Aufruf von dem bekannten englischen Gewerk­schaftsführer, dem Sozialisten Tom Man, unterzeichnet ist. Diese eine Thatsache ist, wie dieBerl. N. N." mit Recht hervorheben, bezeichnender für die Bestrebungen der Sozial- demokratie, als alle Leitartikel desVorwärts" und als alle bekanntlich nicht waschechten Reden der parlamentarischen Vertreter der Partei. Tom Man, in dem das Zusammenwirken von Sozialdemokratie und Anarchismus so überaus greifbar in die Erscheinung tritt, ist derselbe brave Volksfrcund, der die Hamburger Hafen­arbeiter zum Aufstand aufgehetzt hat, den sogar deutsche Bourgeoisblätter seinerzeit in Schutz nahmen und den die Hamburger Polizei mit ausgesuchter Liebenswürdigkeit aus ihrem Gebiet hinauskomplimentiert hat.

Der König von Siam wird am 26 August am Berliner Hofe eintreffen und als Gast des Kaisers wahrscheinlich in einem der Potsdamer Schlösser Quartier nehmen. Er will sich in Potsdam resp. in Berlin nur drei Tage aufhalten. Am 29. begiebt er sich nach Schwerin. Dorthin hat ihn der Herzog-Regent, Johann Albrecht von Mecklenburg, geladen, um Revanche zu üben für die echt orientalische Gastfreund­schaft, die der Herzog im Königspalast zu Bangkok gefunden, als er auf seiner Weltreise auch Siam besuchte. Am letzten Tage des August wird der König nach Hamburg gehen und dann nach Essen reisen.

Bei den diesjährigen Kaisermanövern werden im ganzen 143 Bataillone, 115 Eska- drons, 111 Feldbatterien, 21 technische Kom- pagnien und 3 Luftschifferabteilungen in Aktion treten. So viel Truppen für Manöver sind in Deutschland noch niemals aufgeboten worden.

Abgesehen von wenigen Ausnahmen haben sich die Verhältnisse der sächsischen Industrie- Arbeiter im letzten Jahre ganz erheblich ge- bessert. Es wird das auch von der Handels­kammer in Dresden festgestellt, die in ihrem soeben veröffentlichten Jahresbericht darauf hin­weist, daß von den meisten Betrieben ihres Bezirks von Lohnerhöhungen berichtet wird, die entweder freiwillig gewährt wurden oder sich notwendig machten, um dem in vielen Gegenden herrschenden Arbeitermangel abzuhelfen. Nament­lich habe es an tüchtigen und gelernten Arbeitern gefehlt; im Dresdener Bezirk seien hierdurch in einzelen Fällen Betriedserweiterungen verhindert worden. Als Grund für den Mangel an tüch­tigen Industriearbeitern bezeichnet die Handels­kammer auch die starke Bauthätigkeit, die durch höhere Löhne die Arbeiter anderer Berufe an sich gezogen habe. Im Zusammenhangs mit dem Mangel an Arbeitern stehe auch der häufige Stellenwechsel derselben und die abnehmende ge­werbliche Tüchtigkeit. Es fehle den jungen Leuten der Trieb, etwas ordentliches zu lernen. Auch der Stolz darauf, handwerksmäßig tüchtig ausgebildet zu sein, lasse nach. Es schwinde immer mehr das Gefühl für den Unterschied zwischen gelernten und ungelernten Arbeitern.

Ueber Reformgedanken des neuen Leiters des Postwesens wird berichtet, daß er das Publikum selbst zur Beschleunigung und Er­leichterung des Postverkehrs heranziehen wolle, z. B. durch Aufstellen von Briefkästen nach amerikanischem Muster, in die nur Briefe für gewisse große Bestimmungsorte geworfen werden, so daß die Arbeit des Sortierens wegfällt. Briefwagen sollen in den Schalterräumen auf- gestellt werden. Telegramme bis zu 10 Worten sollen mit einer 50-L-Marke beklebt am Schalter abgegeben werden. Die Postanweisungsgebühr für geringe Geldbeträge soll erniedrigt werden. Auch die Einführung von Kartenbriefen soll ge­plant sein. Eine Ermäßigung der Telephon­gebühren soll erwogen, der Telegrammgebühren, wie bereits angedeutet, erhöht werden.

Mit dem vor wenigen Tagen abgenommenen DampferMainz" gelangte der 14. Doppel- schraubendampfer zur Ablieferung, welche der Norddeutsche Lloyd in Bremen innerhalb der letzten 3'/, Jahre bei deutschen Werften in Auftrag gab. Es sind dies die Dampfer »Seeadler", für die Verbindung zwischen Bremer­haven und Helgoland,Coblenz",Mainz", Trier" für die Brasil-Linie,Prinz Pegent

Luitpolt" undPrinz Heinrich" für die Fahrt nach Ostasien, ferner die DampferBarbarossa," Friedrich der Große",Königin Luise" und Bremen" für die Nodamerikanische und Au­stralische L>nie und endlich die beiden großen noch im Bau befindlichen SchnelldampferKaiser Friedrich" undKaiser Wilhelm der Große" für die Linie Bcemen-Newyork. Einschließlich der übrigen während desselben Zeitraums gebauten Dampfer beträgt der Zuwachs der Lloydflotte während der verflossenen 3'/» Jahren 27 Dampfer und andere Fahrzeuge mit ca. 118 000 Registertonnen, welche ausschließlich von deutschen Werften hervorgegangen sind. Im Auslande hat der Lloyd überhaupt kein Schiff mehr erbauen lassen. Die der deutschen Schiffsbauindustrie durch diese Bauten zugeführte Unterstützung ist um so wertvoller, als es sich bei diesen Aufträgen zum Teil um Schiffe von solcher Größe und Einrichtung handelt, wie sie bisher überhaupt noch nirgends gebaut worden sind und deren Bau in Deutschland noch vor wenigen Jahren als unmöglich angesehen wurde. Heute steht der deutsche Schiffsbau auf der Höhe aller Anforderungen.

Hamburg, 13. Aug. DerGeneral- Anzeiger" bringt einen Sensationsartckel aus bester Quelle, in dem cs u. A. heißt, die Türkei beabsichtigte bestimmt die Nichtherausgabe Thessaliens, einen Handstreich gegen Kreta sowie starke Truppenverschiebungen gegen Bosnien und die Herzegowina. Alle Friedensverhandlungen seien nichts als Spiegelfechterei. (Ist fast glaub­lich!)

In Bühl sind binnen wenigen Tagen 40 Wagenladungen Frühzwetschgen versendet worden, und auch kleinere Stationen liefern ihren gewichtigen Anteil. Der Erlös einzelner Orte wird auf 30 000 -/lL berechnet. Aehnlich war es schon bei den Kirschen, doch war das Jahr für diese nicht besonders günstig.

Land-Agitation.

Die sozialdemokratische Partei rüstet bereits eifrig für die nächsten Reichstagswahlen. Zu diesem Zwecke sind neuerdings zwei Flugblätter erschienen, die die Landbevölkerung für die Ziele der Umsturzpartei gewinnen sollen. Die Flug­blätter sind so allgemein gehalten, daß sie über­all verbreitet werden können. Es dürfte daher nicht unzweckmäßig sein, sie ein wenig näher anzusehen.

Das FlugblattDas Landvolk und der Sozialismus" äußert sich in hochtönenden Worten über die Sorgen des kleinen Mannes auf dem Lande, wobei der Verfasser nach erprobter Manier, gegen dieHerren", dieJunker" rc. losziehl Zum Schluffe kommt dann der be­kannte Hinweis auf die Rettung:Durchglüht von dem hohen Ideal einer großen wohlgeordneten und planmäßigen Volkswirtschaft, bekämpft der Sozialismus mit ganzer Thatkraft die heutige Schuldknechtschast der Bauern, die entsetzliche Zerstückelung des Grundbesitzes, die grauenvollen Verheerungen unseres ungeregelten Konkurrenz- Systems. Das Gemeinde-Eigentum, einmal so geläufig unfern Altvordern, wird wieder seinen Siegeszug über den Erdkreis antreten. Wie in alten Zeiten der Bauer mit freien und gleich­berechtigten Dorfangehörigcn treulich die Wiesen, Wälder und Felder bestellte, so wird der freie Genosse der Zukunft mit seinen Mltgenossen ge­meinsam den Boden bebauen. Ein trefflich ver- vollkommnetes Ackergerät wird dem künftigen Landmann seine Mühe, seine Arbeit sehr er­leichtern, und goldene Saaten, blühende Gärten verkünden dann laut seinen blühenden Wohl­stand."

Schon diese Sätze genügen zur Kennzeich­nung der neuen Agitation, dre dem ehrlich und schwer arbeitenden Landmann weiter nichts als Redensarten und Luftschlösser zu bieten hat. Aber es kommt noch besser. Die Phantasie des Verfassers segelt unaufhaltsam weiter, jede Ver­nunft hinter sich lassend. Sie läßt den Land­mann der Zukunftin den Zeiten, wo die Feld­arbeit ruht," durch Reisen und Studien seinen Gesichtskreis erweitern und sich alle Genüsse der Wissenschaft und Kunst erschließen; auf dem

Erdenrund waltet dann in dem Reiche desall­gemeinen Wohlstandes" auch diefreie Liebe".

Eine Agitationsschrift, die ausschließlich sich gegen die konservative Landbevölkerung richtet, ist das andere Flugblatt, dasDie wahren Freunde und Feinde des Bauern" betitelt ist. Es wird den Bauern u. a. eindringlich vorgeredet, daß sie den himmelschreienden Gewaltthätigkeiten der Junker" und derherzkalten Gleichgiltigkeit der Regierungen" gedenken sollen. Die erfreu­liche Einigkeit derKleinen und Großen" in der Landwirtschaft steht der sozialistischen Agitation am meisten im Wege.Der Bauer", sagen die Sozialdemokraten in ihrem Flugblatte kurz und bündig,hat vor allem endlich die Bundesbrüder­schaft zu zerreißen, die ihn an die konservative Junkerpartei knüpfte!" Auch in dieser zweiten Flugschrift deckt die Sozialdemokratie ihre Karten auf:In der kommenden Gesellschaft wird alles wohl geregelt werden. Da wird zuerst die Nachfrage nach Getreide festgestellt, bevor der Bauer den Pflug führt und die Sichel schwingt. Und kein Schweißtropfen fließt vergebens, weil jedes Korn und jeder Halm einen Abnehmer findet!"

Der alte Kunstgriff der Sozialdemokraten, welcher darin besteht, daß eine Schicht der Be­völkerung mit allen Mitteln gegen die andere aufgewiegelt wird, tritt hier wieder hervor. DaS Bemerkenswerteste jedoch ist, daß in beiden Agitationsschriften, die sich an das gesamte Landvolk wenden, kein Wort von den ländlichen Arbeitern, von der Gesinde­ordnung, für deren sofortige Aufhebung die Genossen" in den Städten sich begeistern, ent­halten ist. Man will eben dendickköpfigen Bauern" nicht vor den Kopf stoßen und behält deshalb den Teil des Programms, der nicht für ihre Ohren geeignet erscheint, in der Tasche. Ob im klebrigen der in den Flugblättern ver­suchte Gimpelfang bei den Landbewohnern Glauben findet, möchten wir bezweifeln. Durch leere Versprechungen wird heutzutage selten jemand auf die Dauer gewonnen.

Württemberg.

Stuttgart, 14. Aug. In den schön ge­schmückten Räumen der Gewerbehalle fand heute vormittag unter zahlreicher Beteiligung nicht nur der Aussteller, sondern auch vieler geladener Gäste die feierliche Eröffnung derDeutschen Fachausstellung für das Hotel- und Wirtschasts- wesen, für Kochkunst und verwandte Gewerbe" statt. Die erste Rede hielt Herr Oberbürger­meister Rümelin, worin er mit gutem Humor der schwäbischen Trinksähigkeit gedachte und allerdings unter dem anhaltenden Veto des ziem­lich laut rauschenden Springbrunnens erklärte, daß der Schwabe alles trinke. Oberreg.-Rat v. Nestle eröffnete die Ausstellung im Auf- trag und Namen des Königs mit einer fein durchdachten Rede, worin er erklärte, diese Aus­stellung habe eine ungeahnte Ausdehnung und Vollendung bekommen und zeige die weitgreifende Bedeutung des Wirtschafswejens und den großen Fortschritt und die Vervollkommnung auf diesem Gebiet. Möge die Ausstellung und die daran sich anschließende Beratung von dauerndem Nutzen für alle beteiligten Kreise sein! Nach diesen Worten erklärte Oberregierungsrat v. Nestle die Ausstellung im Namen des kgl. Protektors für eröffnet. Bevor der Rundgang angetreten wurde, brachte der Vorsitzende des Ausstellungskomites, Gastwirt Rumetsch zum Adler, ein begeistert aufgenommenes Hoch auf Se. Maj. den König aus. Die zahlreich An­wesenden waren gleich von dem ersten Rundgang über die Reichhaltigkeit, Vielseitigkeit und das wunderhübsche Arrangement des Ganzen sehr erfreut. Heule Mittag um 1 Uhr fand im Stadtgarten anläßlich der Ausstellungseröffnung ein Festessen statt.

Stuttgart, 6. Aug. Wie schon be­kannt, wird gegenwärtig in dem auf dem Hof der Legionskaserne befindlichen Querbau die neu zu errichtendeVolksbibliothek" eingerichtet. Die Vorbereitungen sind nunmehr so weit gediehen, daß die Eröffnung der Bibliothek Ende Septbr. oder Anfangs Oktober erfolgen kann. Wie verlautet, soll den Besuchern des Lesesaals,