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tage vertritt, ist Mitglied der Reichspartei. Er ist Lanbgerichtsdirektor und hat sich namentlich in juristischen Fragen vielfach an den Beratungen beteiligt Im Parlament ist er als eine der liebenswürdigsten und beliebtesten Persönlichkeiten bekannt."
Pforzheim, 17. Febr. Es besteht das Projekt einer gemeinschaftlich für die Orte Jspringen, Göbrichen und Kieselbronn zu errichtenden Wasserleitung. Das Wasser soll bei Jspringen gefaßt, auf die Höhe getrieben und von dort nach den beiden anderen Orten die je mit einem Reservoir zu versehen wären, geleitet werden. Die Kosten wären natürlich bedeutende, aber der Staat würde sich auch zu nahmhaften Zuschüssen verstehen (wie es heißt für die Gemeinden Göbrichen und Kiefelbronn allein zu über 40 000 Mk.), so daß die Ausführung in finanzieller Hinsicht keine unüberwindlichen Schwierigkeiten böte.
Deutsches Aeich.
Berlin, 22. Febr. Bei der heutigen Be ratung des Etats des Auswärtigen Amts gab der Staatssekretär Frhr. v. Marschall auf die Anfrage des nationallib. Abg. Dr. Hasse nach dem Stand der kretischen Angelegenheit folgende Erklärung ab: Det deutsche Panzerkreuzer „Kaiserin Augusta" sei gestern Vormittag vor Kanea eingetroffen und habe sofort 50 Mann gelandet. Nachmittags sei das Schiff in Aktion getreten. Auf Grund von Vereinbarungen der kommandierenden Offiziere schossen ein russisches, österreichisches, englisches und das deutsche Schiff auf die unter griechischer Flagge von Osten gegen Canea in feindseliger Weise vorrückende Aufständigenfchar. die durch die Schüsse alsbald vertrieben wurde. Redner findet den Wunsch des Hauses begreiflich, über den Stand der Dinge näher unterrichtet zu werden, bedauert aber, in diesem Augenblick darauf verzichten zu müsftn, eingehende Mitteilungen zu machen. Was er sagen könne, sei, daß die Linie der deutschen Politik auch klar vorgezeichnet fei: Entschlossenes Eintreten für die Erhaltung des Friedens. Deutschland habe im Orient keinerlei Sonder- interessen zu verfolgen. (Zuruf: Sehr richtig!) Um so fester und rückhaltsloser könne es sich der großen Aufgabe widmen nach seinen Kräften beizutragen zur Erhaltung des Friedens. Die Pacifizierung Kretas sei bedroht durch das völkerrechtswidrige Verhalten Griechenlands. (Zu- stimmvng) Die Landung griechischer Truppen habe eine wachsende Anarchie aus der Insel zur Folge gehabt. Die Beseitigung dieser Friedens gefährdung mit den paratesten und wirksamsten Mitteln sei die nächste Aufgabe, damit gleichzeitig Raum geschaffen werde, für eine endgiltige Ordnung auf Kreta und für die Befriedigung der berechtigten Forderungen der Christen, die sehr wohl möglich sei, ohne die Integrität der Türkei anzutasten. Ueber dieses gemeinsame Ziel schwebten zur Zeit Verhandlungen der Mächte. Sobald die Zeit gekommen sei, werde der Reichskanzler dem Reichstag über die Be- teiligung Deutschlands näheren Ausschluß geben. W>r werden, so schloß der Staatssekretär, den Forderungen an die richtig verstandene Humanität am besten gerecht, wenn wir alle Kräfte rinsetzen, um der Gefahr eines Krieges vorzubeugen, der namenloses Unglück über weile Länderstrecken bringen würde. (Lebhafter Beifall) — Abg. Lieber (Ztr.) spricht sein volles Vertrauen zur Leitung der auswärtigen Angelegenheiten aus. Abg. Richter (fr. Vp) bemerkt, es wäre nicht Deutschlands Aufgabe gewesen, die Führung der diplomatischen Aktion zu übernehmen und eine Blokade vorzuschlagen, Abg. Dr. v. M a r- guardsen (ntl.) hebt die Einigkeit der Parteien in auswärtigen Fragen hervor und spricht sein volles Vertrauen zu der Leitung der auswärtigen Politik aus. Abg. Dr. Lieber (Ztr.) stimmt dem Vorredner zu. Aus einen Hinweis jdes Abg. Schmidt-Warburg (Ztr.), daß Griechenland ein fauler Schuldner ser, bemerkt Staatssekretär Frhr. v. Marschall, in Deutschland seien 220 Millionen Mark griechischer Papiere. Die Regierung werde im Verein mit anderen Regierungen nach Maßgabe der wiederholt im Reichstag ausgesprochenen Grundsätze auch weiter für die
1 Gläubiger eintreten. Der Titel „Gehalt des ' Staatssekretärs" wird hierauf bewilligt. Der Rest des Etats des Auswärtigen Amtes wird entsprechend den Kommissionsanträgen angenommen.
Berlin, 23. Febr Wie die Abendblätter mitteilen, trat heute im Reichsschatzamte auf Einladung des Staatssekretärs Grasen Poja dowski eine Konferenz der Mühlen- besitzer zusammen, um über eine Beschränkung der mißbräuchlichen Ausnützung der Export bonifikalionen für Getreide zu beraten. Durch Gutachten hervorragender Fachmänner soll fest gestellt werden, ob es gelingen kann, ein Rende ment für Mehl überhaupt festzustcllen.
Württemberg.
Stuttgart. 29. Febr. Für die gottesdienstliche F ier des am Donnerstag den 25. Febr. zu begehenden Geburtssestes Sr. Maj des Königs ist von demselben als Predigttext die Schriftstelle gewählt worden: I. Kön. 8. Kapitel 28. Vers: „Wende dich zum Gcbet deines Knechts und zu seinem Flehen, Herr, mein Gott, auf daß du hörest das Lob und Gebet, das dein Knecht heute vor Dir thut."
Stuttgart, 22. Febr. Vor der Straf kammer des hies. Landgerichts wird demnächst ein großer sensationeller Prozeß, nämlich die Beleidigungsklage gbgen den Verlagsbnchhändler Rob. Lutz und den Verleger des Beobachters, Eug Binder, zur Verhandlung kommen. Der Prozeß beginnt schon am 10. März und wird mindestens 7, wahrscheinlich aber 10 Verhand lungstage in Anspruch nehmen. Nicht weniger als 130 Zeugen sind geladen und etwa weitere 30 Zeugen werden voraussichtlich noch geladen werden. Als Sachverständiger ist Prof. Fürstner aus Straßburg berufen, um über den geistigen Zustand des Bauern Kühnle aus Beutelsbach Auskunft zu geben. Verteidiger der beiden An geklagten sind die R chtsanwälte Haußmavn und Elsas. Schultheiß Schlör von Beutelsvach, der als Nebenkläger zugelassen ist, hat den Rechtsanwalt Löwenstein I. als Rechsbeistand. Auf den Prozeß ist die Bevölkerung des ganzen Remsthales äußerst gespannt und wegen seines Umfanges dürite er wohl der größte Prozeß sein, der jemals hier in Stuttgart zur Verhandlung gekommen ist.
Stuttgart. In der Gewerbehalle kamen am Samstag nachmittag die seither nicht abgeholten Gewinne der Lotterie der elektrotechnischen und kunstgewerblichen Ausstellung zur Versteigerung. Im ganzen wurden ca. 3000 Mk. erlöst; bezahlt wurden für die grüne Saloneinrichtung von Gerson u. Wolfs hier (Wert 3800 Mk) 1550 Mk.. für eine Truhe mit Rückwand und Kissen 340 Mk., für einen Ofenschirm mit Reichsadler, reich in Leder getrieben 155 Mk., für eine große Korridoruhr von Mauthe in Schwenningen 330 Mk., für eine goldene Remontoiruhr 167 Mk., für eine Beleuchtungsfigur (Neger) aus Terracotta 99 Mark, für einen silbernen Photographierahmen 95 Mk., für einen Perserteppich 85 Mk.
Eßlingen, 22. Febr. In letzter Zeit gelang es hier einer ledigen Frauensperfon aus dem Remsthal mit Beihilfe einer dritten unter Versprechen, einen ihr gehörigen Acker in ihrer Heimatgemeinde als Unterpfand einzulegen, einer Frau hier 500 Darlehen abzuschwindeln. Damit nicht genug, entnahm sie bei der Frau gegen Ausstellung eines Wechsels auch noch für 300 vik Waren. Mit dem Gelde und den Waren wollte die Persocksihr Glück in Amerika versuchen; sie hatte iS Stuttgart einen Ueberfahrts- schein gelöst und war bereits unterwegs als sie in Straßburg auf telegraphische Requisition der Staatsanwaltschaft noch rechtzeitig verhaftet werden konnte.
Heilbronn, 21. Feb. Die Geldkassette, welche 39000 ^Obligationen und Pfandbriefe der württembergischen Hypothekenbank und ein Sparkassenbuch der hiesigen Oberamtssparkaffe enthielt und am 13. ds. im Pfarrhause zu Horkheim gestohlen wurde, ist vorgestern in Sontheim in der Nähe der dortigen Fähre am Neckar erbrochen aufgefunden worden. Der Inhalt fehlte, obwohl der Dieb mit den Mänteln
der Obligationen, die Coupons waren nicht dabei, nichts anfangen kann.
Edingen, 21. Febr. Es ist eine auffallende Erscheinung, daß zur Zeit wo alle industriellen Betriebe so stark beschäftigt, und die Arbeitskräfte geradezu rar geworden sind, sich trotzdem eine so große Anzahl „armer Reisender" bemerkbar macht. Hier z. B. ist es kaum jemals mit dem Hausbettcl schlimmer gewesen als derzeit. Gestern Nachmittag haben zwei solche „arme Reisende", die jahraus jahrein „Arbeit suchen aber keine finden können" beim Fechten in einem Hause der unteren Vor- städt eine Cylinderuhr millaufen lassen. Das Fehlen der Uhr wurde aber glücklicherweise sofort bemerkt, wodurch es dem bestohlenen möglich war, dem Landjäger bestimmte Angaben über die Diebe zu geben. Dem Landjäger gelang es auch, die sauberen Burschen, die sich in der Richtung gegen Straßdurg davon gemacht harten, fcstzunehmen und dem Amtsgericht Balingen zuzuführen.
Ausland.
Paris, 23 Febr. Der „Temps" weist auf die Erklärungen des Frhrn. v. Marschall, des Ministers des Auswärtigen Hanotaux. des ersten Lords des Schatzamtes Balfour in den betlkffenden Parlamenten hin und sagt, nicht nur das Einvernehmen der Regierungen, sondern auch das der Volksvertretungen sei offenkundig geworden Die europäische Dplomalie schöpfe hieraus eine neue geradezu unwiderstehliche Kraft. DaS „Journal deS Dsbats" schreibt, die drei Reden seien durch absolute Einheit des Gedankens der Akiion gekennzeichnet. Angesichts der gemeinsamen Gefahr habe sich das europäische Gefühl mächtig geltend gemacht.
Offiziös verlauiet auch von Rom aus, Jialien und England hätten sich bisher geweigert, an der von Deuischland oorgeschlagenen Blokade des Piräus teilzuneymen. Eine negative Antwort stehe auch von Frankreich zu erwarten, obgleich Rußland dem Blockadeoocfchlag zuge- stimmt Hai, D-'r öffentliche Volkswille sei in Frankreich, Jralien und England stärker als die Regierungen, ebenso wie dies in Griechenland der Fall sei.
Die gricchenfreundliche Bolksströmung in Frankreich hält an, und ihr muß das Ministerium Mölme in seiner Haltung in der kretischen Frage wohl oder übel Rechnung tragen. So fand in Paris am vergangenen Samstag eine große Volksversammlung statt, in welcher die Redner ihren Sympathien für Griechenland und für die Unabhängigkeit Kretas lebhaften Ausdruck verliehen. Nach Schluß der Versammlung wurden an verschiedenen Stellen gnechenfreundklche Kundgebungen veranstaltet, die e'nen recht lärmenden Charakter annahmen, so daß etwa 30 Verhaftungen erfolgten.
Kanea. 23. Febr Der britische, italien. und russische Konsul haben den kriegführenden Parteien in S-lino einen 7tägigen Waffenstillstand oorgeschlagen, der schließlich von den Mohamedanern und Christen angenommen wurde.
Athen, 23. Febr. Nach einer Depesche aus Cerigo halten englische Schiffe diese Insel eng umschlossen. Auch haben englische Schiffe gestern vor Platania, wofelbst sich das Hauptquartier des Obersten Vaffos befindet, demonstriert. Ferner wird berichtet, daß Castelli in Brand stehe.
Calcutta, 23. Febr. Reutermeldung. Unter den Personen, welche bei den Notbauten rm Rewagebiete beschäftigt sind, ist die C h o l e r a ausgebcochen. In zwei Tagen sind 160 Todesfälle vorgekommen. Die Behörden ergreifen energische Maßregeln, um die Ausbreitung der Epidemie nach Allah-Abad, sowie nach den Zerttralprovinzen zu verhindern.
(Aus Erfahrung.) „Herr Wirt, was können Sie mir empfehlen? — „Sehr schönes Goulasch — ganz frisch fertig!" — „Ach zu Goulasch Hab' ich kein Vertrauen!" — Warum?" — „Ich bin nämlich selbst Gastwirt!"
Mit einer Beilage.
Redaktion, Druck und Verlag von C. Meeh in Neuenbürg.