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worden. Die besseren finanziellen Resultate seien einerseits der Berkehrssteigerung, anderer- seits der sparsamen und Wirtschaft!. Geschäfts­führung der Eisenbahnverwaltung zu danken. Die Tarife sind noch die alten, da einer Aender- ung zur Zeit noch verschiedene Schwierigkeiten entgegenstehen. Eine allgemeine Herabsetzung müsse abgesehen von dem internen Verkehr im Zusammenhang mit den angrenzenden Staaten erfolgen. Die Einführung der badischen Kilo- meterhefte wäre zweckmäßig bezw. die Ver­längerung der Landeskarten. Auch den Güter­tarifen müsse Aufmerksamkeit geschenkt werden, da dieselben die doppelten Einnahmen liefern gegenüber dem Personenverkehr. Nicht außer Acht lassen dürfe man die Einwirkung der Güter- tarif auf die einheimischen Produklions- und wirtschaftlichen Verhältnisse. Der Stückgut- verkehr sollte im Interesse des Mittelstandes billiger werden. Schließlich bespricht Redner noch die eingeführte Bahnhofsperre ans dem Stuttgarter Bahnhof, über die Gründe hiefür werde die Regierung sich wohl äußern. Redner hatte gerade 2 Stunden gesprochen. Minister- Präs. Frhr. v. Mittnacht: Die Rechnungs- ergebnisse pro 1896/97 seien günstig. Der Reinertrag für dieses Jahr beträgt über 17 Mill. Mark, nach Verzinsung der Eisenbahnfchuld bleiben noch übrig ca. 400000 Mk. Die finan­zielle Lage der Eisenbahnen habe sich also sehr wesentlich gebessert, was von der Berkehrs­steigerung herkomme. Der Verkehr bleibe sich nicht immer gleich, sondern sei stets Schwank­ungen unterworfen. Eine allgemeine Verbillig­ung von Tarifen, wie sie die Reformen ver­langen. würden ganz zweifellos 23 Millionen Mindereinnahmen ergeben. Die Verminderung der Gütertarife sei übrigens wichtiger als die­jenige der Personentarife und bezüglich der elfteren müsse Württemberg den anderen Staaten sich anschlicßen. Da könne jedenfalls Württem­berg nicht auch gleichzeitig die Personentarife herabsetzen. Redner giebt einen Ueberblick über die Einnahmen aus Landeskarten, Arbeiterkarten. Fahrscheinheften u.s.w. Die Landeskarten werden beibehalten werden, eine Ausdehnung dieses Systems ist z. Z. nicht beabsichtigt. Die bad. K'lometerhefte werden gleichfalls nicht eiugeführt werden, da dieses System verschiedene Nachteile im Gefolge habe. 138. Sitzung. Abg. Frhr. v. Gültlingen ist mit den Ausführungen des Ministers einverstanden und tritt für die Fest­setzung gleicher Tarife für die Haupr- und Nebenbahnen ein. Bezüglich der Bahnhofsperre in Stuttgart wünscht er mit Vizepräsident Dr. Kiene eine Milderung der fraglichen Bestimm­ungen. Abg. Haußmann-Balingen: Die Re­formvorschläge des Dr. Mülberger enthalten eine Menge von Anregungen, er möchte die­selben zum Studium empfehlen. Es handle sich nicht, wie der Berichterstatter gesagt habe, um Abschluß des Verkehrszentrums, sondern um Aufschluß der verschiedenen Gebiete. Die Landes­karten beweisen, daß jede Verkehrserleichterung eine Verkehrssteigerung zur Folge habe. Man müsse sich bei uns an die Verkehrsbedürfnisse anpassen, um den Verkehr zu steigern. Präs, v. Balz: Der Nahverkehr werde durch Dampf­wagen vermittelt, wenn sich die Versuche be­währt haben. Die Personen- und sogenannten Bummelzüge können nicht entbehrt werden, sie dienen auch dem Nachbarschaftsverkehr. Von einer eigentlichen besonderen Organisation des Nahverkehrs könne nicht gesprochen werden. Die Zuschläge für die Lokalbahnen sollten in einigen Punkten umgestaltet werden. Die Tarifreform betr. steht die württb. Eisenbahnverwaltung feit Jahren auf dem Standpunkt der Notwendigkeit der Herabminderung der Tarife. Man müsse dann aber bedeutend herabgehen, was einen Aus­fall von 3 Millionen bedeute. Die Verkehrs­steigerung bringe den Ausfall jedenfalls erst in mehreren Jahren herein. Die Absperrung des Stuttgarter Bahnhofes war dringend geboten, was Redner näher begründet. Den Eisenbahn­bediensteten stehe die Verwaltung wohlwollend gegenüber.

Der Württ. Schutzverein für Handel- und Gewerbe hat am 30. Januar eine Ein­

gabe an die Kammer der Abgeordneten, betr. die Kontrolle des Detailreisens. gerichtet. Nach der Novelle zur Gewerbeordnung vom 6. Aug. 1896 dürfen Detailreisende Be­stellungen bei Privatpersonen nur nochnach vorgängiger ausdrücklicher Aufforderung" auf- suchen. Der Württ. Schutzverein hat nun schon am 16. Nov. v. I. das Ministerium des Innern ersucht, im Interesse der ansässigen Geschäftsleute eine Ausführungsbestimmung dahin zu treffen, daß Detailreisende beim Aufsuchen von Privat­kunden den Polizeibehörden gegenüber sich durch eine vorherige schriftliche Aufforderung ihrer Kunden legitimieren müßten. Das Mini­sterium legte eine derartige authentische Aus­legung des Ausdrucksvorgängige ausdrückliche Aufforderung" ab, da die maßgebenden Reichs- tagsverhandlungen eine verschiedene Deutung dieses Beschlusses zulassen, dessen Feststellung der Rechtsprechung der Gerichte überlassen bleiben müsse. Die volkswirtschaftliche Kommission fand diesen Ministerialbescheid für begründet und stellt daher den Antrag, über die Petition des Württ. Schutzvercins für Handel und Gewerbe zur Tagesordnung überzugehen.

Ulm, 31. Mai. Vorgestern Nachm, sind auch hier die neuen Geschütze ausgegeben worden.

Münchingen, 31. Mai. Am gestrigen Sonntag fand hier eine erhebende Feier statt. Dieselbe galt dem Gedächtnis des vor hundert Jahren (1. Juni 1797) hier verstorbenen Pfarrers Joh. Friedr. Flattich, der wegen seiner Or> ginalität als Prediger und Erzieher in weiten Kreisen rühmlichst bekannt ist. Die Veranlassung zu dieser Gedächtnisfeier gab Pfarrer Wagner von hier. Die Gemeinde Münchingen, die stolz darauf ist, den berühmten Flattich den Ihren zu nennen, ging gerne auf die Vorschläge ein. So kam eine würdige Feier zu Stande. Die kirchliche Feier begann mittags 2 Uhr. Schon lange vorher war die geräumige Dorskirche mit andächtigen Kirchgängern von hier und aus­wärts angefüllt. Es kamen aus der Nachbar­schaft Geistliche, Lehrer. Jünglings- und Jung­frauenvereine und verschiedene andere Gäste, um Flattich'sche Weisheit mit nach Hause zu nehmen. Es traten nach verschiedenen Zwischengesängen von der Gemeinde, dem Kirchenchor und den Schulkindern 3 Festredner auf. Die Predigt hielt Pfr. Wagner. In schwungvollem Bor- trag führte er den Zuhörern Flattich als Christ und Seelsorger, als einen Gottesmann in dem Gewände eines Seelsorgers aus dem vorigen Jahrhundert vor. Als zweiter Redner trat Hofprediger Oberkonsitorialrat Dr. Braun aus Stuttgart auf. In anregender, packender und fesselnder Rede schilderte er Flattich nach seiner bleibenden Bedeutung als Pädagogen, als einen in das Gewand eines württ. Landpfarrers ver­kleideten Salomo. Ja. Salomonische Weisheit hat er als Erzieher gezeigt, die sich auch in seiner bekannten Redeweise ausdrückt:

Do Han i do jetzund"

So sprach sein weiser Mund

Bei wichr'gen Dingen oft und viel,

Und sicher traf er stets das Ziel.

Zuletzt wurde ein Lebensabriß Flattichs, gegeben von Pfarrer Beitter in Schömberg, einem seiner Nachkommen. (Beitter :st das älteste Glied einer achtbaren hiesigen Familie, die mütterlicherseits ihren Stammbaum auf Flattich zurückführt) In herzlicher Weise entrollte er ein Lebensbild des trefflichen Gottesmannes. Die Verlesung einer ergreifenden Zuschrift von Prälat v. Ege und ein herzliches Gebet be­schlossen die würdige Feier.

Heilbronn, 3t. Mai. Die Rats­kellereinweihung fand vorgestern Abend unter äußerst zahlreicher Beteiligung, besonders auch seitens der Damen statt, ja es mußte mancher die unliebsame Entdeckung machen, daß kein Platz mehr zu haben sei. Die Einrichtung ist sehr schön und es dürfte das Lokal einzig in seiner Art sein.

Mergentheim, 1. Juni. Am Sonntag fand die feierliche Eröffnung des hiesigen Karlsbades statt.

In Zuffenhausen OA. Ludwigsburg

ist eine 59jährige Frau unter großen Qualen gestorben, nachdem sie kurz vorher eine ihr von einem sogenannten Wasserdoktor verordnte Me­dizin eingenommen hatte. Es ist die gerichtliche Sektion der Leiche angeordnet worden.

Ulm, 29. Mai. Biel Segen auf einmal. In Stetten bei Laupheim sind in vergangener Woche drei Familienväter je mit Zwillingen beglückt worden.

Stuttgari. sLandesproduktenbörse. Bericht vom 31. Mai von dem Vorstand Fritz Kreglinger.) Die Tendenz im Getreidegeschäft zeigte in der abge» laufenen Woche keine wesentliche Veränderung gegen­über der Vorwoche, Amerika war mit seinen Forder­ungen etwas billiger, während Rußland und Rumänien die Preise behaupteten. Die Landmärkte sind ohne Veränderung, die Geschäftsumsätze nicht von Belang. Der nächste Börsentag findet am Dienstag 8. Juni d. I. statt. Mehlpreise pr. 100 Kilogr. inkl. Sack: Mehl Nr. 0: 2S 50 ^ bis 30 ^, Nr. 1:

27 ^ bis 28 Nr. 2: 25 50 ^ bis

28 50 Nr. 3: 24 ^ bis 25k ^z,

Nr. 4: 21 -kL 50 ^ bis 22 Suppengries

30 -k Kleie 8

Ausland.

Alle Meldungen über eine angebliche anti­dynastische Bewegung in Griechenland und über Meinungsverschiedenheiten zwischen dem König und dem Kabinett entbehren, wie aus Athen gemeldet wird, jeder Begründung. Die öffent­liche Ordnung ist vollständig durch das Einver­nehmen der Ordnungselemente gesichert, welche die große Mehrheit im Lande bilden. Dem Ministerpräsidenten Ralli wurde durch den russischen Gesandten auf das dringendste ange­raten, alles zu vermeiden, was auch nur den Anschein einer antidynastischen Haltung erwecken oder sonstwie Gefahren für das Königshaus Her­vorrufen könnte. Aus dem Sturz der Monarchie würden für Griechenland die schwersten Folgen entstehen. Im Nebligen scheint Griechenland der Festsetzung eines regulären Waffenstillstandes, wie ihn die Türkei unter Zustimmung der Mächte fordert, keinen Widerstand mehr entgegensetzen zu wollen. Unterdessen haben die Griechen die Verteidigung des Passes der Thermopylen ins Werk gesetzt. Oberst Bassos ist endgiltig nach Athen abgereist, und Oberst Cachamanos hat den Oberbefehl über die Truppen des Obersten Bassos übernommen.

London, 31. Mai. Aus Konstan­tinopel meldet dieMorning Post", Edhem Pascha verlangte vom Kriegsminister 1000 Gendarmen, um die Ordnung in den besetzten Gebieten aufrecht zu erhalten. DemStandard" zufolge hatte der König von Griechenland am Samstag eine längere Unterredung mit dem russischen Gesandten, worauf der König einen Brief an den Kaiser von Rußland schrieb, um letzteren zu bitten, dem Sultan die Friedens- bedingungeu aufzuerlegen.

Pisa, 30. Mai. Bei der Feier, welche zur Ausstellung des Bildes der Madonna sotto ZU orZani zum ersten Male nach vielen Jahren in der Kathedrale stattfand, fiel eine brennende Kerze herunter und ent­zündete die Dekorationen. Eine ungeheuere Menschenmenge, die städtischen Behörden, verschiedene Bischöfe und Pilger der umliegenden Städte waren zugegen. Es brach eine entsetzliche Schreckensverwirrung in einem Teile der Kathedrale aus. Alle stürzten nach der nächsten Thür. Das Feuer wurde sofort gelöscht. In dem Gedränge wurden 7 Personen getötet, 17 verwundet, darunter drei schwer. Die Kathedrale wurde geschlossen. Alle Feste sind abgesagt.

Newyork, 29. Mai. Nach einer Depesche aus El Paso del Norte (Mexiko) ist der Rio Grande aus den Ufern getreten. Gegen 500 Häuser wurden zerstört und 3000 Familien sind ihrer gesamten Habe beraubt worden.

Auflösung der Rätselsrage in Nr. 85.

Aus den gegebenen Wörtern erhält man durch richtige Zusammenstellung der Buchstaben:

Pfingsten war das Fest der Freude!"

Mit einer Beilage.

Redaktion» Druck und Verlag von C. Meeh in Neuenbürg.