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herrliche Sonnenschein, der heute über dem gewaltigen Bergrücken Kaltenbronn glänzt, des Kaisers Wangen bräunen und die frische Luft in Badens Forsten ihn laben und stärken mögen. Die Auerhähne mögen das Balzen nicht ver­gessen. selbst auf die Gefahr hin. daß dem einen oder anderen dieser hübschen Vögel kein Mai mehr blühe!

Karlsruhe,K 27. April. Prinz Wilhelm von Baden ist heute früh 6 Uhr im Beisein Sr Kgl. Hoheit des Großherzogs, des Prinzen Karl und Minister von Brauer gestorben. Der Kaiser, der in Kaltenbronn der Auerhahnjagd obliegen wollte, trifft um 10 Uhr 50 Min. in Karlsruhe ein. Wilhelm Ludwig August, dritter Sohn des Großherzogs Leopold und Bruder des Großherzogs Friedrich, geb. 18. Dez. 1829, avancierte in preußischen Diensten, aus denen er 1863 schied, zum Generalmajor und Kommandeur der Garde­artilleriebrigade. befehligte 1866 die badische Division im 8. Bundeskorps, 187071 die bad. 1. Brigade des Werderschen Korps und wurde bei Nuits schwer verwundet. 187173 gehörte er als bad. Abgeordneter dem Reichstag an, auch wurde er General der Infanterie. Er ist seit 1863 vermählt mit Maria, geb. Prinzessin von Leuchtenberg.

Karlsruhe. 27. April. Der Kaiser brach bei der Nachricht vom Tode des PrinzenWilhelm die vom Glück ziemlich begünstigte Auerhahnjagd auf dem Kaltenbronn ab, traf heute Morgen 10 Uhr 50 Minuten hier ein und begab sich sofort in das Trauer­haus zu der Frau Prinzessin Wilhelm und deren Kindern. PrinzWilhelm soll bis zu dem letzten Augenblicke das Bewußtsein bewahrt haben, die ganze fürstliche Familie befand sich am Sterbebette. Die Beisetzung findet wahr­scheinlich Samstag statt in der Gruft der Stadt- kirche; der Großherzog hat sich alle näheren Anordnungen Vorbehalten.

Cronberg i. T., 27. April. Der Kaiser ist infolge veränderter Reisedispositionen heute Nachmittag 5 Uhr, von Karlsruhe kommend, hier eingetroffen und wurde von der Kaiserin Friedrich und der Prinzessin Friedrich Karl am Bahnhof empfangen und zu Wagen nach Schloß Friedrichshof geleitet.

Cronberg, 27. April. Die Abreise des Kaisers nach Schlitz ist auf morgen nach- mittag 3 Uhr 50 Min. festgesetzt.

Berlin, 26. April. Die Kaiserin empfing am Samstag die Mitglieder der Expedition des Roten Kreuzes für den griechischen Kriegsschauplatz, an der Spitze Oberstabsarzt Rosse! und Stabsarzt Velde, und überreichte ihnen Armbinden. Die Blättermeldung, die Entsendung der Expe­dition sei eine Folge des Gesuches der griechi­schen Kronprinzessin Sophia, ist unrichtig. Eine gleiche Expedition nach Konstantinopel ist in der Bildung begriffen, nachdem dort das deutsche Anerbieten angenommen wurde.

Berlin. 27. April. Der deutsche Inn- ungstag und Allg. Handwerkertag nahm einstimmig eine Resolution an, welche den Ge­setzentwurf auf Abänderung der Gewerbeordnung nur dann für annehmbar erklärte, wenn die einheitliche Organisation des gesamten deutschen Handwerks in Form von Zwangsinnungen unter Festhaltung der Dreiteilung (Meister, Geselle und Lehrling) eingeführt wird und wann Meister sich nur derjenige nennen darf, welcher den Befähigungsnachweis erbracht hat. sowie wann die Erhaltung der Jnnungskrankenkaffe, gegen­über der Ortskrankenkasse gewährleistet wird. Ferner wurde einstimmig eine Resolution an­genommen, wonach der Handwerkerlag erklärt, daß die Verordnung des Bundesrats betreffend die Beschränkung der Ausbildungszeit im Bäckerei­gewerbe das Handwerk schwer schädige und der Bundesrat ersucht wird, die Verordnung aufzu­heben. Der Handwerkertag wurde darauf ge­schloffen.

Zur Invalidenversicherung. Die Beitragserstattung an weibliche Versicherte, welche sich verheiratet haben und an Wittwen und Waisen verstorbener Versicherter ist stetig im

Steigen begriffen. Im Jahre 1896 erhielten rund 77000 Personen 1,9 Millionen Mk. Bei­träge zurückerstattet, nämlich 1,4 Mill. für Ber- Heiratungen und 0,5 Millionen für Todesfälle. Im Reichsversicherungsamt sind über die vor­aussichtliche Zahl der künftigen Verheiratungs- fälle Berechnungen angestellt worden. Danach ist diese Zahl vom zwanzigsten bis zum siebzig­sten Lebensjahre auf jährlich etwa 180000 an­zunehmen.

Höchst, 23. April. Die Nachfrage nach demneuen Tuberkulin Koch" ist augenblicklich eine ganz enorme. Von den Farbwerken in Höchst werden fast jeden Tag 1000 und mehr Fläschchen dieses Präparats in alle Weltgegenden verschickt.

Das Maifeierblatt,

welches die Sozialdemokratie ihren Anhängern als Festgruß zumWeltfeiertag 1897" dar­bringt, ist erschienen. Es kommt gerade recht in dem Augenblicke, wo die Kunde von dem Mordanschlag auf König Humbert die Aufmerk­samkeit der Welt unwillkürlich auf die Umtriebe der Sozialrevolution lenkt, und wo der Träger derselben, die internationale Sozialdemokratie, alle Kräfte anspannt, um sich von dem Ber- dachte einer Mitschuld zu reinigen. Das Maiblatt" bildet eine beredte Widerlegung der sozialistischen Unschuldsbeteuerungen. In Wort und Bild ist es voll durchtränkt von dem Gifte des Haffes gegen die besitzenden Bolksklassen und wohl darauf berechnet, die menschliche Leidenschaft in Wallung zu bringen.

Das Bild stellt die Wissenschaft in phrygi- gischer Mütze, also im Gewände der gewaltsamen Revolution, dar und läßt die breiten Volks­massen zu ihren Quellen strömen, um dort die wahre Erkenntnis" einzusaugen und durch sie zum Kampfe mit demGeistesschwert" gerüstet zu werden. Die Wissenschaft im Dienste des Umsturzes! Die sozialrsvolutwnäre Bewegung ein Kampf mit geistigen Waffen! Dreister kann in der That die Heuchelei nicht versucht werden!

Welcher Art diesesGeistesschwert" ist, zeigt sich in den gedruckten Artikeln. Von den vielen schwülstigen Phrasen über den Achtstunden- arbeitstag abgesehen, wird darin eine Verherr- lichung des Hamburger Ausstandes versucht, trotz des geradezu kläglichen Ausganges desselben für die Sozialdemokratie und trotz des unsag­baren Elends, welches er den Arbeitern bereitete. Die Schürer desselben haben ja keine Not ge­litten , darum haben sie gut reden. Aber eine Versündigung ohnegleichen an dem deutschen Arbeiterstande bleibt es, wenn sie ihn trotz aller nachteiligen Erfahrungen so bald als möglich wieder in das Elend der Lohnkämpfe Hinein­treiben wollen.

Die Saat, die hier ausgestreut wird, muß natürlich die traurigsten Früchte zeitigen, und es wird erklärlich, wenn gewaltthätige Naturen zur Mordwaffe greifen. Die Sozialdemokratie mag sich noch sc, eifrig ihrer Unschuld rühmen ihr neuestesMaiblatt" allein schon straft sie lügen. Sie trägt die Verantwortung für die Verirrungen ihrer Anhänger.

Württemberg.

Stuttgart, 23. April. 121. Sitzung der Kammer der Abgeordneten. Tagesordnung: Petitionen, Verschiedenes. Zu­nächst wird verhandelt die Beschwerde des Gips- dielenfabrikanten O. Mack Ludwigsburg. Be­richterstatter ist Abg. Eckard. lieber Mack wurde von Amtsrichter Tscherning eine 24stündige Haft wegen Ungebühr verhängt. Auf eingelegte Beschwerde haben zwei Vorgesetzte Gerichte aus­gesprochen, daß diese Strafe als durch die Um- stände keineswegs gerechtfertigt angesehen werden könne. Eine Bestrafung des Amtsrichters ist aber nicht erfolgt. Die Petitionskommisfion kommt zu dem Antrag:Die Kammer wolle be­schließen über die Beschwerde des Mack gegen Tscherning zur Tagesordnung überzugehen mit dem Ausdruck des Bedauerns über das durch zwei Vorgesetzte Gerichte für ungerechtfertigt an­erkannte Vorgehen eines Richters, durch welches die Ehre und Freiheit eines Staatsbürgers em­pfindlich geschädigt wurden". Abg. Rembold

stellte den Antrag: Die Kgl. Regierung zu er­suchen, im Wege der allgemeinen Dienstaussicht die Anordnung zu treffen: 1) daß die Gerichte und andere mit Strafbefugnis versehene Be- Hörden in allen Fällen, in welchen eine Ab­führung zur Haft oder sofortige Vollstreckung der Haftstrafe erfolgt ist. der unmittelbar vor- gesetzten Dienstaufstchlsbehörde die Akten mit dem betreffenden Beschlüsse und dessen Begründung in thunlichster Bälde zur Einsicht vorzulegen haben, welche eine Abführung zur Haft oder eine Ordnungs- bezw. Ungebührstrafe anordncn, in den jährlichen Prozeß bezw Straflisten auf­zuführen seien. Der Kommissionsankrag wird angenommen, der Antrag Rembold an die Kom­mission verwiesen.' 122. Sitzung. Zunächst kommt zur Verhandlung die Bitte der bürgerl. Kollegien von Jngerkmgen, Altheim, Langen- schemmern, Aufhofen OA. Biberach um Ver­besserung der Staatsstraße Nr. 43. Die Pe. titionskommission (Berichterstatter Abg. Spieß) stellt den Antrag. das Gesuch der Regierung zur thunlichsten Berücksichtigung zu übergeben. Abg. Sachs stellt den Antrag auf Ucbergang zur Tagesordnung und begründet denselben ein­gehend. Man dürfe einen solchen Vorgang nicht schaffen. Minister v. Pischek: Die fragliche Straßenkorrektion ist wünschenswert, das ist aber in einer ganzen Reihe von anderen Fällen auch konstatiert. Die verwilligten Mittel sind für dringendere Bauten aufzuwenden. Der Minister empfiehlt Uebergang zur Tagesordnung. Nach einer kurzen Bemerkung des Abg. Hartranft- Freudenstadt beschließt das Haus demgemäß. Zu Art. 8. Z'ff. 11 des Nachtrags zum Finanz­gesetz beantragt und begründet der Berichterstatter Sachs namens der Finanzkommission: 1) die außerordentliche Exigenz zur Errichtung einer staatlichen Präparandenanstalt in dem Kameral- amtsgebäude zu Ochsenhausen und zur Erbauung eines Kameralamtsgebäudes in Biberach mit 132000 abzulehnen; 2) der Regierung die Bereitwilligkeit zu erklären, die Mittel zum Bau einer staatlichen Präparandenanstalt in Saulgau zu verwilligen. Die Trennung der beiden Schul­anstalten sei unzweckmäßig und die Verlegung des Kammeralamts vonOchsenhausen nach Biberach nicht absolut dringlich. Frhr. v. Gültlingen stellt den Antrag, die Regierungsvorlage wieder herzustellen. Man müsse sparen. Es sei nach dem Urteil von Sachverständigen keineswegs nötig, daß die Präparandenanstalt mit dem Seminar in Saulgau vereinigt werde. Minister v. Sarwey: Aus Sparsamkeitsrücksichten solle der Antrag v. Gültlingen angenommen werden, Minister Dr. v. Riecke tritt gleichfalls für die Regierungsvorlage ein. Die Verlegung des Kameralamts nach Biberach sei notwendig und gerade jetzt zweckmäßig. Der Aufwand in Saul- gau wäre weit höher. Der Antrag v. Gült­lingen wird trotzdem mit 38 gegen 31 Stimmen abgelehnt, der Antrag der Kommission ange­nommen.

Stuttgart, 26. April. Bis heute Vorm. 10 Uhr sind dem Pferdemarkt auf dem Vorplatz der Gewerbehalle und der Garnisonskirche rund 900 Pferde zugesührt worden; 125 Pferde stehen in den städt. Stallungen, rund 200 Pferde in Privatstallungen (Zirkus u. s. w.). Die gesundheitliche Visitation der Tiere ergab keinen Anstand. Diesjährig werden 25 Pferde als Gewinnste in die Lotterie einverleibt, der Ankauf von Land-, Arbeits- und Luxuspferden fand heute Vormittag statt.

Stuttgari. sLandesproduktenbörse. Bericht vom 26. April, von dem Vorstand Fritz Kreglinger.) Seit unserem letzten Bericht vom 12. d. M. hat sich die Stimmung im Getreidegeschäft wesentlich veräudert. Beeinflußt von den politischen Nachrichten und von der Abnahme der sichtbaren Vorräte erfuhren die Weizen­preise eine starke Steigerung. Unsere Mühlen zeigen auch wieder mehr Kauflust, da die Vorräte an Weizen bei denselben knapper werden und sich auch für Mehl bessere Nachfrage beltend macht. Mit Inlandsware ist ziemlich stark aufgeräumt. Mehlpreise pr. 100 Kilogr. inkl. Sack: Mehl Nr. 0: 29 50 ^ bis

30 Nr. 1: 27 bis 28 «!, Nr.

2: 25 «üi 50 bis 26 50 Nr. 3: 24 ^

bis 25 Nr. 4: 21 ^ 50 bis 22

-j. Suppengries 30 Kleie 8 -kL

Fortsetzung in der Beilage.

Redaktion, Druck und Verlag von C. Meeh in Neuenbürg.