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es besser haben, Die Klagen über ungerechte und ungleiche Verteilung der Macht und des Besitzes seien fast so alt als die Menschheit selbst und werden nie verschwinden. Anzuerkennen sei aber, daß immerhin vielfach guter Grund zu Mißmut und Beschwerde vorliege und es sei nun zu untersuchen, in welcher Weise seitens der verschiedenen Parteien diesen berechtigten Klagen begegnet werde. Redner ging nun des näheren aus den Standpunkt der Sozialdemokratie, so wie der liberalen und freisinnigen Parteien ein und kam zu dem Resultat, daß die von diesen Parteien vorgcschlagenen Heilmittel ihren Zweck nicht erfüllen können, bezw. bereits verfehlt haben. Wenn die konservative Partei nicht wie diese Parteien, nach schönen Prinzipien und Theorien, die das Volk nicht versteht und die seinen praktischen Bedürfnissen nicht entsprechen, politisch arbeite, sondern sich bemühe, durch Ein gehen auf die Anschauungen, Wünsche und Be dürfnisse des Volkes, besonders durch Bethälig- ung praktischen Christentums in der Sorge für die wirtschaftlich Schwachen zu wirken, so müsse diese Partei immer mehr Boden unter dem Volke gewinnen. Insbesondere erfordert die anerkannte Notlage des Handwerks und der Landwirtschaft ernsteste Berücksichtigung, obgleich die vollständige Identifizierung mit den Sonderbestrebungcn ein zelner Stände für jede politische Partei unmög' lieh sei, da diese stets ihr Augenmerk auf das gesamte Volkswohl zu richten habe. Durch Stärkung des berechtigten Einflusses von Kirche und Schule sei insbesondere auf die Heranwachsende Jugend einzuwirken. Insoweit auch die Regierung die gleichen Anschauungen zur Nicht- schnür nehme, könne und müsse die konservative Partei auf die Stärkung der Autorität der Regierung hinarbeiten. In jedem Fall aber müsse sich die Partei ihre volle Unabhängigkeit gleichmäßig nach oben und nach unten wahren. Wenn die Partei aus der vorstehend erörterten Grund- >' läge weiterbaue und ihre Anhänger sich frei von übertriebener Verfolgung von Sonder- inleressen, aber auch frei vom Vertrieb von Univerfalheilmittel für das soziale Elend Hallen, dann müsse ihr die Untersiützung Weiler Kreise werden. — Landtagsabg, Schrempf gab nun in eingehender und klarer Darstellung ein Bild der wichtigsten Landtagsverhandlungen und be- sprach dabei insbesondere die Etatsberatung, die Eisenbahnwünsche, die Reversalienfrage, die Ver- fassungs- und Steuerreform, das Wasserrechtsgesetz und schloß mit einem lebhaften Appell an die Parteimitglieder zu mutiger und energischer Arbeit für die konservative Sache.
Der württb. Schutzverein für Handel und Gewerbe hat sich bekanntlich vor Kurzem an den Bundesrat gewendet und dringend um Abhilfe gegen die Umgehung des Gesetzes gegen den unlauter« Wettbewerb seitens zahlreicher Detailreisender gebeten, indem letztere die vom Bundesrat von dem Gesetz ausgenommenen Waren nur zum Schein mit sich führen und nach wie vor ungejcheut die vom Detailreisen ausge- schlossenen Waren auch solchen Privatpersonen ausdrängen, von denen sie eine Ermächtigung fie zu besuchen nicht haben. Der Vorsitzende des Bundesrats, Staatssekretär v. Bötticher, hat darauf geantwortet, daß cs Sache der Gerichte sei, diesem Unfug entgegen zu treten und der württb. Schutzverein möge fonfahren, dieses Treiben des unlautern Wettbewerbs scharf zu überwachen und bei den Gerichten zur Bestrafung zu bringen. Der genannte Verein kann sich zu dieser Anerkennung von dieser hohen Stelle aus nur gratulieren. Es wäre ihm dabei nur zu wünschen, daß auch die Gerichte weniger nach Entschuloigungsgründen für die Gesetzes- Verächter suchen würden, als dies bis jetzt teilweise der Fall war.
Dem „Staatsanz." schreibt man: Wie leicht es verhältnismäßig ist, die Zigeunerplage los zu werden, davon geben die Erfahrungen Zeugnis, welche auf der Urach er Alb ln dreier Hinsicht gemacht werden. Vom K. Oberamt wurde vor etwa 7 Jahren, nachdem wiederholte Klagen über die durch verschiedene Banden entstandene Unsicherheit eingclaufen waren, eine derselben gefaßt und auf ihre eigenen Kosten Per Schub an die Landesgrenze befördert. Dies
scheint einen so heilsamen Schreck auf das gesamte, offenbar untereinander in regem Verkehr stehende Zigeunervolk ausgeübt zu haben, daß dasselbe für unseren Bezirk seither so gut wie nicht mehr existierte. Erst in neuerer Zeit fangen einzelne Banden wieder an, die Albdörser zu brandschatzen.
Ausland.
Ueber das Brandunglück des clo.Ia (llmribs wird der „Str. Post" aus Paris 6. Mai noch geschrieben: „Eilen Sie, gehen Sie zuerst .... ich werde bis zuletzt bleiben!« Diese beglaubigten letzten Worte der unglücklichen Herzogin von Alen^on haben überall einen tiefen Eindruck gemacht. Wie ein Held hat die Herzogin ausgehalten, wie der Kommandant eines sinkenden Schiffes wollte sie nicht weichen, sondern war erst auf die Rettung der ihrer Obhut anverrrauten jungen Mädchen bedacht. So ist sie dahingesunken in den schrecklichen Flammentod in unentwegter Pflichterfüllung, ein treues deutsches Blut. Auch die Erinnerung an ihre unglückselige Jugendzeit in München, da sie vor 30 Jahren von König Ludwig II. zur königlichen Braut erhoben und wieder verstoßen wurde, ruft das lebhafteste Mitgefühl für sie in den weite- sten Schichten wach. Welch ein Schicksal von wahrhaft Aeschylei'scher Tragik hat sich über diesem ehemaligen königlichen Brautpaare erfüllt, dessen Schönheit alle, die es sahen, mit Entzücken er- füllte! Der königliche Bräutigam hat, von Wahnsinn umnachlct, das Ende seines Lebens in den Wasserfluten gefunden, die königliche Braut in einem Flammenmeer! Die Schwester der Herzogin, die Kaiserin von Oesterreich, ist seit Jahren schwer leidend; ihr Sohn, der Kronprinz wurde in der Blüte seiner Jahre durch eine in ihren Einzel- heilen noch immer nicht ganz aufgeklärte Ge- waltthat plötzlich aus dem Leben und der vielverheißenden Zukunft entrissen. Der Oheim,
! Kaiser Maximilian von Mexico, wurde erschossen, ein anderes Mitglied der Familie, der reichbegabte Erzherzog, der sich später unter dem Namen Johann Orth verbarg, ist in der weiten Welt
verschollen.welch eine Fülle der Tragik
in einer Familie! Die Leiche der Herzogin von Aleriyon wurde gestern Abend erkannt, nachdem ihre Angehörigen schon daran gezweifelt halten, sie aufzufinden. Man schwankte zwischen zwei Leichen, als der Generalkonsul Albert Hans, der die Herzogin gekannt hatte, den Oberstaatsanwalt daraus , aufmerksam machte, daß einer der beiden Schädel noch alle Zähne aufwies und ihn daran erinnerte, daß die Lerche der Marquis de Mores in der Sahara und die des kaiserlichen Prinzen im Zululande an den Zähnen erkannt worden waren. Der Zahnarzt der Herzogin von Alen^on wurde nun herbeibeschieden. Er brachte den Wachsabdruck der Zähne, deren Pflege er zu besorgen hatte und konnte im Kiefer noch einen angestcckten Zahn zeigen, den er demnächst in Behandlung hätte nehmen sollen. Nachdem auch der Sohn, der Herzog von Vendöme, und einige Diener die Leiche erkannt hatten, mußte der Zahnarzt eidlich erhärten, daß er seiner Sache sicher sei. Ein weiteres Zeichen, daß der ver- kohlte Körper derjenige der Herzogin von Aleritzon sein müsse, lag in dem Umstande, daß der rechte Arm und die Hand, an der die Verstorbene die Ringe zu tragen pflegte, fehlten, und die vorhandene linke Hand unberingt war. Außer dem Trauringe ist auch ein anderer Ring der Herzogin ln den Trümmern entdeckt worden. Heule Vormittag wurden noch sieben Leichen im In- dustnepalast von Verwandten oder Bekannten erkannt, darunter eine 63jährige Nonne und die Sekretärin des Administrators der Comödie Frantzacse, ein Fräulein Blomska. Man fand in ihren verbrannten Kleidern Briefe mit ihrer Adresse. Ebenfalls verbrannte Papiere waren es, welche zur Ermittlung der Identität einer anderen verkohlten Leiche führten. Zwölf gräßlich verstümmelte Leichen, die eine ohne Kopf, die andere ohne Beine, wurden nach der Morgue geschafft und auf den dort befindlichen Eisapparat gelegt, wo man sie noch wird sehen können. Sie länger noch nn Jndustriepalast zu lassen, wäre für die Umgebung gesundheitsschädlich gewesen. Man glaubt, aus jede derselben einen Namen setzen zu können. Dagegen ist von fünf
Frauen, die vermißt werden, darunter die Gräfin de Luppä und einer barmherzigen Schwester, sowie von vier oder fünf Waisenkindern keine Spur vorhanden Man glaubt, ein fünfzehnjähriges Mädchen. Christine Meilhac, von dem man unter den Leichen keine Spur hat entdecken können, sei auf der Flucht wahnsinnig geworden, und giebt nun ihr Signalement in den Blättern. Die beiden Begleiter des Mädchens, der Großvater und der Arzt Röchet, sind unter den ersten Leichen erkannt worden. Bis jetzt sind IIS Leichen genau erkannt worden, 5 noch nicht; von 30 Besuchern des Bazars nimmt man an, daß sie vollständig zu Asche verbrannt sind, da die Zahl der Vermißten auf 146 angegeben wird. Die „France« regt den Gedanken an, das Grundstück des Banquier Michel Heine, das zur Unglücksstätte geworden ist, solle mittels einer Sammlung käuflich erworben und daraus ein Denkmal für die Verunglückten errichtet werden.
Paris, 8. Mai. Die amtliche end- giltigeTotenliste desBazardrandes weist 124 Personen auf, wovon nur IIS erkannt sind
Paris. 8 Mai. Obgleich keine SkaatS- trauer angeordnet ist, sind doch heute, am Tag der Trauer für die Verbrannten, die meisten Läden geschlossen. Der Tempelhof vor der Notre-Dame Kirche ist durch Polizisten und Truppen abgesperrt. Dichte Volksmassen stehen an den Zugängen. Kurz vor 12 Uhr fuhren die zur Feier Geladenen vor: Generäle, hohe Würdenträger in Uniformen, das diplomatische Korps, darunter vier Mitglieder der türkischen Botschaft, die mit unterdrücktem Murren empfangen wurden. Die größte Aufmerksamkeit erregte der Londoner Lordmajor mit Schwert und Keulen» träger im Amtsornat.
Paris, 8. Mai. Einzelne Blätter stellen bedauernd das zwar sehr korrekte aber rein etikettenmäßige Beileidstelegramm des Zaren den tiefgefühlten Beileidsbezeigungen des deutschen Kaisers gegenüber.
In Frankreich machen die Sozialdemokraten äußerst schlechte Geschäfte. Die Stadt Marseille, wo sie alle Gemeinderatssttzr seit einigen Jahren inne haben, ist durch die unsinnige Geldverschwendung der Sozialdemokraten bankerott geworden. In Alm, wo die Sozialisten eine eigene Glasfabrik errichtet haben, um die Glasfabrik des Herrn Resseguier in Carmaux lahm zu legen, haben die Arbeiter infolge völlig stockenden Absatzes seit 2 Monaten keinen Lohn mehr bekommen. Auch hier gilt das bekannte Bibelwort: „An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen." Wenn die Sozialdemokraten erst überall an's Ruder kämen, so könnte die Wirtschaft ja recht nett werden. (In Deutsch, land ist es bekanntlich bei den sozialistischen Unternehmungen kein Haar besser. Die Angestellten der vielen, fast ausnahmslos in den Händen der Sozialdemokraten befindlichen Konsumvereine in Sachsen müssen täglich mehr als 15 Stunden arbeiten und bekommen dabei eine geradezu miserable Bezahlung. Alle Bittgesuche um Verkürzung der Arbeitszeit und um bessere Bezahlung werden von den Soziallsten- füyrern daselbst mit grober Behandlung oder plötzlicher Entlassung oer Angestellten bestraft.)
Belestino. 8. Mai. Die Griechen haben Volo verlassen. Die Kriegsschiffe Englands, Rußlands, Frankreichs, Oesterreich - Ungarn» landeten Mannschaften, um die von Griechen entblößte Stadt zu schützen. Die Konsuln, welche hier eingetroffen, haben die Absicht mit Cdhem Pascha zu verhandeln. Türkische Truppen rücke« in die Stadt, um sie in Besitz zu nehmen. Die Griechen sind nach Armyros geflohen, um sich mit der Armee in Domoko zu vereinigen.
Athen, 8. Mai. Die griechische Regier- ung erklärte, daß, falls die Mächte auf der Abberufung der griechischen Truppen aus Kreta als einer Bedingung für die Vermittlung zwischen der Türkei und Griechenland bestehen sollten, letzteres den Krieg bis zur Vernichtung sortfitzen werde.
Athen, 8. Mai. Die Regierung zeigte gestern Abend den Vertretern der Mächte an, daß die Küste von Epirus blockiert sei.