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noch Vorbehalten. Die Novelle zum Alters­und Jnvalidengesetz ist dem Reichstage zuge- gangen.

Der Staatssekretär von Elsaß-Lothringen, v. Puttkammer, hat im Landesausschuß die Vorlage eines Gesetzentwurfes in Aussicht ge stellt, durch welche an Stelle der alten französischen Bestimmungen ein dem deutschen Reichspreßgesetz ähnliches Pceßgesetz als Landesgesetz von Elsaß Lothringen eingeführt werden soll. Der Re gierung sollen g-w-sse Befugnisse gegen die auswärtige Presse verliehen werden.

Der Diskont der R e i ch s b a n k ist auf 3'/, Proz., der Lombardzinsfuß für Darlehen gegen ausschließliche Verp'ändung von Schuld­verschreibungen des Reiches oder eines deutschen Staates auf 4 Pcoz., gegen Verpfändung sonst iger Effekten und Waren auf 4'/, Pcoz. herab gesetzt morsen.

Die Sladt Königsberg will von einer besonderen Veranstaltung von F stlichkeiten bei der Jahrhundertfeier absehen; dag gen haben die städtischen Behörden den Betrag von 100000 Mark zur Gründung einer Kaiser Wilhelmstistung für Genesende bewilligt.

Frankfurt, 27. Febr. In G genwart der Spitzen der Behörden fand heute Vormittag die Eröffnung der 4. deutschen Gef ge laus- stellung statt. Die Zahl der Aussteller be­trägt über 150 mit etwa 5000 Nummern.

Iena. 27. Febr. Die Saale hat starkes Hochwasser und steigt stetig.

Aus Baden, 26. Febr. Als erster unter allen seinen Kollegen ist wiederum der badische Fabrikinspeklor mit seinem Jahresbericht erschienen. Er rühmt in demselben diesmal, im Gegensatz zu früheren Berichten das Entgegenkommen der Arbeitgeber, welches in einzelnen Fällen nur dann habe zu wünschen übrig gelassen, wenn es sich um Einrichtungen zur Herbeiführung des vorgeschricbenen aus reichenden Luftwechsels gehandelt habe. Von den Arbeitern wird gesagt, daß sie sich jetzt häufiger in ihren persönlichen Angelegenheiten an die Arbeitgeber wenden, als dies sonst der Fall gewesen, was als ein erfreuliches Zeichen gegenseitigen Vertrauens zu betrachten sei.

Die Zahl der Deutschen in Paris be­trug nach der letzten Zählung 26 863, während eS 1890 noch über 30000^waren.

Ei« Engländer über unsere Flotte.

In der englischen WochenschriftThe Spekiator" wird die Aussicht eines Konfliktes zwischen England und Deutschland in einer für die Gegner der Verstärkung unserer Kriegs- flotte höchst lehrreichen Form besprochen. Wir geben aus diesem Artikel, einige Stellen aus­zugsweise hier wieder.

Das Blatt erkennt zunächst an, daß die deutsche Kriegsflotte an sich eine ganz achtbare Macht sei; O fiziere und Mannschaften seien alles Lob wert, sie könnten aber, unbeschadet der Anerkennung ihrer Tapferkeit, nicht ernstlich in Betracht kommen, sobald es sich um den Kampf mit den englischen Panzern handle. In einem Kriegsfälle, jagt derSpcktator", würden zunächst jene deutschen Kriegsschiffe die im Stillen Ozean oder an der afrikanischen Küste kreuzen, in den Grund gebohrt. Die deutsche Handelsflagge, die auf allen Meeren wehe und Deutschlands Weltmachtstellung repräsentiere, sei den Engländern auf Gnade und Ungnade ausgeliefert.Allüberall in den Weltmeeren, die unsere (Englands) Kreuzer durchfurchen, würden deulsche Handelsschiffe gekapert und in den Grund gebohrt." Die deutschen Kolonisten müßten im Kriegsfälle froh sein, wenn sie ihren Grund und Boden zu Spottpreisen losschlagcn und dann mit heiler Haut sich in die Heimat retten könnten. Auf diese Weise ginge das Mutterland mit einem Schlage aller der Vor­teile, die deutscher Geist und deutsche Thalkraft in der Ferne errungen, verlustig. Der Nord deutsche Lloyd, diese größte Handelsmarine der Welt, wäre ruiniert! Dazu die Blockade der deutschen Häfen, durch die dem deutschen lleder- seehandel ein Verlust von 100 Millionen Pfund zugesügt würde. Das Ergebnis eines Konflikts mit England wäre sür Deutschland die Nieder

werkung seiner Handelsmarine, der Verlust eines nach Hunderten von Millionen zählenven Nationalvermögens, die Aufgabe seiner Kolonien und der Zusammenbruch feines Ansehens in der Welt.

DerSpcktator" hält seine Darstellung der unaurbleiblich-n Folgen eines zwischen Deuischland und England ausbrechenden Konflikts für unanfechtbar, so lange Deutschland über eine Kriegsflotte verfügt, die über ihren jetzigen Umfang nicht hinausgeht.

So klar und unzweideutig sind die Folgen der Vernochläisigung unserer Seemacht bis in ihre Einzelheiten noch nicht dem deutschen Volke vor Augen geführt worden, wie in den Aus- führungen des englisch n Blattes. In ihrer geradezu brutalen Aufrichtigkeit sind sie der beste Weg zur Erkenntnis der Dinge, wie sie sind und sich 'olgkrichlig entwickeln müßten, wenn nicht bei Zeiten und ausreichend vorge­sorgt wird zum Wöhle der Allgemeinheit. Würde nicht die Absicht der englischen Darlegungen zu i klar in die Erscheinung treten, man könnte alauben, es sei die Stimme des freundlichen Warners, die jenseits des Kanals eriönt. Aber als ernste Mahnung mögen sie bei uns aufge faßt werden und w il hinausdringen ins deutsche Land, die Geister zu w°cken zu energischer Thal!

Ausland.

Der griechische Gesandte in Berlin hat die Nachricht, daß die nächsten fälligen griechischen Coupons nicht eingelöst werden sollten, für un zutreffend erklärt.

London. 26. März. Nach einer heute Nachmittag hier eingegangenen Pcivat-Depesche aus Athen, habe König Georg beschlossen, die Note der Mächte anzunehmen.

Mit dem Aufstand auf Kuba geht es langsam, aber unverkennbar rückwärts. Seit dem Tode Maceos fehlt der Bewegung die frühere Schwungkraft, die Übermacht der spanischen Truppen macht sich immer mehr fühl­bar. Der der spanischen Regierung nahe stehenden ZeitungEpoca" zufolge waren die Verluste in Kuba auf Seilen der Spanier bis Ende 1896: Tote 13 862, darunter 550 Offiziere; Ver­wundete 8072, darunter 441 Offiziere; auf Seilen der Aufständischen: Tote: 13 303; Verwundete 3563.

Auf den Philippinen sind neuerdings wieder neue Unruhen ausgebrochen. Ein Haufe von Tagalen und Eingeborenen griff die Gen­darmerie Kaserne und die Kaserne der Zoll- wächler in Manilla an, auch schlugen sie einen Offizier und 4 Spanier auf der Straße nieder. Die Truppen stellten die Ruhe wieder her, wobei 200 Aufständische gelötet und zahlreiche Personen verhaftet wurden. Die Aufständischen beabsichtigten, die Truppen von einem Angriffe auf Cavite abzuhallen.

Unterhaltender Heil.

Eine teure Festrede.

Humoreske aus früherer Zeit von A. Breyer.

(Nachdruck verboten.)

I.

Eine große Hornbrille aus der kühn ge> schwungenen Adlernase, deren Carmin waschecht zu sein schien, saß der gestrenge Herr Rentmeister vonSiebenlinden" vor seinem Arbeitstisch und schrieb.

Nach Verlauf von etwa einer Viertelstunde halte sich die lange Bogenseite mit einer Menge von Zeilen bedeckt, deren Wörter auS keilschrift­artigen Buchstaben zujammengefügt, Zeugnis abzulegen schienen sowohl für die Schwere der Hand, als auch sür die eiserne Willenskraft ütssen, der sie. wie die Jnfanterie-Marschkolonnen der Zwcipfennigbilder, auf die weiße Papier- flache gezaubert hatte.

Als er die Schrift nochmals mit den Blicken überflogen halte, legte er die Feder bei Seite, indem er ein selbstzufriedenes, so ganz gründlich tönendes Geknurre vernehmen ließ.

In diesem Augenblick pochte es an die Thür und auf das üblicheHerein!" betrat ein junger, sauber gekleideter Mann das Gemach.

Der Herr Rentmeister nickte zu dem Gruß

des Fremden, den er mit einer Handbewegung einlud, an seiner Seile Platz zu nehmen.

Ich habe Sie, mein lieber Herr Freimund, ^ hierher beordert, um Ihnen zweierlei zu er­öffnen". begann der G strenge, nachdem er seiner L Nase eine gehörige LadungMakuba" über- z mittelt hatte. Also in punkto Eins, die Feier- - lichkeiten gelegentlich des Empfanges Seiner < Durchlaucht betreffend An der draußen vor ' dem Dorf errichteten Ehrenpforte nehmen die ^ beiden Schulklassen, die Lehrer an der Spitze, Ausstellung. S>e, mein Lieber, werden die Ehre ?> haben, hier anstatt Ihrer alten und schon ge- s dächtnisschwachen Kollegen die erste Begrüßungs- ^ Ansprache an Seine Durchlaucht zu richten, ' während mir, dem Rentmeister und ersten Vor» ? stand des Kirchen- und Schulrates, die Aufgabe zufällt, den hohen Herrn auf dem Platz vor s dem Schulhaus, wo der eigentliche Festaktus - vor sich gehen soll, in einer schwungvollen Rede s zu feiern. Unser alter Kantor Buchholz ha, den gesanglichen Teil zu leiten. Das wäre Nr. Eins, meine amtliche Mitteilung. Was ich Ihnen nun in punkto Zwei zu sagen habe, betrifft Sie allein, ausichließlich Skt und ganz persönlich."

Er machte eine Pause, um seine Nase mit einer neuen PortionMakuba" zu regatieren.

Sobald dieses wichtige Geschäft besorgt war, schob er seine Hornbrille höher auf die Stirn, ^ und den Blick auf den jungen Mann heftend, stieß er die Frage hervor:

Wollen Sie, F-eundchen, aus der dem- nächst stattfindenden Lehrerwahl für die zweite Schulstelle in Siebenlinden über Ihre dreißig Mitbewerber als Sieger hervorgehcn?"

Gewiß, Herr Rentmeister", sagte Frei- ' mund,und da Sie die Güte hatten, nur zu versprechen"

Ganz recht," fiel ihm der Andere in'S . Wort,ich versprach Ihnen, bei der Wahl meine ausschlaggebende Stimme für Sie in die Wag­schale der Entscheidung zu werfen; jedoch von Ihrem Verhalten, mein Lieber, wird es ab« hängen, ob ich mich im gebotenen Moment dieses Versprechens erinnern werde."

Wie soll ich das deuten, Herr Rentmeister", fragte betroffen der Lehrer.

Statt der Antwort nahm Jener den mit derKeilschrift" bedeckten Bogen zur Hand, und die buschigtn Augenbrauen hoch emporziehend, sagte er, indem er den jungen Mann anschielte, im tiefsten Baßton:

Sie haben sich, Freundchen, in mein« Tochter Susette verschossen, nicht so?"

Dunkle Röte ergoß sich über das bleiche Gesicht des Lehrers, der einen Augenblick verlegen schwieg; dann aber sagte er fest und ruhig:

Ich liebe Fräulein Susette und bin so glücklich gewesen, in der Gegenliebe Ihrer edlen Tochter, welche ich wie eine Heilige verehre, eine Ermutigung für mein Streben"

Ja, ja, ich weiß es, unterbrach der Andere den Sprecher,weiß Alles, weiß auch, daß das achtzehnjährigeGänschen" Ihnen die Ermutig­ung eingeflößt hat, nach dem Gipfel der Narr­heit zu streben. Oder ist es etwas anderes, als Narrentum, zu glauben, daß der Rentmeister Gotthard Spangendorf, der nebenbei Gutsbesitzer ist, seine einzige Tochter einem na, reden wir nicht mehr davon". Er stärkte seine Nase wiederum mit einer Prise und fuhr dann fort: Als mir gestern die Sache hinterbracht wurde, da habe ich Susette scharf in's Gebet genommen» die mir dann auch bekannte, daß sie sich bereits dem Herrn Lehrer Edgar Freimund im Stillen verlobt habe und so weiter. Nur meiner ange­borenen Gutmütigkeit hat sie es zu danken, daß ich zu derartigen Ausflüssen des höheren Un­verstandes"

Wollen Sie nicht lieberdes Herzens" sagen, Herr Rentmeister?" warf, ihn unter­brechend, der Lehrer ein, um dessen feinge- schniltenen Mund sich ein schelmischer Zug ge­legt hatte.

Des Herzens"!" rief Spangendorf und sein graumelierter Schnurrbart schoß um minde­stens dreiviertel Millimeter über den Normal­stand in die Höhe.

Wissen Sie, junger Mann, überhaupt, waS das Herz für ein Ding ist?" fragte er, sich nach