formatorischen Maßregel für das deutsche Osfizier- !orps gewahrt ist. Hoffentlich wird aber die kaiserliche Ordre ihre Wirkung auch nach anderen Richtungen hin äußern und vielleicht die Reichs- gesetzgebung bestimmen, nun ihrerseits der Frage einer möglichsten Einschränkung des DucllunfugS überhaupt ernstlich näher zu treten.
Die im Berliner Auswärtigen Amte geführten Verhandlungen der beiderseitigen Regicrungsdelegierten über die Meinungsverschiedenheiten , welche in der Auslegung des deutsch.russischen Handelsvertrages zwischen den vertragsschließenden Parteien entstanden waren, haben sich nun doch noch in das neue Jahr hineingezogen. Die Schwierigkeiten, welche sich bei diesen politischen Konferenzen Herausstellen, scheinen eben etwas größer zu sein, als ursprünglich angenommen wurde; doch darf ein befriedigender Abschluß der Unterhandlungen nach wie vor nicht bezweifelt werden. Augen blicklich haben dieselben eine kurze Unterbrechung infolge des russischen Weihnachtsfestes erlitten.
Berlin, 5. Jan. Ein neues Heilserum gegen Tuberkulose hat, wie der „Lokalanzciger" von gut unterrichteter Seite erfährt, der bekannte hiesige Bakteriologe Dr. F. Niemann entdeckt. Schon in der nächsten Zeit soll die Veröffentlichung der interessanten Entdeckung in der medizinischen Fachpresse erfolgen. Das neue Heilserum soll keine angenehme Nachwirkung besitzen und Einspritzungen von großen Quantitäten weder Fieber noch sonstige Störungen bei den Patienten hervor- gerufen.
Auf dem Börsenkriegsschauplatze giebt's nichts wesentlich Neues zu verzeichnen, nur ist es merkwürdig, daß trotz des Streiks einer Anzahl Produktenbörsen die Getreidepreise im Allgemeinen angezogen haben. — Auch vom Streik der Hamburger Hafen- arbeiterist gerade nicht viel Bemerkenswertes zu berichten, die Ausständigen sind noch immer voll Entschlossenheit und Zuversicht. Am Mittwoch fanden in Hamburg nicht weniger als 19 Appellversammlungen der streikendenHafenarbeiter statt. In einer derselben forderte Reichstagsabgeordneter v. Elm die Ausständigen auf, sich nicht aus einzelne Verhandlungen mit den Arbeitgebern einzulassen, nur die einheitliche Erledigung der Forderungen sämtlicher Klassen der Hafenarbeiter sei statthast.
Erfurt, 5. Jan. In Rettgenstadt bei Kölleda feierte ein Veteran aus den Freiheits kriegen , Tischlermeister Kaufmann, fernen 103. Geburtstag. Der Greis, der geistig noch rege ist, empfing viele Glückwünsche und Geschenke.
In Güstrow i. Mcklb. wurden gestern Morgen 8 '/r der Viehhändler Brüggemann und die verwittwete Arbeiterfrau Bernitt, die am 26. Oktober 1896 wegen Giftmords zum Tode verurteilt worden waren, vom Scharfrichter Reindel enthauptet. Hiemit hat Reinbcl 175 Hinrichtungen vollzogen.
München, 5. Jan. Die Handelskammer von Oberbayern beschloß, eine ausgiebige proges- sive Besteuerung der Filialgeschäfte und großen Warenhäuser zu empfehlen.
Nürnberg, 3. Jan. Für das Heuer dahier statlfindende deutscheSchützenfest sind nun die Tage vom 4. bis 11. Juli in Aussicht genommen. In den nächsten Wochen tritt die Schießkommijston (der u. A. Föhr in Stuttgart angctzört) zusammen.
Vom Schwarzwald. Im Forstbezirk Bonndorf wurden durch den Schnee mehrere Tausend Fcstmeker Holz abgebrochen. Obwohl der diesjährige Schnee nicht außergewöhnlich hoch (35-38 Ctm.) liegt, hat er doch viele Bäume umgeworfen. Ec fiel naß, blieb darum massenhaft an den Bäumen hängen und fror in den kalten Nächten fest Die Last wurde noch durch reiflichen Duft vermehrt. Gleich schlimm steht es in den Wäldern von St. Blasien, Todtmoos und am Feldberg.
Württemberg.
Ueber das Proportional-Wahl- system, welches man mit dem abscheulichen kurzen Wort „Proporz" abgekürzt hat, während man doch recht schön deutsch sagen könnte,
„Zahlenverhältniswahlen", haben sich über die Feiertage die Blätter verschiedener Parteien geäußert und zwar in vorwiegend zustimmender Weise, wenn sie auch einzelne Bestimmungen bemängelt haben. Ob die Absicht der Regierung, solche Zahlenverhältniswahlen einzuführen, er- reicht wird, erscheint noch ziemlich fraglich, da die Kammer der Standesherrn wohl nicht so ohne weiteres ihre Genehmigung zu einer solchen Verfassungsänderung geben wird.
Die württb. Eisenbahnverwaltung wird wohl in kurzer Zeit die neuen Motor wagen aus Frankreich erhalten, wo sie gebaut und neulich in Anwesenheit des Eisenbahnpräsidenten v. Balz einer Probe unterzogen worden sind, welch letztere sehr befriedigend aus gefallen sind Mit diesen Motorwagen wird bekanntlich unsere Eisenbahnverwaltung auf ver schiedenen Strecken des Landes, sowohl den ganzen Bahndienst betreiben, wie beispielsweise zwischen Schussenried und Buchau, als auch den Lokal verkehr erleichtern, namentlich zwischen Stull gart Eßlingen, Stuttgart-Waiblingen, Stuttgart» Ludwigsburg, Ulm-Biberach, Ulm Blaubeuren, Heilbronn - Oehringen u, f. w. Diese Wagen werden dann wohl überall die Daimler'jchen Motorwagen ersetzen, welche sich offenbar nicht bewährt haben.
Ludwigsburg, 8. Jan. Vor ganz kurzer Zeit erhielt die Frau eines Milchhändlers in Markgröningen ein Telegramm von Zuffen Hausen, worin ihr Mann, der mit seinem Fuhr- werk nach Stuttgart gefahren war, sie beauftragte, dem Haberhändler Feucht von Hemmingen, der bei ihr eintreffen werde. 25 zu geben. Jener angebliche Feucht traf auch einige Stunden nach Ankunft des Telegramms bei der Milch Händlers-Frau ein, um das Geld zu erheben; da aber rn dem Telegramm der Vorname des Ehemanns falsch angegeben war, zahlte die Frau das Geld nicht aus und der Schwindler, der einen ähnlichen Kniff in Ditzingen, aber dort mit Erfolg ausgeführt hatte, verschwand vorerst spurlos, dürste aber doch bald ermittelt werden.
C r a i l s h e i m . 8. Jan. Gestern wurden in der Nähe hiesiger Stadt die ersten Frühlings boten, ein Schwarm Staren von ca. 50 Stück gesehen. Gewiß eine Seltenheit in dieser Jahreszeit.
Ausland.
Die Stimme der Vernunft findet zuweilen auch noch in Frankreich Gehör. So bespricht das angesehene Pariser Blatt „Solcil" den Niedergang des französischen Handels, welcher hauptsächlich dadurch herbeigeführt werde, daß Frankreich seine Kräfte und Hilfsmittel verschwende, um Kolonialkriege zu führen und den europäischen Krieg vorzubereiten. Großen Eindruck wird freilich diese Auslassung bei den Franzosen nicht machen.
Paris, 7. Jan. Ein hiesiges Blatt meldet, daß den Offizieren der Grenzkorps ein Fragebogen zugestellt wurde, in welchem genaue Angaben über ihre persönlichen Verhältnisse verlangt werden; insbesondere werden die verheirateten Offiziere aufgefordert, mitzuteilen, wohin im Falle einer Mobilmachung ihre Familien gebracht werden sollen. — (Na, Na!)
In den letzten Tagen ist in Petersburg siel von einer Absicht des Kaisers von Rußland gesprochen worden, einen obersten Rat zu schaffen, der eine Zwifcheninstanz zwischen den Ministern und dem Kaiser bilden und diesen von der sich täglich mehrenden Arbeit einigermaßen entlasten soll; fortan würden dann nur die wichtigsten Sachen von den Ministern selbst dem Kaiser vorgetragen werden. Als Vorsitzender des obersten Rates wird der Großfürst Konstantin Konstantinowitsch genannt.
Die militärischen Verräter, die den Fürsten Alexander von Bulgarien im August 1886 nächtlich im Palais in Sofia überfielen, ihn wie einen gemeinen Verbrecher nach Rußland entführten und die nach dem Niederbruche ihres Anschlages in die russische Armee eintraten, sind in allen Ehren begnadigt worden. Am Samstag abend hat die bulgarische Sobranje den verhängnisvollen Gesetzentwurf nahezu einstimmig
genehmigt. Das war ein würdiges Seitenstück zu der Prozeßkomödie gegen die Mörder Stam» bulows.
In Spanien bereitet sich ein Systemwechsel vor. Wie der gewöhnlich zuverlässige Madrider Berichterstatter des „Temps" ankündigt, wird Ende Januar oder noch früher Canovas sich entschließen, die Selbstverwaltungs- Politik auf Kuba anzuwenden oder die Königin Regentin diese Aufgabe Sagasta übertragen; dieser erklärt, die liberale Partei sei bereit, das Werk der Beruhigung Kubas durch Verhandlungen und Reformen ebenso wie durch militärisches Vorgehen zu unternehmen.
Auf dem Gebiete der großen Politik nimmt die vielverschlungene türkische Frage die Aufmerksamkeit immer wieder in Anspruch. Es geht das Gerücht, daß unter den Botschaftern bei der Pforte Uneinigkeit über die weitere Behandlung der türkischen Reformangelegenheiten herrsche, trotzdem sie erst noch in den letzten Tagen abermals eine neue gemeinsame Note, betreffend die Amnestie für die Armenier, an die Pforte gerichtet haben. Auffällig ist es mindestens, daß Herr v. Nelidvw, der russische Botschafter, sich eine besondere Note an die Pforte „geleistet" hat, in welcher der letzteren mit Einsetzung einer internationalen Finanzkommission gedroht wird, falls sie mit ihren finanziellen Winkelzügen fortfahre. Inzwischen haben in Konstantinopel wiederum Massenverhastungen von Türken stattgesunden, vermutlich sind von dieser Maßregel Anfänger der jungtürkischen Reformpartei betroffen worden. Auch aus Kreta spitzen sich die Verhältnisse wieder bedenklich zu. Unter dem mohamedanschen Bevölkerungselement der Insel herrscht Unzufriedenheit über die von der türkischen Regierung den christlichen Kretensern gemachten Zugeständnisse, welche Stimmung in diesen Tagen mehrfach zu Angriffen bewaffneter Mohamedaner Kretas auf ihre christlichen Landsleute geführt hat. Infolgedessen herrscht natürlich unter den christlichen Bewohnern Kretas aufs Neue Erbitterung gegen die Mohamedaner.
Ein gräßlicher Unglücksfall hat sich am Neujahrstage in Bützberg (Kanton Bern) zugelrageu. Ein zu Besuch bei seinen Eltern weilender Seminarist wollte diesen mit einem verstellbaren Messer zeigen, wie auf den Thcater- ' bühnen das Erdolchen ausgesührt wird. Un- glückstligerweise funktionierte aber der Versteller des Messers nicht recht, als der junge Mann das Experiment ausführen wollte, und so stieß er sich die Klinge mit solcher Wucht ins Herz, daß er sofort tot vor den Augen seiner Eltern niederfiel.
Aus Montreal wird gemeldet: Bei der durch eine Lampenexplosion verursachten Feuersbrunst im Ursnlakloster bei Roberval am St. Johnssee sind 7 Ursulinerinnen verbrannt; das Kloster ünd die Schulgebäude sind gänzlich zerstört worden.
Telegramm.
Berlin, 8. Jan. Die Konstituierung des Börsenvorstandes wurde heute nicht vorgenommen, da zuvor dem Handels minister über die Wahl und über die Sachlage berichtet werden soll, die dadurch geschaffen wird, daß die Produktenbörse ihr Wahlrecht nicht ausübt und die vom Aeltesten-Kollegium für den Vorstand vor- geschlagenm Mitglieder des Kollegiums die Wahl nicht annehmen.
K o n st a n ti n o p e l, 8. Januar. Amtlich wird bekannt gemacht, daß der Termin sür die Rückkehr der ausgcwanderlen Armenier um 75 Tage verlängert wurde.
Bombay, 8. Jan. Nach der „Ostindia- Times" hat sich die Bevölkerung von Bombay seit Ausbruch der Pest durch Auswanderung und Tod um die Hälfte vermindert. Die Sterblichkeit beträgt 200 pro 1000 und Woche. Im Emgeborenenviertel sicht das Geschäft zum größten Teil still; die Zahl der geschlossenen Läden übersteigt die der offenen.
Mit einer Beilage.
Redaktion, Druck und Verlag von C. Meehin Neuenbürg.