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Aeitcrge zu Ar. 50 des Gnzttzäters.

Neuenbürg, Dienstag den 30. März 1897.

Deutsches Weich.

Berlin, 27. März. Bei der heutigen Fortsetzung der 3. Beratung des Militäretats beantragte die Budgetkommission folgende Reso­lution:die Erwartung auszusprechen, daß bei Beschaffung der Kasernements für die 2 neuen württembergischen Infanterieregimente! die in Weingarten vorhandenen Bauten verwendet und dadurch eintretende Ersparniffe an der hier geforderten Bedarfssumme später zurückgerechnet werden. Der württembergische Kriegsminister Frhr. Schott v. Schottenstein bittet, die Resolution abzulehneu. Die Regierung wäre nicht in der Lage, derselben Folge zu geben; auch die Rücksicht auf die Mobilmachung verbiete dies neben den bereits früher mitgeteilten Gründen. Frhr. v. Gültlingen (Rp.) (auf der Tribüne bei großer Unruhe des Hauses unverständlich) erklärt sich in längeren Ausführungen gegen die Resolution. Rembold (Zentr.) spricht für dieselbe, ebenso Galler (D.Vlksp.) und Gröber (Zentr.). Die Resolution wurde schließlich bei namentlicher Abstimmung mit 135 gegen 99 Stimmen angenommen. Dafür stimmen die Sozialdemokraten, das Zentrum, die Polen, die Welfen und einige Antisemiten. (Danach würde also Ulm ein Halbbataillon noch an Weingarten abgeben müssen. Das letzte Wort in dieser Sache wird aber noch nicht gesprochen sein.)

Württemberg.

Stuttgart, 24. März Sitzung der Kammer der Abgeordneten. Tagesordnung: Etatsberatung Kap. 2044 n. Departement des Innern. Kap. 34. Titel 9 a. Unterdrück ung der Reblauskcankheit. Abg. Spieß empfiehlt die Bekämpfung der Blattsaükrankheit, aber nicht zwangsweise. Minister v. Pischek: Das sei nicht beabsichtigt. Bei Titel 10, Landwirtschaft!. Hauptfest Cannstatt, dankt Abg. Pfasf für Er­höhung dieser Position unv bringt verschiedene Wünsche vor. Abg. Frhr. v. Hermann wünscht, daß das Bauern-Rennen durch eine andersartige Vorführung ersetzt werde. Minister v. Pischek giebt eine entgegenkommende Er­klärung ab. Abg. Sommer: Eine Erhöhung der Etatposition für das Cannstatter Fest sei nicht notwendig. Der Titel wird genehmigt, ebenso Titel II. Zu Titel 12 beantragt Abg. Sachs namens der Kommission, die verlangten 2 Feldbereinigungsgeometer abzulehnen. Abg. Stockmayer hält die Genehmigung dieser Petition für sehr nötig. Die Durchführung der Feldbercinigung sei für die Landwirtschaft von außerordentlich hohem Wert. Es seien noch viel zu wenig Geometer angestellt. Redner stellt den Antrag, die Petition wiederherzustellen. Die Abgg. Gebert, Beutel, Krug und Gabler sprechen für den Antrag Stockmayer, Abg. Gebert bringt noch verschiedene Wünsche hin sichtlich der Grenzberichtigungen zur Sprache, die Minister v. Pischek in Erwägung ziehen wird. Präsident Frhr. v. Ow giebt einen Uederblick über die erfolgten Fclddercinigungen und erörtert eingehend die hiebei in Betracht kommenden Verhältnisse. Sehr hinderlich für die Ausführungen der Feldbercinigungen ist die lange Dauer der erforderlichen Arbeiten, namcnt lich der geometrischen. In andern Ländern werden die Feldbereinigungsarbeiten seitens des Staates viel mehr gefördert. Es sei dringend notwendig, die 2 Stellen zu bewilligen. Kap. 35. Forderung der Hagelversicherung. Bericht erstatte! Abg. Sachs beantragt nach einigen Erläuterungen Annahme der Position. Abg. Frhr. v. Wöllwarth beantragt den I0°/oligen Zuschlag zur Vorprämie aus die staatlichen Fonds zu übernehmen. Auch die Nachschußpflicht soll in gewissen Fällen auf die Fonds über­nommen werden. Diese Anträge begründet der Redner. Abg. Sommer tritt für den Antrag v. Wöllwarth ein, ebenso Abg. Krug, Minister

v. Pischek macht einige Mitteilungen über den Erfolg der mit der Norddeutschen Hagel- Versicherungsgesellschaft abgeschlossenen Ucber- Ankunft. Derselbe ist durchaus befriedigend. Dem Antrag v. Wöllwarth könne er nicht ohne weiteres zustimmen, der staatliche Fonds würde zu sehr in Anspruch genommen. Er könnte sich damit einverstanden erklären, daß der Staat von den Versicherten anstatt 30"/» nur 25°/o erheben würde. Der 2. Antrag des Frhrn. v. Wöllwarth sei ebenfalls nicht zweckmäßig. Es wäre nicht voisichlig, diese Anträge anzunehmen. Abg. Rath ist für den Antrag v. Wöllwarth, dcsgl ichen Abg. Schach. Abg. Frhr. v. Wöll- warth tritt den Ausführungen des Ministers entgegen. Der Minister habe den schlimmsten Fall angenommen. Minister v. Pischek ent­gegnet. Abg. Haußmann-Gerabronn würde eine Kommissionsberatung für zweckmäßig Hallen, man könne da zweifelhaft sein, das Herz neige za F'hrn. v. Wöllwarth. der Kops zum Minister. (Heiterkeit.) Der Antrag Haußmann wird an­genommen. Abg. Sachs: Die Kommission solle diese Frage sofort beraten. (Zustimmung.) Zu Kap. 38Zentralstelle für Gewerbe und Handel" fragt Abg. Schumacher an, welche Maßregeln der Herr Minister gegen die zu­nehmende Entvölkerung des platten Landes zu ergreifen gedenke. Der Grund liege in der mangelnden Arbeitsgelegenheit auf dem Lande, namentlich Winters. Wenn man den Land­bewohnern nicht in der Beschaffung von Maschinen u. s. w. entgcgenkomml. dann wird es nicht besser. Eine Erhöhung des Titels 21 sei daher zweckmäßig. Minister v. Pischek: Diese Ent­völkerung, die er auch beklage, sei die Folge der wirtschaftlichen Entwickelung. Das Freizügigkeits- gesitz könnte man nicht aufheben. Neben dem Titel 21 seien auch noch sonstige Fonds für entsprechende Zwecke zur Verfügung. Redner wird das möglichste in der Sache thun. Abg. Schnaidt empfiehlt die Errichtung von Hand- werlerkammern, Innungen brauche man nicht. Minister v. Pischek: Es müsse zunächst das Schicksal des dem Reichstag in dieser Beziehung vorzulegenden Ges tzentwurfs abgewartet werden. Mit den Handwerkerkammern beschäftigte sich die Regierung längst. Abg. Erhardt ist nicht für besondere Handwerkerkammern. Abg. Schrempf: Anläßlich einer Gewerbevereins. Versammlung habe ein Handwerker die Frage aufgeworfen:Was hat denn die Zentralstelle für den Kleingewerbebetrieb geleistet?" Dieser in der obigen Frage vertretenen Anschauung seien weite Kreise der Handwerker. An die Einführung der alten Zünfte denke kein Mensch, wenn cs auch von gegnerischer Seite behauptet werde. Die Lage des Kleinhandwerkes müsse mehr als seither Beachtung zu Teil werden. Die Bedeutung der Großindustrie verkenne er nicht, viel wichtiger sei es aber für den Staat, einen gesunden, kräftigen Handwerkerstand zu haben. Daß eine Handwerker Organisation notwendig sei, gebe heute Jedermann zu. Die­jenigen Handwerksmeister, die sich mit dieser Frage eingehend beschäftigen, seien der Meinung, daß cs auf dem freiwilligen Wege nicht gehen werde. Die Gewerbevereine können Handwerker- Innungen nicht ersetzen. Vizepräsident Dr. Kiene: Man sollte besondere Handwerker­kammern haben, es sei nicht richtig, daß die Handwerker keine Innungen wollen. Minister v Pischek erwiderte dem Abg. Schrempf, die Zentralstelle habe für das Kleingewerbe schon vül gethan. Die Regierung anerkennt, daß sich das Handwerk in einer schwierigen Lage be- findet. Es bestehe nur Meinungsverschieden heit über die Wege. Zwangsinnungen seien nicht empfehlenswert. Die Gewerbevereine nützen viel. Präsident Dr. v. Gaupp entgegnet dem Abg. Schrempf, daß die Zentralstelle für Ge­werbe und Handel dem Kleinhandwerk immer sehr enlgegengekommen sei. Er habe jedenfalls nie behauptet, daß er das Handwerk für ver­

loren halte. Redner zählt in etwas erregter Stimmung alle für das Kleingewerbe unter­nommenen Schritte auf. Das Gewerdeblatt sei nicht, wie der Abg. Schrempf behaupte, nur für die Gewerbeindustrie. Abg. Henning: Die Mehrheit des deutschen Volkes wolle keine Zwangsorganisation, er sei auch ein Freund des Handwerks, wie der Abg. Schrempf, die Fach­schulen seien die Hauptsache, ebenso die Wander­lehrer. Die Handwerker solle sich auf Speziali­täten werfen. Der Handwerker Jugend solle mehr arbeiten. Abg. Schrempf bemerkt den Ausführungen des Präs. Gaupp gegenüber, er habe lediglich darauf hingewiesen, daß in einer Stuttgarter Handwerkerversammlung dieser Vor- Wurf der Zentralstelle gegenüber ausgesprochen worden sei und von weiteren Kreisen geteilt werde. Dann habe er nicht behauptet, daß der Präsident Gaupp das Handwerk für verloren halte, er habe da die sozialdemokratische Be­hauptung im Auge gebabt. Allerdings habe er schon bei manchen Herrn der Regierung den Eindruck gehabt, daß sie von dieser letzten An-' schauung angesäuselt seien. (Heiterkeit). Die Lehrlingsprüfungen, welche von den Gewerbe- Vereinen abgehalten werden, sind gerade ein Beweis für die Unzulänglichkeit derselben; da kommen nur die Fähigen zur Prüfung, die anderen bleiben weg. Im klebrigen freue es ihn, daß der Herr Präsident sich so sehr eifrig dagegen verwahrt habe, daß er dem Handwerk nicht entgegenkomme. Die Handwerker im Lande werden hievon befriedigt sein.

Gmünd, 23. März. In den letzten Tagen kaufte die Gemeinde B a r t h o l o m ä» hiesigen Oberamls, die eine sehr kleine Markung hat, das 325 Morgen große wohlbewirtschaftete Hutten'sche GutHesselschwang" um 70 000 M., um es durch Pacht und Verkauf nach und nach in den Besitz der Bürger übergehen zu lassen, die derzeit vornemlich durch die Arbeit in den Heubacher Geschäften noch lange Zeit Geld verdienen zur Zahlung der Landstücke.

Altnuifra, 27. März. Vorgestern war ein hiesiger Hofbauer mit dem Schlachten eines Schweines beschäftigt, wobei ihm einige Knaben zu nahe kamen, so daß er sie zurückscheuchen mußte. Leider fiel dabei ein Knabe rückwärts in einen mit siedendem Wasser gefüllten Zuber und verbrühte sich das Gesäß. Der Arme schwebt in Lebensgefahr.

Ausland.

In der französischen Kammer hat bei der Beratung über den Regierungsvorschlag, au die Spitze des Heeres einen ständigen Rat von zwölf kommandierenden Generalen zu stellen. Gras Treveneue tiefen Eindruck mit einer Rede gemacht, in der er die preußischen Heeres­einrichtungen als das Muster hinstellte, dem stets nachzustreben sei. Er verurteilte mit un­erbittlicher Härte die gegenwärtigen Verhältnisse des Oberbefehls im französischen Heere und forderte statt eines Marschallsrats die Ernennung eines obersten Befehlshabers und eines ihm zur Seite stehenden, nur von ihm abhängenden großen Generalstabes.

Paris. 26. März. DerFigaro" meldet, der Marineminister Bes narb habe durch den Obermarincrat ein Projekt ausarbeiten lassen, wonach die Seemacht Frankreichs um 45 große Kriegsschiffe und 175 Torpedo­boote beziehentlich Torpedojäger vermehrt werden soll. Die Arbeiten sollen auf acht Jahre verteilt werden, doch soll in den ersten fünf Jahren der größere Teil des Programms, namenilich in Betreff der Panzerkreuzer und Torpedojäger, durchgeführt werden. Die Ver- tcilung des Arbeitsprogramms erfolgt lediglich im Hinblick auf die begrenzte Leistungsfähigkeit der Staatsarsenale und Privatetablissements. Die Kosten für die neuen als unerläßlich erachteten 220 Gefechtseinheiten werden auf 600 Millionen Franken