sei, werden gebaut werden müssen, wenn einmal das Kleinbahnsystem eingeführl werde, was als sicher in Aussichl genommen werden müsse. In bahnlosen Gegenden mache sich heute schon ein Rückzug der merkantilen und industriellen Verhältnisse bemerkbar. Es sei Pflicht des Siaates soweit als möglich hier Abhilfe zu schaffen. Redner weist aus die Verhältnisse in Sachsen hin, wo trotz erhöhter Schwierigkeiten den Nebenbahnen volle Aufmerksamkeit geschenkt werde. Zur Zeit werden dort 4 solcher Bahnen neu erstellt, ovglcich die Verzinsung der dortigen Schmalspurbahnen eine minimale sei. Man dürfe aber die Bedeutung der Schmalspurbahnen als Zu- fahrtsbahnen zur Hauptbahn nicht übersehen. Es handle sich hierbei aber um ökonomische und industrielle Interessen, um die Frage, ob der Volkswohlstand sich hebe; da trece die Frage der Ver- zinsung zurück. Sachsen habe hierin günstige Erfahrungen gemacht; die Industrie sei sehr ge- fördert worden, auch die Einkommensverhältmste haben einen ganz erheblichen Aufschwung ge- nommen gerade in den Bezirken, wo solche Schmalspurbahnen erstellt wurden. Man sei in Sachsen vollständig davon abgekommen, die Frage der Erbauung von Bahnen davon abhängig zu machen, ob dieselben unmittelbar rentieren. Bei uns liegen die Verhältnisse wie in Sachsen. Die Hauptbahnen sind ausgebaut, es handelt sich jetzt um das Netz der Neben- bahnen. Er rst Pflicht der Regierung uns der Volksvertretung, die großen wirnchafuichen Ziele und Interessen zu fördern. D>e volkswirtschaftliche Kommission hat bezüglich des weiteren Ausbaus des württemb. Bahnnetzcs folgende Grundsätze aufgestellt. Der Bau von Nebenbahnen sollte in rascherer Folge geschehen, solche Gegenden, die von bestehenden Bahnen sehr erheblich entfernt sind, sollen besonders berücksichtigt werden, ein Programm für eine Reihe von Jahren ist aufzustellen, die Interessenten haben Zuschüsse zu gewähren, wenigstens für die Kosten der Grunderwerbung aufzukommen, Privatunlernehmungen sollen nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden, man solle nicht an der Uebung festhalten, daß der Bau von Bahnen, die keine volle Verzinsung erwarten lassen, nur nach Maßgabe der vorhandenen Restmittel erfolgen dürfe. Das hohe Haus sollte sich über diese Grundsätze einigen. Die Stkuervorlagen seien nicht wichtiger, wie die gegenwärtige. Abg. Dr. Harlrans l—Böblingen: Man stehe vor einem Wendepunkt. Der Lolalverkehr müsse gehoben werden, die Elsendahnverwaltung habe ja auch mit Serpollelwagen ufw. Versuche an- gestelll. Ein Fortschreilen mit dem Bau von Nebenbahnen sei dringend zu wünschen. Man müsse hierfür die geeigneten Gegenden finden, nicht überall wirke eine Lokalbahn auf den Volkswohlstand. Die Erfahrungen, die man mit Tertiärbahnen gemacht habe, seien günstig, in einer ganzen Reihe von Thälern könnten mit Vorteil Straßenbahnen angelegt werden. Bei dem Bau von Straßen sollte von vorn- herein die Anlage von Schienen in Aussicht genommen werden. Es kann nur eine Frage der Zeit sein, eine Reihe von solchen Bahnen zu errichten. Durch die neuen Berkehrsverhältnisse hat der Bauer eine schwere Konkurrenz bekommen, durch die Kleinbahnen wird es ihm möglich werden, seine Produkte auf den Markt zu bringen, die Frachtsätze müssen niedriger sein. Der Bau von Kleinbahnen sollte gesetzlich ge- regelt werden. Die Privatgesellschaften werden dann mehr als seither sich am Bau beteiligen. Ministerpräsident v. Mittnacht: Es wäre zweckmäßig gewesen, wenn die Regierung schon zur Kommtssionsberatung zugezogen worden wäre. Gegen die Annahme der beantragten Grundsätze hat der Minister die verschiedensten Bedenken, die er der Reihe nach ausführt; er ist der Meinung, daß man für Nebenbahnen schon viel Geld ausgegeben habe. In den letzten Jahren sei hierin schon manches geschehen. Redner giebt eine Uebersichl über die gebauten Bahnen und die hierfür ausgewenbeten Kosten. Keine einzige davon habe das Anlagekapital verzinst. Eine Beschränkung im Bau von unrentablen Nebenbahnen war geboten. Jetzt sei die Finanzlage etwas gebessert. Für das Jahr 1896/97 werde
das Eisenbahndefizit voraussichtlich verschwinden. Wenn anqestchtS der jetzigen Finanzlage im Bahnbau Fortschritte gewünscht werden, so sei er nicht dagegen, übertrieben dürfe die Sache aber nicht werden. Die im Kommissionsbericht empfohlenen Bahnprojekte werden eine jährliche Verzinsung von 400 009 erfordern. Die Verkehrsverhältnisse könnten sich auch wieder verschlechtern, die Frage sei für den Leiter der Finanzen sehr ernst. Eine gewisse Schranke gegen übermäßige Eisenbahnwünsche müsse bestehen bleiben. Die volkswirtschaftlichen Grundsätze seien schön, die Finanzlage des Staats komme aber auch in Betracht. Der Minister bemerkt, daß gegenwärtig ein Eisenbahnfieber im Lande herrsche, man stelle Projekte oft nur auf, weil der Nachbar auch eines ausgestellt habe. Mit den Leistungen der Interessenten gehe cs dann in der Regel sehr langsam, wofür Redner Beispiele anführt. Die Regierung beabsichtigt zur Zeit keine Kleinbahnen zu bauen; ein Gesetz in dieser Richtung sei in Vorbereitung. Die Grundsätze der Kommission werden schließlich nach dem Antrag Gröber und Stockmayec angenommen. Nächste Sitzung: Morgen 9 Uhr. Tagesordnung: Rest der heutigen.
Stuttgarter Pferdemarktlotterie. Bei der gestern stattgehabten Ziehung fielen die 25 Pferdegewinne auf die Nummern: 4278 5230. 13602. 14377. 17683. 23811. 29797. 30621. 32758. 34610 38014. 39775 45483. 51828. 52765. 63527. 64073. 66434. 66660. 70861 74031. 80063. 87486 106610 uns 107773. — Geldgewinne: 5000 fielen auf die Nr. 81078, 2000 vkL auf Nr 97628, 1000 »lL auf Nr. 85890, je 500 -/L auf Nr. 69881. 67464. 72912. 100234
Schorndorf, 30. April. Gestern nachmittag zogen 2 schwere Gewitter über das Remsthal und den Schurwald, von Nordwest nach Südost. In Schlichten und Thomashardt fiel ziemlich starker H^gel. der Blüten und Blätter von den Bäumen schlug und Gartengewächse beschädigte.
Vom Ries, 26. April. Käsereibesitzer Meyer von Megesheim verletzte sich vor einigen Tagen mit einem rostigen Nagel am Finger, beachtete aber diese anscheinend geringe Verwundung so wenig, daß er noch die Arbeit der Aussaat besorgte. Dabei wurde die Wunde wiederholt verunreinigt und die beklagenswerte Folge war, daß der von Kraft und Gesundheit strotzende stattliche Mann am Ostermontag einer rasch auftretenden Blutvergiftung erliegen mußte.
Ausland.
Athen, 29. April. Den Staatsbeamten in allen Ministerien und öffentlichen Aemtern wurde mitgeteilt, daß sie für Monat April anstatt effektiver Zchlung ihrer Gehälter noch eine Anweisung bekommen würden, welche alle Steuerämter als gellend annehmen würden. Diese Nachricht hat einen sehr peinlichen Eindruck hervorgerufen, umsomehr, als für den Monat März, wie ein Erlaß den Beamten mitteilte, je nach dem Stand derselben ein 10- bis 20- prozentiger Abzug gemacht wird.
Unterhaltender Heil.
Falsche Spuren.
Criminal-Novelle von Ferdinand Hermann.
(Fortsetzung.)
Es war ein sehr dankenswerter Fingerzeig, den die Frau Mertens da erhalten hatte, denn sie wurde dadurch in die Lage versetzt, kaum fünf Minuten später in der Begleitung des allen Sanitätsrat das Haus des Fräuleins wieder zu betreten. Der Arzt schaute der Regungslosen ins Gesicht, faßte nach ihren Handgelenken und horchte an ihrem Herzen. Dann sagte er gelassen: „Der Tod ist schon seit mehreren Stunden, wahrscheinlich bereits gestern Abend eingetreten! Die Ursache ist ohne Zweifel ein Herzschlag gewesen, denn die Verstorbene war seit Jahren herzleidend.? Sie müssen die Familie des Fräuleins benachrichtigen; ich werde Ihnen sogleich einen Todenschein ausstellen.
Er führte einen Taschenschreibzeug bei sich und breitete dasselbe auf einem anderen Tisch
auseinander, um sich in aller Ruhe zur Erledig, ung der Angelegenheit fertig zu machen. Da wurde von außen an die Thür des Zimmers geklopft und auf des Sanitätsrats kurz angebundenes „Herein!" trat ein fein gekleideter Herr von jüngeren Jahren über die Schwelle. „Guten Morgen, Herr Rath!" sagte er. „Verzeihen Sie mein unbefugtes Eindringen, ich sehe wohl, daß ich überflüistg bin. Aber ich sah Ihren Wagen vor dem Hause halten und erfuhr von einigen Neugierigen den Unfall, welcher Fräulein Hegemeier zugestoßen sein soll; da ich der alten Dame für manche menschenfreundliche Hilfeleistung, welche sie auf meine Bitten einem Kranken zu teil werden ließ, zu Dank verpflichtet bin, so hielt ich es für meine Aufgabe, selbst nachzusehen, ob ich nicht doch vielleicht noch nützlich sein könnte!"
Der Sanitätsrat schien durch das Erscheinen seines jüngeren Berufsgenossen, besten ruhige Sicherheit nichts von respektvoller Unterwürfig, keit durchblicken ließ, keineswegs sehr angenehm berührt, und nur mit einer gewissermaßen herablassenden Höflichkeit sagte er nach einer neuen merklichen Verbeugung:
„Sie kommen leider zu spät, Herr Kollege, gerade wie ich! Ohne Zweifel ein Herzschlag! Aber wenn Sie sich gefälligst selbst überzeugen wollen."
Der jüngere Arzt legte in der That Hut und Handschuhe ab und beugte sich zu der Verstorbenen nieder.
„Sie haben das Fräulein behandelt, Herr Sanitäisrat?" fragte er.
„Ich besuchte sie gelegentlich. Darf ich fragen, warum?"
„So hat sie ohne Zweifel von^Jhnen daS Rezept zu Chloroform?"
„Das Rezept zu Chloroform?" gab der Sanitätsrat verwundert zurück. „Niemals! Aber ich verstehe nicht, wie sie zu dieser Annahme kommen, Herr Kollege."
„Der unverkennbare Geruch fiel mir schon beim Betreten des Zimmers auf und ist sicherlich auch Ihnen nicht entgangen, Herr Rath!"
Der alte Herr biß sich auf die Lippen, aber er sog doch unwillkürlich mit der Nase und meinte dann kopfschüttelnd:
„Allerdings! Sie scheinen nicht Unrecht zu haben. Aber vielleicht litt die Verstorbene an Zahnschmerzen und dergleichen. Sie glauben doch nicht etwa, daß dieser Chloroformgeruch mit ihrem Tode in irgend welchem Zusammenhänge steht?"
„Darüber habe ich in diesem Augenblicke noch kein Urteil! Aber wir thun wohl am besten, wenn wir die Aufwärterin befragen. Frau Mertens!"
Die Gerufene, welche sich im Nebenzimmer aufgehalten, kam zaghaft und mit scheuen Seitenblicken auf die Leiche herein; aber sie war dennoch gefaßt genug, um auf die Frage des jungen Arztes rasche und bestimmte Auskunft zu geben.
„Wann haben sie Fräulein Hegemeier zuletzt gesehen?"
„Ich war bis gegen sechs Uhr gestern Nach, mittag bei ihr."
„Befand sich das Fräulein unwohl? klagte es vielleicht über Zahnschmerzen?"
„Durchaus nicht! Sie war im Gegenteil sehr gesprächig und aufgeräumt."
„Ist Ihnen zufällig bekannt, ob sie Chloroform im Hause hatte?"
„Gewiß nicht. Ich habe ihre kleine Hausapotheke oft genug säubern müssen; aber von dem, was Sie da nennen, war nichts darin!"
Der Doktor machte ein ernstes Gesicht, während der Sanilätsrat die Fragen seines eifrigen Kollegen mit einem geringschätzigen Achselzucken begleitet hatte.
„Es ist Ihnen nicht bekannt, ob Fräulein Hegemeier gestern Abend noch einen Besuch empfangen?" fragte der Doktor nach einer kurzen Pause des Nachdenkens weiter.
„Einen Besuch? Nein, das weiß ich nicht! Sie sagte nur, daß sie am Abend ihre Schneiderin erwarte,"
„Ihre Schneiderin? Wer ist daS?" j „Fräulein Therese Ulrich aus der N.straße