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zu veranlagen. Inhaber von Rückfahrkarten, mit denen die Heimreise ebenfalls im Schnell­zug zurückgelegt werden will, können die Zu­schlagskarte für d>e bctr. Schnellzugsstrecke gleich­zeitig für die Hin- und Rückfahrt auf der Ausgangsstation lösen.

Ausland.

Bei einer Gruben ex plosion im Szechenyi- schacht bei Reschitza in Unaarn sind fünfundochtzig Personen verunglückt. Bisher sind 40 Leichen und 18 Schwerverletzte zu Tage gefördert wor- den. 27 Bergleute werden noch vermißt. Sie gelten als verloren.

Triest, 20 Dez. DerPiccolo" meldet aus Belgrad: Im Bezirke von Skoplja in Altserbien verursachte ein furchtbarer Wolkenbruch eine Ueberschwemmungskatastrophe. Biele Dörfer und der untere Teil der Stadt Lkoßlja sind überschwemmt. 1200 Häuser, darunter das des russischen Konsuls sind eingestürzt. 2000 Personen sind obdachlos.

In Frankreich macht eine neue Spionengeschichte a la Dreyluß Aufsehen. Der frühere Artiüeriehauptmann Guillot ist in Amiens verhaftet worden, weil er sich einer gegen ihn 1886 eingeleiteten Untersuchung wegen Spionageverdachts durch die Flucht nach dem Auslände entzogen hatte. Vor Kurzem war Guillot im Glauben, die Sache sei verjährt, nach Frankreich zurückgekehrt und hatte sogar das Kriegsministerium um Auszahlung seines zehnjährigen Ruhegehaltes ersucht. Die Antwort hierauf war die Verhaftung des Heimgekehrten. Die weitere Entwickelung der Angelegenheit bleibt noch abzuwarten.

Das französische Ministerium will im Parlament eine Abänderung des Gesetzes betr. die Ansallsteuer, der klösterlichen Orden und Kongregationen Vorschlägen, weil diese Steuer bei weitem nicht das gehoffte Ergebnis geliefert, Einziehung aber wiederholt zu den peinlichsten Zufällen geführt hat. Die Radikalen und Sozialisten in der französischen Deputierten­kammer erblicken in dieser Absicht der Regierung eine neue Abschwenkung zu der klerikalen Reaktion und wollen das Ministerium dafür angreifen. Auch gegen den Präsidenten Faure richten die radikalen Blätter heftige Angriffe, weil der Erlös aus lebend gefangenen Fasanen in einem Staatswalde, worin Faure zu jagen pflegte, an den Bankier Faure's hat ausbezahlt werden müssen.

Paris, 18. Dez. Ein furchtbares Drama spielte sich gestern nachmittag in der Rue Lion im Arbeiterviertel La Chapelle ab. Der 26jähr. Kellner Bauße übersiel seine Frau, als dieselbe ihm sein Essen auftrug, mit einem Rafsiermeffer und brachte ihr zahllose rötliche Wunden am Halse bei. Hierauf sprang er aus dem im 4. Stock gelegenen Zimmer auf die Straße, wo er mit zerschmetterten Gliedmaßen liegen blieb. Bauße hatte mit seiner Frau, mit der er erst seit einem Jahre verheiratet war, stets im besten Einvernehmen gelebt. Man glaubt, daß er die entsetzliche Thal in einem Anfall von Geistes­störung verübt hat.

London. 21. Dez. Nach derDaily News" bestellte die griechische Regierung bei einer Fabrik in Brescia 100000 Gewehre. Die eine Hälfte ist in 3, die andere in 8 Monaten zu litfern. sUnd die Bezohlung?j

Unterhaltender Heil.

Die Löwendame.

Eine Weihnachishnmoreske von Gustav Höcker.

(Schluß.)

Es war dem Dottor Ellern vergönnt ge­wesen, die Schwiegermutter selbst in Empfang zu nehmen, denn der Menageriezug, an dessen Lokomotive ein Radreifen gebrochen war, hatte mehrere Stunden Verspätung.

So, da sind wir," flüsterte Eduard, in das stockfinstere Fremdenzimmer tretend.Sie hat uns nicht kommen hören, um so besser. Alle Wetter!" unterbrach er sich, als er am anderen Ende des Zimmers die Thüre knarren hörte und einen sich bewegenden schwarzen Schatten zu bemerken glaubte.Wer ist denn hier?"

Das frage ich!" tönte gebieterisch die Stimme seiner Fron.

Nun, ich bin's ja, Dein Eduard."

Und wer noch?" herrschte Hertha.

Nun und ich, der Onkel Teichmann".

Nein, es ist noch eine dritte Person da", behauptete Hertha, in der Dunkelheit umher- tappend.

Die Mama war bereits unterwegs über ihr Inkognito verständigt worden und antwortete in so tiefem Tone der ihr möglich war:

Die dritte Person bin ich, Eduards Uni- versitätsfreund."

Das ist eine verstellte Frauenstimme", rief Hertha und eilte auf den Ort zu, woher die Stimme kam

Onkel Teichmann stellte sich rasch vor die Mama.

Ich will Ihnen sagen, wer sie sind," redete Hertha, kochend vor Wut auf ihn hinein, Sarah heißen Sie und ein schamloses Weibs­bild sind Sie, das junge Ehemänner zur Un- treue verführt. Haben Sie denn gar keinen Funken von Moral im Leibe? Aber was kann man von so einem Frauenzimmer, das sich mit w'lden Bestien herumbalgt, anderes erwarten! Machen Sie, daß Sie von hier kortkommen und kriechen Sie in ihren Löwenkäfig, sonst lasse ich die Polizei rufen und Sie wegen Hausfriedens­bruch ins Loch stecken. Haben Sie mich ver­standen?

Ihre Hände krümmten sich und mit einem wilden Griffe fuhr sie der vermeintlichen Löwen­dame in die Frisur. Onkel Teichmann flüchtete, doch war ein haarig sich anfühlender Gegenstand in Hertha's Hand geblieben.

Nach dem Rückzuge des Onkels war die hinter ihm stehende Mama der in ihren heiligsten Gefühlen gekränkten jungen Ehefrau schutzlos preisgegeben.

Und Sie, gottloser alter Hagestolz", fuhr diese fort, in der Meinung, Herrn Teichmann vor sich zu haben,Sie sollten sich in Ihre tiefste Seele hineinschämen, die treulosen Streiche Ihres Neffen zu unterstützen, anstatt ihn davon zurückzuhalten. Ein netter Onkel, wahrhaftig! Aber die alten Junggesellen sind alle mit einander keinen Schuß Pulver wert, das hat meine Mutter schon oft gesagt. Ach! meine Mutter," rief sie. plötzlich weich werdend,wenn sie das wüßte!"

Aber Hertchen," ließ sich aus der Gegend des Ofens Eduards Stimme vernehmen,so höre doch erst"

Nichts, gar nichts will ich hören!" rief sie, mit heftigen Schritten auf die Richtung des Ofens zugehend.Ich will Dir keinen Augen- blick länger im Wege sein, Eduard; ich lasse mich von Dir scheiden. Dann heirate Du Deine Amazone. Deine alte Flamme, mitsamt ihren dressierten Löwen. Vielleicht dressiert sie Dich auch noch. Ich reise noch diesen Abend nach Hause zu meiner Wutter!"

Sie brach in heftiges Schluchzen aus.

Hertha, mein geliebtes Kind, Deine Mutter ist ja hier!" rief jetzt eine Stimme, die un­möglich trügen konnte, denn Hertha kannte sie nur zu gut.

Meine Mutter, meine teuere Mutter, hier?" schrie sie auf, beide Arme weit aus­breitend.

Inzwischen war Onkel Teichmann im ganzen Zimmer herumgetappt, um der jungen Frau die Trophäe, welche sie an sich gerissen, wieder zu entwinden. Als er sitzt Herthas Stimme ganz in seiner Nähe vernahm, trat er hurtig auf sie zu, und diese schloß ihn, in dem Glauben, ihre Mutter vor sich zu haben, ungestüm in ihre Arme und bedeckte sein bartloses Gesicht mit Küssen, daß er fast erstickt wäre.

Ellern wollte hinter Hertha nicht Zurück­bleiben. Er glitt aus seiner Ofenecke hervor und als er gegen einen korpulenten weiblichen Körper stieß, der offenbar nicht seiner Frau gehörte, rief er. denselben an seine Brust pressend, in bewegtem Tone:Und nun seien Sie auch meinerseits in der Heimstätte Ihrer Kinder tausendmal willkommen geheißen, liebstes, bestes Schwicrgermamachen!"

Im nächsten Augenblick hallte das Zimmer von seinen Küssen wieder. Inzwischen glaubte er jedoch in unmittelbarster Nachbarschaft des Terains, auf welches er seine Lippen drückte, ein verdächtiges, ihm nicht ganz unbekanntes Schnüffeln zu vernehmen.

Licht!" rief er wie von einer furchtbaren Ahnung ergriffen,um Gotteswillen, bringt schnell Licht!"

Die Schwiegermutter, der es auch nicht recht geheuer war, da ihre nach der Tochter ousgebreiteten Arme leer blieben, entdeckte einen Schimmer der durch das Schlüsselloch einer Thür drang, sie stürzte darauf zu, fand den Thürgriff, öffnete und bemächtigte sich rasch der im Nebenzimmer brennenden Lampe, mit der sie zurückkehrte.

Da sah man denn im Hellen Scheine der Petroleumflamme, Hertha an Der Brust des Onkels schluchzen, der mit einer ehrwürdigen rattenkahlen, selbst von seinem Neffen bisher ungeahnten Glatze dastand, während Hertha in einer der ihr umschlingenden Hände noch seine Perücke festhielt. Auch die dicke Fränzi, die sich neugierig auf den finsteren Schauplatz der ehe­lichen Tragödie geschlichen hatte, sah man, wie sie eben durch dieThüre flüchtete, während Dr. Ellern, ihr geisterhaft nachblickend, sich mit großer Energie den Mund wischte.

Mit einem Schrei fuhr Hertha vom Onkel zurück und lag gleich darauf an der Brust ihrer echten Mutter. Dann blickte sie sich verworren um. wie Jemand der eben vom Scheintode er­wacht.

Und und die Löwenbändigerin?" stammelte sie, die Anwesenden zählend.

Die Löwenbändigerin?" wiederholte Eduard, in dessen Kopfe es jetzt zu tagen begann.Ich vermute, daß ich sie eben hinausgehen sah. Wir wollen sie gleich fragen." Er schritt zur Thür und rief hinaus:Fränzi, kommen Sie doch gfälligst mal herein!"

Falb stellt vom 24 Dezember ab den Ein­tritt größerer Kälte, namentlich in Süd­deutschland. und mäßige Schneefälle, besonders um den 27., in Aussicht.

Telegramme.

Gmünd, 22. Dez. Bei der heutigen Landtags st ichwahl erhielt Pfarrer Schwarz von Ottenbach 3066 Stimmen und Rektor Klaus Gmünd 2643 Stimmen. -Schwarz ist somit gewählt; beide Kanditaten gehören bekanntlich der Zentrumspartei an.

Hamburg, 22. Dezbr. Heute fand abermals eine Auszahlung von Unterstützungs­geldern an die Streikenden statt. Es sollen im ganzen 192 460 -/-L verteilt worden sein. Im Hafen wurde heute auf 171 Schiffen mit 355 Gängen gearbeitet. 39 Schiffe lagen ruhig. Auf 64 von den 86 an den Quais liegenden Schiffen arbeiteten 1406 Leute an 168 Krähnen. Auf dem Quai selbst arbeiteten heute 2127 Personen.

Leipzig, 22. Dezbr. Bei dem Preis­ausschreiben zur Erlangung endgültiger Pläne und Modelle für das VölkerschlachttNational- denkmal erhielt von 72 eingereichten Plänen den ersten Preis mit 6000 ^ Architekt Wilh. Kreis. Charlottenburg.

Zürich. 22. Dez. Die hiesige Polizei verhaftete den flüchtigen Kassierer des Spar­vereins für Görlitz und Umgegend, Schneider. Ein größerer Betrag des von Schneider gestohlenen Geldes wurde noch bei demselben vorgeiunden.

Am Störungen im Bezug zu vermelden, bitten wir unsere Leser, ihre Bestellung auf den

Grrxthkler

bei den Poststellen und Postboten noch vor JcchreLschluß zu erneuern.

Zu dem heutigen Blatt geben wir unfern Lesern aus den Weihnachtstisch unsere Wand­kalender Ausgabe . die sich schon in manchem Hause eingebürgert hat.

Redaktion u Verlag des Enzthälers.

Redaktion, Druck und Verlag von C. Meeh tu Neuenbürg.

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