Berlin, 22 Dez. Es soll auf privatem Wege aus Friedrichsruhe die Mitteilung hierher gelangt sein, daß bei der Unterredung des Kaisers mit dem Fürsten Bismarck der Wiedereintritt des Grafen Herbert Bismarck in das preuß. Slaatsministerium erörtert worden sei.
Schon aus einer Reihe von Städten verlautet von festlichen Veranstaltungen, die zur Feier des 18, Januar, des fünfundzwanzig, jährigen Jubiläums des Gründungstagcs des deutschen Reichs vorbereitet worden. In Berlin hat der Magistrat beschlossen, am 18. Januar das Rathaus zu beflaggen, den Rathausturm zu beleuchten und von der Gallerte des Rathauses Choräle blasen zu lassen. Als Festredner eines feierlichen Kommerses wird Universitäts- Professor Dr. Kahl genannt. In Breslau hat die Stadtverwaltung die Festdorbereitung in die Hand genommen, ein Vorgehen, das sich sehr empfiehlt, da hierdurch auch jeder Schein vermieden wird, als solle das Fest einen Parteicharakter annehmen. In Nürnberg hat eine Versammlung von Angehörigen der verschiedenen politischen Richtungen unter dem Bürgermeister v. Schuh die Veranstaltung einer allgemeinen Feier beschlossen und zu diesem Behufe einen zwölfgliedrigen Ausschuß eingesetzt. Ueberall scheint das Bestreben zu herrschen, der Feier ein einfach würdiges Gepräge zu geben.
Der „Deutsche Liedcrkranz" inNew- Uork beabsichtigt zur Feier seines SOjähriges Bestehens im Jahre 1897 auf einem gemieteten Dampfer eine Europareise anzutreten. Von Genua, dem ersten Reiseziel, soll's durch Italien nach Wien, der sächsischen Schweiz, Dresden, Berlin. Leipzig. München, Stuttgart, Frank- furt, Mainz und Köln gehen, wo überall konzertiert wird. Die weitere Reise und die Rückkehr nach Amerika bleibt den einzelnen überlassen Bedeutende Preisermäßigungen sollen zahlreiche Beteiligung ermöglichen.
Das schwere Geschick einer geachteten Leipziger Familie, das sich wie ein Roman aus dem Leben anhört, wird gegenwärtig in Leipzig lebhaft besprochen. Man schreibt von dort: Ein hiesiger Bürger hatte vor einer Reihe von Jahren sich verheiratet und lebte mit seiner Frau, die er innigst liebte, sehr glücklich. Drei Kinder waren der Ehe entsprossen, da plötzlich, kurz nach der Geburt des vierten Kindes, zeigten sich bei der Frau Spuren von Trübsinn und Schwermut, die bald so Zunahmen, daß sich die Unterbringung in einer Nervenheilanstalt nötig machte. In kurzer Zeit artete die Krankheit in vollständigen Irrsinn aus. Anfangs schien zwar noch Hoffnung auf Besserung vorhanden, doch bald erklärten die Aerzte sie für unheilbar. Im Interesse seiner kleinen Kinder, die, da der Vater den größten Teil des Tages geschäftlich von Hause abwesend war, sich selbst und fremden Händen überlassen blieben, schritt der Mann nach einiger Zeit, wenn auch schweren Herzens, zu einer zweiten Ehe, nachdem er die rechtsgiltige Ehescheidung von seiner im Jrrenhause befindlichen Frau bewirkt hatte. Zehn Jahre sind inzwischen verstrichen, da langte jetzt vor wenigen Wochen ein Brief vom Direktor der Irrenanstalt an, daß sich der Zustand der Frau, deren der Ehemann stets nur noch in stiller Wehmut gedachte und die er wie eine bereits Verstorbene betrauerte, plötzlich und unerwartet gebessert habe, so daß sie bald als völlig gehellt entlassen werden könne. Die Lage des bedauernswerten Ehemannes, der auf der einen Seite die zweite Gattin, die er schätzen und achten gelernt hat, auf der anderen Seite aber die erste heißgeliebte Frau sieht, die nichts von der geschiedenen Frau weiß und sich auf die Zeit der Wiedervereinigung mit dem Gatten freut, ist natürlich furchtbar. — Wir sind, bemerkt die „Tägl. Rundjch.", natürlich nicht in der Lage, festzustellen, ob diese Darstellung in allen ihren einzelnen Punkten richtig ist: andererseits haben wir keinen Anlaß, an ihrer Möglichkeit zu zweifeln und müssen zugeven, daß das Schicksal der beteiligten Personen geradezu tragisch ist.
Bolkszählungsergebnisse. Barmen 126 502 (-j- 10254), Wesel 22 124 (-s- 1400), Harburg 42 408 (-j- 7427), Hanau 27 642
(-s- 2629), Bochum 53 322 (X 5074), Siegen 19 423 (X 2747). Hamm 28 542 (X 3900). Rostock 49 769 (-j- 5361), Aachen 110 463 (-j- 6993). Mühlhausen ,. S. 30 078 (-s- 2540). Dortmund 111 276 (-s-2I 613), Bremen 141937 (-1- 1436).
Württemberg.
Die Metzgerschast Württembergs hat eine Petition au die Kammer der Abgeordneten eingereicht um Abschaffung der F l ei sch st e u e r. Es wird gesagt, sobald diese weg'alle. werde das Fleisch billiger werden und der Fleischkonsum werde zunehmeu. Die Beibehaltung der Steuer würde den kleineren und mittleren Betrieben aus die Dauer die Existenz unmöglich machen rc.
Im vorigen Jahre verstarb zu New-Iork der Kunstmaler Alois Lang, gebürtig von Waldsee. Er wendete in seinem Testament sein beträchtliches Vermögen der Stadt Waldsee zur Unterstützung bedürftiger Bürger zu, während er seine nächsten Verwandten, abgesehen von einer Nichte, die für Lebenszeit den Zmsgenuß aus 50 000 vkL erhält, mit kleinen Legaten ab- sand. Die Erbschaft wurde durch die amerikanischen Gerichte trotz eines vom Bruder des Verstorbenen angestrengten Prozesses der Stadt Watdsce zuerkannl und durch Vermittlung des deutschen Konsuls flüssig gemacht. Am 19. ds. Mts. erhielt nun die Stadtgemeinde durch das Amtsgericht Waldsee 110 000 ausgesolgt.
Ausrand.
Die italienische Deputiertenkammer hat den neuen Afrikakredit mit gewaltiger Mehrheit genehmigt und der Regierung zugleich ihr Vertrauen in einer besonderen Tagesordnung ausgedrückt. Gestützt auf dieses Kammervotum, kann nun die Regierung Crispis energisch in Afrika Vorgehen, um den Schlag von Amboaladschi wieder wettzumachen. Ob hiezu die für Afrika bestimmten Verstärkungen genügen werden, ist freilich zweifelhaft, wird doch das Heer des Königs Menelik von Schoa in manchen Meldungen aus 100^)00 ja aus 200 000 Mann geschätzt, dann müßte Italien freilich mindestens 35000 bis 40000 Mann nach Afrika werfen.
Aurcchattenöer KetL.
So war es gekommen!
Eine Weihnachtsgeschichte.
(Schluß.)
Da war es heraus, was doch je eher, je besser, heraus mußte! Der mutigen Ilse wurde doch ein wenig schwach zu Sinn. Aber sie sah Kaltenhofs fest und unerschrocken gerade in die Augen. Hatte sie doch das Bewußtsein, ihrer Freundin zu liebe so und nicht anders handeln zu können.
Dr. Kaltenhoff's Gesicht aber hatte sich bei ihren Worten dunkelrot gefärbt und grenzenloses Erstaunen malle sich auf seinen Zügen. „Meine Frau Gemahlin?" wiederholte er in seltsam erregtem Ton, „meine Frau? Ich bin ja gar nicht vermählt! Was müssen Sie nur von mir denken! Meine Damen, ich bitte Sie dringend um Aufklärung dieses eigentümlichen Mißverständnisses." Und unsicher blickte er von einer zu andern.
„Ilse", rief Magdalene vorwurfsvoll und in höchster Verlegenheit, „wie konntest Du nur!" — Doch Ilse ließ sich nicht stören. Um Magda- lenens Ruhe Willen wollte sie den bewußten wunden Punkt ein für alle mal erledigt wissen. Allerdings war sie aus eine solche Antwort am allerwenlgstens gefaßt gewesen. So harmlos, als es ihre eigene Verlegenheit zuließ, begann sie nun dem gespannt lauschenden Mann von ihrem Bruder zu erzählen, was sie von demselben über ihn erfahren, daß er ihn sehr gut kenne, und — daß er behaupte, auch die Be- kanntschaft seiner hübschen Frau bereits gemacht zu haben. „Erklären Sie uns nun diesen Wieder- spruch zwischen jener und Ihrer Aussage, Herr Doktor!" schloß sie. „Magdalene und ich sind natürlich wie alle Evastöchter auf die Lösung sehr gespannt." — „Die ist leicht gegeben", enl- gegnete Kaltenhofs ernst. Em finsterer Schatten
lag auf seiner Stirn. „Ihr Herr Bruder, mein wertes Fräulein, hat mich mit meinem Bruder verwechselt. Ich selber kenne ihn nicht. Mein Bruder aber ist Mitglied jenes wissenschaftlichen Vereins, den sie erwähnten. Er ist Eigentümer, ich Schriftsteller unserer Zeitschrift! Seit einem Jahr ist er auch verheiratet. Weiter habe ich nichts hinzuzusügen. Ich hoffe, die Verwechslung ist genügend erklärt."
Mit innerem Frohlocken hatte Ilse bemerkt, wie es bei des Doktor letzten Worten wie Sonnenschein über Magdalenens Antlitz gezogen war, wie sie dankerfüllt und von innerer Qual befreit die großen Augen einen Augenbtick nach oben gerichtet hatte und nun wußte sie auch, daß sie jetzt überflüssig geworden, daß Magdalene ihren Beistand nicht mehr brauche. Unter dem Vorwände, sich eine Arbeit aus dem Nebenzimmer holen zu wollen, stand sie auf und verließ unbemerkt einige Minuten später die Felsing'sche Wohnung. — „Jetzt, da er frei ist, wird Alles gut werben, wenn die beiden mich los sind", lachte sie fröhlich vor sich hin. „Morgen werde ich hoffentlich etwas sehr Schönes erfahren. Denn um nichts und wieder nichts unternimmt man zur Weihnachtszeit nicht eine jo weite Reise!" — Damit eitle sie in selbstvergessener Freude über das Herzensglück ihrer Freunoin dem eigenen Vaterhauje zu.
Unterdessen Hallen sich die Beiden, bei denen Jtse's Gedanken unaufhörlich weilten, stumm, wortlos gegenübergeseffen. Mit gesenkten Wimpern saß Magdalene da und wagte sich nicht zu regen.
— Als sie dann endlich doch die Augen zu ihm aufjchlug, gewahrte sie, wie die seinen unverwandt zu ihr cherübervrannten. Verwirrt und erschreckt blickte sie zu Boden. „Magdalene!" klang eS da plötzlich von seinen Lippen, „war es das, was sie ln letzter Zeit so veränderten Tones an mich schreiben ließ?" — Sie antwortete nicht. Thränen, große Thränen traten in ihre Augen. Verschleierten Blickes sah sie zu ihm auf. — „Magdalene!" bat er noch einmal, „antworten Sie mir! Sonst muß ich gehen, muß Sie verlassen auf Nimmerwiederkehr!"
Er brauchte nicht zu gehen!
Wie es gekommen war, daß seine Lippen sie unter den süßesten Koseworten wieder und immer wieder geküßt, darauf besann sie sich später, als sie ihrer Ilse beichten sollte, vergeblich. Sie wußte nur noch, daß sie sich endlich erschreckt aus seiner Umarmung befreit und den Geliebten gebeten hatte, sie allein zu lassen. „Morgen komme ich wieder und fordere mir von Deinem Vater mein allersüßesteS Weihnachtsgeschenk!" hatte er beim Abschied siegestrunken ausgerufen. — Sein allzulange schon zurückgedrängtes Gefühl hatte wider seinen Willen die Herrschaft über den Verstand, über alle äußeren Bedenken davongetragen. Nun konnte und wollte er nicht mehr gehen, ohne sich zuvor die geliebte Braut erworben zu haben. Alles Uebrige schien ihm leicht und geringfügig gegen ihren Besitz. —
So war er also gegangen und hatte sie zurückgelassen wie eine Träumende. — Als der Kommerzienrat spät am Abend nach Hause kam, fand er sein Töchtcrlein wider Erwarten noch im Wohnzimmer seiner harrend vor. — Leuchtenden Auges ging sie dem Vater entgegen. — „Was hast Du, Kind? Wie siehst Du aus. und warum bist Du nicht schlafen gegangen?" fragte er aufs Höchste verwundert. — „Vater" , sagte sie mit vor Erregung zitternder Stimme, „ich habe ein Weihnachtsmärchen erlebt, ein wunderschönes, und konnte nicht eher zur Ruhe gehen, bis ich es Dir erzählt hätte!"
Und sie erzählte dem gespannt lauschenden Vater Alles, was ihr seit Monaten auf dem Herzen gelegen, von Anfang an, die ganze wunderbare Geschichte ihrer Bekanntschaft mit ihrem Doktor bis auf das Ereignis des eben erlebten „Weihnachtswunders", wie sie es nannte.
— Ohne sie in ihrer Beichte zu unterbrechen, hatte der Kommerzienrat zugehört. Als sie beendet hatte, kniete sie vor ihren Vater nieder, faßte seine Hände und sah bittend zu ihm empor. „Segne mich. Väterchen", flehte sie, „und sei mir nicht böse, daß ich Dir nicht schon längst mein Herz geoffenbart habe! Ich glaubte ja, eS