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Verwundete in Asnieres und 40 in Bois-Co- lombes. Der Wirbelsturm zog in der Form von einer Rauchwolke von Südosten nach Nordosten und dauerte 10 Sekunden.
Ans Spanien, 18. Juni. Bei Segovia nördlich von Madrid ist ein schweres Hagel- gewittcr niedergegangen. Die Hagelkörner waren so groß wie Nüsse und vernichteten die ganze Ernte. Die wolkenbruchartige Regengüsse zer- störten viele Häuser und richteten in zahlreichen Ortschasten große Verwüstungen an. Viele Menschen wurden durch Hagelkörner verwundet. Das Unwetter dauerte länger als eine Stunde.
Auf dem Weltpostkongreß zu Washington, dessen Verhandlungen geheim ge- halten wurden, haben die Beratungen in den Kommissionen IM wesentlichen zu folgenden Er- etgnissen geführt: Me Ausdehnung des Briefgewichts von 15 auf 20 Gr. ist adgelehnt worden; cs widersprachen die Länder, in denen das Unzengewicht gilt, einzelne andere erklärten, den bei Einführung der Maßregel im inneren Ver- kehr zu erwartenden Ausfall nicht tragen zu können. Der Antrag auf Einführung einer Weltpostmarke fand auf keiner Lseite Unterstützung; dagegen wurde dem Vorschläge, die Verwendung von Gelegenheitsfreimarkcn im internationalen Verkehr zu verbieten und für die Postkarte die Bezeichnung „earts postalv" auf der Vorderseite vorzuschreiben, zugcstimmt. Das Meistgewicht für Warenproben ist von 250 auf 850 Gr., der Meistbelrag der Postanwetsungen von 500 auf 1000 Gr. erhöht worden; es ist jedoch den Ländern die Befugnis zugestanden, die Postanweisungen von 500 Fr. bis auf weiteres noch aufrecht zu erhalten. Die Postanweisungsgebühr ist für Beträge von 100 Fr. unverändert geblieben, dagegen bei höheren Beträgen für den 100 Fr. übersteigenden Teil auf die Hälfte herabgesetzt worden. Nachnahmen auf Einschreibsendungen sollen bis 1000 Fr. zulässig sein, auch hier soll aber den Ländern vorläufig noch freistehen, den Betrag von 500 Fr. als Grenze beizubehalten. Die Beschränkung des Meistgewichls der Postpackete auf 3 Kilo- gramm soll im Grundsatz nicht mehr gestattet fein; für einzelne Länder, die nicht sofort auf 5 Kilogr. hinaufgehen können, soll eine Aus- nähme zugelassen werden. Der Ersatzbetrag für Packete ohne Wertangabe ist auf 25 Fr. ohne Abstufung festgesetzt worden. Im Postauftrags- verkehr soll eine und dieselbe Sendung Wertpapiere für höchstens 2 verschiedene Zahlungs- pflichtige enthalten dürfen. Was die Bezeichnung der Jahreszahl in den Briefstempeln für die Jahre von 1900 ab betrifft, so ist beschlossen worden; daß die Jahre 1900 durch 00, 1901 durch 01, 1902 durch 02 u. s. w. bezeichnet werden sollen. Als Sitz des nächsten Kongresses, der im Jahre 1903 stattfinden wird, ist Rom bestimmt worden.
ZlnLerhattender Teil.
Eine Hundegeschichte.
Eine Erzählung von Franz Walter.
Es klopft recht unsanft an die Thür. Herr Willibald Fleischhauer fährt empor, ärgerlich, daß er so unsanft aus Morpheus Armen gerissen ist.
„Herr Fleischhauer, es ist acht Uhr. Auf- stehen!"
Das ist die Stimme seiner Wirtin, und mit gewichtigem Schritt entfernt sich Frau Müller, des Hauses sorgsame Hüterin. Herr Fleisch. Hauer, oder der „dicke Willy", wie sie ihn Alle in der kleinen thüringischen Residenzstadt nennen, gähnt, reckt sich und beginnt dann mit einem bitterbösen Gesicht, sich an die schwere Arbeit des Ankleidens zu machen. Dabei wirst er einen Blick durch's Fenster auf die Gasse. „Natürlich wieder Sauwetter, wie kann's denn in diesem Nest auch anders sein!" Nachdem die Toilette beendet ist, geht er in's anstoßende Zimmer und klingelt nach seinem Kaffee. Frau Müller dringt den duftenden Mokka und stellt mit einem „Guten Morgen" die Tassen und Teller auf dem Tisch zurecht.
„Kein Brief da?"
„Nein." —
„Konnte ich mir ja denken, daß kein Mensch sich meiner erinnert. — Der Kaffee riecht einmal wieder mehr nach Wasser und Cichorien, als nach Kaffee. Wozu bezahle ich blos das schwere Geld! Kein Wunder, wenn mein Magen immer schlechter wird."
Beim Kaffeetrinken denkt er darüber nach, was er heute zu thun hat: Um elf Uhr muß er zum Frühschoppen in die „Grübelei", dann zum Mittagessen in den „grünen Baum", von dort nach Hause, um auszuruhen, am Nachmittag pflegt er dann stets einen Spaziergang nach der „Veste" zu machen und dann wieder nach Hause zu pilgern. Abends darf er nicht aus- gehen, sonst kann er nicht schlafen und fühlt sich am nächsten Tag noch kränker.
Nach dem Kaffee langt er sich die „Tante Voß", die er sich als altes Andenken an seinen früheren Aufenthalt in Berlin immer nachsenden läßt, und liest; dabei ärgert er sich über Politik und verbringt mit dieser angenehmen Beschäftigung eine Stunde.
Abermals klopft es. Herein tritt ein älterer, sehr jovial aussehender Herr.
„Guten Morgen, Herr Fleischhauer, na, wie geht es Ihnen heute?"
„'N Tag, Herr Doktor, miserabel geht mir's, dazu das Hundewetter, ich bin heute ganz krank."
Der Arzt blickt mit ruhiger Würde seinen Patienten an, befühlt ihm den Puls und läßt sich auch die Zunge zeigen. Etwas spöttisch verzieht sich sein Mund:
„Wissen Sie, lieber Fleischhauer, wenn Sie mal vernünftig werden könnten, das würde die beste Medizin für Sie sein."
„Ich bin Ihnen für das Kompliment sehr verbunden, aber was muß ich thun, um in Ihren Augen vernünftig zu werden?"
„Geben Sie mir erst eine Zigarre, zünden Sie sich aber auch eine an, dann will ich einmal in aller Ruhe mit Ihnen reden."
Der dicke Willy holt umständlich erst ein großes Pack Schlüssel aus seiner Tasche, sucht den richtigen hervor, schließt ein Fach in seinem Schreibtisch auf, und endlich präsentiert er dem Doktor die Kiste. Ebenso umständlich holt er Aschbecher und Feuerzeug herbei und setzt Alles mit Aplomp auf den Tisch. Dann zündet er sich selbst eine Zigarre an und läßt sich ermattet in seinem Sorgenstuhl nieder.
„Nun hören Sie mal andächtig zu", hebt der Arzt an. „Aber daß Sie mich nicht unter- brechen! Ich behandle Sie nun schon eine ganze Weile, so lange Sie hier in Coburg wohnen, und da Sie wünschen, komme ich, so oft es nur meine Zeit erlaubt, zu Ihnen. Sie können also überzeugt sein, daß ich Sie ordentlich studiert habe und mir auch ein Urteil über — na sagen wir — Ihre Krankheit bilden konnte.
Abgesehen von einigen kleinen Erkältungen, weil Sie abends immer mit offenem Paletot aus der Kneipe steuern, waren Sie und sind Sie kerngesund. Trotzdem haben Sie sich eigentlich stets unwohl, nach Ihrer Meinung sogar sehr krank gefühlt. Aber, lieber Fleisch. Hauer, ein für alle Mal gesagt, das ist blos Einbildung von Ihnen!"
Der dicke Willy blickt auf und will sprechen. —
„Ruhig, Fleischhauerchen, jetzt rede ich, nachher können Sie reden, so viel Sie wollen. Also wie gesagt, Sie sind ganz gesund, nur Sie bilden sich ein, krank zu sein. Das kommt daher, weil Sie nichts zu thun haben."
„Ich habe zwanzig Jahre ordentlich gearbeitet, Herr Doktor, und auch etwas geschafft. Und nun will ich mich ausruhen und mein Leben genießen."
„Richtig, wenn Sie nur Ihr Leben genießen wollten, alterFreund, dann wäre Ihnen geholfen."
„Theater und Bälle besuchen, dazu passe ich nicht, noch weniger um mit Weibern zweifelhaften Ranges zu tändeln."
„Das Erstcre könnten Sie ab und zu schon thun, wäre sogar sehr gut für Sie und brächte Sie auf andere Gedanken. Das zweite ist nicht nötig. Aber warum suchen Sie keine Bekannt- schüft mit Familien? Herr Gott! Sie sind doch kein alter Kerl, sind gesund, leben in den besten
Verhältnissen, kurz herausgesagt, warum wollen Sie nicht heiraten?"
Das ist denn doch dem dicken Willy zu viel. Mit einer Heftigkeit, als wäre er von einer Tarantel gestochen, springt er auf und retiriert schnell, als wäre der Teufel hinter ihm, in die entgegengesetzte Ecke des Zimmers.
„Heirathen. uff!" keucht er „das fehlte noch, um mich ganz krank zu machen."
„Da Sie nicht krank sind, so könnten Sie höchstens davon krank werden. — Na. nun setzen Sie sich doch ruhig wieder hin, so schlimm habe ich es ja mit Ihnen nicht im Sinn. Wenn Sie durchaus nicht heiraten wollen, warum suchen Sie denn sonst keinen Verkehr?"
„Habe ich nicht genug Verkehr? Morgens gehe ich in die Grübelei. Da sitzt immer ein ganzer Hümpel Menschen zusammen. Dann im grünen Baum und nachmittags auf der Veste."
„Das sind immer dieselben Leute, so die richtigen Bicrphilister, das ist doch kein Umgang für Jemand, der aus dem Trubel der Vorstadt kommt. Ich kenne diese Leutchen ganz gut. der Erne trommelt mit der rechten Hand auf den Tisch, der Andere mit der linken, dabei tunken sie abwechselnd eine Maaß Bier nach der andern; wenn nun gar einer diese schwere Arbeit mit einer Rede, wie „Garstiges Wetter heut'" unterbricht, so wird dieser die heilige Stille Entweih- ende mit einem: „Garstigen Schwätzer" belohnt. Nein, Fleischhauer, das ist kein Umgang für Sie. — Wissen Sie, da kommt mir ein Gedanke! Lieben Sie Tiere?"
„Ja, Hasen und Rebhühner, auch Tauben, aber gebraten."
„Gott sei Dank, daß Sie so weit sind, Dickerchen; wenn Sie noch Witze machen können, dann ist Polen noch nicht verloren. Sie sind entschieden zu viel allein. Wie wär's wenn Sie sich einen Hund anschafften?"
„Was soll ich denn damit?"
„Na braten können Sie den nicht. Aber so ein Hund ist ein kluges Tier und auch ei« treues Vieh, oft ist so einer besser als mancher Mensch."
„Die Menschen sind alle falsch. Man kan« sich gar nichts Ernsthaftes mit ihnen erzählen, sie haben Alle kein Interesse an einem, höchstens das, einen anpumpen zu wollen."
„Na, wissen Sie, Fleischhauer, ich will Sie nicht anpumpen und habe doch Interesse an Ihnen."
„Sie sind auch noch der einzige vernünftige Mensch hier."
„Danke für das Kompliment! — Aber um wieder auf den Hund zu kommen . .." der dicke Willy belohnt dieses bon mol mit einem herzhaften Lachen, dabei wird ihm ganz wohl und behaglich. In des Doktors Gesellschaft fühlt er sich überhaupt immer wohl.
„Ich weiß einen niedlichen kleinen Teckel", fuhr der Arzt fort, „ein Gärtner in Ketschendorf, dessen kleinen Jungen ich neulich behandelte, besitzt ihn, möchte ihn aber gern verkaufen, da er Geld braucht. Ich werde den Mann mit dem Hund zu Ihnen schicken, kaufen Sie de« Dachsel nur. Sie sollen sehen, Sie werden Ihr« Freude daran haben. — Und nun will ich gehe«. Fort mit den Grillen! Sie sind ganz gesund, alter Freund, nur ein bischen mehr Lust a« Leben, wenn es auch manchmal so trübe einem erscheint, daß man glaubt, es kommt kein Sonnenschein mehr; es folgt doch immer wieder eine bessere Zeit! Fange« Sie mal mit dem Hund an, das wird eine Zerstreuung für Sie sein. Vielleicht entwickelt sich dadurch eine Bekanntschaft. die Ihnen eine andere, bessere Zeit bringt. — Also auf Wiedersehen!"
(Fortsetzung folgt.)
Neuenbürg. Zu der in der letzte« Nr. unsr. Bl. enthaltenen Notiz betr. „der Rabe ein Raubvogel" wird uns aus Calmbach mitgeteilt, daß daselbst ebenfalls wiederholt beobachtet worden ist, daß Raben gleich eine« Raubvogel jungem Federvieh gefährlich sind. Dem Herrn Bl es sing zur Sonne wurde vergangenen Sommer ebenfalls von eine« Raben eine Henne geholt und vorige Woche von 2 Raben gleichzeitig 2 junge Enten ge-