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Weinberge im Großherzogtum lauten fast übereinstimmend sowohl in Bezug auf den guten Stand als auch der Trauben, sehr günstig. In der Bühlergegend stehen die Reben schöner als im Vorjahr und man verspricht sich hier wie auch in der Ortenau einen besseren Wein. Am Kaiserstuhl sind die Trauben ebenfalls voran und man hofft dort auf einen frühen Herbst. Im Markgräflerlande sind die Trauben Heuer weiter vor als in den 1893er u. 1895er Jahren. Die Trauben sind vollkommen großbeerig und man rechnet auf einen halben Herbst.Von der Haardt, 14. Aug. Begünstigt von der warmen Witterung, entwickeln sich die Trauben vorteilhaft, so daß in Bezug auf Qualität der nächsten Ernte zur Zeit begründete Hoffnung besteht, daß dieselbe zufriedenstellend ausfallen wird. Die Peronospora hat keine weiteren Fortschritte gemacht. Wenn auch die Nachfrage nach 1896er soeben eine etwas lebhaftere ge­worden ist, so könnte von einem großen Ge­schäftsgang nicht gerade die Rede sein.

Wer ist alsHandwerker" und wer alsFabrikant" zu betrachten? Diese Frage, welche namentlich seit der Ein­führung des Unfallversicherungsgesctzes bisher sowohl den Berufsgenoffenschasten und sonstigen beteiligten Kreisen, wie auch selbst den Gerichten viel Kopfzerbrechen bereitet hat, ist nunmehr in einem Streitfälle endlich vom Reichsgericht be­antwortet worden. Bis jetzt wurde gewöhnlich eine Arbeitsstätte, in welcher zehn und mehr Arbeiter beschästigt sind, als Fabrik betrachtet, und darnach wurden auch die Bestimmungen des Unfallversicherungsgesetzes zur Anwendung ge­bracht. Wie aber jedes praktische Beispiel lehrt, ist diese Ansicht falsch, da eine größere Anzahl von Arbeitern immer noch nicht auf einenFabrikbe­trieb" schließen läßt. Auch die Auffassung, daß für fabrikmäßige Arbeit die Benutzung der Maschine als entscheidendes oder nur mitentscheidendes Kriterium hinzustellen, ist nicht stichhaltig, da die Grenze zwischen Maschine und Werkzeug oft schwer festgestellt werden kann und selbst die Einführung eines Motors in den Betrieb nicht für das Endresultat, das Fabrikat, maßgebend ist. Das Reichsgericht hat daher jetzt einen anderen Grundsatz festgcstellt, und dieser ist die Arbeitsteilung. Arbeitet der produzierende Ar­beiter allein an der Fertigstellung des Werkes, so liegtHandwerk" vor; arbeiten jedoch ver- schieden- Arbeiter zur Fertigstellung jeder nur an einem Teile des Fabrikats so ist dies eine Fabrikttzätigkeit."

Württemberg.

Der Gemeindcrat der Stadt Stuttgart hat dem Vernehmen nach zu Gunsten der Hagel- beschädigten im württemb. Unterland 20000 genehmigt; an der Zustimmung des Bürgerausschusses ist nicht zu zweifeln.

Stuttgart, 16. Aug. Offizielle Notiz. Nach ß 58 Abs. 4 u. 5 der Verkehrsordnung für die Eisenbahnen Deutschlands sind die Stückgüter in haltbarer, deutlicher und Verwechslungen ausschließender Weise, genau übereinstimmend mit den Angaben im Frachtbriefe äußerlich zu bezeichnen (signieren) auch mit der Bezeichnung der Bestimmungs-Station in dauerhafter Weise zu versehen. Bei der auf den größeren Stationen täglich statlfindenden Anhäufung von Gütern ist die genaue Einhaltung der erwähnten Vorsicht für die Güterstellen von großer Wich­tigkeit, weil die Verladung in der Regel be­schleunigt, auch vielfach zur Nachtzeit und bei Beleuchtung vorgenommen werden muß, so daß bei nicht ganz deutlicher Bezeichnung Ver­wechslungen nur zu leicht entstehen können. Es liegt daher im eigenen Jnleresse der Versender, hierauf entsprechend Rücksicht zu nehmen. Eine besondere Erleichterung gewährt den Güterstellen die möglichst deutliche und in die Augen fallende Angabe der Bestimmungsstation.

Zuffenhausen, 17. Aug. Bezüglich der Bahnlinie Pforzheim-Zuffenhausen fand gestern in Pforzheim wiederum eine Ver­sammlung statt, die von Vertretern der in Betracht kommenden Gemeinden sehr stark be­sucht war und bei der sich auch die Vertreter

von Ludwigsburg und Markgröningen einge­funden hatten. Da die Vertreter der beiden letzteren Gemeinden einsahen, daß ein Antrag, die Bahn in Ludwigsburg einmünven zu lassen, keine Aussicht auf einen Erfolg habe, so brachten sie einen Antrag ein, die Bahn in Schwieber­dingen abzweigen zu lassen und die eine Linie 'über Münchingen nach Zuffenhausen und die andere über Markgröningen nach Ludwigsburg zu führen. Diesem Antrag wurde aber von Herrn Oberbürgermeister Habermehl entgegen, gehalten, daß die andern bei dieser Linie in Be­tracht kommenden Gemeinden kein Interesse an dieser Abzweigung hätten und daß dieser Antrag, der auch durch keine Kostenvoranschläge und Pläne unterstützt sei, vorerst nicht stattgegeben werden könne. Die beiden betreffenden Ge­meinden sollen in diesem Falle erst ein Projekt ausarbeiten und dieses dann in der späteren Versammlung vorlegen. Er bezweifelt aber die Rentabilität dieser Abzweigungslinie. Von der Versammlung wurde dementsprechend der Antrag abgelehnt, des weiteren wurde eine Deputation an die Eisenbahnverwaltung gewählt.

Zuffenhausen, 17. Aug. Die Firma C. und E. Fein, elektrotechnische Fabrik in Stuttgart, har ein Gesuch um Erteilung einer Konzession zur Erstellung eines Elektrizitätswerkes an die bürgerlichen Kollegien gerichtet und wurde eine vorläufige Genehmigung dieses Gesuchs ausgesprochen und gleichzeitig eine Kommission ernannt, welche einen Vertrag aus­arbeitet. Die Firma C. und E. Fein wird das Werk ganz auf eigene Rechnung bauen und will das Werk bis Mitte Dezember d. I. in Betrieb setzen. Das Werk wird 2 Dampfmaschinen mit je 75 Pferdekräflen und 2 ebenso starke Dynamo­maschinen, sowie eine Akumulatorenbatterie er­halten. Der Kostenvoranschlag beträgt ca. 150 000 ^

L e o n b e r g, 16. Aug. Heute Nacht 11'/« Uhr brach hier ein Brand aus, der so rasch um sich griff, daß in kurzer Zeit 4 Wohnhäuser, 4 Scheuern und 4 Nebengebäude ein Raub der Flammen wurden. Menschenleben sind keine zu beklagen. Die Abgebrannten sind glücklicherweise alle versichert. Die Entstehungsursache ist bis jetzt unbekannt.

Besigheim a. E, 16. Aug. In unserer Nachbarstadt Bietigheim sind die Wirtschaften noch immer ein sehr gesuchtes Objekt. Es sind im Laufe eines Jahres 8 Wirtschaften zu hohen Preisen verkauft worden; erst in den letzten Tagen wurde das Gasthaus zur Rose um den Preis von 25 000 »tL umgesetzt.

Nach dem imStaatsanzeiger" veröffent­lichten Bericht über die Verwaltungsergebnisse der Gebäudebrandversicherungsanstalt hat die Summe der im Jahre 1896 verwilligten Brandentschädigungen betragen l 984 806 Mark, somit 979 060 M. weniger als im Jahre 1895 mit 2963 866 M. Entstanden sind im Jahre 1896 737 Brandfälle (worunter 139 infolge Blitzschlags), durch welche 550 Gebäude zerstört, 1013 Gebäude beschädigt und im ganzen 1329 Gebäudebesitzer betroffen wurden. Mit 737 Brandfällen steht das Berichtsjahr an der dritthöchsten Stelle seit dem Bestehen der Ge­bäudebrandversicherungsanstalt; es wird vom Vorjahr um 53 Fälle und vom Jahr 1893 um 90 Fälle überlroffen. Der Brandversicher­ungsanschlag sämtlicher versicherter Gebäude hat auf 1. Januar 1896 betragen 2 475 803 803 Mark, auf 1895 dagegen 2 408 372 630 M. somit zugcnommen um 67 431 173 M. Im Jahr 1895 betrug die Zunahme 55 617 054 M.. sie ist demnach im Berichtsjahr größer um 11814119 M. Die Zahl der versicherten Gebäude beläuft sich auf 618751 (322 171 Haupt- und 296 580 Nebengebäude), und hat sich gegen den Stand des Jahres 1895 mit 611751 erhöht um 7000 (2034 Haupt- und 4966 Nebengebäude), während die Zunahme im Jahr 1895 5955 (1929 Haupt- und 4026 Nebengebäude) betragen hat.

Stuttgari. sLandesproduktenbörse. Bericht vom 16. Aug. von dem Vorstand Fritz Kreglinger.f Die steigendeBewegung auf dem Getreidemarkt macht immer noch weitere Fortschritte. In der letzten Woche haben hauptsächlich England und Frankreich

große Posten amerikanischen und russischen Weizen gekauft und es ist dies der beste Beweis dafür, daß auch diese Länder ungenügende Ernteergebnisse auf. weisen. Landware kommt noch wenig an den Markt. In Braugerste hat sich noch kein Geschäft entwickelt, obwohl schon einzelne Abschlüsse zu stände gekommen sein sollen. Der Herbstsaalfruchtmark findet kommenden Montag vormittags 10 Uhr im neuen Saale des Stadtgartens statt und die Muster sind an die Stadt­gartenrestauration zu senden.

Ausland.

In dem Konflikte zwischen Oesterreich- Ungar n und Bulgarien liegen ganz widerspruchsvolle Meldungen vor. Nach der einen Nachricht hätte der Fürst von Bulgarien selbst seinem Ministerpräsidenten Stoilow be­fohlen der österreichisch ungarischen Regierung die verlangte Genuglhuung zu verweigern, und es sei deshalb in der Angelegenheit auch noch gar nichts geschehen. Nach einer Mitteilung des Pester BlattesBudapesti Hirlcy" werde der Konflikt Oesterreich-Ungarns mit Bulgarien aber in den nächsten Tagen beigelegt werden, da der bulgarische Ministerpräsident Stoilow im Ernst nicht daran denken könne, den Kaiser von Oesterreich zu beleidigen, der stets für Bulgarien Wohlwollen gezeigt habe. Von den Bulgaren ist man allerdings so viel Ueberraschungen ge­wöhnt, daß vielleicht auch in dem Kopfe der Bulgaren der Gedanke Raum hat, alle diejenigen Großmächte, welche den Bulgaren nichts durch die Finger sehen wollen, mit Beleidigungen zu bestrafen.

Mit dem gestern erwähnten Duell zwischen dem Prinzen von Orleans und dem Grafen von Turin ist ein vielbesprochener Ehrenhandel glücklich, wenn auch nicht unblutig, zum Abschluß gelangt. Der Prinz von Turin, Neffe des Königs Humbert, war durch seine Forderung für oas ganze, vom Prinzen von Orleans beleidigte ttalienijche Olfizierskorps, gewisscrmassen sür die Ehre ganz Italiens ein­getreten und es werden voraussichtlich, nachdem dieser Handel erledigt ist, keine weiteren Zwei­kämpfe sich anschließen. Die Art, wie hier zwischen den italienischen und französischen Waffen das Gottesurteil angerufen worden ist, um die Ehre eines beleidigten Landes ritterlich gefachten wurde, ist un Grunde echt mittel­alterlich. Man wird an frühere Vorgänge ähn­licher Art erinnert, die gleichfalls zwischen Franzosen und Italienern sich abspielten. In den Kriegen, die zu Anfang des 16. Jahr­hunderts zwischen Ludwig XII. von Frankreich und Ferdinand dem Katholischen um den Besitz von Neapel geführt wurden, wurde die Stadt Barletta t. I. 1503 von den Franzosen unter dem Herzog von Nemours belagert. Während dieser Belagerung fand unter anderen Zwei­kämpfen in der Nähe eia Einzelgefecht von 13 der auserlesensten Ritter Italiens und Frank­reichs statt, das durch Prospero Colonna und Bayard, denRitter ohne Furcht und Tadel", geleitet wurde und mit dem sieg der Jtalienier endete. Es ist dies von den Italienern stets als eine nationale Heldenthat gefeiert worden, Massimo d'Azeglio hat sie in seinem Roman äisüärr, äi Larlottg, verherrlicht. Auch heute wird in Italien nicht geringe Freude darüber herrschen, daß in dem Waffengang für die Ehre der italienischen Waffen ihnen der Sieg gclächelt hat. Italien wird den Sieger mit begeistertem Jubel empfangen.

Das Schicksal des elenden Meuchelmörders und Anarchisten Angiolillo, welcher den spanischen Ministerpräsidenten Canovas er­mordete, hat sich rasch erfüllt. Wie unterm 16 August aus Madrid gemeldet wurde, verur- terlte das in Bergara versammelte Kriegsgericht Angiolillo zur Todesstrafe. Dieser versuchte, vor Gericht seine Unlhat und die Bestrebungen der Anarchisten zu verteidigen, wurde aber vom Präsidenten daran verhindert. Der Präsident des Kriegsgerichts begab sich sofort nach San Sebastian, um das Erkenntnis der Genehmigung des Generalkapitäns zu unterbreiten, und dürfte nach der Bestätigung des Urteils alsbald die Hinrichtung Angiolillos durch Erschießen erfolgen.

Mit einer Beilage.

Redaktion, Druck und Verlag von C. Me eh in Neue nbürg.