letzten Station waren die Lampen angezündet, welche sich zitternd in den betauten Scheiben wieder spiegelten.
Hans Brendlow sann wieder nach.
Er hatte es nicht recht zu etwas bringen können in der Millionenstadt. Sein Vermögen war bis auf Weniges dahingeschwunden und die Zeit der Jugendstürme lag längst hinter ihm. Und nun fuhr er hinaus um zu suchen, ob er es noch finden könne, wonach dem Manne jetzt die stille zwingende Sehnsucht gekommen war — ein Heim, ein Weib.
Mit einem raschen forschenden Blick sah er wieder auf sein Gegenüber.
War es ein Zufall, daß er ihr jetzt gegen- übersah? Hatte er nicht schon einmal den Gedanken gehabt, an sic heranzutreten mit einer kleinen, bittenden Frage, ein Gedanke, der dann mit so vielen andern unbemerkt hinweggeflattert war in dem lauten Wechsel des Tages.
Und während sie sitzt so zusammen in die Nacht hinauSwollten, überkom ihn plötzlich die Angst, daß er etwas versäumen könnte, was nicht mehr einzuholen war. Sein Herz fing leicht an zu sprechen. Aber wie sollteer es ihr sagen, und was würde sic antworten?
Da fing sie an.
„Sie sind so stumm geworden, Herr Doktor." Ihre Blicke kreuzten sich.
„Ich dachte nur ein wenig nach, gnädiges
Fräulein_was Sie so sehr nach Berlin zu-
rückzieht und was mich jetzt hinaustreibt, ist es nicht vielleicht dasselbe ....?"
Er schaute sie dabei fragend an.
„Was aber?"
„Das Glück!" erwiderte er leicht; und doch haben Sie cs dort nicht gefunden und ob ich es finden werde_?
Und nun fing er an von sich zu erzählen, von seinen verzettelten Jahren, von seinen Träumen einer ruhigen Thätigkeit und einer stillen, sonnigen Liebe. Sie atmete tief auf. Sie dachte an ihre Ankunft in Middelberg und daß er ihr damals in Berlin gleich so sympathisch erschienen war. Aber weiter dachte sie nicht.
Es war wieder still zwischen ihnen. Sie horchten beide dem momentanen, ruckweisen Gerassel der Räder. Jetzt blinkten aus der Nacht draußen gelbe Funken vom Boden auf . . . ein schrilles Pfeifen der Lokomotive ... noch mehr Lichter, hier und da aus fernen Häuserumrissen hervorglänzend ... ein kurzes Schütteln beim Passieren einer Weiche l.. jetzt wieder ein lauter gellender Pfiff und dann Plötzlich ein furchtbarer Stoß, das Poltern der herabfallenden Gepäckstücke, ein Kreischen der Räder, ein neuer kaum schwächerer Stoß und die Wagen hielten still in verrenkter Stellung, dem Umfallen nahe.
Eine unbeschreibliche Verwirrung folgte; ein Durcheinander von Schreien, Fluchen, Fragen. Alles drängte nach der Ausgangsthür und Einige versuchten sogar sich aus den Fenstern zu stürzen.
Es dauerte noch einige Sekunden, bis man sich überzeugt hatte, daß, in diesen Abteilen wenigstens, niemand ernstlich verletzt war.
Hans erhob sich zuletzt. Der erste Stoß hatte ihm die Gegenübersitzende an die Brust ge worfen und aus einem warmen fast unbewußten Gefühle hatte er die Arme schützend über sie gebreitet. Jetzt versicherte er sich, daß für den Augenblick keine Gefahr drohe.
„Es ist gut, daß wir in einem hintern Wagen waren", meinte er.
Sie antwortete nicht. Mit großen verwunderten Augen stand sie neben ihm, während sein Arm sie noch umschlungen hielt.
Jetzt eilten die Beamten mit Laternen heran.
„Alles aussteigen! Ist jemand verletzt?"
Sie wurden mit einer Flut von Fragen bestürmt, welche sie aber alle mit ein paar kurzen Worten abschnitten.
„Nichts ernstliches, meine Herrschaften; bitte dort vorzugchcn, der Bahnhof ist ganz in der Nähe. Weiteres wird bekannt gemacht."
Draußen war der Anblick aber doch recht traurig. Zwei Wagen lagen ganz auf der Seite, wie zwei Kartenhäuser in einandergefchachtelt. Andere waren stark beschädigt. Eben wurden auch schon Verwundete vorbeigetragen. Dazu
das verzweifelte Weinen der Frauen, das Schreien der Kinder, der blendende Schein der flackernden Pechfackeln ... cs war ein unbeschreibliches Durcheinander.
„Kommen Sie." sagte Hans, „erst will ich Sie einmal in Sicherheit bringen."
Er hatte auch ihr Gepäck zusammengesucht und schritt nun neben ihr den dunklen, schienendurchquerten Weg entlang.
„Sie sind sehr liebenswürdig, Herr Doktor", sagte sie leicht.
„O nein, ich bin sehr egoistisch; kommen Sie nur."
Ein warmer Strom durchflutete hier ihre Glieder.
„Ob wir nicht helfen können?"
„Sie nicht."
Im Wartesaal zweiter Klasse ließ er sie dann allein und eilte hinaus, um seinen ärztlichen Beistand anzubieten. Und während sich das kleine Zimmer mit aufgeregten lärmenden Menschen füllte, wartete sie auf ihn, den Blick auf die Thür gerichtet, durch welche er gegangen war. Sie war von einer seltsamen Gleichgültigkeit. Was sie soeben selbst mit durchgemacht und was um sie herum vorging, schien ihr gar nichts Besonderes, gar nicht des Schavens wert zu sein. Aber ein wohliges Gefühl war in ihr, eine stille srcudige Erwartung, gepaart mit einer weichen Bangigkeit. Und das war etwas Wunderbares.
Nach einer halben Stunde kehrte er zurück „Es ist weniger schlimm, als ich gefürchtet. Der neue Zug wird auch bald fertig stehen."
„Ich danke Ihnen, Herr Doktor."
„Mir? —"
Eine flüchtige Röte ging über ihr Gesicht. Der Doktor schwieg und atmete tief auf.
„Fräulein Lene," sagte er dann leicht, „wir haben uns unterwegs getroffen, durch Zufall nicht war? . . . Wenn wir nun weiter reisten zusammen — auf der großen langen Reise nach dem Glück; wenn wir es versuchten — ?" Er blickte ihr bittend in die Augen. Sie hotte seinen Worten in banger Erwartung gehorcht und zugleich wußte sie. daß sie ihn liebte. Ach Gott, war es denn Wirklichkeit? Sie zitterte noch einen Augenblick, als könnte es doch nicht wahr sein. Es war zu viel. „Was sagen Sie Fräulein Lene — Lene." Da fühlte auch er schon ihre kleine Hand in der seinen. Ein fester, inniger Druck.
„Und erste Station wird Middelberg." Sie nickte selig.
Der jüdische Mädchenhändler Markus Schwarz aus den erst vor kurzer Zeit wieder in der Presse aufmerksam gemacht wurde, gehört einer Bande an, die schon seit vielen Jahren ihr abscheuliches Gewerbe treibt. Schon vor 15 Jahren hatte sie sich in Rio de Janeiro vollständig gebildet. Ihre Mitglieder lockten hübsche junge Mädchen, namentlich auch aus Deutschland, unter dem Versprechen nach Brasilien, daß sie als Erzieherinnen, Verkäuferinnen und Wirtschafterinnen einträgliche Stellungen erhalten sollen. Waren die Opfer einmal in ihren Händen, so scheuten die Händler auch vor der brutalsten Gewalt nicht zurück, um sie in schlechte Häuser zu bringen. Sie traten damals in Europa gern als Bijouterie- und Modewarenhändler aus. Zwei Fälle führten zu Maßregeln gegen eine ganze Reihe von Personen. In Folge von Vorstellungen, die sich daran knüpften, wurde eine ganze Bande aus Rio ausgewiesen. Zu den Ausgewiesenen, die aus Deutschland gekommen waren, gehörte auch Markus Schwarz. Die anderen waren Moritz Silbermann, auch David Albino, And oder Ultcm genannt, Moses Rcdars, auch Redam, Redaun oder Silberstein geheißen, Markus Freemann, Moritz Hermann, und Markus Weinbach.
(Katarrhe und ihre Verhütung und Heilung) — Katarrh, von dem griechischen Worte für Herabfließen hergeleitet, nennt man jede mit Blutüberfüllung, Schwellung und vermehrter Absonderung einer schleimigen Flüssigkeit auf tretende Erkrankung einer Schleimhaut. Es
giebt so viele Arten von Katarrhen. wie es Schleimhäute giebt. tue alle von außen zugänglichen Körper- und Eingeweide Höhlen auskleiden; gewöhnlich versteht man aber darunter diejenigen der oberen AtmungS Organe, also der Nase, des Rachens, des Kehlkopfes und der Luftröhre. Die Schwellung der Schleimhäute und die Schleimbildung verengern die Luftwege, ver» stopfen die Nase und reizen zum Niesen und Räuspern, bewirken Heiserkeit und Husten, und den hcrausgeworfenen Schleimmaffen sind oft kleine Blutteste aus überfüllten Aederchen bei- gemcngt. Nach einiger Zeit pflegt der Schleim dicker, klumpiger, fettreicher zu werden, die Reizung sich zu vermindern und mehr oder weniger schnell in Heilung überzugehen. Jeder Katarrh kann durch örtliche Reizung in den Luftwegen, also durch scharfe Dämpfe und Staubarten, veranlaßt, oder vermittelst der Nerven durch Erkältung eines entfernten Körperteiles hervorgerufen sein; indem die aufgclockerten Schleimhäute vielen Krankheitskeimen Aufnahme und Eingang gewähren, können sie auch ernstere Entzündungen und Pstzkrankheiren (Diphtherie rc.) begünstigen und einleiten. Verhüten lassen sich die Katarrhe durch Vermeidung ihrer Ursachen und durch Abhärtung gegen Erkältung, die durch Gewöhnung an rasche Abkühlung der Haut durch Luft und Wasser mit nachfolgender rascher Erwärmung vom Blute her erzielt wird. Also durch kräftige Körperbewegung im Freien, auch bei kühlem und windigem Wetter, durch Kallwüschen, Baden, Kaltabrcibcn u. dgl. m., mit nachfolgender Erwärmung, womöglich durch Bewegung. Geheilt werden Katarrhe am schnellsten durch vermehrte Hautthätigkeit, besonders durch Schweiß, der durch starke Körperbewegung (Laufen, Turnen, Reiten), oder durch reichliche warme Getränke und dichte Einhüllung, auch durch naßkalte Einwicklung, römische Bäder u. a. m. hervorgerufen werden kann. Arzneimittel , von denen einige die Heilung sehr zu beschleunigen vermöge«, sollte man niemals anders als nach besonderer ärztlicher Verordnung nehmen.
(Boshaft.) Vetter: ja, in der letzten
Zeit habe ich die Gewohnheit angenommen, mit mir selber zu sprechen!" — Cousine: „Ach, das muß schrecklich sein!"
(Triftiger Grund.) Köchin (zu ihrem Soldaten): „Warum bist Du zwei Tage nicht gekommen?" — Soldat: „Ich litt an Appetitlosigkeit."
(Zinkgegenstände zu reinigen.) Man reinigt die Gegenstände mit Aschenlauge. Darauf nimmt man im Ofen getrocknetes oder geröstetes Küchensalz, zerreibt es zu Mehl, streut es auf einen wollenen Lappen und putzt dann das Gefäß so lange, bis der Silberglanz eintritt.
Gedankensplitter.
Das, was dir am Glücke seht, macht dein Glück vollkommen.
Mitfreude ist schwieriger als Mitleid.
Die guten Partien haben die — guten Ehen verdrängt.
Heutzutage haben so Viele keine Lebensfreude mehr, weil sie nur Lebensgenuß kennen.
Viersilbig Scharade.
In Stuttgart, aber nicht in Minden,
Könnt ihr die erste Silbe finden,
Und wenn ihr wollt nach Ahlbeck geh'n,
So könnt ihr dort die zweite seh'n.
Drei steht in Rom, doch nicht in Wien.
Vier fehlt in Prag, nicht in Semlin.
Fragt ihr mich nach dem Ganzen?
Sucht es im Reich der Pflanzen.
Wellungen auf -en „knzMer"
für das erste Quartal 1897
werden noch von sämtlichen Postanstalten und Postboten angenommen. In Neuenbürg abonniert man bei der Exped. d. Bl.
Sktdalttov, Druck und Bttldg voll T. M««h w sr,u«abürg.