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veranschlagt. Die bereits bestehenden Sup- plementarkredite eingerechnet, wird das Programm des Marineministers das jährliche Marinebudget um 200 Millionen Franken erhöhen Der Plan soll dem Parlament demnächst unterbreitet werden.
Paris. 25. März. Es verlautet, das Kriegsministerium habe ein Projekt ausgearbeitet, nach dem die Festungsmauern von Paris im Norden und Westen, vom St. Denis-Kanal bis zum Pont du Jour, geschleift, bis zur Seine verlegt und außerdem durch 6 oder 7 Forts geschützt werden sollen. Streitig sei jetzt nur die Ablösungssumme, die die Stadt für das sreiwerdcnde Gelände zahlen soll. Die Verwaltung verlangt 200000,000 Fr., während die Stadt nur die Hälfte dieser Summe bietet.
Athen, 27. März. Wie die „Times" meldet, wurde gestern ein Dekret veröffentlicht, durch welches der Kronprinz zum Höchstkommandierenden der griechischen Armee ernannt wird.
Athen. 27. März. Den Gesandten der Mächte wurde gestern Nachmittag eine Note überreicht, in welcher Griechenland gegen die Blockade Widerspruch erhebt.
Bombay, 26 März. Reutermeldung. Seit dem Ausbruch der Pest stad 10045 Erkrankungen und 8475 Todesfälle an der Pest vorgekommen. Die Gcsamtsterblichkeit in Bombay belief sich auf 1139 Personen gegen 1258 in der Vorwoche. Die Pestbewegung ist unregelmäßig, aber es ist gewiß, daß die Pest im westlichen Indien um sich greift. Nur im Bombay ist eine Abnahme bemerkbar.
Unterhaltender Heil.
Im Dunkel der Nacht.
Eine Erzählung von Otto Eber st ein.
(Nachdruck verboten.)
(Fortsetzung.)
WaS geht hier vor?" fragte Barthelfried, näher tretend, indem er erregt mit beiden Händen durch sein volles graues Haar fuhr.
„Das ist wohl nicht schwer zu erraten, Meister Barthel!" erwiderte kühl der eine der Beamten, welcher Zivilkleidung trug, während die Kleidung des anderen in der Gerichtsdiener- Uniform bestand.
„Ja, ja, Herr Assessor, wenn die Nachricht davon auch nicht wre ein Lauffeuer durch die Stadt gegangen wäre, man würde an den Menschen draußen auf der Straße gesehen haben, daß man im Begriffe steht, hier ein himmelschreiendes Unrecht zu begehen!" brauste der alte Hitzkopf auf, indem er dicht an den Beamten herantrat und den Bewegungen seiner Hände solgte.
Der Assessor unterbrach seine Thätigkeit und wendete sich zu dem Webermeister.
„Sie führen hier eine Sprache, die ich nicht dulden werde, Meister Barthel," sagte er in strengem Tone; „wer giebt Ihnen überhaupt daS Recht, in eine fremde Wohnung einzu- dringen und Gerichtspersonen in der Ausübung amtlicher Funktionen hindern zu wollen?"
„Fremde Wohnung? Meinen Sie, Herr Assessor?" rief der Handwerker in steigender Erregung. Was die ganze Stadt »weiß, ist auch Ihnen nicht unbekannt geblieben, das nämlich, daß dieses Mädchen die Verlobte eines braven Burschen ist, der sie nächstens heiraten wollte. Dieser Bursche aber ist ein naher Verwandter von mir, wie Sie ebenfalls wissen, und da aus der Heirat jetzt nichts werden kann, weil man ihn hinter Schloß und Riegel gesetzt hat, so habe ich die Pflicht, mich dieses verlassenen Wesens anzunchmen und es zu schützen, wenn ihm Unbill widerfährt."
„Ganz gut, Meister; ich schätze und ehre die Gründe, welche Sie hierher geführt haben," versetzte in beruhigendem Tone der Vertreter der Behörde. Aber das wird mich nicht abhalten, meine Schuldigkeit zu thun; es handelt sich hier um Feststellung eines be- stimmten Thatbestandcs, und es soll mich freuen, wenn sich dadurch die Unschuld des Mädchens herausstellt. Mischen Sie sich also lieber nicht
in solche Dinge, Meister, und lassen Sie dem Gesetze seinen Lauf, da Sie doch nichts daran ändern werden.
Es klang wie ein freundschaftlicher Rat. den der Beamte dem alten Manne gab, nicht wie eine Zurechtweisung. Aber Barthelfried war nicht so leicht zu besänftigen; sein Starr- köpf hielt die Anwesenheit des Beamten für einen Akt der Willkür, und anstatt durch die beschwichtigenden Worte desselben zur Einsicht zu gelangen, brachten sie ihn nur noch mehr in Wut.
„Was? Feststellung des Thatbcstandes?" schrie er. rot vor Zorn. „Hier giebt es nichts festzustellen. als die Unschuld vieles Mädchens, das durch sie auf Lebenszeit beschimpft worden ist. Der gute Ruf der armen Näherin ist leicht vernichtet; aber Niemand rührt den Finger, ihn wieder herzustellen, am wenigsten das Gericht. Deshalb leide ich es auch nicht, daß Sie in den Sachen hier noch länger her. umwühlen, sondern verlange, daß Sie sich entfernen und den Leuten draußen sagen, die Ehre des Mädchens sei vollständig erwiesen."
Der rüstige, breitschultrige Mann drängte bei diesen Worten den Beamten mit G walt bei Seite und schob geräuschvoll den Kommodenkasten zu. Der Assessor war bleich geworden.
„Jetzt ist's genug, Barthel!" sagte er streng. „Sie verlassen augenblicklich dicsis Zimmer, oder ich lasse Sie arretieren und fort- führen —"
„Arretieren? Mich, einen Bürger von
I.?" unterbrach der Alte den Beamten.
und seine Augen funkelten. „Ich habe ein Recht, hier zu sein, und den will ich sehen, der mir dieses Recht streitig macht!"
Mit steigender Angst war Hannchen diesem Auftritte gefolgt; sie kannte die Hefligheil des Webers und fürchtete das Schlimmste. Sie sprang auf und hing sich an den Hals des Alten, der ihr mit väterlicher Liebe zugethan war Mit flehendem Ausdrucke ruhten ihre rotgeweinten Augen auf seinem zornentstcllten Antlitz; ihre weiche, magere Hand streichelte seine Wange, und in zärtlichem Tone bat sie, ihr das Unvermeidliche tragen zu helfen und seine Lage nicht durch unkluges Benehmen zu verschlimmern.
Aber eS war zu spät; die Geduld des Assessors war zu Ende, und er mußte die Autorität seines Amtes wahren.
„Im Namen des Gesetzes verhafte ich Sie. Webermeister Gottfried Barthel!" sagte er mit fester Stimme. „Gerichtsdiener, bringen Sie diesen Mann in Gewahrsam; das Weitere wird sich finden."
Ein Angstschrei rang sich von Hannchens Lippen, während der Diener an den Alten herantrat und ihn aufforderte, ihm zu folgen. Barthelfried schien einen Augenblick zu überlegen, ob er gehorchen oder Widerstand leisten solle; aber das Mädchen erriet seine Gedanken, und auf's neue beschwor sie ihn, sich zu fügen. Die sanften Worte der Näherin schienen den Starrsinn des Mannes zu brechen; er begann die Lage, in welche ihn seine Unbesonnenheit gebracht hatte, zu begreifen und einzusehen, daß fernerer Widerstand die schwersten Folgen für ihn haben mußte. Schweigend drückte er dem weinenden Mädchen die Hand; dann ergriff er seine Pelzmütze und sagte:
„Sie wollen mich in's Gefängnis schicken, weil ich diesem hilflosen Mädchen beistehen zu müssen glaubte, Herr Assessor, und ich werde dem Diener folgen, weil mir nichts Anderes übrig bleibt. Aber den Leuten da draußen will ich erzählen, weshalb ich arretiert worden bin, damit sie nicht glauben, ich sei ein Dieb oder Betrüger. — Und Du, Hannchen, beruhige Dich; die Sache kann nicht schlimm werden, und wer Dir ein Unrecht zufügt, der kriegt es mit mir zu thun. Der Barthelfried bleibt doch wer er ist, und wenn sie ihn zehnmal in's Gefängnis schicken!"
„Behüt' Dich Gott, Hannchen!" jagte er mit seltsam weicher Stimme. „Sobald ich kann, bin ich wieder bei Dir!"
Dann wendete er sich rasch ab, winkte dem
Gerichtsdiener und verließ mit diesem schnellen Schrittes das Zimmer.
Draußen auf der Straße hatten sich in- zwischen immer mehr Neugierige eingefunden, die, Schnee und Kälte nicht achtend, das Vorkommnis angelegentlichst erörterten. In einer kleinen Stadt, wo sich die gesamte Einwohnerschaft untereinander kennt, erregt jedes an sich noch so unbedeutende Ereignis ein gewisses Aufsehen und liefert auf lange Zeit hinaus den Stoff zu Stadtgesprächen. Nicht wenige führt Uebelwollen, Schadenfreude und Neugier herbei, und mit gespanntester Aufmerksamkeit folgen sie den Vorgängen und beobachten die in dieselben verwickelten Personen, um d<r in kleinen Orten besonders ausgebildeten Klatschsucht neuen Stoff zuführen zu können. Aber auch wahre Teilnahme, warmes Mitgefühl giebt sich zu erkennen, und selten werden helfende und rettende Hände fehlen, die sich dem vom Unglücke Verfolgten gern und willig entgegenstrccken.
Als der Weber an der Seite des uniformierten Gerichtsdeamten auf die Straße trat, kam Leben und Bewegung in die Leute, welche bisher ruhig plaudernd den Ausgang des gerichtlichen Besuches bei der Näherin erwarteten, obgleich cs dabei eigentlich nicht das Geringste zu sehen gab. Alles drängte sich heran, und ein Chaos von Fragen stürmte auf den Alten ein. Man verlangte zu wissen, weshalb die Haussuchung statlfinde, ob man etwas Ver- dächliges gefunden habe, wer bei der Sache beteiligt sei und hundert andere Dinge.
„Wenn ihr das Alles w ssin wollt, müßt Ihr den Assessor da drinnen fragen; der wird's Euch wohl sagen können!" rief Barthel mit lauter Stimme. „Ich selbst bin ein Gefangener, obgleich ich nicht recht weiß, warum; nur soviel ist gewiß, daß ich in die Frohnseste transportiert und in Untersuchung und Strafe genommen werden soll."
Etn dumpfes Murren ging durch die Menschenmenge, welche sich zusehends vergrößerte und ihrer Mißbilligung über die Verhaftung des alten Webermeisters unverhohlen Ausdruck gab.
(Fortsetzung folgt.)
Nach einer Mitteilung deS Wetterkundigen Hermann Habenicht-Gotha soll Mitteleuropa entgegen der kürzlich geäußerten Ansicht auf einen schönen Sommer Hoffnung haben, da das grönländische Meer wenig Eis habe und auch bei Neufundland, dos vermöge der Meeresströmungen sür unsere Witterungs- Verhältnisse von Einfluß ist, geringe Eismengen ausweist.
Telegramme.
Canea, 28. März. Ein ernster Kampf fand in Ghazi bei Candia statt. Die Türken erlitten dabei beträchtliche Verluste und zogen sich in die Stadt Candia zurück.
— (Havasmeldung). Herolde durchzogen gestern die Stadt und forderten die gläubigen Muselmanen auf, zum Kampfe gegen die Christen ouszuziehen. Der Führer der Aufständischen Korakas erklärte den Dragomanen der Konsulate, welche zu ihm ins Lager kamen, daß er über 16 000 Mann verfüge und sür 5 Monate Lebensmittel besitze.
Kanea, 28. März. Eine internationale Truppenabteilung von 300 Mann, aus Franzosen, Russen und Italienern bestehend, unter dem Befehle eines französischen Hauptmanns, geht heute noch dem Fort Wuzunarion ab, um die Quellen, von welchen die Wasserversorgung Kaneas abhängt, zu schützen und das Fort Wuzunarion zu verteidigen, welches von den Griechen bedroht ist, da die Griechen die Höhen um dasselbe besetzt halten.
Konstantinopel, 28. März. (Reutermeldung.) Nach den beim armenischen Patriarchate eingegangenen Nachrichten wird die Zahl der bei der Metzelei in Tokat getöteten Armenier aus 700 geschätzt.
Redaition, Druck und Verlag von C. Meeh in Neuenbürg.