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Petersburg dem Präsidenten der französischen Republik geben wollte, ist auf höher» Wunsch aus dem Programm gestrichen, und ebenso soll die Einladung Moskaus an Faure unterbleiben. Diese Umstände schließen natürlich nicht aus, daß der französische Präsident mit ausgesuchter Höflichkeit, ja mit Begeisterung ausgenommen wird.

Deutschland hat schon die Pariser Zarenreise mit gelassenem Gleichmute ausgenommen es hat keine Ursache, dem bevorstehenden Austausch russisch französischer Gefühle eine andere Haltung entgegenzubringen. Nach allen Ueberschwäng- lichkeiten und freundschaftlichen Versicherungen wird, wie im vorigen Jahre bei den Pariser Festen, das alte Verhältnis zwischen Rußland und Frankreich bestehen bleiben. Ja, gewisse Anzeichen sprechen dafür, daß Herr Faure in Petersburg die Sicherung des Friedens nicht weniger wird betonen können, als es die beiden Kaiser gethan haben.

Paris, 19. Aug. DasJournal" unter­breitet der Regierung den Vorschlag, während der Anwesenheit des Präsidenten Faure in Ruß­land französisch.russische Fahnen in den Ge­meinden bei den Beamten aushängen zu lassen.

Paris, 17. August. Der Brand im Walde von Fontainebleau, dem der Regen der jüngst vergangenen Tage ganz Einhalt gethan hat, soll nach den neuesten Berichten etwa 300 Hektar beschädigt haben, also bedeutend weniger, als man zuerst geglaubt hatte; denn es war sogar von 1000 Hektar die Rede gewesen.

Wie aus Wien gemeldet wird, ist gegen Deutsche eine neue Flegelei ausgeübt wor» den. Die vom Südmarkfeste in Gotischen heim» kehrenden Deutschen wurden auf dem Laibacher Bahnhof von angesammelten Slovenen beschimpft und derart bedroht, daß die Wache einschreilen mußte. Die Gäste konnten nur mit Polizei­bedeckung in die Stadt gelangen. Auf dem Wege wurden sie trotz der Wache von der Slovenenheerde umheult, die sie mit Rufen, wie schlagt die deutschen Hunde tot" u. s. w. be­gleiteten. Ja Böhmen wollen die Tschechen den Deutschen die Verteidigung ihres guten Rechts bei der Regierung dadurch entleiben, daß sie den Deutschen die Fensterscheiben einwerfen und sie auf der Straße mit Knütteln überfallen Wenn wir Reichs-Deutsche nicht so gute Freunde des österreichischen Kaisers wären, so dürfte es sich empfehlen, daß einmal eine paar deutsche Armeekorps diesen Tschechen die Hosen aus- stäubten.

Die Meldung englischer Blätter, unser Kaiser habe dem Grafen von Turin anläßlich seines Duells mit dem Prinzen von Orleans ein Glückwunschtelegramm gesandt, wird durch Meldungen aus Rom zwar bekräftigt, bedarf aber trotzdem noch der Bestätigung. Nach der römischen Meldung soll der Kasier in seinem Telegramm gesagt haben, er sei zwar kein Freund des Duells, der Offizier müsse seine angegriffene Waffenehre aber dis zum letzten Blutstropfen verteidigen. Er freue sich um so mehr über den Ausgang des Zweikampfes, als es sich bei demselben um die Wahrung der Waffenehre einer eng verbündeten Armee ge» handelt habe.

Von der Lächerlichkeit des Prinzen- Zweikampfs entfällt auch ein gut Teil auf den Grafen von Tuxin. ImFigaro" finden sich Ansplegelungen daraus, daß sein Hemd übermäßig gestärkt und eine Art Küraß zu sein schien. So oft der Degen des Prinzen Heinrich die Brust des Grafen von Turin berührte, Prallte der Degen an diesem Hemd ab. Das Blatt ist geneigt, die Verbiegung, welche der Degen des Prinzen von Orleans erliil, diesem Umstande zuzuschreiben, erwähnt jedoch auch eine andere Lesart, nämlich, daß der Degen durch den stark geführten Stoß Heinrichs, welcher einen Hosenknopf traf, verbogen worden sei.

Warschau, 17. Aug. Ein furchtbarer Brand hat in der Stadt Ostrom (Gouvernement Siedlce) über 400 Häuser ervgeäschert. 4000 Obdachlose, deren Habe ein Opfer der Flammen wurde, lagern unter freiem Himmel; zwei Männer und zwei Frauen sind verbrannt,

eine Anzahl Kinder wird vermißt. Der Schaden ist enorm, das Feuer war an verschiedenen Stellen angelegt.

Im Orient haben die Fciedensverhand' lungen zwischen der Türkei und den Groß­mächten eine neue Stockung dadurch erfahren, daß die englische Regierung, welche anfänglich zugestanden hatte, daß die Türken Thessalien so lange besetzt halten, bis die Griechen die Kriegsschuld bezahlt haben würden, nunmehr dieses Zugeständnis wieder zurückzieht und die sofortige Räumung Thessaliens seitens der Türken verlangt. Da die übrigen Großmächte jedoch keineswegs nach den Engländern sich richten, so brauchen sich die Türken vor diesen auch nicht zu fürchten. Die Türken sind ohne­dies in hohem Grade gegen die Engländer auf­geregt und wenn es je einmal zum Kampf gegen Rußland und den Engländern kommt, so werden die Türken dafür sorgen, daß die Eng­länder sofort auch aus Aegypten herausgeworfen werden.

Die Transvaalburen sind in hohem Grade erbittert über den Prinzen von Wales, seitdem sie erfahren haben, daß dieser von allem Anfang an von dem geplanten Jameson'jchen Einfall in die Transvaalrepublik gewußt hat und daß man gewisse Depeschen dem parlamen­tarischen Untersuchungsausschuß in London nur deshalb nicht vorlegte, weil diese an den Prinzen von Wales gerichtet waren.

Unterhaltender -Au.

Der neue Hausgenosse.

Humoreske von Walter Schönau.

Müde von dem rastlosen Getriebe der Hauptstadt und den zahllosen Gesellschaften und Vergnügungen des Winters flüchtete ich zu Anfang des Sommers zu einer lieben Freundin, welche in dem reizend gelegenen Gebirgsstädtchen S . . . . berg eine niedliche Villa mit großem Garten bewohnte, um meine arg mitgenommenen Nerven in der schönen Gebirgslust zu stärken.

Es war das richtige Kleinstadtleben, welches ich mit staunender Belustigung hier zum ersten Male kennen lernte, denn ganz S . . . . berg wußte genau, was die Frau Pastor heute kochte, wieviel die Frau Amtsrichter für ihren neuen Hut bezahlt und wieviel Liter Blaubeeren die Frau Doktor in diesem Sommer einkochen würde. Keine, auch die kleinste häusliche Begebenheit konnte ein Geheimnis bleiben, bot doch jedes Vorkommnis Stoff zur Unterhaltung, der um so willkommener war, als andere Zerstreuungen für die Bewohner des kleinen Nestes nicht existierten. So war auch meine Anwesenheit bald genug bekannt geworden, und nachdem ich einige Tage im wonnigsten äoleo kur mente verbracht, mahnte mich meine Freundin daran, daß es nun höchste Zeit sei, bei der Hantevoläe Visiten zu schneiden.

Kannst Du mir dieses Spießrutenlaufen denn nicht ersparen?" fragte ich kläglich, denn ich hatte gehofft, hier einmal ganz san8 Zone leben zu können, und war wenig erbaut davon, daß ich auch hier wieder in die gesellschaftliche Zwangsjacke kriechen sollte.

Nein, Schatz, das kann ich beim besten Willen nicht," lautete die Antwort,oder Du bist verfehmt für immer in diesem edlen Kreise und ich mit Dir, und das wirst Du doch gewiß nicht auf Dein Gewissen laden wollen."

Resigniert fügte ich mich und in vollstem Staate traten wir unsere Tournee an. Als wir an unserer Gartenpforte noch beratend standen, ob wir unsere Nachbarin zur Rechten oder zur Linken zuerst beglücken sollten, kam ein hübsches, sauberes Dienstmädchen mit einem Körbchen am Arme bei uns vorbei, und nach­dem sie höflich gegrüßt hatte, rief sie meiner Freundin freudestrahlend zu:

Ec ist da! Heute früh ist er angekommen!"

Fragend sah ich meine Freundin an, doch diese sagte lachend:

Nun wissen wir gleich, wohin wir uns zu wenden haben. Bitte nach rechts. So haben wir den Triumph, als die Ersten den neuen Hausgenossen der Frau Baumeister F kennen zu lernen."

Neuen Hausgenossen?" fragte ich ver- wundert.

Wollen sich Baumeisters einen Pensionär zulegen ?"

O nein, etwas viel Großartigeres einen Papagei!"

Na weißt Du," sagte ich indigniert,wegen einem solchen Vieh eine derartige Aufregung. Das Mädchen geberdete sich ja, als wenn minde­stens ein Fürst angekommen wäre."

Das kommt noch besser, warte nur!" lachte schelmisch meine Freundin und schob mich in die Hausthür, denn wir waren bereits bei Baumeisters angelangt.

Oben auf der Treppe kam uns schon die Frau des Hauses, eine kleine, ziemlich starke Dame von ungefähr vierzig Jahren, entgegen­geeilt und begrüßte uns lebhaft.

Ei, Frau Direktor, das ist aber lieb von Ihnen, daß Sie mich besuchen und mir Ihren lieben Gast bringen. Ich Hab' schon so viel Lieb's und Guts von Ihnen gehört," wandte sie sich an mich,und was für schöne Geschichten Sie schreiben"

Das hat mir gerade noch gefehlt, daß die das auch schon weiß," dachte ich ingrimmig bei mir und suchte ihren, im unverkennbaren öster­reichischen Dialekt geführten Redestrom zu unter- brechen und meine Hand frei zu bekommen, welche die lebhafte Dame mit einer Ausdauer hin und her schlenkerte, welche mir wirklich Besorgnis für mein Handgelenk einflößte. Aber vergebliche Mühe wie ein Wasserfall rauschte es unaufhörlich weiter.

Itein, die Freud', die mir das macht, daß ich Sie bei mir sehe und heute, grad' heute, wo meinJako" ang'kommen ist. Da schauen S', was für ein lieber Kerl es ist."

Und dabei zog sie uns in ein schönes, großes, sehr elegant eingerichtetes Zimmer, in dessen Mitte ein großer blitzender Messingkäfig mit einem grauen Papagei stand.

Heimlich mein mißhandeltes Handgelenk reibend, musterte ich mit Kennermiene den grauen Gesellen, der anscheinend noch ziemlich jung und im Besitze eines prächtigen Gefieders war. Nachdem wir genugsam unserer Ver­wunderung Ausdruck verliehen, nahmen wir gegenüber dem neuen Prachtstücke Platz und ließen geduldig einen neuen Redeschwall über uns ergehen.

Ja schauen S', da uns der liebe Herrgott einmal keine Kinder geschenkt hat und mein Mann net viel zu Haus ist, da bin ich halt so gar viel allein und da wollt' ich gern etwas Lebendiges um mich haben. Mein Mann hat seinenWaldmann", aber ich mag die Hunde net und a Katzerl, was ich mir gern halten würd', das leidet mir der Dackl' nimmer und jo Hab' ich halt mein'n Mann so lange g'quält, bis er mir erlaubt hat. ein'a Papagei anzu­schaffen. Zahl'n braucht er'n aber net, das geschieht aus meiner Kaffe. Nun haben wir ihn acht Tage auf Probe schicken lassen, damit wir net reinfallen, das war schlau, net wahr?

Und hier ist die Karte von dem Herrn, dem er gehört hat und. da steht d'rauf, was er Alles spricht. Und nur ein Damenfreund sei er, Herren kann er net ausstehen. Das paßt doch prächtig, net? Nun mag mein Alter mit seinem dalketen Waldmann schön thun, so viel er mag ich Hab' jetzt mein'n Papagei."

Ja, hat er denn schon etwas gesprochen?" fragte ich scheinbar sehr interessiert.

O nein, noch nicht. Aber das arme Hascherl' ist doch müd' von der weiten Reis'. Aber gepfiffen hat er schon ganz wunderschön. Geh' Jako, pfeif' einmal den Damen etwas vor", ermunterte sie den schläfrig dasitzenden Papagei und spitzte die Lippen, um etwas vor» zupfeisen, aber vergeblich so flott das Reden bei ihr ging pfeifen konnte sie nicht.

Ei, da muß mein Mann her, wenn er pfeift, macht er's gleich nach", und husch

war sie zur Thür hinaus und kehrte bald mit ihrem Gatten zurück, einem älteren, sehr jovaleo Herrn, der uns aufs liebenswürdigste vegrüßte. Der Schwarm seiner Frau für den Papagei schien ihm einen unbändigen Spaß zu bereiten, denn er blinzelte uns verschmitzt zu