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Pforzheim, 27. Sept. Schriftsteller Agster aus Stuttgart hielt in Oeschelbronn einen Vortrag zu Gunsten des sozialdemokratischen Landtagskandidaten. Als in der zwischen Agster und einigen Gegnern sich entsponnenen Debatte einaufgeklärter" Arbeiter in dumm­frecher Weise unfern Herrgott lästerte, wurde die Versammlung von den überwachenden Be­amten aufgelöst. Gott schütze mich vor meinen Freunden, wird Agster diesmal wohl auch ge- dacht haben.

Deutsches Aeich.

Berlin, 26. Sept. Wenn Fürst Bis- marck auch kein Freund desDekorativen" ist, so muß ihn doch die Ehrung, die ihm und feiner Familie aus Anlaß des Stapellaufs des nach ihm benannten Panzerschiffes erwiesen worden ist, eine innerliche Genugthuung bereitet haben, und auch draußen im Reich wird es wohlthuend berührt haben, wie man bei dieser Gelegenheit desAlten im Sachsenwalde" nicht vergessen hat. Ein hiesiges Blatt bringt die bisher anderweitig noch nicht bestätigte Nachricht, daß der Staats­sekretär des Reichsmarineamts, Tirpitz, am ver­gangenen Sonntag auch dem Grafen Herbert Bismarck in Schönhausen einen Besuch ge­macht hat.

Berlin, 27. Sept. Der Kaiser richtete am 25. September nachstehendes Telegramm an den Fürsten Bismarck: Von Herzen wünsche ich Eurer Durchlaucht Glück zum Stapellauf des PanzerkreuzersFürst Bismarck". Ich freue mich, dadurch für alle Zeiten den Namen Eurer Durchlaucht mit meiner Flotte in engste Be­ziehung zu knüpfen. Sie wird um so stolzer fein, weil es der erste große Panzerkreuzer ist, welcher bei uns erbaut wurde. Das Modell desselben wird der Admiral Tirpitz Eurer Durch­laucht in meinem Aufträge überreichen." Fürst Bismarck telegraphierte am selben Tage nach Rominten:Eure Majestät bitte ich allerunter, thänigst, für die Auszeichnung, die mir durch die heutige Taufe des Kreuzers zuteil geworden, meinen ehrfurchtsvollen Dank in Gnaden ent­gegen zu nehmen. Gleichzeitig danke ich in Ehrfurcht für das soeben eingehende Allerhöchste Telegramm, durch dessen Inhalt die Ehre, welche Majestät meinem Namen in Allerhöchstderen Flotte gewährt haben, wesentlich erhöht wird."

Berlin, 27. Sept. Dem Staatssekretär Tirpitz ging anläßlich des Stapellaufs des Fürsten Bismarck" folgendes Telegramm des Kaisers zu:Empfangen Sie meine besten Glückwünsche zum glücklichen Stapellauf unseres ersten Panzerkreuzers. Möge der Name, den der Panzerkreuzer erhielt, ihm zu Ehre gereichen. Wilhelm."

Berlin, 28. Sept. DieNordd. Allg. Ztg." meldet: Der Marineattacho der hiesigen französischen Botschaft stattete auf Befehl des Präsidenten der französischen Republik dem kommandierenden Admiral und dem Staatssekretär des Reichsmarineamts einen offiziellen Besuch ab, um die Teilnahme dcs Präsidenten Faure und des Ministers des Aeußeren Hanotaux an dem Untergang des Torpedobootes8 26" und dem Tode des Herzogs Friedrich Wilhelm von Mecklenburg auszusprechen. Der Staatssekretär des Reichsmarineamts ließ den Besuch durch einen Offizier erwidern und den Dank der Marine aussprechen.

Berlin, 26. Sept. Auf Anordnung des Kaisers ist dem Orte Theerbude in Ost­preußen die Bezeichnung Rominten beige­legt worden, während der Ort dcs letzteren Namens fortan Groß-Rominten heißen soll.

Bremen, 27. Sept. Zu der ersten Reise des DoppelschraubendampfersKaiser Wilhelm der Große" wird weiter mitgeteilt, daß die Reise- dauer von Bremen nach New-Uork nur 6 Tage und 20 Stunden betrug. Die durchschnittliche Geschwindigkeit war 21,4 Seemeilen in der Stunde, was auf den Tag berechnet 513 Knoten ergibt und nicht 439 Knoten, wie aus New- Uork angezeigt wird.

Bremen. 28. Septbr. Auf einen, dem Kaiser vom Nordd. Lloyd unterbreiteten Be­richt über die Ergebnisse der ersten Reise des

SchnelldampfersKaiser Wilhelm der Große" l empfing derselbe vom Kaiser aus Rominten' folgende huldvolle Antwort:Ihre so über­raschende Meldung hat Mich aus ganzem Herzen gefreut. Die unerreichte dastehende Leistung gibt Zeugnis von der Zuverlässigkeit der Werft, wo das deutsche Schiff entstanden ist, und ent­spricht dem hohen Namen den es trägt. Möge unser Schiffsbau stets im Vorausstreben uner­reicht bleiben und nur das denkbar Beste an Schiffen Ihrer bewährten Gesellschaft und Bremens Flagge zuführen. Wilhelm (l. U."

Im Reichsamt dcs Innern haben am Samstag die angekündigten handels­politischen Beratungen unter Leitung des Staatssekretärs Grafen Posadowsky be- gönnen und sind sie auch die nächstfolgenden Tage über fortgesetzt worden. Es beteiligten sich an diesen Konferenzen Vertreter des deutschen Handelstages, des Zentralverbandes deutscher Industrieller und des deutschen Landwirljchafts- ! rates. Den Gegenstand der Verhandlungen bildete die Frage der geeignetsten und zweck­mäßigsten Vorbereitung der künftigen Handels­verträge Deutschlands, es heißt die Erörterungen hierüber hätten in ihrem bisherigen Verlause eine weitgehende Uebereinstimmung der Beteilig­ten über die zu unternehmenden Schritte her­vortreten lassen.

Der preußische Eisenbahnminister Thielen hat sich infolge der häufigen Unfälle auf den Staatsbahncn nun doch zu einer Gegenmaßregel veranlaßt gesehen, die vielleicht eine bessere Wirk ung erzielen dürfte, als sich dies von den Ver­ordnungen und Verfügungen anläßlich der ge­steigerten Eisenbahnunfälle sagen läßt. Er hat den Staatsbahndirektionen eine Mitteilung zu­gehen lassen, wonach künftighin für Abwendung betriebsgefährlicher Ereignisse sämtlichen Bahn­bediensteten, auch den mit Beaufsichtigung der Bahnanlagen dienstlich beauftragten Beamten und Arbeitern, Prämien bis zu 300 ge­währt werden können.

Karlsruhe, 27. Sept. Der Gesetzent­wurf, betr. die Besteuerung des Wandergewerbes, umfaßt das einheimische und auswärtige Wander­gewerbe mit steigendem Tarif, trifft auch Filialen und weist einen Teilertrag den Kreisen zu.

Württemberg.

Cannstatt, 27. Sept. (Vom Volks­fest) Das über alles Erwarten prächtige Wetter hatte schon gestern morgen zahlreiche Festgäste auf den Wasen gelockt. Nachdem von 11 Uhr ab sämtliche Buden geöffnet werden durften, wuchs die Menge von Stunde zu Stunde, so daß an ein Durchkommen oft kaum mehr zu denken war. Die Wirtschaften, Schaubuden u. s. w> machten dabei natürlich glänzende Ge­schäfte. Ganz besonderes Vergnügen macht dem oft recht ausgelassenen jungen Volk in diesem Jahre das gegenseitige Bewerfen mit kleinen buntfarbigen Papierscheibchen, von denen an verschiedenen Orten in kurzer Zeit ganze Säcke voll verkauft wurden. Zur Bewältigung des Massenverkehrs auf dem hiesigen Bahnhof, der solch riesigen Umfang wie gestern wohl noch nie erreicht hatte, sind von der Bahnverwaltung ganz außerordentliche Vorkehrungen getroffen worden.

Kirchheim a. T., 28. Sept. Wie bestimmt verlautet, hat der seitherige Reichstags­abgeordnete des 5. Wahlkreises (Kirchheim, Nürtingen, Urach und Eßlingen), Herr Kammer- zienrat Ehn i^in Stuttgart, infolge geschäftlicher Ueberbürdung und vielfacher durch seine über­seeischen Handelsbeziehungen bedingten Abwesen, heit die Annahme der Kandidatur für die nächste Reichstagswahl abgelehnt. Infolgedessen wurde dieselbe von Parteifreunden dem früheren Land­tagsabgeordneten, Herrn Hermann Brodbeck, Hotelier zum Deutschen Haus in Eßlingen angetragen und hat sich derselbe bereits zur Annahme bereit erklärt.

Eßlingen. 26. Sept. Dieser Tage sind hier zwei Personen Vater und Sohn verhaftet worden, welche versucht hatten, ihren Sohn, bezw. Bruder, mit welchem sie schon lange in Streit lebten, zu erstechen, daran aber verhindert worden waren.

Walddorf, 28. Sept. Am Samstag Abend schnitt ein 12jähr. Schüler einem in den 20er Jahren stehenden Mädchen nach Feierabend mit der auf den Schultern gaukelnden Sense das Nasenbein quer entzwei, so daß die abwärts hängende Nasenspitze durch den herbeigerufenen Arzt wieder festgenäht werden mußte. Ob dieselbe wieder anwächst, ist noch abzuwarten, da erst nach 20 Minuten die Operation vor­genommen wurde.

Stuttgarl. (Landesproduktenbörse. Bericht vom 27. Sept. von dem Vorstand Fritz Kreglinger.s Obwohl der Absatz an die Mühlen anhaltend ein guter bleibt, ist in der vergangenen Woche eine etwas ruhigere Stimmung zu verzeichnen. Die Offerten von Amerika und Rußland sind nicht belangreich zu ziemlich unver­änderten Preisen. Die Landmärkte sind schwach besahren und finden die Zufuhren schlanken Absatz. Mehl­st reise pr. 100 Kilogr. inkl. Sack: Mehl Nr. 0: 35 -4L ^ bis 36 -4L ^, Nr. 1: 33 -4L ^ bis 34^L Nr. 2: 31 50 bis 32 -4L 50 ,

Nr. 3: 29 ^L 50 bis 30 -4L >1, Nr. 4: 25 ^4L ^ bis 26 ^L Suppengries 35 ^L 50 ^ bis 36 ^L 50 Kleie 8 -4L ^.

Obstpreiszettel.

Eßlingen, 25. Sept. Güterbahnhof. 20 Waggon Hess., Holland, und östr. Mostobst, Preis pr. Ztr. 6 -4L 70 bis 7 vtL Reutlingen. Güterbahnhos. 9 Waggon Hess, und holländ. Mostobst, Aepfel pr. Ztr. 6 ^L 60 bis 6 -4L 80 Birnen pr. Ztr. 5 -4L Tübingen. Zufuhr auf dem Güterbahnhof 2 Waggon Pfälzer Birnen und 1 Waggon Hess. Aepfel. Birnen kosteten 5 ^L bis 5 -4L 50 Aepfel 6 -4L 50 ^ bis 7 -4L der Ztr. Ravensburg. Zufuhr ca. 800 Säcke Mostobst und 250 Körbe Tafelobst. Handel sehr lebhaft bet steigenden Preisen. Mostobst 67 -4L der Ztr., Tafelobst korbweise 812 ^ pr. Pfd., Zwetschgen 17 Heilbronn, 26. Sept. Preis

pr. Ztr.: gebroch. Aepfel 1215 -4L, Mostäpfel 6 -4L 50 ^ bis 7 50 Birnen 5 -4L 30 bis 7 -4L 30

Odenwälder 56 -4L.

Stuttgart. 27. Sept. (Mostobstmarkt auf dem Nordbahnhof.) Zugeführt: 13 Waggon aus Hessen und Rheinland, 57 aus Belgien und Holland, 4 aus Oestreich-Ungarn und 2 aus Italien, zus. 78 Waggon Engrospreis per Waggon 12201270 -4L. Im Einzelverkauf: 6 -4L 20 ^ bis 6 -4L 50 ^ per Ztr. Eßlingen, 27. Sept. Güterbahnhof. Zufuhr 16 holländ-, 4 östr., 2 hannov., 2 rheinl. Waggon Mostobst, Preis per Ztr. 6 -4L 80

Stuttgart, 28. September. (Wilhelmsplatz.) Zufuhr 500 Ztr. Mostobst, per Ztr. Aepfel 6 -4L 50 ^ bis 7 -4L, Bratbirnen 9 -4L 50

Stuttgart, 28. Sept. Kartoffelmarkt am Leonhardsplatz. Zufuhr 400 Ztr., Preis per Ztr. 3 ^L ^ bis 3 -4L 50 Krautmarkt am Marktplatz.

Zufuhr 1200 Stück Filderkraut, 18 bis 20 -4L per 100 Stück.

Zustand.

Wien, 27. Sept. Aufsehen macht der Beschluß des Klubs der katholischen Volkspartei, der das Duell Badenis als Verletzung göttlicher und menschlicher Gesetze scharf miß­billigt.

Paris, 27. Sept. In Arras brach heute Nacht ein Brand in den Oelfabriken Briez aus. Sämtliche Baulichkeiten stehen in Flammen.

Paris, 27. Sepl. In Algier fand gestern eine große antisemitische Versammlung statt. Die Truppen mußten einschreiten und verhafteten 30 Personen.

AnLerhattender Teil.

Der Regimentsbefehl.

Humoreske von Alex. Zimmern.

(Schluß.)

Ebenso wie den Herren Offizieren, waren die Vorstellungen der Schauspielergesellschaft auch den Einjahrig-Freiwilligen eine willkommene Abwechselung. Allabendlich traf sich daher dort eine größere Anzahl von ihnen. Unmittelbar vor dem Orchesterraum standen fünf lange Tische; am zweiten von links gerechnet saßen die Offiziere, der dritte, mittelste, war für die Honorationen des Städtchens reserviert, den vierten nahmen die Einjährig-Freiwilligen ein. Natürlich mußte jeder der Letzteren bei seiner Ankunft durch ein strammes Frontmachen grüßen. Auf diese Weise wurde jeder Freiwillige gesehen und von den Offizieren gewöhnlich einer scharfen Kritik unterzogen, dann konnte er sich beruhigt an den bewußten Tisch setzen.

An jenem, durch den Regimentsbefehl berühmt gewordenen Tage, gab man den Veilchenfresscr." Der Inhalt des Stückes hatte