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Geschenke seien, welche sie einst als junges Mädchen ihrem Verlobten gemacht und welche sie nach dessen frühzeitigem Tode wieder an sich genommen habe, um sie als teure Reliquien bis zu ihrem eigenen Ende sorgfältig zu hüten und zu bewahren. Es waren beinahe durchweg Handarbeiten, Zeichnungen und kleine Luxus­artikel, deren Vernichtung schwerlich von irgend Jemanden bedauert werden konnte. Als letzter Gegenstand im Verzeichnis, das der Notar seiner Pflicht gemäß langsam und deutlich vortrug, figurierte: eine altdeutsche grünseidene Geldbörse, auf welche in vergoldeten Perlen die Symbole von Glaube, Liebe und Hoffnung, Kreuz, Herz und Anker gestickt seien.

Bei dieser Vorlesung wurde aus der kleinen Schaar der Zuhörer, welche den Notar um- standen, ein Ausruf der Ueberraschung laut, der ihn bewog, innezuhaltcn, und der alle anderen Anwesenden veranlaßte, sich nach dem Urheber der Unterbrechung umzusehcn. Der Referendar Tronow war es gewesen, welchem dieser Aus- ruf entschlüpft war, und man bemerkte mit Verwunderung, daß eine dunkle Röte seine Wangen bedeckte und daß ein seltsames Feuer in seinen Augen glühte. Da er es indessen nicht für angezeigt hielt, ein Wort über die Gründe seiner sichtlichen gewaltigen Erregung zu äußern, da er vielmehr die Lippen so fest aufeinander preßte, als wolle er gewaltsam einen leidenschaftlichen Ausbruch zurückdrängen, so konnte man nicht wohl eine Frage an ihn richten, und nach einer kurzen Pause begann der Notar mit der Vorlesung des Kodizills, das erst vor wenigen Monaten von der Erblasserin ordnungsmäßig und unter Beobachtung aller gesetzlichen Vorschriften deponiert worden war, und an dessen Aechtheit und Giltigkeit darum nicht gezweifelt werden konnte.

Der Inhalt dieses Kodizills aber übte auf alle Anwesenden eine wahrhaft erschütternde Wirkung; denn cs war unter den obwaltenden Umständen von einer geradezu tragischen Bedeutung. Alle Bestimmungen des ersten Testaments blieben, sofern sie die Legate und die übrigen Nebendinge betrafen, vollständig in Kraft, in der Hauptsache aber war eine Aenderung insofern getroffen» als das gesamte Vermögen nicht mehr an den Doktor Paul Rellinghausen, sondern an Fräulein Therese Ulrich, deren Person auf das Genaueste und Unzweideutigste bezeichnet war, fallen sollte.

Nach hartem Kampfe und nach langem Zaudern schrieb die alte Dame habe sie sich entschlossen, ihre Hand von dem einzigen Sohne ihrer Schwester adzuziehcn und denselben auf ein verhältnismäßig kleines Vermächtnis zu beschränken. Nicht seine Undankbarkeit und lern unehrerdietiges, ja geradezu brutales Benehmen gegen sie sei es allein gewesen, das diesen Entschluß in ihr zur Reife gebracht, aber sie habe aus seinem ganzen Vorleben die Uebcr- zeugung gewonnen, daß nur dann eine schwache Hoffnung vorhanden wäre, ihn zu einem ordent­lichen und brauchbaren Mitgliede der menschlichen Gesellschaft werden zu sehen, wenn er ganz auf seine eigene Kraft» seine eigenen Talente ange­wiesen sei, und nicht durch den Besitz eines großen Vermögens oder durch die Aussicht auf die Erlangung eines solchen zur Beharrung in seinem zügelojen Leichtsinn ermuntert und aus­gestachelt würde. Voll freudigen Vertrauens aber lege sie all ihr irdisches Gut in die Hände jenes reinen und unschuldvollen Mädchens, das sie wie eine Tochter liebe, und dem sie ihren reichsten Segen hinterlasse. In diesen Händen würde der Reichtum wahren Nutzen bringen, und die Armen und die Bedürftigen würden allezeit ihren voll gemessenen Anteil daran haben.

Es war begreiflich, wie diese Aeußerungen der nunmehr Verstorbenen über eine Person, die unter dem Verdacht stand, ihre Wohltäterin auf eine wahrhaft teuflisch raffinierte Weise ermordet zu haben, auf alle Zuhörer wirken mußte.

(Fortsetzung folgt.)

Landwirte, gedenket der Hagelversicherung!

Wieder naht die Zeit, in welcher der Land­wirt nach beendeter Bestellung mit freudigem Stolze die grünenden Felder überblickt. In seinem Geiste sieht er bereits ein Meer von goldigen Ehren sich im leisen Winde wiegen und hört den hochgetürmten Erntewagen unter fröh­lichem Peitschenknall durchs Hofthor rollen. Eine reiche Ernte lassen die üppigen Saaten erwarten und in wenigen Monaten werden die goldglänz, enden Früchte eingeheimst werden können.

Wie aber, wenn die Ernte mißrät, oder wenn eine höhere Gewalt eingreift und der Hagel in wenigen Minuten alle Hoffnungen auf einen reichen Gewinn vernichtet, und die viele im Schweiße des Angesichts verrichtete Arbeit um­sonst gethan ist? Fühlt da nicht jeder seinen Be- ruf mit freudigem Eifer erfüllende Landwirt den Wunsch in sich rege werden, sich zu schützen vor solchem Ungemach, seine Felder vor drohendem Unheil zu bewahren? Biel kann er durch ver­ständige, sorgsame Kultur zur Sicherung seiner Früchte thun, er kann die schädlichen Folgen von Dürre und Nässe abschwächen, er kann durch reiche Düngung, Verwendung tadellosen Saatgutes, gute Acksrarbeit nicht wenig sichcr- stellen, er kann tierische und pflanzliche Feinde bekämpfen und besiegen, aber einem Feinde, dem drohenden, alles zerschmetternden Hagelschlag steht er in dieser Beziehung machtlos gegen- über; zieht das Unwetter herauf und entladet es die Schlossen über seinen Feldern, dann kann er nichts thun, als müßig dem Untergange seiner Hoffnungen zusehen.

Muß es der Landwirt nicht angesichts seiner absoluten Machtlosigkeit, den Hagel, den ge- fürchtestcn Feind des Landbaues zu bekämpfen, als eine unendliche Segnung, ja geradezu als ein Himmelsgeschenk betrachten, daß er in der Lage ist, wenn auch nicht die wirklichen Schäden seiner Feloer, so doch die ihm aus einem Hagel­schlag erwachsenden wirtschaftlichen Schäden zu heilen, indem er seine Früchte versichert? Und doch, wie wenig hat sich noch die Erkenntnis von dem Segen der Hagelversicherung verbreitet. Wenn auch die Zahl der Landwirte, welche die­selbe als eine heilige Pflicht erkennen, mit jedem Jahre wächst, so gehen doch noch allsommerlich ungezählte Millionen durch Versäumnis dieser Pflicht verloren, und zahllose Existenzen werden geschwächt und vernichtet/

Ein eigenartiges Kunstwerk, eine Kunst- uhr aus Weidengeslecht, ist kürzlich von einem oberbayerischen Korbmacher Namens Gg, Schulz fertiggestellt und augenblicklich in Ober- Hausen in Bayern ausgestellt. Auch der Prinz- regent Luitpold von Bayern besichtigte vor einiger Zeit dasselbe. Die Uhr ist durchgchends aus Weidengcflecht bezw. aus Holz und hat ein Hauptzifferblatt, auf welchem die mitteleuropäische Zeit ablesbar ist, während 4 kleinere Neben- ziffcrblätter die New-Aorker, Petersburger, Madrider und Athener Zeit angeben. Das Hauptzifferblatt trägt außerdem noch 61 (30-ff31) Nummerscheibchen, auf denen ein langer Zeiger den Monatsdatum anzeigt; die nähere Bestim­mung des Tages (Montag, Dienstag u. s. w.) erfolgt auf einem Schrifttäfelchen inmitten des Zifferblattes. Ucber dem ewigen Kalendarium kommen die Mondphasen zur Darstellung, welche durch eine von links auftauchende und nach rechts verschwindende silberne Mondscheibe oculus demonstriert werden. Zur Bekrönung dient eine automatisch bewegliche Figur, welche jede ver­rinnende Minute durch eine Schwenkung ihres Hutes hinwegkomblimentiert. Die wirkungs­vollste Beigabe des Werks ist ein schönes Salz­burger Glockenspiel mit einem Satz von 32 Glocken, die nebenbei die einzigen Metallteile der Uhr ausmachcn. Die Walze derselben trägt fünf Stücke: 0 8Meti88iwo, Salzburger Glocken­walzer.Die Spieluhr" von Treu, eine Polka undDer Tiroler und sein Kind". Die Uhr wird getrieben durch ein Gewicht von 25 Pfd., das Spielwerk durch ein solches von 14 Pfd. Das Werk ist nach dem System Mannhardt mit freiem Gang, ohne Steigrad gebaut und ist ohne Gehäuse, um die 34 Räder des Werks sichtbar

zu lassen. Das Gesamtgewicht der Uhr ist 108 KZ. die Höhe 2,30 m, der Preis 5000 ^ Der Gang des Werkes ist jetzt durchaus exakt, was bei dem minderwerten Material um so mehr anzuerkennen ist. Die Uhr soll später eine Rundreise durch Deutschland antreten.

(In unfreiwillige Gefangenschaft) begab sich in der Nacht vom 6. zum 7. d. M. bei einem Brand ein Bürger von Goldbach bei Crails­heim. Derselbe wollte beim Löschen nicht mit­helfen und versteckte sich in die Kirche, wo er jedoch von den läutenden Frauen bemerkt wurde, weiche flugs die Kirche verschlossen und den Menschenfreund" die Nacht über dort einge- sperrl ließen.

DieMetzer Zeitung" veröffentlicht nach­folgende Episode aus dem Metzer Aufenthalt des Kaisers:Als der Kaiser, am Exerzierplätze ankommcnd, den Wagen verlnß, sprach er den Wunsch aus, sein Reilpferd von dem Steine aus zu besteigen, den weiland sein kaiserlicher Großvater bei der Parade am 7. Mai 1877 zu dem gleichen Zwecke benutzt halt-'. Der zu stetem Andenken durch ein Drahtgitter einge­friedigte Stein erschien jedoch unnahbar. Der Auftrag, das Gitter zu beseitigen, war durch ein paar Soldaten schnell erledigt, worauf der kaiserliche Enkel seinen pietätvollen Wunsch aus- führte. Den Dienst der Soldaten lohnte ein Zehnmarkstück "

Das Bismarckshaus zu Leipzig. Zu den schönsten Profanbauten des modernen Leipzig gehört das vom Architekt O. Jummel daselbst durchweg aus Stahl und Eisen erbaute Bismarckshaus an der Ecke des Marktplatzes und der Thomasgasse. Seinen Namen hat dieses mit hydraulischem Personenaufzug ver­sehene Kauf- und Geschäftshaus mit Genehmigung des Altreichskanzlers erhalten, dessen Lieferant der Besitzer, Hoflieferant F. Witz leben, Inhaber eines großen Pelzkonfektionsgeschäftes seit Jahren ist.

(Um den lieblichen Geruch des Maiglöckchens für den Toilettetisch zu gewinnen), nehme man eine reine weiße Glasflasche, fülle sie mit zer­schnittenen Maiglöckchen und gieße darauf eine Mischung von 1 Teil Glyzerin und 2 Teilen starkem Spiritus. Hieraus ist die Flasche gut zu verschließen und 23 Wochen lang der Sonne auszusetzen. Auf gleiche Weise kann man auch den Duftz der Akazienblüte, der Rosen rc. sich gewinnen. (Nachdruck verboten.)

(Schattenseite.) Lehrer:Berthold Schwarz hat mit der Erfindung des Pulvers Großartiges geleistet. Jedoch hat er auch neben dem Guten viel Schlimmes damit gestiftet. Inwiefern Karl?" Karl:Er ist daran schuld, daß viele Menschen das Pulver nicht erfunden haben!"

(Im zoologischen Garten) Fremder:Sind Sie immer hier in dem Raubnerhaus?" Auf­seher:Nein, nur vorübergehend, ich gehöre zu den Kameelen!"

Telegramme.

Köln, 19. Mai. Amtlich wird gemeldet: Ein von Westfalen nach Metz fahrender Mili­tärzug mit Reservisten entgleiste heute Nacht zwischen Gillesheim und Gerolstein. Nach vorläufiger Mitteilung sind 28 Mann tot und eine große Anzahl mehr oder minder schwer verletzt.

Lamia, 19. Mai. Agence-Havas, Nach­mittags. In der Stadt herrscht eine Panik, zahlreiche Einwohner verlassen den Ort.

Arta, 19. Mai' Agence-Havasmeldung vom 16. Mai. Die ganze griechische Armee ist hierher wieder z u r ü ck g e k e h r t. Der Rückzug vollzog sich während der Nacht in guter Ordnung.

K o n st a n t i n o p e l, 19. Mai. Nach einer Depesche Edhcm-Paschas sind die Türken gestern nach Kämpfen, welche bis gestern Abend 7 Uhr gedauert, in Domokos eingerückt.

Redaktion, »ruck und Verlag von L. Meeh in Neuenbürg.