Aus Stadt. Bezirk und Umgebung.
Weihnachten.
Neuenbürg, 24. Dezember.
Das Wcihnachlsfest ist uns wiedergekehrr mit der Verkündigung. datz Gott sich der Mensch, heit erbarmt Hai und allem Volk Heil widerfahren ist. Die Christenschar wandelt zur Krippe von Bethlehem, um im Geiste die Geschichte za sehen, die da geschehen ist. Was ist der Sinn dieser Geschichte? Daß wir am Irdischen uns genügen lassen sollen, daß wir aut ein irdisches Paradies vor allem hoffen sollen? Vor allem aus weltliche Verbesserungen bedacht sein und das Evangelium selbst in den Dienst der Klassen kämpfe ziehen sollen? Sicher nicht, sondern daß wir den Himmel ins Herz schließen und uns für ein ewiges himmlisches Leben bereiten lassen. Dazu ist unser Herr auf die Erde gekommen, daß er die Sünder selig mache, dazu hat er gelehrt und geheilt, Leiden und Sterben auf sich genommen, datz wir neue Herzen bekommen und neue Menschen werden.
Wenn wir in unsere Zeit blicken, so kann uns oft wohl zu Mute sein, als lhäte sich vor unsern sehenden Augen ein Abgrund aus, der alles Geordnete und Bcrnünitige zu verschlingen droht. O über die großen Fortschritte, welche die Menschheit gemacht hat in ihrer Kultur! Ja wohl, wir sprechen zu einander vermittelst des Blitzes und fahren über das Weltmeer und über die Länder, ja selbst durch die Wolken im Wetteifer mit den Stürmen, den Boten Gottes. Die gewaltigen Naturkcäfte gehorchen unserm Wink; die Räder sausen, die Hämmer fallen nieder, das Gestänge und die Walzen vollziehen gehorsam die vorgeschriebenen Bewegungen und funkelnd und glänzend kommt zum Vorschein, wessen der Mensch bedarf oder was sein Herz erfreut. Wir durchbohren die Berge und füllen die Thäler aus; wir holen das Eingeweide der Erde ans Tageslicht hervor. Aber alle diese Erzeugnisse menschlicher Klugheit sind ein Segen gerade so lange, als ein geläuterter Wille sich ihrer zu verständigen Zwecken bedient; sie werden ein Fluch von tausendfacher Mächtigkeit in den Händen der Ruchlosen und Verworfenen.
Was nützt es der Welt, die äußern Verhältnisse und die Mittel zum Leben zu verbessern! Was hat sie von allen ihren Entdeckungen und Erfindungen, ihren klügtichen Veranstaltungen, um das äußere Los des Menschen zu mildern, ihre Arbeit leichter, ihren Genuß mannigfaltiger zu machen! Das Herz wird nicht satt von äußerm Genuß, und die Begierde wird nicht gestillt durch äußere Befriedigung. Schafft uns Menschen mit einem Herzen voll Liebe, und alles irdische Leben ist verklärt; das Elend selber wird mit Geduld getragen und die Arbeit mit Freudigkeit vollbracht. Habt ihr aber Menschen mit einem Herzen voll Haß und Neid, voll Tücke und Arglist, so könnt ihr erfinden, was ihr wollt; ihr könnt euch die besten gesell, schaftlichen und staatlichen Einrichtungen ausdenken, die Arbeitsmittel und Produktionsweisen ins Unglaubliche weiter vervollkommnen, irdische Güter immer noch mehr den Menschen zugänglich machen und werdet doch nichts erreicht haben, als das immer wachsende Verderben, die immer drohendere Gefahr und den immer näher rückenden Schrecken des Untergangs und der Verwesung.
Alle soziale Verbesserung scheitert an der natürlichen Sündenverderbnis und an dem fleischlichen Sinn. Mit allen möglichen Faktoren rechnen die klugen Menschen dieser Zeit; nur die Sünde bedenken sie nicht, und die macht ihnen jedes Excmpel zu nichte. Man kann den nicht zufrieden stellen, dessen Herz von giftgem Neide schwillt; man kann den nicht durch freundliches Zureden oder thätigen Liebeserweis entwaffnen, dessen Sinn durch Bosheit abgestumpft, der Liebe unempfänglich ist. Reichtümer mag die Welt erzeugen ins Unendliche; dennoch kann sie nicht aller Menschen Los gleich, nicht aller Schicksal freundlich, nicht aller Lage erwünscht gestalten. Und so wird cs sich die Welt ge- fallen lassen müssen, daß sie sich die Feinde ihrer Ordnungen, die ruchlose Zerstörung und
den verbrecherischen Wahnsinn, die giftige Tücke und die leidenschaftliche Wut in ihrem Schoße, an ihrem eigenen Busen groß zieht. Die Herzen müss-n wiedergeboren werden zur Sehnsucht nach den himmlischen Gütern, der Geist der Liebe mutz in uns einziehen, und alle Finsternis durch das Helle Licht Gottes vertrieben werden. Das ist die Predigt des Weihnachtsfestes.
Neuenbürg. 21. Dez. Es ist eine allent- halben sich mehr und mehr einbürgernde Sitte, daß die Vereine um die Weihnachtszeit ihre Christ baumfeiern veranstalten. So auch hier. Den Reigen der diesjährigen Chriftbaum feiern eröffnet? gestern abend der jüngste der hiesigen Vereine, der I ü ng li ngsvercin. Der Hintergrund des Zeichensaals im Schulgebäude war wieder in eine Bühne verwandelt worden, und der strahlende Lichterbaum, die ansprechenden Lieder und Deklamationen gaben der Feier ein weihnächtlicheS G Präge. Der Leiter des Vereins, Hr. Stadtvikar Loebich, hielt nach der Eröffnung durch den allgemeinen Gesang „Der heil'ge Christ ist kommen- eine zu Herzen geh. ende Aniprache. Die Jünglinge führten daraus eine anregende Szene „Weihnachten zu Hause- auf. Es folgte der allgemeine Gesang: „Nun danket alle Gott- und eine herzliche Aniprache des Hrn. Dekans Die nun folgende Aufführung: „Otto der Große und sein Bruder-, ging ebenfalls in schön gelungener Weise von statten. Die einzelnen Darsteller tyalcn ihr Möglichstes, sie hatten sich in ihre Aufgabe völlig vertieft. Zum Schluffe durften die jungen Leute die von Freundeshand gespendeten Gaben unter sich ver tosen und cs ging keiner dabei leer aus. Die gestrige Feier hat wieder einen schönen Beweis gegeben, wie gut die Jünglinge in diesem Verein aufgehoben sind und in welch' musterhafter und dankenswerter Weise der Leiter des Vereins seine Aufgabe erfaßt. — Auf abends 7 Uhr hatte alsdann der Turnverein seine alljährliche Weihnachtsunterhaltung mit Cyristbaumfeier und Verlosung angejetzk. Dieselbe — im Hotel zur Alten Post — war recht zahlreich besucht u. wurde durch den Männerchor mir Kreutzer's Sonntagslied: „Das ist der Tag des Herrn- eröffnet Es folgten noch weitere gut gelungene Chöre unter Leitung des Hrn. Schullehrer Vollmer, dazwischen ein humoristisches Duett: „Die Sonn tagSjäger", gegeben von Fr. Höhn u. Karcher. Was aber fters mit großem Interesse verfolgt wird und zum Beifall herausfordert, das sind die hübschen „Pyramiden". die auch gestern wieder unter der Leitung des Turnwan Titelins manche neue Gruppierungen brachten und exakt ausgeführt wurden. Der Gabentempel zwischen den beiden Christbäumcn war sehr reichhaltig; die Verlosung machte viel Freude und viel glück liche, allerdings auch manche enttäuschte Gesichter. — Am Stephansfeicrtag folgen, wie alljährlich, der Militärverein und am Neujahrstage der Liederkranz mit ihren Christbaumfeiern.
Von Herrenalb wird uns folgendes berichtet: Als Herr I E. seinen Metzelsuppe- Gästen einen Trunk im Keller holen wollte, wurde er durch ein Geräusch aufmerksam gemacht; er stellte nähere Untersuchung an und siehe da. ein gewaltiger Fuchs kam zum Vorschein. Es ist wohl anzunehmcn, daß Meister Reinecke durch einen Geflügelstall angezogen, sich zu diesem den Weg durch den Keller suchte, wo er nun selbst in die Falle geraten ist, denn H. E. schloß alsbald die Thüre ab, um die Gäste oben in der Stube herbeizuholen. Und „Alle Mann an Deck" zogen sie hinunter, um dem schlauen Tier wenn auch nach mehreren Fehlhieben den Garaus zu machen.
Calw. 21. Dezember. Die in der gem. Hygiene-Ausstellung zu Berlin ausgestellten Lungen-Balsam- und Hustenbrustbonbons, sowie Lungensyrup u. s. w. aus der Konditorei von Georg Krimmel in Calw sind auf der Münchener Ausstellung durch Diplom und eine silberne Medaille ausgezeichnet worden. Das Ehrendiplom spricht „eine besondere Anerkennug weltnützlicher Bestrebungen auf dem Gebiet der Fabrikation heilnnrkender Genußmittel- aus und es wird der Fabrikant zum Ehrenmitglied des Weltvereins ernannt.
Pforzheim. 23. Dez. Großes Aufsehen erregt hier die Verhafiung eines seither sehr angesehenen Bürgers, des Stadtrats D., welcher beschuldigt wird, ihm anverlraute Pflegschaftsgelder in ganz bedeutender Höhe (man spricht von 100 000 -M) unterschlagen zu haben. Für diese Summe soll übrigens Deckung in Liegenschaften vorhanden sein. Man wundert sich allgemein darüber, daß es dem Verhafteten überhaupt möglich war, Veruntreuungen in dieser Ausdehnung zu begehen, wenn nur einigermaßen die vorschriftsmäßige Kontrolle stattgefunden hat.
Pforzheim. 19. Dezbc. lieber eine vielleicht auch für Pforzheim empfehlenswerte Einrichtung wird aus Amerika berichtet und zwar über „weibliche Kajfirer-. Die Nachricht lautet: Auf eine eigentümliche Praxis sind in letzter Zeit die Geschäftsleute in Mo nett (Amerika) bei Einziehung ihrer Außenstände gekommen. Dieselben haben nämlich an Stelle der bisherigen Kassenboten und Hausdiener junge, hübsche Mädchen zum Einkafsieren der fälligen Gelder, namentlich der schon länger ausstehenden Beträge, angewvrbcn, und das Resultat soll ein höchst zufriedenstellendes sein.
(Pf. Beob.)
Deutsches Weich.
Wiederum ist Wei h n a ch t e n herangenaht, eine hochwillkommene erquickliche Ruhepause in dem Hasten und Drängen des Tages. Auch die Politik vermag sich dem Einflüsse des Festes nicht ganz zu entziehen, und so haben denn die zur Zeit versammelten verschiedenen Landtage und vor allem auch das Reichsparlament ihre Pforte geschlossen, um erst im neuen Jahr ihre Thätigkeit wieder aufzunehmen. Der Reichstag hat in seinem vorweihnächtigen Sessionsabschnitte der ersten Lesungen des Etats, der Novelle zum Winschastsgenossenschaftsgejetz und der die Errichtung der Handwerkerkammern und die Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbes besprechenden Entwürfe erledigt, für die kurze Zeit seines bisherigen Zusammenseins immerhin alles Mögliche. Alleroings sollte vor Weihnachten noch das Börsenreformgesetz an die Reihe kommen, daraus ist jedoch nichts mehr geworden, cs steht daher die ernte Lesung des Böisenreform- gesetzes für die am 9. Januar 1896 statifindende erste Reichstagssitzung nach den Weihnachls- ferien auf der Tagesordnung, Von den bislang in erster Lesung durchgenoüimenen Reichstagsvorlagen muß diejenige über die Errichtung von Handwerkerkammern schon jetzt als gescheitert gelten, trotz ihrer Verweisung an eine Kommission. Die genannte Vorlage hat eben im Reichstage eine derartige ungünstige Aufnahme gefunden, daß ihr Schicksal als besiegelt gelten muß; freilich dürste nach den Andeutungen des Staatssekretärs v. Bötticher in diesem Falle die Regierungsaktion zum Handwerk eine erhebliche Verzögerung erleiden.
Der Kaiser hat sein hinlänglich bekanntes Interesse an den maritimen Dingen auch in jüngster Zeit wieder durch Gespräche mit seiner Umgebung bekundet, welche, wie Berliner Meldungen besagen, der Entwickelung der deutschen Flotte namentlich im Hinblick auf die Crisis im Orient gelten. Der Monarch soll hierbei sein Bedauern darüber ausgedrückt haben, daß die deutsche Flagge in den orientalischen Gewässern ungenügend vertreten werden müßte. Im Anschlüsse hieran wird darauf hingewiesen, datz der Kaiser die im neuen Marineetat enthaltenen Mehrforderungen, betr. folgende Positionen: Ein Panzerschiff I Klasse, Ersatz „Friedrich der Große,,, zwei Kreuzer II. Kl. M. und N., sowie einen Kreuzer IV. Kl. 9-, als dringend notwendig bezeichnet habe.
Ein neuer Gesetzentwurf, welcher sich auf die Regelung des Verkehrs mit Handelsdünger-Kraftfuttermitteln und Saatgut bezieht, ist jetzt von der „Nordd.-Allg.-Ztg." veröffentlicht worden. Ob der Entwurf noch in der gegenwärtigen Session an den Reichstag gelangt, muß dahingestellt bleiben, wahrscheinlicher ist es jedoch, daß er infolge des scharfen Widerspruches, welchen er aus den Kreisen der Händler und Mühlemnteressenten erfährt, einer Umarbeitung unterzogen wird.
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