Mit dem griechisch-türkischen! Kriege ist es jetzt wirklich ernst ge- worden, die türkischen Truppen haben die Grenze Griechenlands bereits überschritten. Die Griechen haben jetzt das, was sie so sehnlich herbei­wünschten: den Krieg. Es ist unnötig, heute darüber zu orakeln. ob die Mächte nicht gleich von Anfang an klüger gethan hätten, wenn sie es auf ein Duell zwischen Griechenland und der Türkei hätten ankommen lassen, ohne sich erst hineinzumischen. Jetzt wird es ihre Aufgabe sein, dafür zu sorgen, daß der durch Griechen­land entzündete Krieg nicht weiter um sich greift, und bei den friedlichen Neigungen, die man heute wohl bei allen in erster Linie in Betracht kommenden Mächten voraussetzen dari, wird dieses Ziel wohl auch erreicht werden. Die große Wahrscheinlichkeit spricht dafür, daß die Griechen sich eine ganz furchtbare Niederlage zuziehen werden, denn einmal sind die türkischen Truppen zahlenmäßig stärker, sodann aber machen die bisher von der Grenze eingehenden Berichte durchaus nicht den Eindruck, als ob bei den griechischen Soldaten eine solche Disziplin und solche militärische Ausbildung vorherrsche, daß man dadurch das zahlenmäßige Uebergewicht der Türken ausglcichen könnte. Der Ruf des türkischen Soldaten ist, was Ausdauer und Tapferkeit anlangt, unbestritten, wohingegen sich die Griechen bisher immer nur recht mittelmäßig geschlagen haben. Ob freilich die türkischen Soldaten heute noch auf der Höhe stehen, die sie unstreitig im russisch türkischen Kriege ein- nahmen, muß erst durch die Erfahrung gezeigt werden, denn die schwere Mißwirtschaft, die auf dem türkischen Reiche lastet, wird auch bei der Armee ungünstige Folgen gezeitigt haben; was die Frage der Schuld an dem Kriege anbelangt, so kann kein denkender Mensch darüber im Zweifel sein, daß die alleinige Schuld auf Griechenland fällt, selbst dann wenn der offizielle Krieg durch die türkische Kriegs­erklärung eröffnet wird. Schon nach dem Er- scheinen der griechischen Truppen unter Oberst Vassos in Kreta hatte die türkische Regierung das unzweifelhafte Recht, sich als von Griechen- land zum Kriege herausgefordert zu betrachten, vollends aber jetzt, nachdem die griechischen Grenzverletzungen staltgesunden haben.

Prof. Dr. Robert Koch ist aus Süd­afrika in Bombay eingetroffen, um die Leitung der Arbeiten der dort behufs Studiums der P-.st weilenden deutschen Kommission zu übernehmen. Die Weiterführung der von dem berühmten Forscher in die Wege geleiteten Untersuchungen über die Rmdcrpfft in Kapland hat Dr. Kolle vom Berliner Institut für Infektionskrankheiten übernommen, zu welchem Behufe sich Dr. Kolle nächstens nach Südafrika begeben wird.

Berlin, 20. April. In dem Juwelier- laden von Wille in der Neuen Grünstraße ist ein Einbruch verübt worden. Gestohlen wurden Goldsachcn tm Werl von 1215 000

In Sachsen haben laut Beschluß des Seniorenkonvents der zweiten Kammer die kov servative, die nationalliberale und die fortschritt­liche nicht freisinnige Partei ihr Wahl kartell auch für die nächsten Neuwahlen zum sächsischen Landtage erneuert. Dasselbe richtet sich in erster Linie selbstverständlich gegen die Sozialdemokraten, aber zweifellos würde es nötigenfalls auch gegen die Freisinnigen Richter'- scheu Farbe und gegen die deutsch-soziale Reform- Partei angewendet werden, und hierzu wird es wohl speziell gegenüber der letzteren Partei kommen, da dieselbe bei den im Herbst statt- sinkenden Landtagswahlen eine ganze Reihe von Landtagswahlkreijen, die sich hauptsächlich im Besitz der Konservativen befinden, anzugreifen gedenkt. B.sser wäre es freilich, wenn ein solcher Kampf unter den bürgerlichen Parteien vermieden werden könnte, denn er würde seine ungünstigen Rückwirkungen auch auf die Reichstagswahlen äußern, und doch haben bei denselben die bürger­lichen Parteien gerade in Sachjen allen Anlaß, fist gegen die Sozialdemokratie zusammenzustehen.

Graudenz, 20. April. Wie demGrau- denzer Geselligen" aus Osterrode in Ostpreußen gemeldet wird, find durch Umkippen eines Segel­boots auf dem Drewenz-See 7 Soldaten er- trunken.

Württemberg.

Se. Maj. der König hat unterm 17 April verfügt: v. Bilfinger, Generalmajor und Generaladjutant, wird zum Generallieutenant befördert.

Stuttgart, 20 April. Der langjährige Redakteur desBeobachter" Eugen Binder erlitt am Ostersonntag, auf einer Bank in den K. Anlagen sitzend, einen Gehirn- schlag, demzufolge 2 Tage darauf der Tod eintrat. Der Verstorbene stand im 60. Lebens­jahre. Im Prozeß Schlör legte erst kürzlich der Verteidiger Binders gegen das Urteil Revision bei dem Reichsgericht ein

Stuttgart, 20. April. Durch den Tod des Verlegers und Redakteurs desBeobachter" Eugen Binder ist in dem ihn betr. Prozeß Schlör eine vollständige Wendung eingelrelen. Durch das Revisionsgesuch des Verteidigers Binders ist das Urteil der Strafkammer nicht rechtskräftig geworden und kann auch überhaupt nicht mehr rechtskräftig werden. Infolge dessen haben die Hinterbliebenen Binders nicht nur die 200 Geldstrafe nicht zu z ihlen, sondern auch nicht die durch den Prozeß entstandenen Kosten, also auch nicht diejenigen für den Verteidiger Dr Elsas. Alle diese Kosten hat nunmehr die Staatskasse zu tragen.

Ulm. 20. April. Hier ist in letzter Zeit ein schändlicher Fall von unlauterem Wettbewerb vorgekommen. Ein hies. Holzhändler bestach den Buchhalter einer anderen Holzhand lung, ihm die Geschäftsgeheimnisse seiner Prinzipale zu verraten und der gewissenlose An­gestellte ließ sich verleiten, dem Konkurrenten nicht nur das Kundenverzeichnis, die Bezugs­quellen der Maschinen, die Baupläne zu einer Neu-Anlage, sondern auch die tägliche laufende Korrespondenz und die Fakturen seines Geschäfts auszuhändigen. Seine geschädigten Prinzipale kamen hinter den Verrat durch den Abdruck eines Brieses ihres Buchhalters auf dem Lösch blatt. Der ungetreue Buchhalter wurde ver­haftet und gegen den Anstifter des Verrats ist von der Staatsanwaltschaft Strafuntersuchung eingeleitet.

Herrenberg, 20. April. Noch recht­zeitig entdeckte heute der Lokomotivführer eines Mittagszuges in der Nähe der hiesigen Station einen jungen Menschen, der sich vom Zug über- fahren lassen wollte. Der lebensmüde junge, 23jährige Maurer Fleck von Mönchberg konnte nur mit Mühe von seinem Vorhaben abgehalten und in einen Güterwagen gebracht werden.

Ausland.

Paris, 20. April. Aus Rom wird dem Figaro" gemeldet, Menotti Garibaldi wolle nun nach Athen reisen, um den Befehl über die italienischen Freiwilligen zu übernehmen. Von anderer Seite wird gemeldet, ein Rundschreiben der italienischen Regierung verbiete die Abreise von Freiwilligen für Griechenland in Massen; 2000 Mann seien bereit und sollten daher einzeln abreisen, um dem Rundschreiben nicht zuwider zu handeln.

Auf Kreta treten die Insurgenten immer unverschämter gegen die Slreitkräfte der Groß Mächte auf. So lieferten sie den österreichischen Truppen in der Gegend zwischen Suva und Malaca ein förmliches Gefecht, über dessen Ver­lauf jedoch noch nichts Näheres bekannt ist. Ferner wurde das österreichische Kriegsschiff Tiger" beim Kloster Nicola von den Jnsur- genten beschossen, wofür derTiger" 2 türkische Segler, die bei der Affaire beteiligt gewesen zu sein scheinen, in Brand schoß. Ein Angriff der Insurgenten auf das Fort Jzzedin wurde mit Hilfe eines italienischen Kriegsschiffes abge­wiesen. Der Stadt Herakleion wurde von den Insurgenten die Wasserleitung abermals abge- jchnitteu. Die Pforte wird jetzt auch durch die aufsässige Haltung der Arnauten oder mohame- dänischen Albanesen von der montenegrinischen Grenze beunruhigt. Dieselben haben sich sogar der Stadt Berane bemächtigt, infolgedessen der Mutessarif von Jpek mit einer Abteilung türkischer Truppen in Berane zur Wiederherstellung der Ordnung eingetroffen tst.

E1 assona, 20. April. Die Türken ' eröffnten gestern Nachmittag das Feuer auf

Tyrnavos, wohin sie die Griechen zurück­geworfen hatten. Heute setzte sich, wie erwartet, die ganze türkische Armee in Vormarsch.

K o n st a n t i n o p e l, 20. April. Hier verlautet, daß die Türken Tyrnavo eingenommen haben.

Petersburg. 20. April. Dem Vernehmen nach wird Prinzessin Heinrich von Preußen anfangs Mai d. I zu einem mehrwöchentllchen Besuche der Kaiserin Alexandra Feodorwna hier eintreffen.

Die Absendung japanischer wie amerikanischer Kriegsschiffe nach den Sandwichsinseln deutet die Möglichkeit eines ernsteren Konfliktes zwischen Japan und den Vereinigten Staaten wegen dieser Südsee-Jnselgruppe an. Die ja­panische Regierung hat auf die Sandwichsmseln wegen ihrer wichtigen Lage auf der Weltverkehrs­straße Dokohama-San Francisko schon längst ihr Auge geworfen. Es wurde die Auswanderung von Japanern nach der Inselgruppe organisiert, um hierdurch deren Heimfall an das Reich deS Micado unmerklich vorzubereiten. Die JankeeS aber, welche selber Absichten auf die Sandwichs» Jnseln hegen, witterten den Plan der japani­schen Regierung, und sie brachten es durch ihren Einfluß dahin, daß die republikanische Regierung der Inseln die Landungserlaubnis für die japa­nischen Einwanderer verweigerte. Die weitere Entwicklung dieses in der fernen Südsee zwischen Japan und der nordamerikanischen Union ent­standenen Streitfalles bleibt nun abzuwarten.

Unterhaltender Heil.

Die Zuckerzange.

Erzählung von Doris Freiin v. Sp 8 tgen.

(Fortsetzung.)

Zwei Monate nach jenem Besuch in Lützow hatte er Barbara in sein, mit allem nur denk­baren Komfort und dem größten Luxus ein­gerichtetes Haus in Berlin >ls jugendliche Herrin eingesührt.

Die Generalin von O. erstem ist im wahren Sinne des Wortes eine beneidenswerte Frau. Ihr Gatte trägt sie auf Händen; ihre Stellung ist unvergleichlich angenehm, ihr Haus ein Schmuck­kästchen und ihr reizendes, stets lachendes Gesicht beweist ja vollkommen, daß sie sich ihres Glückes vollkommen bewußt ist!" so sagten Bekannte und Freunde der jungen Frau.

Ob dieser Ausspruch auch wirklich gerecht­fertigt war? Außer Barbara gab es wohl Niemanden, der das mit Bestimmtheit hatte behaupten können.

Wenn die aufopfernde Liebe und innige Fürsorge eines treuen Gatten, die Hochachtung aller, die ihr nahestanden, einem Frauenherzeu genügen können, dann freilich mußte sie sich gestehen, ein Los erwählt zu haben, um das sie Tausende beneiden konnten. Ja, sie war wohl glücklich!-

Und dennoch kamen Augenblicke, in denen sie sich recht, recht unglücklich fühlte; zuweilen, wenn sie in prächtiger Toilette strahlend von Diamanten an der Sette ihres Gemahls zu einem glänzenden Feste fuhr, oder ihm im traulichen Boudoir gegenüber saß und er sie leidenschaftlich an die Brust zog, indem er wiederholte: sie sei die Perle des weiblichen Geschlechts, ein Engel in Menschengestalt, dann kamen Augenblicke der tiefsten Reue, die an ihrem Herzen nagte, dann fühlte sie sich erniedrigt; denn sie mußte es sich sagen sie betrüge den Gatten, die ganze Welt und sich selbst. Wie gern würde sie Rang, Reichtum, ja allen diesen trügerischen Schimmer mit Freuden hingeben für emen einzigen tiefen, warmen Blick a.is jenen blauen Männeraugen, die sie nur ein Mal geschaut aber nie vergessen konnte! Allein Barbara war standhaft genug, sich dafür selbst die Buße auf­zulegen.

Während der drei Jahre, in denen es ihrem alternden Gatten noch vergönnt war, das Leben mit ihr zu teilen, war sie Tag für Tag, Stunde für Stunde bestrebt gewesen, ihm durch tausendfache Beweise rührender Aufopferung und selbstlosester Pflichterfüllung sein Dasein zu erhellen, fein HauS zu einem wahren Hort drS Glückes zu gestalten.