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wird Jene, von den Beteiligten so scharf bekämpfte Bestimmung der Gewerbenovelle beschränkt sich hienach für die württ. Detailreisenden vorerst ausschließlich daraus, daß sie stall einer Legilimalionskarte «ines Wandergewerbescheins bedürfen. Man wird wohl nicht sehlgehcn, wenn man annimmt, daß eine der preußischen analoge gesetzliche Regelung der Besteuerung des Detail- reiscnS anläßlich der Steuerreform auch in Württemberg erfolgen wird. Zwar sieht der Entwurf zum neuen Wandergewerbesteuergesetz in Art. 5, entsprechend dem derzeitigen Recht, auch für künftig die Steuerfreiheit der Handlangs- rcisendcn vor. Dir Motive zu diesem Artikel nehmen ausdrücklich Bezug aut § 44 der Reichs gewerbeordnung, wonacy Handlungsrcisende nicht als Wandergewerdetrcibende angesehen werden sollen. Allein nachdem nun dieser Grundsatz durch die mehrfach genannte Gewerbtnovelle bezüglich der Detailresienden durchvrochen worden ist, wird jener Art. 5 vermutlich auch eine andere Fassung erhalten, was um so wahr- scheinlicher ist, als ja bekanntlich der leitende Gedanke »ür die Abänderung dec bezügl. Gewerbe polizeilichen Vorschriften in erster Linie eben die Absicht war, die Besteuerung deS Detailreisens zu ermöglichen.
Stuttgart, 22. Jan. Einem alten und löblichen Herkommen gemäß hat unser Finanzminister das sür den Landtag ausgearbeitete Finanzexpose im Staatsanzeiger veröffentlicht. Es ist ein umfangreiches Aktenstück, aus dem an dieser Stelle nur die hauptsächlichsten Zahlen und Momente hervorgehoben werden sollen. Der württemb. Staatsbedarf beläuft sich für 1897 auf rund 74^/«, sür 1898,99 auf rund 73^/lo Millionen; hienach für elfteres Jahr auf ein Mehr von 3,04, für 1898/99 von 2,17 Millionen. Der Etat der Pensionen erfordert 171000 bezw. 250500 mehr. Das Justizdepartement braucht in beiden Etatsjahren rund 174 000 mehr als bisher, infolge der Errichtung weiterer Richter- und Expeditorenstellen rc. Einen bedeutenden Mehraufwand erfordert das Departement des Innern, nämlich rund 764000 bezw. 734000 ^ Dieser Mehrbedarf fetzt sich aus einer ganzen Reihe von Posten zusammen, z. B. 115 000 ^ erfordert der Neuaufwand sür die öffentliche Wasserversorgung, 22 000 bezw. 16 000 die Vermehrung des Landjägerkorps, 16 000 ^ die Beiträge an Privatirrenanstalten, dazu kommen ca. je 52 000 ^ Mehrforderungen für landwirtschaftliche Zwecke, 25 000 bezw. 15 000 Mark für Errichtung einer Fachschule für Feinmechanik und Elektrotechnik, 5000 ^ für Zuschüsse an Handwerksmeister sür Ausbildung von Lehrlingen. Für die Straßenbauverwaltung sind Mehraufwendungen notiert im Betrag von 169000 bezw. 150 000 sür die ordentliche Straßenunterhaltung ein Mehr von rund 108 000 Straßenkorrektion und -Neubauten jährlich 50 000 «/L mehr, Beiträge zur Unterhaltung der Nachbarschastsstraßen jährlich 6000 Mark mehr. Für den Neckarschiffahrtsfonds sind jährlich 29 500 für den Flußbaufonds jährlich ca. 82 000 ^ mehr erforderlich, endlich für milde Zwecke jährlich mehr 12 500 —
Das Kultusdepartement erfordert einen jährlichen Mehraufwand von rund 343 000 davon entfallen rund 72 000 resp. 68 000 ^ mehr als bisher sür die Universität. Eine sechste ordentliche Professur soll an der evang. theolog. Fakultät errichtet werden, was bekanntlich unsere strenggläubigen Protestanten gefordert hatten. Die Vermehrung der Zahl der Lehrer an Gymnasien, Lyceen rc.. sowie an Realschulen erfordert gleichfalls einen erheblichen Mehraufwand. Der „Schwab. Schillerverein" soll einen einmaligen Staatsbeitrag von 20 000 erhalten. — Das Finanzdepartement erfordert einen Mehrbedarf von 203 600 bezw. 116 700 Mark, hervorgcrufen durch die Aufführung großer Bauwesen, Erweiterung der landwirtschaftlichen Statistik durch eine besondere Statistik des Besitzwechsels und der Pfandschuldenbewegung. Der Landtag selber, d. h. die ständische Kasse, braucht rund 50 500 bezw. 52 000 «Ki mehr, infolge der vorgesehenen längeren Dauer des
! Landtags. Was nun die Einnahmen betrifft,
I so deckt der Ertrag des Kammergutes (Domänen und Forsten) in beiden Etatsjahren rund 36°'„ des Staatsbedarfs mit 26,6 bezw. 27 Millionen. Die Steigerung gegen 1896 97 beträgt 1,6 bezw. 2 Millionen. Die württ. Eisenbahnen ertragen bei rund 1750 km Bahniänge 15,16 bezw. 15,2 Millionen, für das erste Etatsjahr mehr 854 000, für das zweite mehr 905 000 Die Gesamt-Bruttoeinnahmen sind von 1897/98 zu 45,43, für 1898 99 zu 45,78 Millionen veran- anschlagt, also höher um 5,22 bezw. 5,57 Millionen. Die Post- und Telegraphen-Ber- waltung soll nach dem Voranschlag einen Reinertrag ergeben von 2,33 bezw. 2,69 Millionen, also mehr rund 472 000 bezw. 821 000 Der Reinertrag der Bodenseedampsschiffahrt ist ans rund 14 000 bezw. 13000 ^ angenommen. Unter den Einnahmen der Staatshauptkasse unmittelbar figuriert auch ein Reinertrag aus dem Staatsanzeiger mit jährlich 500 ^ An Landesstenern sind aufzubringen 31,33 bezw, 31,42 Millionen, dies ergiebt einen Mehrertrag von rund 840 000 bezw. von netto 929 000 Hierin inbegriffen sind u. a. auch die Wirtschaftsabgaben mit einem Mehr von jährlich rund 309 000 Das viel angefeindete Umgeld ergiebt eine jährliche Mehreinnahme von 100 000 «M, die Malzsteuer eine solche von 200 000 Der Gesamtbetrag der Ueberweisungen aus der Reichskasse ist auf jährlich 16 093 440 veranschlagt. Die Staatsschulden Württembergs werden am 1. April d. I. 473 878 700 betragen, wovon auf die Eisenbahnschuld 438 286 139 entfallen. Infolge der Konversion der 4°o Staatsanleihe wird im Jahr 1897,98 eine Zinsersparnis von nahezu 694 000 im Jahre 1898 99 aber eine solche von 1 574 500 ^ eintreten. Beide Jahre zusammengenommmen, ergiebt sich ein Fehlbetrag von 80 059 , der erforderlichen
Falles aus Restmitteln gedeckt wird. Letztere sind in Höhe von über 5 200000 vorhanden und sollen zu einem großen Teil für Zwecke der Eisenbahnverwaltnng, zu einem weiteren größeren Teil aber für umfangreiche Bauwesen verwendet werden. Hienach kann unser Finanzminister die gegenwärtige Lage des Staatshaushaltes als eine befriedigende bezeichnen und er knüpft daran die Hoffnung, daß durch diese Lage auch die in Beratung stehende Reform der direkten Staatssteuern wesentlich erleichtert werden, letztere bezwecke ja nur eine gerechtere Verteilung der Steuerlasten, nicht aber eine Erhöhung derselben.
Ulm. 22. Jan. Der hiesige Konsumverein wird im Laufe des Sommers hier eine eigene Bäckerei errichten und hat zu diesem Zweck ein Anwesen in der Glöcklerstraße, den sogen. Gresen- hof gekauft.
Friedrichshafen. 20 Jan. Einen Fischzug von seltener Ergiebigkeit, hat letzter Tage der bekannte Bregenzer Fischer. Bilgeri, gelhan. Etwa 600 Z>r. Brachsen zog er in seinen Netzen aus dem See. An Absatz für diese Masse von Fischen hat es ihm nicht ge- fehlt; den größten Teil derselben hat die hiesige Laugenstein'sche Fifchhandlung angekauft.
, W e i k e r s he i m, 22. Jan. Zum ersten- male erstrahlte das elektrische Licht in hiesiger Stadt. Die allgemeine Lichtabgabe erfolgt in den nächsten Tagen, so daß bis Mitte nächste Woche die elektrische Zentralstation von W. Wohlbold in Schäitersheim vollständig betriebsfertig ist. Die Anlage ist von dec Firma Orth in München und verspricht allen Ansorverungen zn genügen.
Oberthalheim. OL. Nagold, 12. Jan. Privatier M. Straub wurde tot in seinem Bette ausgefunden. Derselbe kam am Sonntag nachts in trunkenem Zustande nach Hause und legte seine Kleider aus den noch geheizten Ofen. Die Kleider verbrannten und IN dem entstandenen Rauch erstickte Straub. Die gerichtliche Leichen- desichtigung fand vorgestern im Beisein des Staatsanwalts von Tübingen statt.
Ausland.
Unter dem Titel „Iw änel ä'diar" veröffentlicht der „Figaro" einen Leitartikel über
den Zweikampf zwischen den Schiffslieutenants Buchard und d'Agoult von der sranzöstschen Marine. Auf der ersten Seite ihres LettblatteS erfahren die Leser des „Figaro", wie die Kämpfer ausgejehen haben, wer ihre Zeugen waren, wie sie sich geichlagen haben, daß Herr Buchard ichließlich eine Schramme am Oberarm e> hielt und so fort Davon werden zwei Seilen „Figaro" gefüllt und ichließlich mit der Versicherung geschloffen, daß beide Kämpfer einen neuen B-wris von edlem Heldenmut und kühner Todesverachtung gegeben haben. Es ist schwer, keine Satire darüber zu schreiben! Jedenfalls ist es sehr bezeichnend, daß die Presse in Frankreich sich dem Duellenunsug gegenüber burchwcg ganz freundlich verhält, während die beuijche ihn verdammt. FreUich sind die Duelle in Frankreich auch der überwiegenden Mehrzahl nach nur „Duelle." Das Nähere wolle man bei Mark Twain Nachlesen Niemand hat das sranzöstiche „Duell" jo humoristisch geschildert, wie der berühmte amerikanische Humorist
Nach den neuesten und zuverlässigsten Informationen läßt das Befinden des Zaren nichts zu wünschen übrig. Ein Aufsehen erregender Prozeß hat das Bezirksgericht in Jekatarineburg in Rußland de- schäitigt. Angeklagt waren drei Schwestern Terentjew, welche im Laufe von fünf Jahren gegen 150 ihnen zur Pflege übergebene kleine Kinder hatten Hungers sterben lassen. Den- jenigen Kindern, welche wahrscheinlich ein zäheres Leben hatten, wurde einfach der Schädel eingejchlagen. Die drei Angeklagten wurden zu 4, 6 und 8 Jahren Zwangsarbeit und dem» nächstiger Ansteülung in Sibirien verurteilt.
Die Spanier können noch immer nicht Herr des Ausstandes in Kuba werden. Im Gegenteil haben sie gerade in der letzten Woche einige Schlappen davongetragen. Ein Kanonenboot wurde von den Aufständischen in die Luft gesprengt, wichtige Stellungen mußten unter Verlusten ausgegeben werden. Da ist es erklärlich, daß im nordamerikanischen Repräsentantenhause von einem Abgeordneten formell der Antrag gestellt worden ist, die Insel Kuba für 200 Millionen Dollars für die Vereinigten Staaken anznkansen, während anderseits in Spanien selbst die öffentliche Meinung immer feindlicher gegen die Regierung wird. Man darf gespannt daraus sein, wie lange sich noch das konservative Ministerium Canovas Kastillo hakten wird.
Unterhaltender Teil.
Wanda.
Von Atberi Lindner.
(Schluß.)
Was draußen aus der See diesen Tag über geschehen ist, hat Niemand erfahren. Mit sonnen- Untergang trieb vor schwachem südwest ein Boot an den Strand der Insel. Lars Jensen saß in demselben regungslos am Steuer und starrte aus den im Boote vor ihm liegenden Leichnam des Barons Bomilugk, der eine von stockendem Blut bedeckte Wunde an der rechten schlcsie trug. Das Gewehr und der Hat deS Barons fehlten.
Lars fuhr aus seinem Brüten empor, als das Boot auf den Strand lief, sprang heraus und nahm seinen Weg nach dem Dorfe, eine verwunderte, bestürzte Menge Menschen von Spaziergängern und Fischern am Boot zurücklassend. Lars betrat die Wohnung des Dorf» schultheißen und gab dort Folgendes vorläufig zu Protokoll:
Auf der Höhe von Juist, wo Lars sich auf Befehl des Barons habe Herumtreiben muffen» weil niemand dort die Jagd auf Möoen und Seeadler hindere, habe der Baron plötzlich bemerkt, wie etwa 50 Meter vom Boot em Seeadler nach einer Fischbrut? aus die Wellen herunterschoß. Er habe das Gewehr an die Backe gerissen, sei aber in diesem Augenblicke auf der naßgewordenen Bodenleffte ausgeglitten, der im Fallen von sich gestr ckrc Arm habe dabei daS Gewehr aus die Bordkante gestoßen. Es habe sich entladen und ihm so die Kugel in die Schläfe gejagt.