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und konnte vor unterdrücktem Lachen kaum das gewünschte Ermunterungspfeifen fertig bringen.
Richtig fing nun auch Freund Jako an, ein paar Töne zu pfeifen und ganz glückselig rief die Frau Baumeister, indem sie sich im Walzertakt hin und her wiegte: »Hören S', — ach ich Hab' — sie ja nur — auf die
Schul-ter — geküßt — Pfeift er jetzt,
ganz wie's auf der Karte steht."
Ich konnte beim besten Willen diese Melodie nicht erkennen, aber ich mochte der kleinen Frau die Freude nicht verderben und lobte auf Tod und Leben den grauen Künstler.
Endlich gelang es uns loszukommen, nach, dem ich noch allerlei Ratschläge über Fütterung rc. gegeben, denn ich war selbst einmal glückliche Besitzerin eines Papagai's gewesen und mußte nun versprechen, sehr bald wiederzukommen und ihr mit Rat und Thal beizustehen.
(Schluß folgt.)
Berlin, 13. Aug. Seit 1. Juli ist hier die Bestimmung in Kraft getreten, daß die Firmenschilder den vollen Namen der Geschäftsinhaber tragen müssen. Hierdurch sind, wie wir in Berliner Blätter lesen, viele neue Firmen ans Tageslicht gekommen.
Vor dem 1. Juli: Nach dem 1. Juli:
Goldene Hundertzehn Manasse u. Baruch 1. deutscher Konkurrenzbazar Isaak Herz u. Moses Löwe Kleider-Elysium Aron Stern
Stiesel-Klinik Jtzig Hirsch u. Sally Kohn
Zur Flora Salomon Stein
Grand Restaurant royal Mayer, Teiteles U. Cie.
Jnternation. Velo-Company Hildesheimeru.Rosenstand Restaur. zur deutschen Eiche Isidor Veilchenstein DeutschesWaren-Kredithaus Lazarus u. Rothschild.
Bielefeld, 18. Aug. Die hier erscheinende „N. Wests. Bolksztg." schreibt: „Ein Spaßvogel verbreitet in der Presse die Nachricht, Pastor v. Bodelschwingh fei zum Nachfolger Bödikers als Präsident des Reichsversicher, ungsamtes ausersehen. Dies „verlaute mit Bestimmtheit in den Kreisen des Reichsversicherungsamtes". Leute, die sich auf Enten, saure Gurken, und dergleichen nicht verstehen, sind thatsächlich auf jene Meldung hineingefallen; u. A. erschien wie man hört, bereits der Vertreter eines Möbel« transporlgeschäftes bei Pastor Bodelschwingh, um ihm Anerbietungen für den Umzug nach Berlin zu machen. Die Dummen und auch die Schlauen werden eben nicht alle; gut für die Heiterkeit!"
Karlsruhe, 18. Ang. Ein paar „fried- liche" Nachbarn hatte die Ritterstraße auszuweisen. Am 16. d. Mts. wurde in einem dort- igen Hofraum von einem Steindrucker der 12- jährige Sohn eines im gleichen Hause wohnen, den Bureauchefs mit einem Strick verhauen. Dies war das Signal zu einer allgemeinen Rauferei der beiden Familien. die schon lange mit einander im Unfrieden leben. Männlein und Weiblein, Eltern und Kinder schlugen sich so lange im Hose herum, bis die Familie des Burcauchefs sich als „besiegt" in ihre Wohnung zurückzieyen mußte. Grün vor Wut über 1 die Niederlage gieng die Frau Bureauchef noch ein- mal mit einem sogen. „Strupfer" auf den Stein- drucker los, der ihr aber denselben entriß und mit dem Stiel des Strupfers die verschlossene Thür hineinstieß, hinter der sich inzwischen die mutige Frau gerettet. Dort ging der Tanz von neuem los, wobei die Frau des Bureauchefs von ihrem Gatten kräftig unterstützt wurde, der in der Hitze des Gefechtes zwei ehrenvolle Wunden davontrug.
Ein originelles Geläute hat gegenwärtig die Gemeinde Pf oh ren (Kreis Billingen.) Wegen Umbau des Kirchturms hängen 2 Glocken unter den Lindenbäumen auf dem Kirchplatz, eine dritte befindet sich in Villingen zum Umguß. Nachdem nun vor einiger Zeit an einer der Glocken auf dem Kirchplatze der Klöppel herausfiel, ist in der Nacht vom letzten Samstag auf Sonntag von der andern Glocke der Klöppel verschwunden. Um nun die Einwohner zur Kirche zu rufen, schlagen zwei Männer mit schweren Hämmern im Zweitakt auf die Glocken, was der Dorfjugend große Freude macht.
Ueber die Geschenke des Präsi- d e n t e n F a u r e für den Zaren wird berichtet: Aus der Nationalmanufaktur von Sevres ist eine erste Sendung nach Petersburg abgegangen, nämlich zwei prächtige Vasen mit herrlichen Dekorierungen von Frau Apoil. die anfänglich für die Weltausstellung von 1900 Vorbehalten waren. Weiter sind zwei Thee- und Kaffee- services zu erwähnen, deren Herstellung sehr mühevoll gewesen ist, sodann zwei Exemplare der Katharina II. des Bildhauers Deloye in Biskuit. Ein anderes Exemplar dieses Kunstwerks ist dem russischen Botschafter in Paris, Baron von Mohrenheim, verehrt worden. Außerdem sind Tafelaufsätze, Jagdstücke und andere Gegenstände von geringem Umfange versandt worden, die in schöne speziell für die Reise des Präsidenten der Republik hergestellle Etuis verpackt wurden. Mit ganz besonderer Sorgfalt sind die beiden Büsten des Kaisers Nikolaus und seiner Gemahlin nach den Originalen des russischen Bildhauers Rastowsky hergestellt worden. Alle diese Gegenstände, die am 18. d. M. an Bord des „Pothuan" gebracht wurden, sind vorher photographiert worden. Die hervorragendste der Gaben ist aber das dekorative Motiv, das von Felix Faure für das Grabmal des Kaisers Alexander III. bestellt worden ist. Es ist kein Kranz, sondern ein in feinstem Golde nach der Natur kopierter Olivenzweig. Die kleinsten Adern der Blätter sind mit unvergleichlicher Zartheit wiedergegeben. Ein Band ist in phantastischen Windungen um den Zweig gerollt und schlingt sich durch die Blätter und Früchte hindurch; am Ende desselben sind zwei goldene Medaillen angebracht, eine mit dem Wappen Rußlands und dem Datum des Todes Alexanders III sowie dem des Besuches seines Grabes durch den Präsidenten der Republik.
Basel, 18. Aug. Basel, das aufblühende, sieht seit einigen Tagen eine stramme Radlerin seine Straßen durcheilen, die Dame, die in allen Schichten der Gesellschaft Eintritt findet, ist — Hebamme!
Telegraphieren ohne Draht. Einem Berliner Blatt wird geschrieben: — Sehr geöhrter Herr Doktor! — Ich lese neulich, daß man jetzt „ohne Draht" telegraphieren kann, wenigstens aus kurze Entfernungen. Da ick nu eenen alten Freund aus Zossen angetroffen habe, konnte ick nich zum Mittagessen nach Hause sehen un wollte det meine Olle telejrafieren, damit sie nich auf m>r warten thul. Ick jebe also mein Telejramm am Schalter ab und bin schon längst an der Thüre, als mir der Post- bielskijche Husar nachjaloppiert kommt und mir in deutliche Sprache, die der selje Stephan in den amtlichen Verkehr einjeführl hat, dreißig Pfennig abverlangt. — „Nann," sage ick. „ick denke man kann etzt ohne Draht telejrafieren, wenigstens auf kurze Entfernungen, also bei die Stadttelejramme?" — „Ohne Draht?" fragt mir der Postbeamte und jlupte mir durch seine Brille an, daß mein Herz wackelte, wie Himbeer- schelee. „Ohne Draht? Sie wollen mir wohl uzen." — „Aber ick habe keenen Draht bei mir", sage ick, „Mein Freund der von Zossen ist, will mir freihalteu." — Da hätten Sie mal den Radau anhören sollen, und wenn der Zossener nicht dazu gekommen wäre und die Schoje berappt hätte, würden je mir auf die Polizei jeschleppt haben. Wenn Sie also in ihr Blatt so'ne falsche Nachricht setzen, dann werd ick Ihnen sor alle Foljen verantwortlich machen, womit ick verbleibe Hochachtungsvoll Ihr P. W. Abonnent vom Koppenplatz.
(Um das Süßerwerden und Reifen des Spalierobstes zu beschleunigen), versehe man dessen Hinlerwanü (Mauer) mit einem schwarzen Anstrich. Ist indessen dieselbe die Mauer eines Hauses, welches man dadurch auf die Dauer nicht gern verunzieren möchte, so bringe man hinter den Spalierobstbäumen zum mindesten schwarzes bezw. dunkles Zeug an, und der ein- gangs erwähnte Zweck wird erreicht werden. Es läßt sich diese Thatsache auf ein einfaches
physikalisches Gesetz zurückführen: Dunkle Gegen- stände verschlucken bedeutend mehr Lichtstrahlen als Helle Körper, welch' letztere das Licht um so vollständiger zurückwerfen, je Heller sie sind. Der Beweis ist sehr leicht zu führen, wenn wir daran denken, daß unter einem schwarzen Tuche der Schnee bekanntlich viel schneller schmilz, als unter einem weißen, indem die schwarze Farbe bedeutend mehr Lichtstrahlen verschluckt als die Helle und somit auch viel mehr von der mit den Lichtstrahlen gleichzeitig verknüpften Wärme auf- nimmt. Ein in der Sonne liegendes schwarzes Tuch wird sich bedeutend wärmer anfühlcn, als unter gleicher Voraussetzung ein weißes. Diese von dem dunklen Gegenstand mehr aufgenommene Wärme kommt demnach den Früchten zu gut und beschleunigt deren Reife unter gleichzeitiger Vermehrung der Süßigkeit. Wärme fördert und bedingt die Zuckerbildung.
(Preißelbeerlikör.) Preißelbceren eignen sich wegen ihres gewürzig bitteren Beigeschmacks vorzüglich zur Likörfabrikation. Die Früchte werden ausgesucht, wenn nötig gewaschen, dann mit wenig Wasser ausgekocht und abgepreßt, worauf der abgekühlte Saft mit Cognac oder Nordhäuser und Zucker vermischt wird. Auf 1 I Saft rechnet man 1 l Cognac und 300 bis 400 § Zucker. Das Filtrieren geschieht durch Fließpapier.
(Zigarrenkisten) sollen geruchlos gemacht werden können, wenn man einige Löffel Spiritus in die Kiste gießt und sofort anzündet. Dadurch wären die Kistchen für mancherlei Kleinigkeiten ein vortrefflicher Aufbewahrungsort.
(Aus einem Kleinstaate.j Hofmeister: „Können mir Hoheit den Fürsten nennen, in dessen Reich die Sonne me untcrgieng?" — Der Erbprinz: „Wenn Sie mich uzen wollen, sag' ichs meinem Papa."
(Poetisch.) Stubenmädchen (welches in der Lotterie einen Haupttreffer gemacht hat): „Noch einmal werde ich diese Treppe fegen, dann geh ich fort und niemals kehr' ich wieder."
Telegramme.
Berlin, 19. Aug. Der Kaiser hat unter gestrigem Datum den Prinzen Heinrich zum Inspekteur der ersten Marrncinspektton-Kiel ernannt.
Berlin, 19. Aug. Der „Reichsanzeiger" schreibt: Der Kaiser stiftete für die durch die Wetterschäden Heimgesuchten in den Königreichen Sachsen und Württemberg je 15 000 Mark. — Der „Reichsanzeiger" meldet ferner: Der Kaiser hörte gestern Vormittag den Vortrag des Botschafters v. Bülow und des Herrn v. Thielmann und empfing heute Vormittag v. Lucanus und Staatssekretär Tirpitz.
Berlin. 10. Aug. Der geschästsführende Ausschuß des Zemralkomites zur Unterstützung der Ueberschwemmten beschloß, von den dem Ausschuß zur Verfügung stehenden 100000 Mark sofort 25000 Mk. nach dem Elsaß abzusenden.
Wien, 19. August. Lord Salisbury fährt auch nach dem englischen Ministerrat fort, die Friedensverhandlungen zu erschweren und mit dem Hinweis, daß Griechenland kein Geld auftreiben könne, die Räumung Thessaliens zu verlangen, sodaß die englisch-türkischen Beziehungen sich zuspitzen.
Wien, 19. August. Angesichts der von England jüngst bei den Friedensverhandlungen im Gegensatz zu allen anderen Großmächten eingenommenen Haltung und der Aufstände der indischen Mohamedaner findet ein Artikel des türkischen halbamtlichen Blattes „Sabah" besondere Beachtung, der für den Panislamismus wirbt und alle 300 Millionen Mohamedaner der Erde auffordert, nach dem Koran dem Khalifen als oberstem Richter Treue und Ergebenheit zu widmen. Man erwartet, daß nach der Rückkehr Salisburys heute ein englischer Ministerrat abgehalten und eine neue Entschließung getroffen werbe.
Redaktion, Druck und Verlag von C. Me eh in Neue nbürg.