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des Wildschadenersatzes überhaupt im bürger­lichen Gesetzbuch, entgegen einem von konser­vativer und freikonservativer Seite ausgegangenen Anträge, beibehalten worden, ist erfreulich, um­somehr, als da, wo weitergehende Landesgesetze über Wildschaden, entsprechend den besonderen Verhältnissen bestehen, also auch Hasenfraß dazu gerechnet wird, diese Landesgesetze in Geltung bleiben sollen.

In den Kreisen der Freunde des zweiten deutschen Reichskanzlers, des Grasen Caprivi, so schreibt dieMilit. Polit. Korr.", giebt man sich der Hoffnung hin. derselbe werde sich bereit- finden lassen, bei den nächsten allgemeinen Wahlen eine Kandidatur zum Reichstage anzunehmen. Gras Caprivi nimmt an der Entwickelung der politischen Dinge auch seit seinem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst den lebhaftesten Anteil.

Berlin, 24. Juni. Der Rechtsanwalt Dr. Fritz Friedmann wurde freigesprochen. Der Staatsanwalt hatte 2 Jahre Gefängnis und 3 Jahre Ehrverlust beantragt.

Der frühere Ceremonienmeister v. Kotze hat, Berliner Blättern zufolge, die über ihn wegen des Duells mit dem verstorbenen Ceremonienmeister v. Schräder verhängte Frei­heitsstrafe in Glatz angetreten. Das vom Kaiser bestätigte Urteil lautet auf 2 Jahre 3 Monate Festung.

Berlin, 22. Juni. Die Schießerei geht wieder los! Gestern kam ein Duell zwischen Angehörigen der Artillerie« und Ingenieurschule in Köln, wobei ein junger Offizier tot auf dem Platze blieb. Heute wird gemeldet: Auf dem Artillerieschießplatz in Jüter« bog hat ein Pistolenduell zwischen zwei Artillerie- Lieutenants stattgefunden in welchem der Sekonde-Lieutenant Lührung des 6. Fußartillerie- Regiments durch den Sekonde-Lieutenant Buch vom 9. Fußarkillerie-Regiment erschossen wurde.

Der Großherzog von Baden hat am letzten Sonntage bei der Einweihung eines Krieger-Denkmals wieder eine bedeutsame Rede gehalten. U. a. sagte er:Wir wollen geloben, das sestzuhalten, was gegründet ist; nicht gegen die Feinde außerhalb, sondern gegen diejenigen im Innern des deutschen Reiches wollen wir ankämpfen!"

Der badische Landtag ist nunmehr vom Großherzog durch eine Thronrede geschlossen worden, welche die bereitwillige Unterstützung der Regierung durch den Landtag besonders bei Genehmigung der Notstandsvorlage anerkennt und hervorhebt, daß die günstige Gestaltung her Reichsfinanzen eine Steuererhöhung für Baden unnötig gemacht habe. Die Regierung Halle fest an dem Gedanken einer organischen Reichs­finanzreform. Die Thronrede zählt die be­willigten Vorlagen auf und erwähnt dabei be­sonders die Biersteuer, die Reform der direkten Steuern, den Karlsruher Rheinhafen, die Her­stellung von Nebenbahnen und endlich die Aender- ung der Gemeindeordnung.

Augsburg, 23. Juni. DieAugsb. Pvstztg." meldet aus München: Die deutschen Mühlenbesitzer wollen an den Reichstag eine Petition richten, welche die Einführung einer progressiven Produklionssteuer für die größeren Betriebe bezweckt. Die Petenten sind Besitzer von kleineren Mühlen und wollen sich der erdrückenden Konkurrenz durch die Großbetriebe erwehren.

- Meseritz wird vom 23. ds. Mts berichtet: Der 30jährige Arbeiter Stepha, Wojciechowski aus Buk, der vom Meseritze Schwurgericht zum Tode verurteilt worden war ^eil er am 4. Dezember 1894 seine zwanzft Lahre ältere Ehefrau durch Erdrosselung getöle hatte, um ein achtzehnjähriges Mädchen Heiratei W können, wurde heute früh 5'/, Uhr durä en Scharfrichter Reindel-Magdeburg hingerichtet Projclechowski war dreimal zum Tode verurteil . ?/0bn. dasiReichsgericht hatte aber die beide, kstten Todesurteile aufgehoben.

Marburg, 23. Juni. In Bieber be T-tuhausen wurde der Förster Hermann vo, Wilddiebe erschossen. Als H. sich mi Kollegen auf einem Streifzuge auf Wildere traf er die beiden Brüder Sauer au hug mit einem Reh an. Bei dem Versuch

einen der Wilderer festzunehmen, zog dieser einen Revolver hervor und gab auf H. mehrere Schüsse ab, die so unglücklich trafen, daß der Beamte am nächsten Tage seinen Geist auigab. Der Thäter ist verhaftet.

Stettin, 23. Jani. Bon einem 3'//- jährigenSelbstmörder" berichten Stettiner Zeitungen. Danach löste der 3'/r Jahre alte Sohn des Tischlers Slanull in Abwesenheit der Eltern eine Gardinenschnur und hängte sich damit am Fensterkrcuz auf. Als die Eltern zurückkehrtcn, war das Kind bereits tot. Das Kind hatte vorher geäußert, es müsseein Spaß sein, wenn sich jemand aufhänge", und es be­ging die That, selbstverständlich ohne Bewußt­sein von dem, was er that

München Der Fasanenmeister in der Fasanerie Hartmannshofen bei Nymphenburg, Hr. Reindl, hatte das in der Ebene seltene Glück, einen prachtvollen Adler (Schreiadler), ein ungemein schönes Exemplar zu erlegen.

Baden Baden, 25. Juni. In Folge eines Wolkenbruchs wurde heute Nachmittag 4 Uhr der untere Teil unserer Stadl über­schwemmt. Es mußte die Feuerwehr zur Hilfeleistung alarmiert werden.

Am 24. Juni waren es 100 Jahre, seil der französische General Moreau mit 32,000 Mann bei Kehl über den Rhein rückte. Das schwäbische Heer mußte sich immer Weiler zurückziehen. Die Juliwochen brachten den Feind in den bad. und würlt. Schwarzwald. Plünderung und Brandschatzung waren seine Spuren. Die Herbslmonale (Oktober) bestimmten Moreaus bekannten Rückzug vom Bayerland durchs Höllenthal.

Kapital und Arbeit, z

Unter den Schlagworten, mit denen unsere Gesell- schasts- und Wirtschaftsordnung bekämpft wird, kehrt immer die Behauptung wieder, daß in ihr in steigendem Maße der Kapitaibesitz das Ueberwicht über die mensch­liche Arbeit gewinne und sich einen immer größern Teil an dem Reinerträge der wirtschaftlichen Unter­nehmungen aneigne. In Wirklichkeit zeigt aber die Entwicklung des letzten Menschenalters genau das ent­gegengesetzte Bild. Die Rente des Kapitals bewegt sich auf der ganzen Linie stark nach unten.

Während vor und nach dem französischen Kriege der Zinsfuß der Anleihen sich nahezu auf 5 Proz. ge­halten hatte, ist er nach der Milliardenzeit auf 4^ innerhalb eines Jahrzehntes auf 4 Proz. gefallen, und jetzt nach weitern zehn Jahren erscheint der Satz von 3V, Proz. überholt, und die Frage wird bereits er­örtert, ob nicht schon jetzt mit einem Zinssätze von 3 Proz. dauernd zu rechnen ist. Wer sein Kapital statt in sichern Papieren in Grundbesitz angelegt hat, wird an seinem Beutel dieselbe Erfahrung gemacht haben; bei denen, die gleich nach dem deutsch-französischen Kriege ihr Kapital in landwirtschaftlich auszunutzenden Grundbesitz gesteckt haben, dürfte sogar ein noch größerer Rückgang in der Rente zu verzeichnen sein.

Nehmen wir umgekehrt die Bewegung des reinen Arbeitslohnes, so sehen wir, daß in guten Zeiten, der Arbeitslohn auf einen höhern Stand gehoben, in schlechtem dagegen die Höhe des Lohnes zeitweilig gar nicht berührt, jedenfalls niemals auf die frühere Tiefe herabgedrückt wird. Und zwar hat sich diese mit nur geringen Schwankungen stetig steigernde Bewegung des Arbeitslohnes auch in der Periode ebenso stetigen Sinkens der Preise der meisten wichtigsten, Lebens­bedürfnisse fortgesetzt, so daß heute der Arbeiter auch als Konsument sich ungleich besser steht, als vor 20 Jahren.

Gilt dies von der großen Masse der Arbeiter, so trifft es in derselben Weise auch bei der höher geschätzten Arbeit zu. Wie in der Großindustrie die über das Mittelmaß hervorragende Arbeitsleistung gut entlohnt wird, so ist es auch der Fall aus dem Gebiete der geistigen Arbeit trotz der starken Ueberproduktion, die namentlich die akademischen Berufszweige bei uns aus- weisen. Die Einnahmen unserer hervorragenden Aerzte, Anwälte, Künstler, Professoren, Schriftsteller u. s. w. pflegen sehr hoch zu sein, und haben sich im Gegensätze zu dem Sinken der Rente immer noch gehoben. Dieselbe Erscheinung tritt in den erwerbenden Berusszweigen zu Tage. Wo heute im Erwerbsleben große Gewinne erzielt werden, wird man bei näherer Prüfung in den weitaus meisten Fällen als Hauptursache hervorragend tüchtige geistige Arbeit erkennen. Auch in der Land­wirtschaft sehen wir die ersten Größen die steigenden Schwierigkeiten überwinden und trotz des allgemeinen Rückganges noch Gewinne erzielen.

So zeigt sich in dem geschmähten Zeitalter des Mammonismus in Wirklichkeit auf der einen Seite ein Sinken der Rente des Kapitals und damit eine Ver­minderung seines Anteils an dem Nationaleinkommen und auf der andern Seite ein Steigen des aus der Arbeit herrührenden Einkommens und damit eine Ver­größerung ihres Anteils an dem Naitonaleinkommen. Rechnet man dazu, daß wie zahlreiche Beispiele aus dem Erwerbsleben beweisen auch heute jeder Soldat geistiger Arbeit den Marschallsstab im Tornister trägt,

so wird man anerkennen müssen, daß unser Zeitalter mit größerm Rechte das der Arbeit als das des Mam­mons genannt werden kann.

Württemberg.

Stuttgart, 25. Juni. Die von den Geschäftsleuten lang ersehnte Telephonleitung von Stuttgart nach Frankfurt ist im Bau so­weit vorgeschritten, daß nur noch die württem- bergische Verwaltung eine Strecke von ca. 2 Irm bis zur Landesgrenze nördlich von Brackenheim zu legen hat. Die Reichspostverwaltung ist mit ihrer Leitung schon ganz fertig, so daß man also die Uebergabe der neuen Telephonlkitung an den allgemeinen Betrieb im Laufe des Monats Juli sicher annehmen kann.

Die Aussichten auf eine günstige Obst­ernte verringern sich leider von Woche zu Woche. Der Sauerwurm hat dieses Frühjahr, begünstigt von einer anhaltend naßkalten Witter­ung, schwere Verheerungen angerichtet, was sich schon jetzt bei der Kirschenernte in verschiedenen Landesgegenden zeigt. Der Stand der Reben ist zwar noch immer ein vorzüglicher, aber bis zum Weinherbst ist es eben eine lange Zeit, von der man nicht weiß, was sie alles noch bringt.

Heilbronn, 23. Juni. Gestern Vor­mittag 8 Uhr begann vor der Strafkammer des kgl. Landgerichts die Verhandlung gegen Herrn Stadtschultheiß Seusferheld von Weinsderg und dessen Assistenten Strehle wegen ^un- richtiger Beurkundung. Strehle nahm in Ab­wesenheit des Stadtschultheißen 9 Fälle Sühne­versuche vor und Stadtschultheiß Seusferheld beurkundete nachher dieselben. Während deS Vormittags gelangten die beiden Angeklagten, sowie Herr Oberamtmann Zorer zur Vernehm­ung; nachmittags kam Herr Oberamtsrichter Abel aus Weinsberg, sowie noch etwa 24 Zeugen zum Verhör. Abends 8 Uhr wurde die Verhandlung auf Mittwoch vertagt. Beide Angeklagten wurden alsdann von der Anklage wegen falscher Beurkundung freigesprochen. Die kgl. Staatsanwaltschaft hat gegen den Stadtschultheißen Seusferheld 5 Monate und gegen den Assistenten 1 Monat Gefängnis beantragt.

Stuttgarter Ausstellungsbriefe.

m.

Die Osiander' sche Kunststickerei in Ravens­burg. der wir schon bei den kirchlichen Para­menten begegnet sind, nötigt uns zum zweiten Male Bewunderung ab, durch eine herrlich ge­stickte Fahne für die SängergesellschaftAkkord"; der Sänger mit der Guitarre ist ein Meister­werk. Auch ein gestickter Gobelin mit mittel­alterlichen Motiven hat uns sehr gut gefallen, weniger dagegen die Fahne des RavenSburger Liederkranzes, die Zeichnungen sind viel zu un- ruhig, namentlich das Pferd mit dem schwäch­lichen Reiter zeigt starke Verzeichnungen. Der linke Vorderhuf ist doppelt so groß als der rechte und der Kopf ist für den unförmlich starken Hals viel zu klein. Wir empfehlen der Firma die schleunigste Entfernung dieser Fahne, die ihren sonst so berechtigten Ruf beeinträchtigt. Verlach u. Wiedenmann in Stuttgart haben komplette Prunkbetten mit prachtvoll ge­stickten Uederzügen, ferner sehr hübsche Braut­ausstattungen und Leibwäsche aller Art ausge­stellt, auch eine sehr schöne Ausstattung für ein kleines Kind. Carl Prassart, Hofoer- golder in Stuttgart, zeigt neben sehr hübschen Sachen auch einen Glasschrank in Rococo mit reicher Vergoldung. Der Schrank dient zur Ausstellung von Photographien. Theodor Braun, Tapezier in Stuttgart, hat ein nied­liches Kabinel mit hübschen Polstermöbeln aus­gestellt.

Wir treten nunmehr in den Gang, der ent­lang der Lindenstraße führt und verzeichnen zu­nächst eine hübsche große Standuhr, für ein Casino rc. paffend, von Uhrmacher I. Blank in Stuttgart, daneben treffliche Intarsien und Reliefschnitzereien von Spindler u. Epple in Stuttgart gegenüber einem vornehmen Buffet­schrank von L. Baur, Möbelfabrik Biberach. G. Wölfel, Stuttgart, bringt eingelegte Ar­beit aller Art von sauberster Ausführung. Ein«