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Salier" nicht in Bremen, sondern ausschließ, lich in Bremerhaven, wo ein Ausstand über- Haupt nicht vorhanden war, beladen wurde. Die Beladung erfolgte wie die aller übrigen Schiffe durch geübte reguläre Steuer Mann­schaften unter unmittelbarer Aussicht des Nord­deutschen Lloyd. In demselben Sturme, welcher die Katastrophe desSalier" veranlaßte, ging im Meerbusen von Biscaya der Dampfer Kingtor" unter, welcher sich auf der Fahrt von Odessa nach Antwerpen befand. 40 Personen sind ertrunken. Auch der nach London bestimmte spanische DampferChurrucca" ist dem Orkan zum Opfer gefallen. Die Mannschaft derChurrucca" wurde jedoch gerettet.

Frankfurt, 21. Dez. Nach einer Meld» ung derFranks. Ztg." aus Zürich, hat sich der flüchtige Reichsbankagent Hegele aus Konstanz in Lichtensteig bei St. Gallen, wo er seit Frei tag abend weilte, mit Morphium vergiftet. Er wurde noch lebend in das Krankenhaus zu Wattwyl verbracht.

Wiesbaden, 13. Dez. Die Sladtver- ordneten haben beschlossen, das herrliche Nero­thal in seiner ganzen Ausdehnung in ein­städtische Anlage umzuwandeln. Die Kosten der neuen Parkanlage werden nahezu eine Million Mark betragen.

Münster, 19. Dez. Die letzten Tage haben einen gewaltigen Schneesall gebracht. Stellen- weise liegt der Schnee über einen Meter hoch und hat in den Gedirgsdörfern zeitweilig allen Verkehr unterbrochen. Der Schulbesuch hat fast ganz aufgehört. In sämtlichen Schulen des Münsterthales sind auf behördliche Anregung hübsch ausgestattete Plakate mit der Abbildung einer um Futter bildenden Vogelgruppe aufge hängt. Gleichzeitig werden die Kinder prakmch angeleitet, geeignete Futterplätze für Vögel ein- zurichten.

Mannheim, 21. Dez. Die Strafkammer verurteilte den Stationsmeister Sinnebach von Wieblingen, der am 22. August im Heidel- derger Güterbahnhof einen schweren Eisenbahn- Unfall verschuldete, zu 5 Monaten Gefängnis.

Mülhausen, 15. Dez. Die deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger hat in den Kreisen unserer Industriellen lebhafte Teil­nahme gefunden. Ein großer Teil derselben hat die außerordentliche Mitgliedschaft durch Stiftungsbeiträge in Höhe von rund 3000 »16 erworben.

Württemberg.

Stuttgart, 15. Dez. (Kammer der Abgeordneten.) Beratung über den Gesetzentwurf betreffend die Abänderung des Gesetzes vom 16. Juni 1882 über die Farrenhaltung. Referent Hafsiner (Calw) legt die Absichten des Entwurfs dar. Derselbe verpflichtet die Gemeinde, die Farcen auf eigene Kosten anzuschaffen und in ihrem Eigentum zu behalten. Sie darf nie die Fül> terung und Pflege an die aufgestellten Farren- halter vergeben, denen kein Nutzen aus dem eventuellen Mehrerlös der Farren eingeräumt werden darf. Endlich.soll der Zulassungsschein nur Geltung haben für diejenige Gemeinde, für welche der Farren zur Zeit der Ausfüllung auf­gestellt ist. Diese Bestimmungen bestehen in Baden und haben dazu beigetragen, die Ent­wicklung der Viehzucht zu fördern. Er bean­trage, in die Spezialberatung des Gesetzentwurfs einzutreten. Beurlen (Bolksp ): In seinem Bezirk habe man mit der Gemeindefarrenhaltung schon günstige Erfolge erzielt. Er werde des­halb für die Beratung des Gesetzes stimmen, v. Geß (D. P.): Er wisse wohl, die Regier- ung habe mit dem Entwurf die beste Absicht, aber für ihn seien die vorgeschlagenen Mittel nicht annehmbar. Man solle den Gemeinden ihren freien Willen lassen, nicht in die Ver- waltungsrechte derselben eingreifen. Unsere Viehzucht stehe unter dem alten Regime auf einer hohen Stufe, weshalb wir nicht ohne triftige Gründe Neuerungen einführen wollen. Ja unserer gesetzreichen Zeit werden wir mit den neuen Vorschriften nur Verstimmungen in die Gemeinden tragen. Man solle lieber die Prämien steigern. Ein Vergleich unserer Viehzucht mit

derjenigen Badens sei gewagt. (Sehr richtig.) Es haben allerdings zuerst sich mehrere land­wirtschaftliche Vereine für das Gesetz ausge­sprochen. aber jetzt sei schon ein Umschwung ein­getreten. Man will auf dem Lande jetzt nichts mehr von der Vorlage wissen. S a ch s (D. P.) bedauert, gegenteiliger Ansicht zu sein, als der Vorredner. Wie sich das System der Farren - Haltung entwickelt hat, ist weniger im Interesse der Gemeinden als der Farrenhaltung gelegen. Es sei doch keine zu große Zumutung, wenn man auch die Gemeinden veranlasse, ihrerseits etwas für die Entwicklung der Rindviehzucht zu lhun. Man solle dem Staat doch nicht alles aufbürden. Minister v. Pischek: Der betr. Gesetzentwurf sei bereits ausgearbeitet und es bestehe Absicht, ihn in einigen Wochen dem hohen Hause zugehen zu lassen. Württemberg stehe in Bezug auf die Rindviehzucht in Deutsch­land mit an erster Stelle. Der Werl unseres Rindviehstandes darf auf zweihundert Millionen Mark veranschlagt werden und die Viehzucht biete noch eine der besten Renten der Land­wirtschaft Wir müssen daher alles aufbieten, um sie auf eine hohe Stufe zu bringen. Mit der Privatfarrenhaltung werden in erster Linie die Jnleressen der Farrenhaltcr verfolgt. Was wir jetzt Vorschlägen, damit hat man in Baden und Hessen schon sehr günstige Erfolge erzielt. Dabei werde die Regierung gern bereit sein, den ökonomischen Verhältnissen der einzelnen Ge­meinden entgegenzukommen. Die Verbesserung unseres Viehstandes werde gewiß unserer Land­wirtschaft, unserem ganzen Volkswohlstand zu­gule kommen. Referent Haffner: Ohne Zwang werde nichts auszurichten sein, das ersehe man daraus, daß von unseren über 2000 Ge- meinden nur 519 die Farrenhaltung in eigene Regie genommen haben. Denjenigen, die am Alten und Hergebrachten hängen, wird das Gesetz unbequem sein, nicht aber dem Bauern, der seinen Nutzen von dem neueingestellten Farren von guter Rasse haben werde, v. Luz bc streitet, daß das Gesetz ein Eingriff in die Selbst­verwaltung unserer Gemeinden ist. In Baden habe sich die jetzt vor uus angestrebte Farren- ordnung gut bewährt. Bei der Fortsetzung der Beratung am Mittwoch, den 16. os. sagt Al ding er: Der Ausfall der Cannstatter Ausstellung sei nicht maßgebend, denn 7080°/o aller dort ausgestellten Tiere stammen aus dem bav. Oberland oder der Schweiz. Das Gesetz habe mehr Vorteile als Nachteile. Redner hofft, daß wir durch dasselbe nicht immer im­portieren müssen, sondern auch wieder exportieren. Frhr. von Wöllwarth ist derselben Ansicht. Schmid und Rathgeb sind gegen das Gesetz, v. Ow verbreitet sich über die Ausgaben des Staates für die Farrenhaltung, wofür bereits 119 407 »16 ausgegeben wurden; in den letzten fünf Jahren wurden an Gemeinden, welche die Regiehaltung eingcführt haben, 17 000 »16 Bei­träge bezahlt. Wir brauchen ein rascheres Tempo in der Viehzucht, wenn wir Baden er­reichen oder übertreffen wollen, da bei uns die Biehzuchtverhältnisse besser sind als in unserem Nachbarland. Freilich sind hier auch größere Unterschiede in der Viehzucht; aber die Fortschritte sind dort unverkennbar. Unter König Wilhelm I. sprach man nichts vom badischen, sondern nur vom Württemberger Vieh; heule ist'S um­gekehrt. Zuchtviehmärkte wie in Baden, sind wir gar nicht in der Lage, abhalten zu können, da wir gar keine konstante Zuchtrichtung haben. Was aber Baden thun kann, sollte Württemberg auch fertig bringen. Maulbronn und Eßlingen wollen es in das Ermessen der Oberämter stellen, die Regiefarrenhaltung da für die Gemeinden einzufühcen, wo die Farren­haltung zu mangelhaft ist. Dadurch würde nichts geholfen, wenn gesetzlich festgestellt würde, daß nur Farren 1. und 2. Klasse verwendet werden dürfen. Je geringer die Viehzucht ist, desto mehr Farren 1. Klasse stehen auf dem Papier, was aus der Gegenüberstellung des Schwarzwaldkreises mit dem Neckarkreise nach­gewiesen wird. Da kommt es vor allem aus die Oberamlstierärzte an, ob ihnen ihre Kundschaft oder die Hebung der Viehzucht mehr am Herzen liegt. Dem kleinen und mittleren Bauern würde

ganz besonders das Gesetz nützen, da er die Aufzucht seines Viehes selbst vornehmen mutz, während der große sich der Mästung des von ihm aufgekauflen Viehes unterzieht. Es ist oft Eigennutz, wenn die größeren Bauern gegen die vorgesehene Regelung sich auflehnen, da sie allerdings etwas mehr am Gemeindeschaden zu zahlen hätten. Baden würde nur Schadenfreude haben, wenn das Gesetz abgelehnt würde. Die Abneigung gegen das Gesetz rührt von Miß­verständnissen her. Es handelt sich ja nicht um die zwangsweise und schablonenhafte Ein­führung der Regiefarrenhaltung: man werde ja den einzelnen Verhältnissen thunlichste Rechnung tragen. Er bitte um Annahme des Gesetzes zum Wohl unserer heimischen Landwirtschaft. (Bei- fall.) Schock spricht für das Gesetz. Ver- besserungen müssen oft geradezu aufgedrungen werden. Wenn sie aber durchgeführt seien, wolle sie kein Mensch mehr vermissen. (Beifall.) Dies zeige sich bei der Feldbereinigung, bei Entwässerungsanlagen rc. Staatsministr von Pischek: Man habe nun 14 Jahre lang aufgemunkert und angcfeuert, es habe nichts ge­holfen. Ein Zwang sei nötig gegenüber der Kurzsichtigkeit, welche in bäuerlichen Kreisen zu finden sei, wenn es sich um Ausgaben handelt. Wenn Art. 2 abgelehnt werde, so habe der ganze Rest des Gesetzes keinen Werl mehr.

Die Kammer fuhr alsdann am 17. in der Beratung desFarrenhaltungsgesetzes fort. Nachdem die verschiedenen Anträge ins Reine gebracht waren, und verschiedene Redner nochmals auf die allgemeine Erörterung zurück­gegriffen hatten, schritt man zur Abstimmung über den entscheidenden Artikel 2. Der Antrag v. G e ß auf Ablehnung dieses Artikels wurde mit 55 gegen 26 Stimmen abgelehnt, das Gesetz mit 57 gegen 25 Stimmen angenommen. Gegen dasselbe stimmten die meisten Mitglieder der Bolkspartei, sodann v. Abel, Rathgev, v. Geß und Schrempf.

Stuttgart, 21. Dez. (Ständische Druckschriften.) Erschienen ist der Bericht der Volkswirtschaft!. Komm. d. Kamm. d. Abg. über die Bitte des A. W. Bobrzyk in Reutlingen Namens vieler Bauhandwerker Würt­tembergs um Abschaffung des Submissions- Wesens, soweit es das Handwerk betrifft, und über die Petition des geschäftsführenden Aus­schusses des Verbands der Flaschnermeister Württembergs wegen Abänderung des Sub­missionswesens. Der Bericht wurde bei der kürzlichen Tagung des Landtags in der Sitzung vom 17. Dez. vom Berichterst. v. Luz vorge­tragen und ist nun auf Wunsch der Kammer, die sich die Entscheidung Vorbehalten hat, in Druck gelegt worden. Der Antrag der Komm, geht bekanntlich darauf, die Regierung zu bitten, die bisherige Verfügung über die Submission einer Prüfung zu unterwerfen und dabei den Inhalt der Eingaben, soweit er berücksichtigt werden könne, in Erwägung zu ziehen.

Stuttgart, 20. Dez. (Eisenvahnsache.

Amtliche Mitteilung.) Während bisher Karten für den Schnellzugszuschlag nur auf den Schnellzugs-Anhaltstallonen selbst und auf ein­zelnen Stationen der Seltenbahnen ausgegeben worden sind, ist nunmehr die Einrichtung ge­troffen worden, daß Schnellzugszuschlag, karten auf sämtlichen württemb. Eisenbahn- stationen (mit Ausnahme der Haltepunkte) zur Ausgabe kommen. Diese Einrichtung ermög­licht, daß die Zuschlagskarte für eine im Bereich der württemb. Verwaltung mittels eines Schnell­zugs zurückzulegende Strecke nach Wunsch des Reffenden auf jeder Ausgangsstalion. auch wenn diese an einer von Schnellzügen nicht befahrenen Linie liegt, verabfolgt werden kann, und es soll durch die Ausgabe dieser Zaschlagskarten der Zukauf erst auf der Uebergangsstation, von welcher ab der Schnellzug benützt werden will, thunlich eingeschränkt werden. Aus diese Neuerung wird Hiemil aufmerksam gemacht. Es dürfte im Interesse der Reisenden, welche die Fahrt mit einem Personenzug antreten und auf einen anschließenden Schnellzug unterwegs über­gehen wollen. gelegen sein, die Zuschlagkarte für die im Schnellzug zurückzulegende Strecke schon auf der ursprünglichen AuSgangsstattoa