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Eintreffen einer geheimnisvollen Commission, die zur Aufgabe zu haben scheine, eine Untersuchung über größere und geringere Veruntreuungen vorzunehmen, die bei gewissen englischen Einrichtungen Südafrikas begangen sind. Wenn nur ein Zehntel von dem wahr ist, was man sich in den verschiedenen Teilen des Landes in kaufmännischen Kreisen erzählt, so wird das britische Publikum, vorausgesetzt, daß der Untersuchungsbericht veröffentlicht wird, kopfstehen und der Steuerzahler wird erfahren, daß verschiedene Millionen Pfund jedenfalls meist in die Taschen geflossen und nicht für die Zwecke verwendet worden sind, für die sie bestimmt waren.
Berlin, 5. Nov. Zwischen der Reichs-Postverwaltung und der württembergischen Postverwaltung ist ein Uebereinkommen abgeschlossen worden, wonach vom 1. April 1902 ab für das Gesamtgebiet der beiden Verwaltungen einheitliche Postwertzeichen zur Verwendung kommen werden. Der Reichs-Anzeiger ist in der Lage, den Wortlaut des Uebereinkommens wiederzugeben. Auf den Postwertzeichen wird sich der Vordruck „Deutsches Reich" befinden. Die Einrichtung soll derart durchgeführt werden, daß die reichsverfassungsmäßige Selbständigkeit der württembergischen Postverwaltung insbesondere in finanzieller Beziehung erhalten bleibt. Die besonderen Wertzeichen Württembergs für den amtlichen und Bezirks-Verkehr werden beibehalten. Das Uebereinkommen ist bis zum 31. März 1906 unkündbar.
Berlin, 5. Novbr. Nach einer Meldung aus London verlautet dortselbst, Graf Walder- see werde im September England besuchen und zwar während eines Teiles seines Aufenthaltes als Gast König Eduards.
Berlin, 5. Novbr. Der auf der Oldenburger Strecke verkehrende Lastzug ist in der Nähe von Bremen nach einem Telegramm von dort einer ernsten Gefahr entgangen. Von bisher unbekannten Thätern wurden 7 Sandstein-Blöcke und eine Schwelle über die Schienen gelegt, aber von Arbeitern entdeckt. Der herankommende Zug mußte bis zur Wegschaffung des Hindernisses halten.
Berlin, 5. Novbr. Wie dem Lokal-Anzeiger aus Hamburg depeschiert wird, behindert der anhaltend dichte Nebel seit Samstag die Schifffahrt auf der Elbe aufs schwerste. Zahlreiche Dampfer liefen bei der Ebbezeit fest, kamen jedoch bei eintretender Flut wieder los. Eine schwere Kollision ereignete sich bei Brokdorf an der Unterelbe, wo der englische Dampfer Treasure den Hamburger Dampfer Virgo im Nebel anrannte. Der Virgo erhielt ein großes Leck am Bug, so daß das Vorderschiff voll lief. Mehrere Schleppdampfer brachten Hilfe und mußten das Schiff bei Bielenberg auf den Strand setzen, um seinen Untergang zu verhindern. Der von Stade abgegangene Dampfer Blankenese mußte vom Nebel überrascht, die ganze
Nacht auf der Elbe zubringen und konnte erst gestern Vormittag seine Fahrgäste in Hamburg landen.
Berlin, 5. Novbr. Der Lokal-Anzeiger meldet aus Petersburg: Unweit Schirjajewo verbrannte der große Dampfer Priroda. 7 Menschen verloren ihr Leben.'
Berlin, 5. Nov. Der Lokal-Anzeiger meldet aus C o n st an ti no p el: Hier fand ein Ministerrat statt, um eine definitive Antwort an die französische Regierung zu beschließen, da man in Paris die nunmehr türkischerseits zugesagte Zahlung von 348,488 Pfund zur Ebnung der Lorando-Angelegen- heit insofern als nicht ausreichendes Entgegenkommen zurückweist, weil die Türken keinen Zeitpunkt für dir Zahlung bestimmen wollen und keine Garantie geboten hätten. Gewichtige politische Kreise fürchten, daß Frankreich diesesmal mit der Entsendung der Flotte Ernst macht, falls die Pforte nicht sofort eine befriedigende Lösung der Lorando-Affäre her- beiführeu sollte.
Brüssel, 4. Nov. Die Prinzessin Elisabeth hat gestern einem Prinzen das Leben geschenkt. In der ganzen Stadt herrscht hierüber die freudigste Stimmung, da der Prinz dereinst zur Regierung gelangen wird. Das Ereignis wurde durch 100 Kanonenschüsse der Bevölkerung mitgeteilt. Im Palais des Prinzen Albert waren mehrere Minister und Würdenträger versammelt, um das Geburts-Protokoll aufzunehmen. Der König hat die Pathenstelle angenommen. Der Prinz erhält nach ihm den Namen Leopold.
Paris, 5. Nov. Frankreich fordert von der Türkei außer der Regelung der Affäre Lo- rando die Garantie der freien Ausübung der französischen Ausbeutungsrechte für die orientalische Bahn sowie die freie Eröffnung französischer Schulen und die unbehinderte Erteilung des Unterrichts. Außerdem wird die Pforte die Garantie der französischen Schutzherrschaft über die armenischen Christen erneuern respective bestätigen müssen. Endlich wird die Türkei aufgefordert, diejenigen Aerzte, welche ihr Diplom an der Hochschule von Beirut erlangt haben, in der Ausübung ihres Amtes nicht zu behindern. Außer diesen Hauptpunkten werden noch verschiedene kleinere Forderungen gestellt, welche die Türkei anerkennen muß, ehe die französischen Kriegsschiffe die türkischen Gewässer verlassen.
London, 4. Novbr. Aus Peking wird gemeldet: Li-Hung-Tschang leidet an einem Magen-Geschwür. Die Krankheit wird jedoch nicht als ernst betrachtet.
London, 4. Nov. Nach Meldungen aus Kapstadt richtete General Botha ein Schreiben an Lord Kitchener, worin er diesem mitteilt, daß die jüngste Erschießung des englischen Offiziers durch die Buren als erste Repressalie für die Hinrichtung der verschiedenen Burenführer zu gelten habe. Weitere Repressalien würden folgen.
London, 5. Nov. Der seit Samstag herrschende Nebel hat eine allgemeine Störung deS Verkehrs in London und der Provinz nach sich gezogen. Alle Eisenbahnzüge treffen mit bedeutenden Verspätungen ein. Die Schifffahrt auf der Themse ist eingestellt. Viele Fabriken mußten gleichfalls schließen. Der Schaden der Verkehrs-Institute wie auch besonders der Theater ist ein bedeutender. Bei den letzteren wird er auf eine halbe Million Pfund Sterling geschätzt. Bis jetzt sind 186 Unglücksfälle zu verzeichnen, welche sich am Samstag infolge des Nebels zugetragen haben. Die Zahl der Verirrten beläuft sich auf Tausende.
Vermischles.
:: Calw. Nach allen Nachrichten der neuesten Zeit scheint es fast, als sollte das unerschütterliche Vertrauen der tapferen Buren doch noch belohnt werden. Sogar in englischen Berichten liest man zwischen den Zeilen, daß es sehr schlimm stehen muß um die Siegeszuversicht bei denen, die den Verlauf des Kampfes mit eigenen Augen sehen und nicht auf Ehren-Joe's Lügen zu hören brauchen. Und wer vergönnte nicht den stammverwandten Burenhelden den vollen Erfolg! Jeder einzelne setzt seine letzte Kraft daran, die Freiheit zu bewahren, die einen im täglichen Kampfe, die andern, die durch Verwundungen und Krankheiten aus den Reihen der Kämpfer geschieden sind, mit Wort und Feder. Von allen Seiten bringt die Presse Berichte über Buren-Vorträge, die bei den Angehörigen aller Parteien — es ist schön, daß die Deutschen sich noch für etwas begeistern können, was außerhalb der Parteiinnungen steht — rauschenden Beifall erregen. In Karlsruhe sprach am 16. Oktober Kommandant Jooste vor einer Versammlung von über 4000 Köpfen, erfreulicher Weise zum großen Teile der arbeitenden Bevölkerung angehörend, und erntete für seine interessanten und packenden Darstellungen begeisterten Dank. Wie wir hören, haben sich hiesige Freunde des Buren- volkeS mit dem genannten Kommandanten in Verbindung gesetzt, um auch hier einen Vortrag desselben zu ermöglichen. Hoffen wir, daß es gelingt, auch den Bürgern von Calw und Umgegend den Genuß zu verschaffen, aus dem Munde eines in leitender Stellung mitkämpfenden Buren eine Schilderung des verächtlichen Raubkrieges zu hören, den 250000 Söldner Chamberlain's gegen etwa 20000 freie Afrikander führen.
— Die Warenhaus st euer ist jetzt in Preußen ein halbes Jahr in praktischer Geltung. Sie wurde am 1. April zum erstenmal erhoben. Die Ergebnisse der Veranlagung, die bekannt geworden sind, sind geradezu kläglich. Das Berliner Warenhäusler-Organ der „Konfektionär" veröffentlicht darüber folgendes:
„In Berlin, das doch wahrlich an Warenhäusern keinen Mangel hak. sind im ganzen nur 530 000 zur Erhebung gelangt, d. h. es ist, da für das erste Geschäftsjahr nur die Hälfte der veranlagten
auf, als die Lady eintrat. Sie war in großer Toilette: ein blaues Seidenkleid, reich mit Spitzen garniert, umfloß ihre imponierende Gestalt, an den Händen blitzten kostbare Ringe und auf den blonden Locken ruhte graziös eine Schärpe von echtem koiut laee
Ein allgemeiner Ausruf der Bewunderung empfing die schöne Wirtin. „Wie ? reizend Sie aussehen, Lady Culwarren!" rief ein ältliches Fräulein mit schmachtender Stimme. „Man könnte glauben. Sie seien soeben einem Rosenlager entstiegen!"
»Und an dieser Toilette haben sicher die Grazien mitgewirkt!" murmelte ein junger angehender Poet, der Dame die Hand küssend,
Befriedigt von dieser Anerkennung ihrer Reize ließ sich Lady Culwarren auf dem Sopha nieder, rief Lily an ihre Seite, strich dem Mädchen liebkosend über das volle Haar und fragte mit bedeutsamen Lächeln: „Nun, Lily, wo ist denn unser teurer Philipp?"
„Ich weiß nicht!" stammelte Lily verwirrt.
„Oder willst es nicht wissen, eh? Meine liebe Mrs. Hutterley," wandte sie sich an die betreffende Dame, „wenn ich nicht irre, so haben Sie eins erwachsene Tochter. Sagen Sie mir, bitte, ist dieselbe in Liebesangclegenheiten ebenso schüchtern, wie diese kleine Puppe hier?"
Aus diesen Worten glaubten die Anwesenden eine versteckte Anspielung auf ein entstehendes oder bereits geschloffenes Verlöbnis zwischen Lord Culwarren und seiner hübschen Cousine herauszuhören. Da die Ankündigung aber in so unbestimmter Form gegeben war, so wußte niemand, ob es angebracht sei, die diesbezüglichen Glückwünsche auszusprechen. Zum Glück machte Miß Paget dieser Situation ein Ende, indem sie die frühere Frage der Lady nach ihrem Sohne beantwortete.
„So viel ich weiß," sagte sie, „befindet sich der Graf mit Mr. Ashfold auf der Terrasse. Der letztere kam vor einer Stunde und wünscht Sie in besonderer Angelegenheit zu sprechen,"
Gräfin Culwarren zog die Augenbrauen zusammen, als wäre ihr diese Mitteilung unangenehm.
„Mr. Ashfold?" rief sie verstimmt. „Was will er von mir? Ich nenne ihn nur den Unglücksraben, denn er bringt nie etwas Gutes. Es ist mir gar nicht lieb, daß er gekommen ist. Gardenholm scheint überhaupt heute von Eindringlichen bedroht zu sein, — auch mein liebenswürdiger Herr Sohn Antony wird in den nächsten Stunden mit seinem Freunde, einem Herrn Fosbrooke hier eintrcffen."
Das jähe Zusammenzucken und Erröten Lilys bei dieser Ankündigung entging den scharfen Augen der Gräfin nicht, sie wandte sich tadelnd zu dem jungen Mädchen und sagte in scharf verweisendem Ton: „Lily, du solltest dich nicht bei jeder Gelegenheit wie ein Schulmädchen geberden. Das schickt sich weder für eine Dame, noch für die Stellung, die du einnehmen wirst. Du mußt dich gewöhnen, alles, die beste wie die schlechteste Nachricht, mit gleicher Ruhe anzuhören. Vergiß dies künftig nicht!"
Die arme Lily wurde erst recht verlegen und schaute hilfeflehend zu Miß Paget hinüber, die den Blick auffing und schnell die Frage cinwarf: „Also Herr Melstrom ist wieder in England?"
„Ja, leider! Denn ich erwarte mir nicht viel Vergnügen von seiner Rückkehr. Zudem bringt er, ohne mich vorher um Erlaubnis gefragt zu haben, einen Fremden mit hierher, was mir durchaus nicht recht ist. Aber Antony war ja von Kind auf selbstsüchtig und rücksichtslos."
(Fortsetzung folgt.)