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Möglich war das Alles und mit der Mög. lichkeit mußte man sich statt der Wahrscheinlichkeit begnügen, bis eine genaue richterliche Untersuchung in ,der Sache gesprochen haben würde.
Es war dunkel geworden, als Lars durch das Dorf in finsterem Schweigen nach seiner Hütte zurückkehrte. Daß er nicht sofort zur Baronin ging, um sich seinen Blutlohn oder wenigstens den Dank für eine angenehme Botschaft zu holen. dafür mag ein Kenner des Menschenherzcns wohl einen zureichenden Grund finden. Eine beschwerte Seele hat nicht die Lust, einen Lohn für das einzuheimsen, was diese Seele beschwert hat. Vor der sittlichen Macht des Gewissens schweigen alle Regungen des Fleisches und der Selbstsucht. Am nächsten Morgen war das freilich anders. Die sittliche Macht war allmählich lahm gelegt worden durch die Thätigkeit der Phantasie, die dem Jünglinge klarer und immer klarer das verlockende Bild eines schönen Weibes vorspiegelte und seine Sinne zum Begehr auistachelte.
Mir festem Schritt und siegesstolzem Auge schritt Lars früh um 8 Uhr auf das Logis der Baronin zu. Die Leiche des Barons war am vorigen Abend in einem Schippen des Hotels untergebracht worden, wie die Baronin es an geordnet. Wozu sich auch der unnötigen Pein des Anblicks eines gehaßten Gegenstandes aus- zusetzen?
Im Flur des Hauses bemerkte Lars einen großen giflochtcnen Reisckorb und auf demselben eine Reisetasche. Die Thür zum Wohnzimmer stand offen. Als Lars auf die Schwelle trat, sah er die Baronin vor dem Spiegel ihre Toilette beenden. Sie wandte sich gar nicht um, als sie ihn hinter sich im Spiegel bemerkte, sondern sagte nur einfach: „Guten Morgen. Lars, so früh schon? Ich habe einen schweren Verlust erlebt und schlecht geschlafen. Was wünschen Sie eigentlich, lieber Lars?"
Der Fischer trat kreidebleich bis an Wanda heran, die soeben eine Nadel im Haar befestigte und sagte leise: „Der Baron ist rot. Er wird Dich me mehr peinigen, Wanda, wie ich Dir versprochen habe."
„Hattest Du das?" warf sie gleichgiltig hin.
„Weil Du es so wolltest. Du hast es mir nahe genug gelegt."
Wanda wandte sich und maß den armen Jüngling mit einem eisigen Blick von oben nach unten.
„Dann haben wir uns mißverstanden, guter Lars."
Ihm war, als fuhr eine eiskalte Schlange durch alle Adern.
Sie nahm ihren Kaschmir vom Stuhl und hielt ihn dem Fischer hin. der ihn. schreckensbleich über das, was er hörte, mechanisch über ihre Schultern legte.
„Und nun, mein Freund, müssen wir uns trennen. Das Dampfboot wird halb neun Uhr den Anker lichten."
„Bon einer Trennung war auf jener Spazierfahrt nicht die Rkde, Wanda", stammelte Lars mit zitternder Lippe.
„Aber glauben Sie denn, daß ich Lust habe, den Rest meines Lebens auf dieser elenden Insel hinzubringcn?"
„Das ist nicht nötig, Wanda. Kehre Du in Deine Heimat zurück und laß mich Dir folgen. Ich kann nicht mehr leben ohne Dich und Du bist mein Himmel und meine Hölle — vielleicht auch nur das Letzte, denn Dir, Dir Hab ich das ewige Heil meiner Seele hingegeben. Ich will nicht darum sorgen, was drüben kommt — aber — entschädige mich auf dieser Erde. Wanda —"
Die Verzweiflung zerriß die männlich schönen Züge des Fischers, als er während dieser Worte langsam auf die Kniee sank und die flachen Hände flehend zu der schönen Teufelin empor- streckte, die, regungslos in ihren Mienen, den armen, von ihr ruinierten Mann fixierte.
„Was Du verlangst, ist unmöglich, Lars Jensen. Wer hieß Dich auch meine Worte in so unseligem Sinne deuten? Indessen — be- suche mich in Böhmen sobald Du willst Glaube nicht, daß ich ganz ohne Herz für Dich bin.
Wenn die Sehnsucht Dich nicht mehr daheim leidet, so besuche mich, ich will sehen, ob ich Dich — wie sagtest Du doch? — ob ich Dich ent schädigen kann. — Adieu, Lars —
Sie wandte sich, um das Zimmer zu verlassen.
„Wanda!" stöhnte cs vom Boden auf „Gieb mir Deine Hand noch einmal!"!
Sie gab sie ihm hin; er stand noch nicht auf.
„Wanda, erlöse mich von diesem höllischen Feuer. Bin ich schuld, daß Du den Weg meines Lebens gekreuzt hast? Bin ich schuld, daß Du schöner bist, als olle, die ich noch je gesehen? Gehe nicht ohne K»ß Wanda! Gieb mir einen einzigen für den Toten!"
Der Ausdruck seines Auges war beinahe der eines Wahnsinnigen, als er so zu ihr emporstarrte Die Baronin schauderte wie vor einer nahen Gefahr und wendete sich zum zweiten Male, wobei sie murmelte: „Armseliger Narr!"
Aber sie murmelte es blos, es war vorläufig ihr letztes Wort. Lars stand auf und blickte ihr nach, wie ein Tiger der Hindin, von der er weiß, daß er sie mit einem Sprunge' wiedererreichen kann.
„Noch Eins. Wanda!" sagte er scharf und schrill und hielt sie beim Arme fest. „Ich bin! ein Mörder und dafür einst ein Gerichteter, j Aber ich bin's geworden um eines Weibes willen und durch ein Weib und darum will ich ein Richter sein. Nimm Deinen Lohn, schöner; Satan!"
Im Zimmer ertönte ein furchtbarer Schrei Mit wahnsinnigem Auflachen stürzte der Fischer aus der Hütte, heulend warf sich hinter ihm die Kammerfrau auf die am Boden liegende Baronin, deren Haupt nach einigen Minuten in einer Blutlache lag.
Als der gerufene Arzt erschien, konstatierte j er die vollständige Zertrümmerung des Nasen- j beins der Baronin. Sie war auf Lebenszeit auf l das Abschreckendste entst-llt. Was jetzt noch in - ihrem einst so schönen Gesichte schön sein könnte, wären die braunen Auaen, wenn man den; übrigen Teil mit einem Tuche bedeckte, denn in! der Mitte des Gesichts (so schloß der Badearzt; seinen Bericht) muß sich jetzt nach fünf Jahren j eine blutrünstige, scheußliche Höhle an der Stelle s befinden, wo sonst ein slavisches Stumpfnäschen i die Züge schmückte. j
„Was ist aus der Baronin geworden?" ! fragte ich den alten Arzt. !
„O sterreichrsche Badegäste, die später hier- s her kamen, erzählten mir, daß sie in völliger! Abgeschiedenheit auf einem kleinen Besitztum in § dem Böhmerwalde ihre Tage zubringe. Von dem siebenbürgischen Fürsten Sandor war natür- lich nicht mehr die Rede, denn sie besaß das einzige Kapital nicht mehr: ihre berückende Schönheit." ^
„Und Lars?"
„Wurde tobsüchtig und in Fesseln nach dem Jrrenhause gebracht. Nach einem Vierteljahre mäßigten sich die Anfälle der Wut, und er ging in den Zustaud eines stillen Schwärmers und ungefährlichen Irren über. Als solcher wurde er entlassen — Sie haben ihn selbst gesehen, alter Freund. Einer richterlichen Vernehmung wird er in .diesem Zustand wohl für immer entzogen sein."
Armer Bursche! dacht' ich voller Bewegung und hob das letzte Glas der zweiten Flasche dem Glase des Freundes entgegen.
Pforzheim, 21. Jan. Zu beneiden um seinen ausgezeichneten Appetit und leistungsfähigen Magen ist ein hiesiger Kunstjünger Namens M. Derselbe ging die Wette ein, innerhalb einer halben Stunde ein Dutzend Cervelat Würste nebst drei Broten und einer Flasche Bier zu vertilgen. Er hatte sich allerdings ein wenig überschätzt, denn nachdem die siebente Wurst verschwunden, war auch die festgesetzte Zeit verflossen. Daß der Betreffende aber „mehr kann, als Brot essen," davon zeugt die unmittelbar darauf gemachte Versicherung, daß er es jetzt noch mit einem Dutzend „Land- jäger" aufnehmen würde (.Pf. B.)
Vorige Woche feierten morgens 7 Uhr die „Eisbären" in Oldenburg (Herren, die auch im Winter im Freien baden) in der Badeanstalt hinter dem Schloßgartcn den 86. Geburtstag ihres Obercislären, welcher noch mit jugendlicher Frische täglich in den kühlen Fluten der Hunte badet. Die anwesenden „Eisbären" beglückwünschten das Gcburtskind mit hübschen Ansprachen, nahmen ein Bad und thaten sich dann gütlich an dem Geburtstagskuchen und Kaffee.
Auflösung des Rätsels in Nr 11.
Zufall.
Auflösung des Diamant Rätsels in Nr. 11.
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Richtig gelöst von Bertha Welk, Max Süßkind, Gertrud Süßkind, Erwin Burghard, Eugen Dipper, Adolf Lustnauer, Martha Schramm, Friedrich Weissert in Neuenbürg, Hermann Barth, Fritz Barth u. 6. L. in Calmbach; Fritz Roth, u. Wilhelm Wolfinger, in Ottenhausen; Karl Großmann in Höfen; Christian Maul- betsch, Maurer in Dobel; Nanele Bachteler in Gräfenhausen.
Arithrnogryph.
5. 4. 5 ein Vogel
4 6 I 3. 7. 9. 9. ein männlicher Vorname
12. 6 I. 16 7. 6 ein Vogel
7. 17. 4. 6. 9 eine Stadt in Griechenland
8. 6. 1 8 ein röm. Kaiser
19. 7. 9. 17. 6 ein ilal. Dichter.
Sind die Wörter richtig gefunden, so ergeben die Anfangsbuchstaben einen würlt. Dichter.
Telegramme.
Berlin, 22. Januar. Das preußische Herrenhaus verwies nach längerer Debatte die LehrerkesoldungSvvrlage an eine Kommission von 15 Mitgliedern.
Petersburg, 22. Jan. Die „Nowosti" melden aus Tiflis: 40000 armenische Uebersiedler sind auf russischem Gebiet untergebracht worden, davon 22000 im Gebiet von Kars, 14000 im Schwarzen-Meer-Bezirk, die übrigen in der Umgebung von Eriwan. Zum Unterhalt der Uebersiedler bis zum Frühjahr sind Proviantsendungen aus Moskau und Astrachan eingetroffen. Viele Kinder sind vor Kälte und Mangel gestorben.
Madrid, 22. Jan, Nach Meldungen aus Manilla sollen die Aulständischen bei einem englischen Handelshaus in Honkong 20 000 Gewehre bestellt haben. Die Kriegsschiffe überwachen nunmehr die Küsten, um die Ausschiffung derselben zu verhindern. Das Kriegsgericht in Manilla hat 13 Aufständische, darunter einige Mitglieder der revolutionären Regierung abgeurteilt. Man behauptet, daß die Anstifter des Aufstandes mit Japan verhandelt hätten. Personen, die aus dem Rebcllenlager kommen, behaupten, die Aufständischen seien 70 000 Mann stark, von denen 7000 mit Gewehren bewaffnet sind. Dieselben errichten verschanzte Lager. Nach Mindanao wurden 6 Kompagnien entsandt, da man Meutereien der eingeborenen Truppen fürchtet.
Jlfracombe, 22. Jan. Der Dampfer Salisbury von Portreath in der Grafschaft Cornwallis nach Newport unterwegs, ist heute früh mit einem noch nicht festgestellten großen zweimastigem Dampfer zusammengestoßen. Man vermutet, daß der letztere mit seiner Mannschaft untergegangcn ist. Dem Dampfer Salisbury wurde der Zug eingestoßcn.
Bombay, 22. Jan. Den Pilgerschiffen ist die Reise von Bombay und Carrachi verboten worden. In Carrachi sind 543 Personen an der Pest erkrankt und 498 davon gestorben. Die Seuche ist auch in Janna und Satara in der Provinz Sind ausgebrochen.
Redaktion, Druck und Verlag von C. Meeh in Neuenbürg.