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wäre Alles zu Ende, und schweigend hoffte ich am ersten mit meinem Kummer fertig zu werden!"

Tief gerührt nahm der Vater sein Kind in seine Arme, küßte sie zärtlich und sagte:Geh nun zu Bett, mein Liebling und laß mich über das Gehörte allein Nachdenken. Noch ist mir Alles so neu und unbegreiflich. Morgen, wenn Dein Doktor kommt, will ich ihn wie ein Vater willkommen heißen. Und wenn ich ihn Deines und unseres Namens für würdig erkenne, dann werde ich Deinem Glück nicht im Wege sein, ohne auf hohen Rang oder einträgliche Stellung Gewicht zu legen. Mehr denn je will ich meinem Gott danken, daß er mich mit irdischen Gütern so reich gesegnet hat, daß ich meinem Kinde damit dienen kann, bis es Deinem Er­wählten gelungen sein wird, eine andere Be- ruisthätigkeit zu ergreifen! Aber desto größere Ansprüche mache ich auf Herz und Charakter des Mannes, dem ich mein letztes Kleinod über- lassen soll!" Unter heißen Dankesthränen küßte Magdalene ihres Vaters Hände und lief dann von Glück und Seligkeit überwältigt in ihr eigenes Zimmer hinauf.

Die Weihnachtssonne des zweiten Festtages schien schon strahlend durch die Fensterscheiben, als Magdalene erwachte. Erst gegen Morgen hatte sie, von Müdigkeit übermannt den Schlaf gefunden.Weihnachtsmärchen!" flüsterte sie, als sie zur Besinnung, zum Bewußtsein ihres jungen Glückes kam, schnell erhob sie sich, um mit ihrem Vater zusammen das Frühstück ein- zunehmcn. Was bei demselben den Hauptstoff ihrer Unterhaltung bildete, ist unschwer zu er­raten.

H- *

Im Laufe des Vormittags ließ sich Doktor Gilbert Kaltenhofs bei dem Kommerzienrat Felsing melden. Ec wurde vorgelaffen. Nicht genug konnte sich die alte Brigitte darüber ver­wundern. was wohl ihr Herr mit dem Fremden, dergestern schon einmal dagewesen", zu reden haben mochte. Denn er hatte den Befehl ge­geben, keinen anderen Besuch, der ihn etwa noch zu sprechen wünschen sollte, vorzulaffen. Schließlich mußte auch noch ein neues Gedeck auf die Mittagstafel gelegt werden.Der fremde Herr bliebe zu Tische da", hieß es. Sonder- bar! Kopfschüttelnd begab sich die alte treue Seele in die Küche, um noch Einiges, "den uner­warteten Gast betreffend, anzuordnen.

Der Kommerzienrat Felsing hatte die Hände der beiden Liebenden segnend in einander gelegt, und Magdalene durste dem Geliebten vor des Vaters Augen den Berlobungskuß geben. Leiden­schaftlich drückte Kaltenhofs das schöne Mädchen an sein Herz und nannte sie immer wieder seine Christrose, sein Weihnachtsglück! Am Abend kam Ilse, durch ein verheißungsvolles, kleines Billet von Magdalene zu kommen gebeten. Hand in Hand traten dem jungen Mädchen die beiden Verlobten entgegen. Da gab es ein Umarmen, Händedrücken und Glückwünschen.

Kinder", ries Ilse mit vor Freude strahlen­dem Gesicht,laßt mich die Dritte in Eurem Bunde sein! Mir habt Ihr eigentlich doch Euer schnelles Finden allein zu danken. Denn hätte ich damals nicht jene Geschichte von der hübschen, brünetten Frau erzählt, wer weiß, ob sich der Herr Doktor dann schon so bald auf die Reise nach Br ... . gemacht haben würde!" Fröhlich wurde ihr Recht gegeben, und als die vier glücklichen Menschen später am Abend bei einer herrlich nach Mai und Wald duftenden Bowle beisammen saßen, hielt der Bräutigam eine begeisterte Rede auf eine gewisse junge Dame, die in guter treuer Freundschaft als gute Fee über dem Liebesglück seines Herzens ge­schwebt hätte!

Als Ilse gegangen war, saß Dr. Kaltenhofs noch einehalbe Stunde", die der Vater in An­betracht der schon morgen stattfindenden Abreise seines Schwiegersohnes bewilligt hatte, mit Magdalene allein. Sie hatten sich beide so viel zu sagen. Vergangenheit und Zukunft bildete einen unerschöpflichen Stoff zu neuen Fragen, Antworten und Plänen. Dann waren sie still geworden. Träumerisch lehnte Magdalen- en'S blondes Haupt an der Schulter ihres Ber-

lobten. Ihre großen Augen blickten seltsam glänzend, sinnend in die verlöschenden Flammen des Kamins.Was denkt mein Lieb?" fragte er zärtlich.Ach, ich dachte an mein unvollendet gebliebenes Weihnachtsmärchen," erwiderte sie leise.Das werde ich nun doch zu Ende schreiben: Der sterbende Tannenbaum soll die Geschichte von dem Liebesglück zweier Menschenkinder fertig erzählen. Die Geschichte soll so schön, so schön werden!"Märchenkönigin!" flüsterte er. und in seinen Augen flammte es von heißer Liebe und Bewunderung. Mit starkem Arm riß er die selig lächelnde Magdalene an sein Herz und bedeckte ihr Augen. Stirn und Mund mit seinen

glühenden Küssen!

* *

*

Der Christbaum ober, der in der dunklen Zimmermitte gestanden und Zeuge von Allem gewesen, was sich zugetragen hatte um die heilige Weihnachtszeit im Felsing'schen Hause, dehnte seine reich geschmückten Zweige, daß sie leise knisterten und rauschten. Das goldne Engelshaar über seinem schwarzgrünen Geäst zitterte geheim- nisvoll, und von den saftigen Nadeln ging ein starkes, würziges Düsten durch den stillen Raum.

Weihnachtszauber nennen es die Dichter.

In der Weih» ach tszeit möchten wir bei den Lesern unseres Blattes ein gutes Wort ein- legen für die Brie flräger und die Po st b o t.e n. Diese Angestellten und Bediensteten kommen im Lauf eines Jahres in jo häufige Beziehungen zu Haus und Familie, von der pünktlichen Besorgung der Briese, Zeitungen und Packele hängt jo manches ab, daß eine Aufmunterung zu freudiger Erfüllung ihrer Pflichten in Form einer kleinen Weihnachts- oder Neujahrsgabe wohl angebracht erscheinen dürfte, zudem wenn man bedenkt, daß der Dienst dieser Leute kein ) leichter ist und insbesondere im Winter vielfach im Kampf mit der Witterung bewältigt werden muß.

DieUlmer Schnellpost" richtet folgende beherzigenswerte poetische Mahnung an ihre Leser:

Erfüllet eure Bürgerpflicht.

Auch wenn es schneit und friert,

Vergeht das Aschestreuen nicht,

Sonst werdet ihr notiert.

Der Paragraph steht nicht zum Spaß,

In eurem Ortsstatut,

Und wer schon auf dem Pflaster saß,

Der weiß, wie weh es thut.

(Eine ergötzliche Hochzeitsreise.) Ein Pracht­exemplar von Ehemann ist Charles Gallais aus Bordeaux Wenn er seine Frau auch nicht gerade auf den Händen trägt, so zieht er sie doch eigenhändig in einem schön gepolsterten Wagen mit sich durch die Welt Herr und Frau Gallais befinden sich nämlich zur Zeit aus der Hochzeitsreise. Er zählt 20, sie 18 Jahre. Da er ein gewaltiger Fußgänger ist, sie aber nicht, so haben sie sich schon in Paris einen gedeckten Handwagen angeschafft, in welchem die junge Ehefrau, wenn sie vom Wandern müde ist, ge­mütlich Platz nimmt. In Italien hat man dem seltsamen Pärchen überall festlichen Empfang be- reitet. In Verona war die Neugier so hoch­gradig. daß der Impresario des Ristoritheaters das Ehepaar mit seinem Wogen auf der Bühne auftreten ließ und dadurch ein ausverkauftes Haus erzielte, was ihm mit der OperMephisto­pheles" von Boito nicht gelungen war. Mon­sieur Gallais fährt jetzt seine Frau nach Venedig, von dort soll die Fahrt weitergehen nach Kon­stantinopel, Persien, Indien und China Im Ganzen hat das Pärchen 2 Jahre für die Hoch­zeitsreise angesctzt. Der Handwagen ist denn auch darauf eingerichtet, daß nötigenfalls noch 2 Kinder in ihm Platz finden können. Hoffent­lich bekommt Madame Gallais keine Zwillinge oder Drillinge, sonst würde der Ehemann mit der linken Hand den Kinderwagen schieben, mit der rechten den Gattinwagen ziehen müssen, was ihm auf die Dauer doch wohl die ganze Hoch­zeitsreise verderben würde.

Eine drollige Verwechslung rief letzte Woche in Berlin unter den Passagieren

eines Pferdebahnwagens größe Heiterkeit hervor. Am Potsdamer Platz stieg ein Herr ein, der offenbar sehr kurzsichtig war. Er schob die an- gelaufene Brille hoch und lastete sich vorsichtig nach einem leeren Platz. Hier nahm er die Brille ab, zog aus der Tasche ein sorgfältig zu- sammengelegtes Tuch und putzte mit dem weißen Linnen die Brillengläser. Plötzlich fingen die Mitfahrenden zu lachen an und blickten alle höchst belustigt auf seine Knie. Als er dann selbst hinsah, stimmte er in das Lachen ein. Da lag sorgfältig ausgebreitet ein spitzenbesetztes. Kinderhemdchen. Er hatte in der Eile aus dem Wäscheschrank statt eines Taschentuchs ein Hemdchen seines Jüngsten erwischt.

(Armer Mozart!) Frau: Siehst Du, das ist der große Mozart, dessen Stücke ich so oft spiele! Mann (brummend): Und so einem Kerl setzen sie noch ein Denkmal! (Mißver­ständnis.) Ein Fräulein wird auf dem Ball ohnmächtig und sinkt auf das Svpha; ein Tänzer beeilt sich, ihr beizuspringen.Was haben Sie, mein Fräulein!" ruft er besorgt.Jetzt 80 000 Franken; später 100000", lispelt sie mit leiser Stimme.

(Galant) Junge Dame (hoch zu Roß); O Gott! Mein Pierb will mit mir durchgehen!" Leutnant (Begleiter der Dame):Kein Wun­der, mein gnädiges Fräulein! Wer möchte das wohl nicht?"

Telegramme.

Ziegelbrücke (Kanton Glarus), 23. Dez. Heute früh brannte die Spinnerei der Gebrüder Jenny fast vollständig nieder. 50 000 Spindeln find zerstört. Der Schaden beträgt ungefähr eine Million Franken.

Ostende, 23. Dez. Der belgische Post­dampferFlandre", der den Dienst zwischen Dover und Ostende versteht, traf heute Nacht 2 Uhr hier ein. Er hat auf der Fahrt die SchaluppeHelene 7", dem Rheeder Claens ge­hörig, welche keine Lichter führte, in den Grund gebohrt. Sechs Leute sind ertrunken, nur ein Schiffsjunge wurde gerettet.

Paris, 23. Dez. Der Polizeikommissar Cochesert hat im Schlosse Aussig, dessen Besitzerin eine Freundin Artons -ist, zahlreiche Schriftstücke, angeblich Panamapapiere, gefunden und beschlag­nahmt. Ein Teil der Papiere war im Schloß­park ein Meter tief in einer Kiste vergraben. (Wenn das wahr ist eine schöne Bescheerung für die Panamisten.)

New York, 23. Dez. In deu meisten Kirchen der Bereinigten Staaten wurde gestern Predigten gegen den Krieg gehalten. Eine Ge­meindeversammlung der Plymouthbrüder nahm die friedensfreundlichen Worte des Predigers mit lautem Beifall auf.

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Redaktion, Druck und Verlag von T. Meehin Neuenbürg.