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söhnliche Haltung fortzusetzen. Ob England verblendet genug sein wird, sich dem eventuellen Annektieren thessalischer Grenzgebiete mit Waffen­gewalt zu widersetzen, steht allerdings kaum zu befürchten, da es sich dabei der Gefahr aussetzen würde, einen Krieg nicht ausschließlich gegen die Türkei führen zu müssen. Es ist unvergessen, daß auch im deutschfranzösischen Kriege die Sympathien Englands und die der modernen Condottieri auf Seiten des Friedensbrechers waren und von Seiten des britischen Kabinets Versuche gemacht wurden, den Sieger zu beein­trächtigen und Maßnahmen zu treffen, um die Wiederholung feindlicher Einbrüche über die deutschen Grenzen wesentlich zu erschweren.

Zlnterhattender Teil.

Falsche Spuren.

Criminal-Novelle von Ferdinand Hermann- (Fortsetzung.)

Dann trat er tief aufatmend ins Freie hinaus und ging nach dem Bureau des Ober­staatsanwalts, an dessen sofortigem Einschreiten er nun wohl nicht mehr zweifeln konnte. Aber ein Zufall wollte, daß der leitende Beamte durch eine wichtige Amtsodliegenheit abgerufen war und erst nach Ablauf von mehreren Stunden zurückerwartet werden konnte. Sich mit seinen Stellvertreter zu verständigen, erschien dem Referendar zu zeitraubend und unsicher, und nach kurzer Ueberlegung faßte er den Entschluß, auf eigene Hand auch das Letzte zu thun, was in dieser Angelegenheit überhaupt zu thun noch übrig blieb.

Wenn eine Flucht Paul's vereitelt werden sollte, war ja so wenig Zeit zu verlieren, daß es vielleicht viel besser war, eine rasche energische Mannesthat an die stelle jenes ziemlich um­ständlichen und zeitraubenden, amtlichen Ver- fahrens zu setzen» auf welches man im anderen Falle wohl gefaßt sein mußte.

ES war Mittag geworden, und Tronow be­gann jetzt, wo die höchste Spannung ein wenig nachließ, die unangenehmen Wirkungen der durchwachten Nacht drückend zu empfinden. Auch meldeten sich Hunger und Durst allgemach in wohl merklicher Weise, und er sah sich ge­zwungen, zunächst ein Weinhaus aufzusuchen und Etwas für seine leibliche Erquickung zu thun. Dabei übermannte ihn, so sehr er sich auch bemühte, dagegen anzukämpfen, unversehens der Schlummer, und als er endlich mit jähem Erschrecken aus demselben emporfuhr, überzeugte ihn ein Blick auf die Uhr, daß er nahezu zwei Stunden verträumt hatte. Eilig stürzte er fort den Weg nach Pauls Wohnung sortsetzend, welchen er schon vorhin eingeschlagcn; aber er war noch nicht hundert Schritte weit gekommen, als er hinter seinem Rücken einen Ruf vernahm, der nur ihm gelten konnte, und der ihn ver- anlaßte, sich umzuwenden. Eine dunkel ge­kleidete, jugendlich schlanke Dame war es, welche rasch aus ihn zutrat. Ihr Gesicht war ver­schleiert, aber die dunklen, schwermütigen Augen, welche durch das feine Gewebe hervorleuchteten, würoe Tronow stets auf den ersten Blick wieder erkannt haben. Es war die Tochter des Apo­thekers, und das zufällige Zusammentreffen mit ihr erschien ihm in diesem bedeutsamen Augen­blick als eine Vorbedeutung der glücklichsten Art.

Noch ehe sie eine Frage an ihn richten konnte, hatte er ihr mit wenigen raschen Worten mitgeteilt, daß das begonnene Werk als gelungen anzusehen sei, daß binnen weniger stunden der Mörder des Fräulein Hegemeier in sicherem Gewahrsam sein und an der Unschuld der Ge­schwister Ulrich kein Zweifel mehr bestehen würde. Die Thränen der Freude stürzten dem jungen Mädchen aus den Augen, und als Tronow sich nach dieser kurzen Eröffnung von ihr ver- abschieden wollte, hielt sie ihn mit herzlicher Bitte zurück, um noch einige weitere Einzelheiten von ihm zu erfahren. Er gewann es nicht über sich, ihr dieselben zu verweigern, und erzählte ihr in kurzen Worten Alles, was er über Paul Nellinghausen's Schuld in Erfahrung gebracht, ihr selbstverständlich auch seinen Namen nicht verschweigend. Das junge Mädchen war

bestürzt und tief erschüttert. Der Doktor war ihr nicht unbekannt, da sie im Hause einer be­freundeten Familie wiederholt mit ihm zusammen­getroffen war, und die Erkenntnis, daß er eines der entsetzlichsten Verbrechen begangen habe, welches die Fantasie eines Menschen nur aus- zudenken vermag, mußte notwendig eine tiefe Wirkung auf ihr Gemüt ausüben.

Und Sie sind Ihrer Sache ganz gewiß?« fragte sie mit bebender Stimme.

Ganz gewiß!« erwiderte er ohne Zaudern. Und schon heute Abend werden Sie in den Zeitungen die Bestätigung lesen für alles Das, was ich Ihnen eben gesagt habe. Da drüben liegt seine Wohnung. Ich werde dieselbe nur in seiner Begleitung verlassen, um ihn dem ersten besten Polizisten zu übergeben!«

Wie! Das wollen Sie selbst thun?« fragte sie ängstlich.Denken Sie denn nicht an die Gefahr, der Sie sich dabei aussctzten? Halten Sie denn einen solchen Menschen nicht des Aeußersten fähig.

Ohne Zweifel! Aber ich bin nicht furcht- sam und halte ihn zudem ziemlich feige! Es ist der rascheste und sicherste Weg, den ich da Anschlägen will! Vielleicht bringt ihn die Ueberrumpelung durch mich, auf die er nicht gefaßt sein kann, zu einem sofortigen Geständ­nis. Die Gefahr für meine eigene Person, in welche ich mich dabei vielleicht begebe, steht jedenfalls in keinem Verhältnis zu der Gefahr, die ein weiterer Aufschub und die etwaige Un- geschicklichkeit irgend eines ausübenden Polizei­beamten mit sich bringen kann.

Zwar machte die Tochter des Apothekers noch einen weiteren Versuch, ihn durch Bitten und Vorstellungen zurückzuhaltcn; aber er wies ihr Bemühen mit freundlicher Entschiedenheit zurück und nahm Abschied von ihr, indem er ihr das feste Versprechen gab, sie noch heute in eigener Person von dem weiteren Verlauf der Angelegenheit, welche für sie ein so großes Interesse hatte, in Kenntnis zu setzen.

Als er oben an der Wohnung der Frau Hauptmann klingelte, wurde ihm durch das Mädchen der sehr unerfreuliche Bescheid, daß der Doktor Rellinghausen nicht daheim wäre.

Er sei vor etwa zwei Stunden ausgegangen, habe aber hinterlassen, daß er um fünf Uhr nachmittags bestimmt zurück sein werde, um die Vorbereitungen für eine kleine Reise zu treffen, welche er noch am Abend dieses Tages unter­nehmen wolle. An der Richtigkeit dieser Mit­teilung war kaum zu zweifeln, und nach kurzer Ueberlegung faßte Tronow den Entschluß, in der Wohnung Paul's dessen Rückkehr zu er­warten. Da ihn das Mädchen von seinen häufigen Besuchen während der letzten Tage als einen vertrauten Freund des Doktors kannte, trug es kein Bedenken, ihn in sein Zimmer zu lassen, und der Referendar ließ sich in einem der Fauteuils nieder, mit männlicher Energie seine Aufregung und seine fieberhafte Ungeduld b emeisternd.

Wenn überhaupt noch ein Zweifel daran möglich gewesen wäre, daß es Paul vollkommen Ernst sei mit seinem Entschluß, der Stätte seines Verbrechens zu entfliehen, so hätte dieser Zweifel jetzt schwinden müssen; denn die in dem eleganten Salon herrschende wüste Unord­nung zeigte überall die Spuren der in wilder Hast begonnenen Vorbereitungen für die Reise. Aber es verging eine Viertelstunde nach der anderen, ohne daß sich der sehnlichst Erwartete eingefunden hätte. Die marmorne Stutzuhr auf dem Kaminsims hatte längst mit ihren feinen Schlägen die fünfte Stunde angezeigt, und noch immer blieb draußen Alles still. Tronow's Unruhe wuchs, und er wanderte, um dieselbe zu beseitigen, ruhelos auf dem weichen Smyrna-Teppich hin und her. Schon wollte ihm Reue darüber kommen, daß er sich gar zu sehr auf seine eigene Kraft verlassen und den Beistand der Behörden verschmäht habe, da vernahm er den scharfen, durchdringlichen Klang der Korridorglocke, und unmittelbar darauf hörte er auf dem Vorplatze die hastige, aufgeregte Stimme Paul's, welcher durch das Mädchen von seiner Anwesenheit in Kenntnis gesetzt

wurde. Tronow warf sich in die Brust, und unwillkürlich schweiften seine Blicke umher, um nach einer Waffe zu suchen, die er im Notfall zu seiner Verteidigung benutzen konnte; aber schon in der nächsten Sekunde schalt er sich selber wegen dieser fluchtigen Regung kleinmütig und furchtsam und sah mit erhobenem Haupte und in fester Haltung dem Nahen des Ver­brechers entgegen. (Fortsetzung folgt.)

Zur Uatur!

Wenn krank Dein Herz und müd Dein Blick Vom rauhen Alltagsstreit,

So tausche mit des Kampfes Schwert Das leichte Friedenskleid.

Und eil' zur herrlichen Natur Von freud'gem Mut beschwingt,

An deren holdem Busen Dir Das Glück zum Herzen dringt.

Wo statt der Kriegsdromete Schall Die Friedensschalmei klingt,

Wo jede Blume, jeder Baum Bon Lieb' und Wonne singt.

Wo aus der Zweige frischem Grün Der Böglein Sang erschallt,

Das Echo zauberisch rings umher Im Walde wiederhallt.

Des Bächleins munterer Silberquell Tönt die Zusriedenheit;

Ein Kranz von Harmonien strahlt Dem Auge weit und breit.

Und mög auch in der Brust der Sturm Allmächtig wühlen Dir,

Vor so viel Schönheit schmilzt er hin Zum säuselnden Zephyr.

Und überwältigt von der Macht Dir folgend Spur auf Spur Löst sich der Ruf aus tiefster Brust:

O göttliche Natur!"

Einges. von 8gm. Läbmr., Herrenalb.

Pfingsten!

Hinaus aus dumpser Mauern Enge, lenkt hin in's Grüne nun den Gang,

Dort wird der Pfingstgeist euch durchdringen in Früh­lingslust bei Spiel und Sang

Hinweg den Hammer, fort die Feder, laßt alle Räder stille steh'n

Froh wandert über Blumenmatten, steigt auf zu licht- umsloss'nen Höh'n!

Ein reicher Segen ist's, der heute ringsüberall ge­spendet ward,

Er mög auch euer Herz durchfluten auf eurer frischen Wanderfahrt

Mit bräutlichen Gewändern schmückte die Erde sich, von Lust beseelt

Ihr hat der Geist der Pfingsten heute sich abermals in Lieb vermählt!

Und alle Menschen sind geladen zum freudenreichen Hochzeitsmahl,

Da giebt' ein jubelndes Frohlocken bis hin zum fernsten stillen Thal

Drum fort aus Hauses engen Räumen, hinaus ins Grüne lenkt den Gang,

Dort laßt von Pfingstlust euch durchdringen im Lenzes­licht bei Spiel und Sang! L. R.

Telegramme.

Berlin, 5. Juni. Prozeß Tausch. Schluß. Tausch wurde freigesprochen, v. Lützow erhielt eine Zusatzstrafe von 2 Monaten Gefängnis. In der Begründung des Urteils heißt es: Der Gerichtshof erwog, daß er für die politische Polizei unter Umständen thätig gewesen sei, die es fast unmöglich machten eine ehrenhafte Gesinnung zu bewahren. Des­halb wurde von einer Ehrenstrafe abgesehen weil zu hoffen sei, daß nach der Verbüßung der Strafe Lützow ein ehrenhaftes Leben beginnen werde.

Athen, 4. Juni.Daily Telegraph« meldet von hier: Die Türken sollen für die Verlängerung des Waffenstillstandes zur See die Bedingung stellen, daß alle Schiffe unter türkischer oder neutraler Flagge ohne Hindernis in griechische Häfen zugelassen werden. Der Kabinctsrat beschäftigt sich mit der Lösung der Frage, wovon die Verlängerung des Waffen­standes abhängt.

»M- Wegen des Pfingstmontags fällt an diesem Tage das Blatt aus. Die nächste Nummer erscheint am Mittwoch vormittag.

Redaktion, Druck und Verlag von C. Meeh in Neuenbürg.