrik und Handwerk schwer sei. Die Gewerbevereine seien als Wihlkörper anerkannt und spielen in Württemberg, weil da die In­nungen keinen großen Boden haben, die ent- scheidende und maßgebende Rolle. Das schließe die Verpflichtung ein, die Handwerkerkammern so nutzbar wie möglich für das württ. Handwerk zu machen und den Einfluß der Gewerbevereine in dieser Richtung geltend zu machen. Selbst­ständige Handwerkerkammern müßten errichtet werden, besonders weil sie auch Berwaltungs- aufgaben zu erfüllen haben. Es sollten höchstens 45 Hanvwerkerkammern errichtet werden. Den kleineren Geschäftsleuten, Wirten, Kleinkaufleuten u. s w. sollte eine Vertretung so geschaffen werden, daß den Gewerbevereinen die Wahl von Vertretern dieser kleinen Geschäftsleute ganz überlassen wird.

Korreferent Augst, Mitglied des Reichs­tages. betont ebenfalls die großen Aufgaben, welche den Gewerbevereinen erwachsen. Das Gesetz habe die Hoffnung der Zünftler nicht er- füllt; in Süddeutschland werde sich wenig Boden für die Innungen zeigen. Die Schiedsgerichte und Krankenkassen seien nicht nach dem Ge­schmack des Referenten, sie seien überflüssig. Die Innungen zersplittern sich in 45 Abarten. Die Grenze der Vertretung zwischen Innungen und Gewerbevereine sei möglichst genau zu fixieren. Das Wahlverfahren sei zu erleichtern und als Wahlort der Sitz einer Innung oder eines Ge­werbevereins zu verlangen. Der Gescllen-Aus- schuß werde nicht viel Zukunft haben. Die Lehrlingsprüfung müsse weise geleitet werden, wegen des großen Gegensatzes zwischen Stadl und Land. Die Zahl der Handweckerkammern brauche sich nicht über eine zu erheben, weil sonst'Zersplitterung eintrete, da insbesondere nur aktive Handwerker gewählt werden sollen und die Sache sonst zu teuer und zu bureaukratisch werde. Ec beantrage also eine Hanvwerker- kammer. Selbstbewußtsein müsse dem deutschen Handwerk gegeben werden, dann werde es nicht untergehen.

Prof. Gießler teilt mit. daß 8000 reine Handwerker (75 Pcoz.). 24 Proz. nicht reine Handwerker und der Rest Freunde des Hand­werks in den Gewerbeveremen sich befänden.

B o b r z y k - Reutlingen: Das Handwerk gehe tatsächlich zurück, obwohl die Bevölkerung sicher zunehme und in 20 Jahren würden auch die noch nicht erdrückten Handwerker erdrückt sein. Der ausgebildete Lehrling gehe in die Fabrik und gehe für das Handwerk verloren. Dem deutschen Handwerker fehle es nicht an Bcanchekenntnis. Das Submissionswesen ruiniere den Handwerker. Die Interessen einzelner kreuzen sich allzusehr in den Gewerbeoereinen; dies sei besonders im Baufach der Fall. Nur materielle Unabhängigkeit mache wahrhaft frei. Dies gelte auch bei den Wahlen in gemischten Vereinen. Man stelle jo das Handwerk zwischen 2 Mühl­steine: die Sozialdemokratie und die Mitglieder der Gewerbevereine, die andere Interessen haben. Der württ. Handwerkerverband dringe lieber auf Zwangsinnungen, wenn man dem Handwerk nicht gestatte, sich selbst zu organisieren. Das Handwerk müsse sich auf sich selbst verlassen. (Zuruf: Sind Sie denn selbst Handwerker?).

Prof. Gießler: Hr. Bobrzyk habe jetzt eine Agitationsrede gegen die Gewerbevereine vorgelesen, während es sich doch hier darum handle, die Ansicht der Gewerbevereine kennen zu lernen. Es gebe nichts Bedauer- licheres, als die Art und Weise, in der in diesem Sinn Agitation gemacht werde, um die Hand­werker gegenseitig gegen einander aufzubringen. (Lebh. Beifall.) Diese Arbeit sei keine gute Arbeit und er beanspruche den 8000 Handwerkern in den Gewerbevereinen das Recht, im Namen des Handwerks noch mehr sprechen zu dürfen, als die 1100, die in den Innungen sind. (Lebh. Beifall.) In die Handwerkerkammern wählen ja nur die reinen Handwerker, sonst Niemand. Er protestiere dagegen, daß das Stimmungsbild der Versammlung in der Weise, wie dies B. gethan, getrübt werde. Hier habe B., der als Mitglied der Gewerbevereine um das Wort ge­

beten, das Wort, das ihm gegeben worden, miß­braucht. (Lebh. Beif.) Malermeister Schindler- Göppingen: Gegenüber den Ausführungen

Bobrzyks über die Abhängigkeit der Hanüwerker in den Gewerbevereinen müsse er sagen, daß er davon in seiner langen Thätigkeit nichts be­merkt habe: wenn man sie auf den Boden der Furcht stelle, so sei den Handwerkern ein schlechtes Zeugnis ausgestellt. (Beifall.) B. scheine das Heil nicht darin zu suchen, daß der Handwerker technisch besser ausgebildet werde, während dies doch ein Hauptpunkt fein müsse. (Beifall). Uebel-Biberach betont die Notwendigkeit, daß die Gewerbevereine alle Handwerker zusammen­fassen; es sei nur erfreulich, daß die Vereine auch mit anderen Ständen Fühlung haben. Für dieHandwerksorganlsation sollte eincZenkrale geschaffen werden, um Zersplitterung zu ver- meiden. Oberlehrer Müller-Gmünd: Der Ausschuß habe bereits einstimmig beschlossen, den Programmentwurf in der vorgelcgten Form anzunehmen. Die Versammlung möge möglichst einmütig dasselbe thun. Die Gewerbe­vereine nehmen auch für die Zukunft das Recht in Anspruch, das Gewerbe zu vertreten, wie das in der Vergangenheit geschehen ist. (Beifall.) Schreinermeister Wieland-Göppingen: Was in den letzten 50 Jahren in der Lehrlings­ausbildung u. s. w geschehen , das sei alles den Gewerbeoereinen zu verdanken; das Fortbildungs- jchulwesen in Württemberg errege auch außer- halb des Reichs Bewunderung. Der frühere Zustand sei viel schlimmer gewesen, als alle Schattenseiten, die heute die Konkurrenz bringe. Der strebsame Handwerker komme auch heute noch vorwärts. (Beifall.) Prof. Gießler: Ein Hinausschieben sei nicht möglich, da der Verband von der Regierung ausdrücklich zur Aeußerung aufgefordert worden sei. Es handle sich hier lediglich um die Stellungnahme der Gewerbevereine. (Zustimmung.)

Bei der Abstimmung wird zunächst der Programmentwurf im Ganzen durch Zuruf einstimmig angenommen. Bei Punkt 2 des Entwurfs (Zahl der Handwerks­kammern) werden bei Abgabe von 73 St. stimm­berechtigter Delegierten für vier oder fünf Kammern 45, für 1 Kammer 28 St. abgegeben. Als Ort der nächsten Wanderocrsammlung wird Geislingen und Calw empfohlen, wo die Gewerbevereine im nächsten Jahr ihr 50jähr. Jubiläum feiern; gewählt wird Geislingen. Durch Zuruf wird sodann der alte Ausschuß wiedergewählt, ebenso unter lebhaftem Beifall als Vorstand Pcof. Gießler, der die Verfamm- lung bittet, jedenfalls dann im nächsten Jahr von seiner Person avzujehen, da er entschieden einer Entlastung bedürfe. Hierauf schließt der Vorsitzende gegen 3^/i Uhr die Versammlung nach mehr als Ostündiger Dauer mir dem Wunsch, daß die heutigen Erörterungen dem gesamten Gewerbestand zum Segen und zum Nutzen ge­reichen mögen.

Schorndorf, 4. Okt. Eine Gesell­schaft von Damen und Herren machte gestern Nachmittag per Dampf-Motorwagen einen Aus­flug von Cannstatt nach Schorndorf. In un­mittelbarer Nähe des Schwanengarleos verlor jedoch der Lenker des Wagens den Hebel, das Gefährt kippte um, wodurch sämtliche Insassen herausgeschleudert wurden und mehr oder weniger erhebliche Verletzungen daoontrugen.

Ulm, 4. Okt Die Zufuhr zum Obstmarkt auf den Güterbaynhof ist heute eine sehr starke. Nicht weniger als 50 Eisenbahnwagen mit Mostobst stehen zum Verkauf. Für den Ztr. wird 6 bis 6 »iL 40 ^ bezahlt. Die Konsumenten hoffen, daß die Preise noch weiter hcruntergehen werden.

Stuttgart, S. Oktober. (Wilhelmsplatz.) Zufuhr 400 Ztr. Mostobst, per Ztr. Aepfel 6 -4L 50 4t bis 6 80 Birnen 6 «4L 40 ^z.

Stuttgart, 4. Oktober. (Mostobstmarkt auf dem Nordbahnhof.) Zugesnhrt: 6 Waggon aus Hessen und Rheinland, 67 aus Belgien und Holland, 2 aus Oestreich-Ungarn, 1 aus Frankreich, 2 aus Italien, zus. 78 Waggon. Engrospreis per Waggon 12201270 -4L. Im Einzelverkauf : 6 20 4 t bis

6 «4L 60 ^ per Ztr.